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In Gen 19 führen die Engel Lot und seine Familie aus der zur Vernichtung bestimmten Stadt Sodom und fordern ihn auf, sich rasch in Sicherheit zu bringen und sich nicht umzusehen (V. 17). So gelangen die Lots nach Zoar. Gott aber lässt Feuer und Schwefel vom Himmel regnen und zerstört die ganze Gegend um Sodom und Gomorrha. „Aber Lots Frau blickte zurück und wurde zur Salzsäule.“ So oder so ähnlich heißt es in V. 26.
Tatsächlich steht im masoretischen Text aber „seine (Lots) Frau schaute מֵאַחֲרָיו me-ʾaḥarā(j)w, das heißt nach Reiner-Friedemann Edels Präparation zur Stelle „von hinter ihm (Lot), hinter ihm weg“. Man würde אַחֲרֶיהָ ʾaḥaræ̂hā „hinter sich“ erwarten (vgl. V. 17 אַחֲרֶיךָ ʾaḥaræ̂kā „hinter dich“), und das wird wohl auch gemeint sein. So haben es auch die Übersetzer seit der LXX (εἰς τὰ ὀπίσω „nach hinten“) verstanden. August Dillmann in seinem Genesis-Kommentar zur Stelle erklärt: „schaute sein Weib von hinter ihm weg] d. h. sie gieng nach Ṣoar hinter Loṭ her, sah sich aber aus weibl. Neugierde einmal um“. Von der Reihenfolge der Ereignisse muss V. 26 wohl vor V. 23 gedacht werden; Lot kommt ohne seine Frau nach Zoar.
Auch die sprichwörtliche Salzsäule verdankt sich der LXX: ἐγένετο στήλη ἁλός „sie wurde eine Salzsäule“ (vgl. auch Sap 10,7). Das hebr. נְצִיב neṣîb heißt sonst nirgends „Säule“, sondern „Statthalter, Vogt; Wachposten, Besatzung“ (1Sam 10,5; 13,3f; 2Sam 8,6. 14; 1Kön 4,19; 1Chr 11,16; 18,13; 2Chr 8,10; 17,2; v. נצב nṣb Hi. „hinstellen; einsetzen“). Wörtlich wird Lots Frau also vielleicht zu einem „Wachposten aus Salz“. Ganz gut trifft es daher die Vulg.: versa est in statuam salis „sie wurde in eine Salzstatue verwandelt“. Der semantische Unterschied ist zugegebenermaßen bedeutungslos.
Zum Sachlichen: Menschen verwandeln sich nicht buchstäblich in Natriumchlorid. Das ganze erinnert an die Sage von der Frau Hitt, einem Gipfel des Karwendelgebirges. Der Sage nach war Frau Hitt eine um ihrer Hartherzigkeit willen zu Stein verwandelte Riesenkönigin. Die durch Wind und Sonneneinstrahlung entstehenden pittoresken Gebilde aus Steinsalz am Südufer des Toten Meeres mochten zu mancherlei phantastischer Spekulation Anlass geben. Die Stuttgarter Erklärungsbibel drückt es sehr diplomatisch aus: „Am Südwestende des Toten Meeres findet man noch heute Steinsalzsäulen, die durch Erosion entstehen und an das Schicksal von Lots Frau erinnern.“ Was immer genau mit Lots Frau passiert ist, die Salzstatuen der Gegend mögen als Warnung dienen, was geschieht, wenn man Gottes Anweisung zum Trotz zurückblickt. In Lk 17,31f gebraucht Jesus das Beispiel von Lots Frau, um davor zu warnen, bei der Wiederkunft des Menschensohns noch ein Stück seines alten Lebens retten zu wollen.
Heute heißen zwei Gesteinsformationen der Gegend Lots Frau, ein großes kantiges Gebilde im har Sedom (Mount Sodom, arab. ǧebel Usdum) im Südwesten des Toten Meeres in Israel, und eine Felsnadel auf der gegenüberliegenden Seite des Toten Meeres in der Nähe des sog. Lot-Heiligtums in Jordanien.
Die Passage 1Sam 13,19-21 erklärt, warum es zu Beginn von Sauls Königtum kaum Waffen in Israel gab: die Israeliten hatten keine Schmiede. Wenn sie ihre metallenen landwirtschaftlichen Geräte reparieren lassen wollten, mussten sie zu den Philistern gehen. V. 21 lautet:
Masoret. Text (MT) | וְהָיְתָה הַפְּצִירָה פִים לַמַּחֲרֵשֹׁת וְלָאֵתִים וְלִשְׁלֹשׁ קִלְּשֹׁון וּלְהַקַּרְדֻּמִּים וּלְהַצִּיב הַדָּרְבָן | Und das Schärfen (oder: die Gebühr) war ein Pim für die Pflugscharen und für die Hacken und für Dreizacke und für die Äxte und für das Einsetzen (oder: Gerademachen?) des Ochsenstachels. |
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LXX | καὶ ἦν ὁ τρυγητὸς ἕτοιμος τοῦ θερίζειν· τὰ δὲ σκεύη ἦν τρεῖς σίκλοι εἰς τὸν ὀδόντα, καὶ τῇ ἀξίνῃ καὶ τῷ δρεπάνῳ ὑπόστασις ἦν ἡ αὐτή. | Und es war die Weinlese bereit zum Ernten; die Geräte waren drei Schekel auf den Zahn (?), und für die Axt und für die Sichel war die Grundlage (?) dieselbe. |
Targum Jonathan (TgJ) | וְהָוֵי לְהוֹן שוֹפִינָא לְחָרָפָא בֵיה פְגִימַת כָל מָן דְבַרזַל לְעַשפַיָה וֻלסִכַת פַדָנַיָא וְלִמצִלַת קָצְרַיָא דְלֵיה (דְלַה) תְלָת שִנִין (שִנַיִן) וֻלכֻלבַיָא וֻלאַנָצָא (ולאפצא, ולאנצבא) זְקַת | Und sie hatten eine Feile, um damit die Stumpfheit jeden Gerätes aus Eisen zu schärfen: für die Beile und für die Pflugscharen und für die Walkergabeln und für seine drei Zähne und für die Äxte, und um den Stachel zu schärfen. |
Peschitta | ܘܗܘܐ ܫܘܦܝܢܐ ܕܦܬܐ ܠܡܓܠܐ ܘܠܣܟܬܐ ܘܠܐܒܘܬܐ ܘܠܟܘܠܒܐ ܘܠܩܝܡܬܐ ܕܡܣܣܐ܂ | Und es gab eine breite Feile für die Sichel und für die Pflugschar und für den Stachel und für die Axt und für den Schaft des Ochsenstachels. |
Vulgata | retunsae itaque erant acies vomerum et ligonum et tridentum et securium usque ad stimulum corrigendum. | Daher waren die Schneiden der Pflugscharen und Hacken und Dreizacke und Äxte bis zum geradezurichtenden Stachel abgestumpft. |
King James Version (KJV) | Yet they had a file for the mattocks, and for the coulters, and for the forks, and for the axes, and to sharpen the goads. | Jedoch hatten sie eine Feile für die Hacken und für die Pflugscharen und für die Gabeln und für die Äxte und um die Ochsenstacheln zu schärfen. |
Luther 1545 | Vnd die schneiten an den sensen / vnd hawen vnd gabbeln vnd beilen waren abgeerbeitet / vnd die stachel stumpff worden. |
Die Stelle ist ein Nest von hapax legomena, also Wörtern, die nur hier vorkommen. Klar ist, dass der Text eine Aufzählung landwirtschaftlicher Geräte enthält. פִּים darf inzwischen als geklärt betrachtet werden, bei פְּצִירָה können wir nur raten, קִלְּשֹׁון bleibt rätselhaft. Ein Problem für sich ist die Frage, welcher hebr. Text der LXX zugrundelag und was die Übersetzung bedeuten soll.
In 2Sam 5,22-25 (1Chr 14,13-16) wird von einem Feldzug der Philister gegen die Israeliten unter König David berichtet. Gott weist David an, sich den Philistern nicht frontal entgegenzustellen, sondern sich in einem Bakagehölz zu verstecken und den Feind von hinten anzugreifen. Im Hebr. steht einfach die Mehrzahl von Baka („von den Baka her“ usw.), sodass wir nicht wissen, ob das ein Gebüsch ist, ob es Bäume sind oder was sonst.
בָּכָא bākâ (vielleicht zu בכה bkh „weinen“, ar. بَكَأَ bakaʾa „träufeln“), vgl. näg. bꜣkꜣ (Erman/Grapow transkribieren bki͗, Gesenius17 bikaʾâ, Gesenius18 b-k-ꜣ) Art Baum in Syrien (wohl kanaanit. Lehnwort), ar. بَكُأٌ bakuʾun ebenfalls unbestimmbar. Wegen der Herleitung von „weinen, tropfen“ denken manche Ausleger an eine den Balsambaumgewächsen (Commiphora myrrha, Commiphora opobalsamum u.a.) ähnliche Pflanze. Die Balsambaumgewächse selber sind in Palästina nicht heimisch. Erman/Grapow geben das hebr. Wort mit „Terebinthe“ wieder. Wir wissen nicht, welches Gewächs gemeint ist.
2Sam 12,26-31 berichtet vom Krieg Davids gegen die Ammoniter, von der Eroberung ihrer Hauptstadt Rabba und V. 31 von der Behandlung der Einwohner der Stadt. Luther hat diesen Vers so übersetzt (Ausg. von 1545):
Aber das Volck drinnen füret er eraus / und legt sie unter eisern segen und zacken / und eisern keile / und verbrand sie in Zigelöfen / So thet er allen Stedten der kinder Ammon.
(Digitalisat auf zeno.org)
Die Menschen werden zerstückelt und verbrannt? Ein Genozid also, der, wenn wohl nicht quantitativ so doch qualitativ mit dem Holocaust verglichen werden kann? Der masoretische Text sagt:
וְאֶת־הָעָם אֲשֶׁר־בָּהּ הֹוצִיא וַיָּשֶׂם בַּמְּגֵרָה וּבַחֲרִצֵי הַבַּרְזֶל וּֽבְמַגְזְרֹת הַבַּרְזֶל וְהֶעֱבִיר אֹותָם בַּמַּלְכֶּן וְכֵן יַעֲשֶׂה לְכֹל עָרֵי בְנֵי־עַמֹּון | Und das Volk, das in ihr [der Stadt] (war), führte er [David] heraus. Und er stellte sie an die Säge und an die eisernen Pickel (?) und an die eisernen Äxte und führte sie an die Ziegelform. Und so machte er (es) mit allen Städten der Ammoniter. |
Das Verbum שׂים śjm bedeutet „setzen, stellen, legen“, die Präp. בְּ be „in, an, auf, unter, durch, mit“. Vgl. 1Sam 8,11: אֶת־בְּנֵיכֶם יִקָּח וְשָׂם לֹו בְּמֶרְכַּבְתֹּו וּבְפָרָשָׁיו וְרָצוּ לִפְנֵי מֶרְכַּבְתֹּו „eure Söhne wird er [der König] nehmen, damit er (sie) sich an seinen Wagen stellt und an seine Pferde(gespanne), damit sie vor seinem Wagen (her)laufen“. śjm be bedeutet hier also „einsetzen bei/für etw.“. Für „unter“ würde man eher die Präp. תַּחַת taḥat erwarten wie in Gen 24,2: שִׂים־נָא יָדְךָ תַּחַת יְרֵכִי „lege doch deine Hand unter meine Hüfte“.
David macht die Ammoniter also zu Arbeitssklaven. Sie müssen Steine schneiden, Bäume fällen, Ziegel streichen (diese wurden an der Luft getrocknet, nicht gebrannt). Versklavung war in der Antike das übliche Schicksal der Einwohner von im Krieg eroberten Städten. Obwohl auch das Töten aller Einwohner vorkam. Wie kommt Luther zu seiner Übersetzung? Vielleicht war hier der Paralleltext in 1Chr 20,3 der Ausgangspunkt. Den übersetzt Luther so (Kap. 20 ist bei ihm als Kap. 21 gezählt):
Aber das volck drinnen füret er er aus / und teilet sie mit Segen / und eisern Hacken und Keilen / Also thet David allen Stedten der kinder Ammon /
(Digitalisat auf zeno.org)
Der masoretische Text dazu lautet:
וְאֶת־הָעָם אֲשֶׁר־בָּהּ הֹוצִיא וַיָּשַׂר בַּמְּגֵרָה וּבַחֲרִיצֵי הַבַּרְזֶל וּבַמְּגֵרֹות וְכֵן יַעֲשֶׂה דָוִיד לְכֹל עָרֵי בְנֵי־עַמֹּון | Und das Volk, das in ihr (war), führte er heraus. Und er zersägte (sie) (od. er ließ (sie) sägen?) mit der Säge und mit den eisernen Pickeln und mit den Äxten. Und so machte David (es) mit allen Städten der Ammoniter. |
Tatsächlich ist unklar, woran der Chronist hier denkt. Das hapax legomenon śwr bedeutet wohl, wie der Vergleich mit ar. وشر wašara, äth. ወሠረ waśara, äg. wśj nahelegt, „sägen“. Aber ist die Form וַיָּשַׂר wajjāśar als Qal „er sägte“ zu verstehen oder doch als Hifʿil „er machte/ließ sägen“? Oder liegt, wie die BHS meint, eine Verschreibung für das וַיָּשֶׂם wajjāśæm „er setzte, stellte“ aus 2Sam 12,31 vor? Letzteres scheint das überwiegende Verständnis moderner Übersetzer zu sein. Die LXX hat sich für ersteres entschieden:
καὶ τὸν λαὸν τὸν ἐν αὐτῇ ἐξήγαγεν καὶ διέπρισεν πρίοσιν καὶ ἐν σκεπάρνοις σιδηροῖς· καὶ οὕτως ἐποίησεν Δαυιδ τοῖς πᾶσιν υἱοῖς Αμμων. | Und das Volk in ihr führte er heraus, und er zersägte (sie) mit Sägen und in/mit eisernen Äxten; und so machte (es) David mit allen Ammonitern. |
Auch der Targum zum 1Chr ist wohl so zu verstehen (Quelle: CAL):
וית עמא דיבה אגלי ומסאר יתהון במסארין ובמוריגי סיפורין דפרזלא והכדין עבד דוד לכל קרוי בני עמון | Und das Volk in ihr führte er in die Verbannung und übergab sie an (die) Sägen und an (die) Dreschschlitten von eisernen Spitzen. Und so machte David (es) mit allen Städten der Ammoniter. |
Geradezu blutrünstig die Wiedergabe der Vulgata:
populum autem, qui erat in ea, eduxit, et fecit super eos tribulas et trahas et ferrata carpenta transire, ita ut dissicarentur et contererentur. sic fecit David cunctis urbibus filiorum Ammon. | Das Volk, aber das in ihr war, führte er heraus, und er ließ über sie Dreschschlitten und Walzen und eiserne (od. eisenbeschlagene) Wagen hinübergehen, so dass sie zerschnitten und zerstückelt wurden. So machte (es) David mit allen Städten der Ammoniter. |
Die Vulgata hat diese Auffassung auch für 2Sam 12,31 übernommen:
populum quoque eius adducens serravit et circumegit super eos ferrata carpenta divisitque cultris et transduxit in typo laterum. sic fecit universis civitatibus filiorum Ammon. | Auch ihr Volk führte er herzu und (zer)sägte (sie) und er führte über ihnen eiserne Wagen herum und zerteilte sie mit Messern und führte (sie) hinüber in/an eine Ziegelform. So machte er (es) mit allen Städten der Ammoniter. |
Eine solche Variante des Ereignisses entspricht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der historischen Wirklichkeit. Zwar kamen auch in der Antike Kriegsgräuel vor. Aber diese Art der Behandlung aller Bewohner ammonitischer Städte wäre, so zynisch das klingen mag, viel zu aufwendig gewesen. Der Holocaust der NS-Zeit war erst durch die Industrialisierung möglich. Es wird aber deutlich, dass sich Luther bei seinem Textverständnis an dieser Stelle stark von der Vulgata hat leiten lassen.
חַכְמֹות נָשִׁים בָּנְתָה בֵיתָהּ וְאִוֶּלֶת בְּיָדֶיהָ תֶהֶרְסֶנּוּ׃ | Weise unter Frauen baut ihr Haus; aber Torheit reißt es nieder mit ihren eigenen Händen. |
Der masoretische Text von Spr 14,1 ist grammatikalisch falsch: Das Subjekt steht in der Mehrzahl („Weise unter [den] Frauen“), das Prädikat in der Einzahl („[sie] baut, hat gebaut“). Mit großer Wahrscheinlichkeit ist das erste Wort nicht חַכְמֹות ḥakmôt, der cstr. Pl. des Adjektivs, sondern das Substantiv חָכְמֹות ḥŏkmôt „Weisheit“. So übersetzen denn auch Luther, Elberfelder, Einheitsübersetzung.
Luther 2017 | Die Weisheit der Frauen baut ihr Haus; aber ihre Torheit reißt's nieder mit eigenen Händen. |
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Elberfelder 2001 | Die Weisheit der Frauen baut ihr Haus, aber die Narrheit reißt es mit eigenen Händen nieder. |
Einheitsübersetzung 2016 | Die Weisheit der Frauen hat ihr Haus gebaut, die Torheit reißt es nieder mit eigenen Händen. |
Gute Nachricht 1992 | Eine kluge Frau baut Haus und Familie auf, die unverständige reißt alles nieder. |
Der zweite Teil des Verses lautet: „Und Torheit reißt es nieder […]“. Er enthält keinen Hinweis auf Frauen. Manche Ausleger streichen daher die „Frauen“ aus der ersten Hälfte. Der Sinn wäre dann: Weisheit (jede, nicht nur von Frauen) baut auf, Torheit zerstört. (Allerdings habe ich keine Übersetzung gefunden, die so wiedergibt.) Andere verstehen es offenbar so, dass in der zweiten Hälfte sinngemäß die Torheit der Frauen gemeint ist. So ist wohl Luthers „ihre Torheit“ entstanden. Wieder andere lassen es einfach offen. Die Einheitsübersetzung 2006 hat „Frau Weisheit“. Wie das zustandekommt, weiß ich nicht.
וְאַתָּה בֵּית־לֶחֶם אֶפְרָתָה צָעִיר לִהְיֹות בְּאַלְפֵי יְהוּדָה Und du, Bethlehem Efrata, [zwar] (zu) klein, um in den Tausendschaften Judas zu sein: מִמְּךָ לִי יֵצֵא לִהְיֹות מֹושֵׁל בְּיִשְׂרָאֵל [aber] aus dir stammt mir (der), der Herrscher in Israel sein soll, וּמֹוצָאֹתָיו מִקֶּדֶם מִימֵי עֹולָם׃ und seine Ursprünge (sind) von Alters her, von den Tagen der Vorzeit.
אֶפְרָת ʾæprāt ist in 1Chr 2,19 der Name der zweiten Frau Kalebs (der dem Stamm Juda angehört), in 1Chr 2,50 und 4,4 heißt sie אֶפְרָ֫תָה ʾæprā́tâ. Problematisch ist 1Chr 2,24, wo es nach dem masoret. Text heißt, Hezron sei gestorben בְּכָלֵב אֶפְרָתָה „in Kaleb-Efráta“. Viele Übersetzungen fügen nach der LXX (ἦλθον Χαλεβ εἰς Ἐφραθα) ein Aleph ein und lesen בָּא כָלֵב אֶפְרָתָה „Kaleb ging nach/zu Efráta“ – ein Ortsname in der LXX, Elberfelder, BasisBibel, ein Personenname in der Einheitsübers., Guten Nachricht, Luther 2017). Hier sieht man das Changieren des Namens zwischen einem Personennamen und einem Ortsnamen. Als Ortsnamen finden wir Efráta (für Bethlehem) dann auch in Gen 35,16.19; Gen 48,7; Ruth 4,11; Ps 132,6; in der LXX auch noch Jos 15,59b (Θεκω καὶ Ἐφραθα αὕτη ἐστὶν Βηθλεεμ „Theko und Efrata, dies ist Bethlehem“). Nach Gesenius18 ist Efrata ein (nach dem Namen der Mutter genannter?) kalibbitischer Stammesteil, dessen Name dann auch auf den Ort, wo dieses Geschlecht beheimatet war, überging. (Beim in der Gen genannten Efrata vermuten Lexikographen, dass ursprünglich ein weiter nördlich gelegener Ort gemeint sein könnte.)
אֶלֶף ʾælæp̱ (Pl. אֲלָפִים ʾalāpîm, cstr. אַלְפֵי ʾalpê) heißt „tausend“, als Subst. offenbar „Tausendschaft“ im Sinne eines größeren Personenverbands, „Geschlecht, Sippe, Stamm“ (vgl. lat. centuria „Hundertschaft, Kompanie“ von centum „hundert“, arab. عشيرة ʿašîra „Stamm“ von عشر ʿašr „zehn“). Hier und wohl in 1Sam 23,23 ist es in geographischem Sinn gemeint. Gesenius hatte es 1810 erklärt als „Haupt-, Distriktsort“, der jeder ʾælæp̱ „Tausendschaft, Sippe“ bei der Landverteilung als Haupt- oder Familiensitz zugewiesen wurde. Davon ist man natürlich abgekommen, da man die Landnahme nicht mehr für historisch hält. Aber bedeutungsmäßig muss es wohl in diese Richtung gehen.
Jesu Muttersprache war palästinisches Aramäisch in galiläischem Dialekt. Ich vermute, dass er auch ein wenig Griechisch konnte. Denn es war damals so allgegenwärtig wie heute bei uns das Englische.
Jesus ist in Nazareth aufgewachsen, das zu seiner Zeit ein kleines Kaff mit ein paar hundert Einwohnern war. Ich bezweifle, dass es hier für einen Bauhandwerker das ganze Jahr über genügend Arbeit gab. Jesus wird deshalb wohl öfter auf Montage im nur wenige Kilometer entfernten Sepphoris bzw. später im eine Tagesreise entfernten Tiberias gewesen sein. Sepphoris war bald nach Jesu Geburt vom damaligen Statthalter von Syrien, P. Quinctilius Varus, zerstört worden. Herodes Antipas ließ die Stadt als Residenz neu aufbauen, ehe er 17 n.Chr. mit dem Bau von Tiberias begann. Beide Städte wurden in heidnisch-hellenistischer Manier erbaut und man darf annehmen, dass hier auch viel Griechisch, die Sprache der Herrschaftseliten, gesprochen wurde. Jesus konnte offenbar genug Griechisch, um sich mit Pontius Pilatus unterhalten zu können. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Pilatus um so einer Petitesse willen, wie es der Prozess gegen diesen den Sadduzäern verhassten Galiläer war, einen Dolmetscher hinzugezogen hätte. Wer nicht Griechisch konnte, hatte im Umgang mit den Herrschenden Pech gehabt.
Stellen wie Lk 4,16-21 legen nahe, dass Jesus auch des Hebräischen soweit mächtig war, dass er das AT im Original verstand. Doch so wie mir trotz Kenntnis der biblischen Sprachen der Bibeltext in der Übersetzung Luthers geläufig ist (und ich den Wortlaut des Originals nachschlagen muss), wird wohl auch Jesus seine Bibel eher auf Aramäisch geläufig gewesen sein als auf Hebräisch. Das ergibt sich m.E. auch aus dem Ps 22, den Jesus am Kreuz gebetet hat.
Ich kann daher Dalman nicht zustimmen, wenn er behauptet, es sei „bei einem Bibelwort ohne dies das Nächstliegende, daß der ganze Ruf hebräisch erging und also Ps. 22,2 in der Urform wiedergab“.
Auch die Vulgata hat sabacthani. Doch Erasmus hat in der lat. Übersetzung, die er seiner ersten Ausgabe des griech. Textes (dem Novum instrumentum omne) begegeben hat, in Mt 27 azabthani (während er Mk 15 sabatani hat). Er nahm vielleicht an, Mt lasse Jesus auf Hebr. beten, und hat daher in der Übersetzung nach dem Hebr. verbessert. (Den Codex Bezae hat Erasmus damals noch nicht gekannt.) Luthers asabthani (an beiden Stellen!) ist vermutlich eine Übernahme der erasmischen Mt-Konjektur. Warum die Herausgeber der 2017er Revision der Lutherbibel diesen Zopf nicht endlich abgeschnitten haben, ist mir schleierhaft.
Mein Dank ergeht an Oliver Achilles für die Links auf Brederek und Dalman, die er in seinem Auslegungssache-Artikel gesetzt hat.
Die Seligpreisungen in der Bergpredigt beginnen mit: Μακάριοι οἱ πτωχοὶ τῷ πνεύματι, ὅτι αὐτῶν ἐστιν ἡ βασιλεία τῶν οὐρανῶν. Dazu ein kleines Florilegium an dt. Übersetzungen:
Menge 1949 | Selig sind die geistlich Armen, denn ihnen wird das Himmelreich zuteil! |
Hamp/Stenzel/Kürzinger 1979 | Selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich. |
Gute Nachricht 1991 | Freuen dürfen sich alle, die nur noch von Gott etwas erwarten und nichts von sich selbst; denn sie werden mit ihm in der neuen Welt leben. |
Elberfelder 2001 | Glückselig die Armen im Geist, denn ihrer ist das Reich der Himmel. |
Hoffnung für alle 2005 | Glücklich sind, die erkennen, wie arm sie vor Gott sind, denn für sie ist das Reich Gottes. |
Einheitsübersetzung 2006 | Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich. |
Luther 2017 | Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich. |
Basisbibel 2021 | Glückselig sind die, die wissen, dass sie vor Gott arm sind. Denn ihnen gehört das Himmelreich. |
Gr. μακάριος makários heißt „glücklich, selig“ (happy), aber auch „reich“. Im NT ist es zumeist Lehnübersetzung des hebr. (אֶ֫שֶׁר*) אַשְׁרֵי ʾašrej „wohl dem, der“ o.ä. (z.B. Ps 1,1), davon abgeleitet ist das Verbum אשׁר Pi. „glücklich preisen“. Makários heißt auf gut Dt. also „glücklich preisen darf sich, zu beglückwünschen ist“. Das meint das etwas blasse, aber semantisch korrekte „freuen dürfen sich“ der Guten Nachricht. Das Gegenteil dazu ist οὐαί ouaí (indekl.) „wehe“ (vgl. die Seligpreisungen und Weherufe in Lk 6,20-26).
Im Vergleich mit den lukanischen Seligpreisungen fällt auf, dass Mt „Zusätze“ hat: Lk „selig die Armen“ – Mt „selig die Armen an Geist“, ebenso Lk „selig, die jetzt hungern“ – Mt „selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit“. Lk betont also die Parteinahme Gottes zu Gunsten der Ausgebeuteten und sozial Schwachen und das drohende Gericht für die Reichen, wenn und insofern sie sich ihrer sozialen Verantwortung entschlagen (denn nur dann kann man reich bleiben). Dagegen hebt Mt darauf ab, dass materielle Armut und Hunger noch kein Garant für Frömmigkeit sind. Auch ein Armer kann ja gottlos sein, auch ein Hungernder kann Gott fluchen.
„Arm an Geist“ oder „arm im Geist“ ist wohl zu verstehen als Armut im Sinne israelitischer Armenfrömmigkeit. Gott ist bei den Elenden, die seine Gebote halten und die dafür von den Gottlosen bedroht und bedrängt werden (Ps 37, insbes. V. 11; Zef 2,3), bei denen, die zerbrochenen Herzens und zerschlagenen Geistes sind (Ps 34,19; Jes 57,15), den Unterdrückten, Gebeugten, Verzweifelten, die wenn überhaupt dann nur von Gott eine Verbesserung ihrer Lage erhoffen können.
Die Armen im Geist sind wohl die דַּכְּאֵי־רוּחַ dakkeʾê-rûaḥ „die zermalmten Geistes, verzagten Sinnes sind“, deren Lebensmut und -kraft längst aufgebraucht ist. Wer täglich zusehen muss, wie er materiell über die Runden kommt, kann bei aller Frömmigkeit nicht auch noch akribisch einen Haufen Reinheitsvorschriften einhalten und Minze und Dill verzehnten. Selbst den Sabbat einzuhalten ist ein Luxus, den sich ein Tagelöhner oft nicht leisten konnte. Von hier spannt sich der Bogen zur Wiedergabe der Guten Nachricht, die den Ausdruck versteht im Sinne der geistlichen Armut derer, die keine Leistungen vor Gott aufzuweisen haben. Hoffnung für alle und Basisbibel betonen das Element des Bewußtseins dieser Armut („die erkennen“, „die wissen“), das aber so gar nicht im Text steht.
Was den Armen im Geist versprochen wird, ist das Himmelreich. Das ist keine Vertröstung auf ein besseres Jenseits. Denn „Himmel“ ist bei Mt häufig Umschreibung für „Gott“. Das (als mehr oder weniger nahe bevorstehend gedachte) Reich Gottes war nach jüdischer Vorstellung durchaus ein sehr irdisches. Die Teilhabe daran wird den Armen zugesagt, während die Reichen leer ausgehen werden (Lk 1,53), ja ausgeschlossen bleiben und sogar Qual leiden (Lk 16,19-31).
In Mt 11 flicht Jesus in die heilsgeschichtliche Bewertung Johannes des Täufers folgenden Satz ein:
ἀπὸ δὲ τῶν ἡμερῶν Ἰωάννου τοῦ βαπτιστοῦ ἕως ἄρτι ἡ βασιλεία τῶν οὐρανῶν βιάζεται καὶ βιασταὶ ἁρπάζουσιν αὐτήν. | Seit den Tagen Johannes des Täufers bis jetzt erleidet / übt das Himmelreich Gewalt, und Gewalttäter raffen es an sich. |
Βιάζω, meist Medium βιάζομαι, heißt „Gewalt (βία) anwenden, (er)zwingen“, je nach Kontext auch „vergewaltigen, (gewaltsam) verdrängen, eindringen“ o.ä. Die Form βιάζεται kann Medium sein oder Passiv „Gewalt erleiden, gezwungen, überwältigt werden“.
Die Mehrzahl der Übersetzungen entscheidet sich für die passive Variante:
Luther 2017 | Aber von den Tagen Johannes des Täufers bis heute leidet das Himmelreich Gewalt, und die Gewalt tun, reißen es an sich. |
---|---|
Elberfelder 2001 | Aber von den Tagen Johannes des Täufers an bis jetzt wird dem Reich der Himmel Gewalt angetan, und Gewalttuende reißen es an sich. |
Einheitsübersetzung 2006 | Seit den Tagen Johannes' des Täufers bis heute wird dem Himmelreich Gewalt angetan; die Gewalttätigen reißen es an sich. |
Ebenso Zürcher
Bibel,
Neue
evangelistische Übersetzung.
Was mit den Tagen (und d.h. wohl mit dem öffentlichen Auftreten) des Täufers
begonnen hat, ist jene Gottesreichsbewegung, die in Jesu Wirken kulminierte.
Gewalt erleidet es im Sinne von aggressiver Ablehnung, wie sie sich auch in
der Gefangennahme und Enthauptung des Johannes (und letztlich auch in der
Kreuzigung Jesu) manifestierte. Die Gewalttäter, von Herodes Antipas bis zum
sadduzäischen Priesterklüngel, versuchen mit allen Mitteln, dieser Bewegung
ein Ende zu setzen. An sich reißen hat dann den Sinn von: den anderen
wegnehmen, ihnen vorenthalten.
Andere Übersetzer fassen βιάζεται medial:
Menge | Aber seit den Tagen Johannes des Täufers bis jetzt bricht das Himmelreich sich mit Gewalt Bahn, und die, welche Gewalt anwenden, reißen es an sich. |
---|---|
Gute Nachricht 1992 | Als der Täufer Johannes auftrat, hat Gott angefangen, seine Herrschaft aufzurichten; aber bis heute stellen sich ihr Feinde in den Weg und hindern andere mit Gewalt daran, sich dieser Herrschaft zu unterstellen. |
Ebenso
Neue
Genfer Übersetzung,
Hoffnung
für alle.
Das soll wohl heißen: das Gottesreich dringt mit Gewalt = unaufhaltsam
vorwärts. Sprachlich möglich, aber wegen der zweiten Hälfte des Satzes
(βιάζεται - βιασταί) weniger wahrscheinlich.
Die Life application study Bible 1997 bietet drei Erklärungsmöglichkeiten: „(1) Jesus könnte sich auf eine riesige Bewegung zu Gott hin bezogen haben, die Dynamik, die mit Johannes' Predigten begann. (2) Er könnte die Erwartung der jüdischen Aktivisten wiedergegeben haben, dass Gottes Reich durch einen gewaltsamen Sturz Roms kommen werde. (3) Oder er könnte gemeint haben, dass es Mut, standhaften Glauben, Entschlossenheit und Ausdauer braucht, um in Gottes Reich einzutreten, wegen des wachsenden Widerstandes, der gegen Jesu Nachfolger gerichtet war.“ (1) und (2) entsprechen dem medialen Verständnis von βιάζεται, (3) dem passiven. (2) halte ich allerdings für sehr zweifelhaft.
Etwas anders und in anderem Kontext ist die Parallelstelle Lk 16,16 formuliert:
Ὁ νόμος καὶ οἱ προφῆται μέχρι Ἰωάννου· ἀπὸ τότε ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ εὐαγγελίζεται καὶ πᾶς εἰς αὐτὴν βιάζεται. | Das Gesetz und die Propheten bis Johannes; seither wird die frohe Botschaft vom Reich Gottes verkündigt und jeder drängt sich in es hinein. |
Βιάζεται (+ εἰς) ist hier definitiv Medium, „(gewaltsam) eindringen, sich (mit Gewalt) hineindrängen“. Auch hier ist nicht ganz klar, was gesagt werden soll. Vielleicht, dass es vor (oder bis einschließlich?) Johannes nur die Weisungen der Torah und die Ermahnungen der Propheten gab. Seither wird die die frohe Botschaft verkündigt, und sie hat mächtigen Zulauf. Wohl auch, wie die Fortsetzung V. 17f andeutet, weil manche sie im Sinne eines Libertinismus, einer Entbindung vom Gesetz missdeuteten.
Nachdem die Jünger Jesu ihren auferstandenen Herrn in den Himmel auffahren gesehen haben, kehren sie zurück nach Jerusalem. Das wird in Apg 1,12 so beschrieben:
Τότε ὑπέστρεψαν εἰς Ἰερουσαλὴμ ἀπὸ ὄρους τοῦ καλουμένου Ἐλαιῶνος, ὅ ἐστιν ἐγγὺς Ἰερουσαλὴμ σαββάτου ἔχον ὁδόν. | Dann kehrten sie zurück nach Jerusalem vom Ölberg (Olivenhain) genannten Berg, der nahe Jerusalem liegt, einen Sabbatweg habend. |
Die Himmelfahrt findet also auf dem Ölberg statt, der einen Sabbatweg von Jerusalem (d.h. wohl der Stadtmauer) entfernt liegt. Aber wieviel ist ein Sabbatweg? Nach Josephus ist der Ölberg 5 (Ios.ant. 20,8,6 [§169]) oder 6 (Ios.bell. 5,2,3 [§70]) Stadien von Jerusalem entfernt, also zwischen 900 und 1080 m.
Generell soll der gläubige Jude (abgesehen von der Teilnahme am Gottesdienst) am Sabbat zu Hause bleiben (oder wo er halt gerade ist). In Ex 16,29 sagt Mose seinem Volk: da sie am 6. Tag die doppelte Menge Manna sammeln können, אִישׁ תַּחְתָּיו אַל־יֵצֵא אִישׁ מִמְּקֹמֹו בַּיֹּום הַשְּׁבִיעִי „(sei) jeder an seiner Stelle, niemand gehe weg von seinem Ort am siebten Tag“. D.h. vermutlich: während der Wüstenwanderung sollten die Israeliten am Sabbat das Lager nicht verlassen. Aber die Angabe „von seinem Ort nicht weggehen“ ist sehr unbestimmt. Daher hat sich im Lauf der Zeit eine rabbinische Auslegung entwickelt, die laut Bibellexikon vor allem auf zwei Stellen beruht.
Daraus hat sich laut Bibellexikon die Bestimmung entwickelt, dass Juden am Sabbat nur eine Strecke von 2000 Ellen zurücklegen dürfen. Genauer gesagt ist es wohl die Strecke, die sich ein Jude am Sabbat von seinem Zuhause entfernen darf. Explizit genannt sind diese 2000 Ellen im Talmudtraktat Eruvin, z.B. 42a, 44b, 45a, 49b u.ö.
Im Laufe der Zeit hat sich ein Verfahren entwickelt, die Sabbatregeln zu entschärfen, der sog. Eruv, hebr. עֵירוּב ʿêrûḇ (auch defektiv עֵרוּב) „Vermengung, Vereinigung“, insbes. die gedachte Vereinigung von Sabbatgebieten. Am bekanntesten ist der Eruv, der es erlaubt, gewisse Gegenstände auch am Sabbat außerhalb des Hauses zu tragen. Es ist dies das Zusammenfassen mehrerer Häuser, eines Stadtviertels oder einer ganzen Stadt zu einem gemeinsamen virtuellen Haushalt. Dafür muss eine ununterbrochene Umgrenzung existieren, die aber auch aus einem in größerer Höhe gespannten Seil oder Draht bestehen darf. Der Eruv, der es erlaubt, am Sabbat weiter zu gehen als die 2000 Ellen, besteht darin, dass man vor dem Sabbat Lebensmittel irgendwo in dieser 2000-Ellen-Zone deponiert. Damit wird dieser Ort zum vorübergehenden Zuhause, von dem aus man wiederum 2000 Ellen gehen darf.
In seiner Verteidigungsrede vor dem Hohen Rat zitiert Stephanus (Apg 7,43) aus dem Buch des Propheten Amos:
καὶ ἀνελάβετε τὴν σκηνὴν τοῦ Μόλοχ | Und ihr hobt das Zelt des Moloch auf |
καὶ τὸ ἄστρον τοῦ θεοῦ [ὑμῶν] Ῥαιφάν, | und den Stern des [eures] Gottes Rhaiphan, |
τοὺς τύπους οὓς ἐποιήσατε προσκυνεῖν αὐτοῖς, | die Bilder, die ihr gemacht hattet, ihnen zu huldigen, |
καὶ μετοικιῶ ὑμᾶς ἐπέκεινα Βαβυλῶνος. | und ich werde euch deportieren (nach) jenseits von Babylon. |
Die Stelle ist ein leicht verändertes Zitat von Am 5,26f nach der LXX.
Der masoret. Text lautet:
26 | וּנְשָׂאתֶם אֵת סִכּוּת מַלְכְּכֶם וְאֵת כִּיּוּן צַלְמֵיכֶם כּוֹכַב אֱלֹהֵיכֶם אֲשֶׁר עֲשִׂיתֶם לָכֶם׃ | Und ihr trugt Sikkut, euren König, und Kijjun, eure Bilder, den Stern eures Gottes (od. eurer Götter), den/die ihr euch gemacht hattet. |
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27 | וְהִגְלֵיתִי אֶתְכֶם מֵהָלְאָה לְדַמָּשֶׂק אָמַר יְהוָה אֱלֹהֵי־צְבָאוֹת שְׁמוֹ׃ | Und ich werde euch ins Exil führen jenseits von Damaskus – sagte JHWH, Gott der Heerscharen (ist) sein Name. |
Manche Ausleger fassen bereits V. 26 als Teil der Prophetie: „und ihr werdet Sikkut tragen (müssen) […]“.
Moloch ist hebr. מֹ֫לֶך mólæk, das im AT (z.B. Lev 18,21. 20,2-5; 2Kön 23,10; Jer 32,35) als appellativische Bezeichnung (mit Artikel) einer kanaanitischen Gottheit erscheint, der Kinderopfer dargebracht wurden (in Form tatsächlicher Tötung? oder als symbolische Übereignung?). Etymologie und ursprüngliche Bedeutung des Wortes sind umstritten. Im masoret. Text steht allerdings der Name סִכּוּת sikkût, dessen Bedeutung unbekannt ist (s. die verschiedenen Deutungen im WiBiLex-Art. und vgl. die von den Ansiedlern aus Babylonien in Samaria verehrte Gottheit סֻכּוֹת בְּנוֹת sukkôt-benôt in 2Kön 17,30.) Die Übersetzer der LXX haben statt sikkût offenbar סֻכַּת sukkat cs.Sg. „Hütte“ oder סֻכֹּות sukkôt cs.Pl. „Hütten“ und statt מַלְכְּכֶם malkekæm „euren König“ eine Form von mólæk gelesen.
Bei Rhaiphan schwankt die handschriftliche Überlieferung der Apg stark: Ῥομφάν, Ῥομφά, Ῥεμφάν, Ῥεφάν, Ῥεμφάμ, Ῥεμφά. Die LXX hat (Ausg. Rahlfs) Ραιφαν. Hier steht im masoret. Text der Name כִּיּוּן kijjûn. Das wird allgemein als die bewusste Fehlvokalisierung (etwa nach dem Muster von שִׁקּוּץ šiqqûṣ „Abscheu(liches)“) des Namens Kaiwān, Kêwān verstanden, einer assyr.-babylon. Bezeichnung des Saturn: kajamānu „gewöhnlich, beständig; (der Beständige =) Saturn“ (CAD K [Bd. 8], S. 38a), vgl. syr. ܟܶܐܘܳܢ kêwwān „Saturn“ (J. Payne Smith, S. 202a), mpers. kywʾn' = kēwān ds. (MacKenzie, S. 51), davon ar. كَيْوان kajwān ds. (Steingass, S. 903b). Wie man davon auf Raiphan, Remphan o.ä. kommt, ist unklar. Schon John Spencer hatte vermutet, dass es sich um einen ägypt. Namen handelt, der den alexandrinischen Schriftgelehrten geläufiger war als der babylonische. (Vielleicht rpʿ.t „Fürst, Kronprinz“ [Erman/Grapow Bd. 2, S. 416], Titel des Geb und des Osiris. Geb wurde in griech.-röm. Zeit mit gr. Kronos = lat. Saturnus gleichgesetzt. Aber welcher jüdische Leser hätte das verstanden?)
Der Vorwurf, den Amos seinen Zeitgenossen (zumindest nach dem Textverständnis der LXX) macht und den Stephanus in einer Art heilsgeschichtlichem Überblick zitiert, ist, dass die Israeliten sich mehr um die Verehrung von Gestirnsgottheiten als die von JHWH bemüht haben.
Am Ende des ersten Korintherbriefes sagt Paulus:
εἴ τις οὐ φιλεῖ τὸν κύριον, ἤτω ἀνάθεμα. | Wenn jemand den Herrn nicht liebt, sei er anáthema (verflucht). |
μαράνα θά. | Marána tha. |
Ἀνά-θεμα anáthema ist hellenist. Schreibung für ἀνά-θημα anáthēma „(für die Gottheit im Heiligtum) Aufgestelltes = Weihegabe“, im jüd. Griech. häufig = hebr. חֵ֫רֶם ḥéræm „(der Vernichtung) Geweihtes, Gebanntes“, daher im NT „Gegenstand des Fluches, verflucht“. (Ἤτω ist vulgäre Form für ἔστω Imptv. 3. P. Sg.)
Bei Maranatha schwanken die Hrsg. des griech. NT zwischen μαράνα θά und μαρὰν ἀθά (oder salomonisch μαραναθά). Der aram. Ausdruck setzt sich zusammen aus:
Es heißt also „unser Herr, komm“ (vgl. Offb 22,20) oder „unser Herr ist gekommen“.
In 2Kor 3,4-18 vergleicht Paulus den alten Bund mit dem neuen, den Dienst des Buchstabens mit dem Dienst des Geistes. Im alten Bund musste Mose, nachdem er vom Berg Sinai gekommen war, sein Antlitz verhüllen (Ex 34,29-35). Diese Verhüllung liegt nach Paulus nach wie vor auf den Israeliten, wenn sie Mose lesen. Die aber an Jesus glauben, sehen (?) mit unverhülltem Antlitz. Der letzte Vers des betreffenden Abschnitts lautet:
ἡμεῖς δὲ πάντες ἀνακεκαλυμμένῳ προσώπῳ τὴν δόξαν κυρίου κατοπτριζόμενοι | Wir alle aber, mit enthülltem Antlitz die Herrlichkeit des Herrn spiegelnd (oder: im Spiegel betrachtend), |
τὴν αὐτὴν εἰκόνα μεταμορφούμεθα ἀπὸ δόξης εἰς δόξαν | werden in dasselbe Bild verwandelt von Herrlichkeit zu Herrlichkeit |
καθάπερ ἀπὸ κυρίου πνεύματος. | wie vom Herrn, dem Geist (oder: vom Geist des Herrn). |
Das Präsenspartizip κατοπτριζόμενοι kann wohl nur medial sein. Nun bedeutet κάτοπτρον „Spiegel“, κατοπτρίζω daher „spiegeln, reflektieren“. Doch welche Bedeutung hat das Medium? Manche Übersetzungen halten das Medium für mehr oder weniger bedeutungsgleich mit dem Aktiv. Daher haben Hoffnung für alle 2005, Einheitsübers. 2006 und Luther 2017 „wir spiegeln wider“. Bei Artemidor (2,7), Athenaios (15,35 = 687C) und Diogenes Laertius (2,33; 3,39; 7,17) bedeutet das (immer intransitiv gebrauchte) Medium „sich selbst im Spiegel anschauen“. Da es hier transitiv gebraucht ist, deuten es viele als „sich etwas im Spiegel anschauen“. So hat Luther 1984 „wir schauen wie in einem Spiegel“, Gute Nachricht 1992 „wir sehen“, Elberfelder Übers. 2001 „wir schauen an“. So geben es auch die meisten Wörterbücher zum ntl. Griech. wieder (Schirlitz, Preuschen, Bauer). So hat es die Vulgata: speculantes „beobachtend“ (speculor wohl wegen speculum „Spiegel“ gewählt). So hat es die bohairische Übersetzung: ⲧⲉⲛϫⲟⲩϣⲧ ϧⲉⲛ ⲟⲩⲓⲁⲗ „wir sehen in einem Spiegel“ (Horners sahidischer Text hat an dieser Stelle eine Lücke). So hat es die syrische Peschitta: ܐܝܟ ܕܒܡܚܙܝܬܐ ܚܙܝܢܢ „wir sehen wie in einem Spiegel“.
Bemerkenswert ist, dass das Passiv μεταμορφούμεθα „wir werden verwandelt“ ebenfalls transitiv gebraucht ist. Eigenartigerweise gibt die Lutherübers. das Akkusativobjekt τὴν αὐτὴν εἰκόνα mit „in sein Bild“ wieder (als ob τὴν αὐτοῦ εἰκόνα stünde, was sich in den Hss. aber nicht findet), richtig ist „in dasselbe Bild“ (wie auch Luther selbst übersetzt hat).
Unklar ist, wie Paulus ἀπὸ κυρίου πνεύματος gemeint hat.
Auch der Sinn des καθάπερ „(gleich)wie, gemäß“ ist dunkel und Rieneckers Erklärung „begründend, warum es so geschehen muß“ mir nicht ganz nachvollziehbar. Klar hingegen ist die Aussage, dass die beschriebene Verwandlung der Gläubigen durch Gott bzw. seinen Geist geschieht.
In 2Kor 12 berichtet der Apostel Paulus von seinen Offenbarungen, aber auch von einem (körperlichen?) Leiden, das ihn quält und das er beschreibt als „ein Stachel dem Fleisch, ein Bote Satans, dass er mich ohrfeigt“ (V. 7). Dreimal hat Paulus den Herrn gebeten, dass er (der Bote Satans) von ihm ablasse. Gottes schließliche (εἴρηκεν Perf.!) Antwort in der Lutherübersetzung bis 2017: „Laß dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ Ein tröstliches Wort, das so allerdings nicht in der Bibel steht.
ἀρκεῖ σοι ἡ χάρις μου· ἡ γὰρ δύναμις ἐν ἀσθενείᾳ τελεῖται. | Meine Gnade genügt dir; denn die Kraft [Gottes?] wird in Schwäche vollendet. |
Das „genügt“ steht betont an der Satzspitze, ich habe es daher kursiv gesetzt. Manche Handschriften haben „meine Kraft“, denn sinnvollerweise kann hier nur von der Kraft Gottes die Rede sein. Allerdings ist für mich keineswegs ausgemacht, dass der zweite Satz noch zu Gottes Antwort gehört; vielleicht ist er bereits theologische Erklärung des Paulus. Das Passiv von τελέω heißt hier soviel wie „vollendet werden, vollbracht werden, geschehen“, vielleicht auch „ans Ziel gelangen“, vgl. Joh 19,30 τετέλεσται „es ist vollbracht (worden)“. Daher übersetzt denn auch Elberfelder 2001: „denn ⟨meine⟩ Kraft kommt in Schwachheit zur Vollendung“, Luther 2017: „denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit“.
Der Satz soll vermutlich besagen, dass Gott sein Werk gerade durch Schwäche betreibt und ans Ziel gelangen lässt. Er überwindet nicht durch brute force, sondern durch Liebe und Erbarmen, dadurch dass er schwach wird, u.a. als Kind in der Krippe und als Gemarterter am Kreuz. Doch das am eigenen Leib durchzubuchstabieren, war auch für Paulus nicht leicht.
3 | Εὐλογητὸς ὁ θεὸς καὶ πατὴρ τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ, ὁ εὐλογήσας ἡμᾶς ἐν πάσῃ εὐλογίᾳ πνευματικῇ ἐν τοῖς ἐπουρανίοις ἐν Χριστῷ, | Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jedem geistlichen Segen im Himmel in Christus, |
---|---|---|
4 | καθὼς ἐξελέξατο ἡμᾶς ἐν αὐτῷ πρὸ καταβολῆς κόσμου, εἶναι ἡμᾶς ἁγίους καὶ ἀμώμους κατενώπιον αὐτοῦ ἐν ἀγάπῃ, | weil er sich uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und untadelig sind vor ihm in Liebe, |
NA25 interpungiert αὐτοῦ, ἐν ἀγάπῃ …vor ihm, nachdem er uns in Liebe…. | ||
5 | προορίσας ἡμᾶς εἰς υἱοθεσίαν διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ εἰς αὐτόν, κατὰ τὴν εὐδοκίαν τοῦ θελήματος αὐτοῦ, | nachdem er uns vorherbestimmt hat zur Kindschaft durch Jesus Christus auf ihn hin, nach dem Wohlgefallen seines Willens, |
6 | εἰς ἔπαινον δόξης τῆς χάριτος αὐτοῦ, ἧς ἐχαρίτωσεν ἡμᾶς ἐν τῷ ἠγαπημένῳ· | zum Lob der Herrlichkeit seiner Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten; |
7 | ἐν ᾧ ἔχομεν τὴν ἀπολύτρωσιν διὰ τοῦ αἵματος αὐτοῦ, τὴν ἄφεσιν τῶν παραπτωμάτων, κατὰ τὸ πλοῦτος τῆς χάριτος αὐτοῦ, | in dem wir die Loskaufung durch sein Blut haben, die Vergebung der Übertretungen, nach dem Reichtum seiner Gnade, |
8 | ἧς ἐπερίσσευσεν εἰς ἡμᾶς, ἐν πάσῃ σοφίᾳ καὶ φρονήσει, | die er uns im Überfluss gewährt hat in aller Weisheit und Einsicht, |
9 | γνωρίσας ἡμῖν τὸ μυστήριον τοῦ θελήματος αὐτοῦ, κατὰ τὴν εὐδοκίαν αὐτοῦ, ἣν προέθετο ἐν αὐτῷ | da er uns bekanntgemacht hat das Geheimnis seines Willens, nach seinem Wohlgefallen, das er sich vorgenommen hatte in ihm |
10 | εἰς οἰκονομίαν τοῦ πληρώματος τῶν καιρῶν, ἀνακεφαλαιώσασθαι τὰ πάντα ἐν τῷ Χριστῷ, τὰ ἐπὶ τοῖς οὐρανοῖς καὶ τὰ ἐπὶ τῆς γῆς ἐν αὐτῷ· | zur Ordnung der Fülle der Zeiten, alles in dem Christus zusammenzufassen, was im Himmel und auf der Erde ist in ihm; |
NA25 interpungiert τῆς γῆς· ἐν αὐτῷ, ἐν ᾧ …der Erde; in ihm, in dem… | ||
11 | ἐν ᾧ καὶ ἐκληρώθημεν προορισθέντες κατὰ πρόθεσιν τοῦ τὰ πάντα ἐνεργοῦντος κατὰ τὴν βουλὴν τοῦ θελήματος αὐτοῦ, | in dem wir auch erlost worden sind, vorherbestimmt nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Beschluss seines Willens, |
12 | εἰς τὸ εἶναι ἡμᾶς εἰς ἔπαινον δόξης αὐτοῦ τοὺς προηλπικότας ἐν τῷ Χριστῷ· | damit wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit, die (wir) vorher auf den Christus gehofft haben. |
13 | ἐν ᾧ καὶ ὑμεῖς ἀκούσαντες τὸν λόγον τῆς ἀληθείας, τὸ εὐαγγέλιον τῆς σωτηρίας ὑμῶν, ἐν ᾧ καὶ πιστεύσαντες ἐσφραγίσθητε τῷ πνεύματι τῆς ἐπαγγελίας τῷ ἁγίῳ, | In dem auch ihr, da ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, das Evangelium eurer Rettung, in dem ihr auch, da ihr gläubig wurdet, versiegelt worden seid mit dem heiligen Geist der Verheißung, |
14 | ὅ ἐστιν ἀρραβὼν τῆς κληρονομίας ἡμῶν, εἰς ἀπολύτρωσιν τῆς περιποιήσεως, εἰς ἔπαινον τῆς δόξης αὐτοῦ. | der das Unterpfand eures Erbes ist, zur Loskaufung des Eigentums, zum Lob seiner Herrlichkeit. |
NA25 liest ὅς ἐστιν, was sich dann auf Christus beziehen müsste; aber nicht Christus, sondern der Geist ist Unterpfand unseres Erbes. |
Der Textabschnitt ist im Griech. ein langer Satz. Die aktuelle Ausgabe des griech. Textes (NA28) macht nach V. 6, nach V. 10 und nach V. 12 einen Punkt. Die NA25 hat nach V. 6 ein Komma, nach V. 10 und nach V. 12 ein Semikolon. Ich habe dreimal ein Semikolon gesetzt, denn es geht jedesmal mit einem relativen Anschluss weiter.
Sprachlich ist der Satz eine Aneinanderreihung von Gliedsätzen, Partizipialkonstruktionen und Präpositionalausdrücken: er ist keine logische Schlussfolgerung, keine stringente Beweisführung (die einzige begründende Konjunktion ist καθώς „(so)wie, weil“ in V. 4), sondern eine hymnische Aufzählung, ein Loblied auf Gottes Heilsplan. Zweimal kommt in dem Abschnitt προορίζω „vorherbestimmen“ vor, einmal ἐκλέγομαι „(sich) auswählen“, einmal κληρόω „auslosen; Pass.: zum Eigentum werden“. Dazu kommen Begriffe wie εὐδοκία „Wohlgefallen, freies Ermessen“, θέλημα „Wille“, πρόθεσις „Vorsatz, Entschluss“, βουλή „Rat, Plan, Entschluss“. Gott beschließt, Gott wirkt. Und zwar „ihn ihm“ oder „durch ihn“, nämlich Christus.
V. 4 sagt: Schon vor der Erschaffung der Welt hat Gott uns dazu auserwählt, seine Kinder zu sein. (Was mit denen ist, die nicht auserwählt wurden, wird hier nicht gesagt.) In V. 11 wird noch einmal gesagt: Wir sind ausgelost (d.h. Gottes Eigentum) geworden, d.h. wir haben das Heil erhalten, weil Gott es so vorherbestimmt hat. Mit „wir, uns“ meint Paulus vermutlich in den Versen 3-10 die christliche Gemeinde im Allgemeinen; in V. 11f ist wohl von den Judenchristen die Rede („vorher/zuvor gehofft“), denen in V. 13f („auch ihr“) die heidenchristlichen Empfänger des Briefes gegenübergestellt sind. Man muss den Text nicht so verstehen, dass für jeden einzelnen vorherbestimmt ist, ob er gerettet wird oder nicht. Es geht um Gottes Heilsplan, der schon von allem Anfang an feststand: „Die Existenz der Gemeinde […] gründet allein im gnädigen Willen Gottes, der […] schon vor der Schöpfung festlag.“ (Stuttgarter Erklärungsbibel zur Stelle)
Paulus sagt über den Antichristen, der hier in 2Thess 2 bezeichnet wird als „der Mensch der Gesetzlosigkeit“, „der Sohn des Verderbens“, „der Widersacher“ und „der Gesetzlose“:
8 | καὶ τότε ἀποκαλυφθήσεται ὁ ἄνομος, ὃν ὁ κύριος [Ἰησοῦς] ἀνελεῖ τῷ πνεύματι τοῦ στόματος αὐτοῦ καὶ καταργήσει τῇ ἐπιφανείᾳ τῆς παρουσίας αὐτοῦ, | Und dann wird der Gesetzlose offenbart werden, den der Herr [Jesus] mit dem Hauch seines Mundes beseitigen und durch die Erscheinung seiner Ankunft vernichten wird, |
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9 | οὗ ἐστιν ἡ παρουσία κατ’ ἐνέργειαν τοῦ σατανᾶ ἐν πάσῃ δυνάμει καὶ σημείοις καὶ τέρασιν ψεύδους | dessen Ankunft entsprechend der Wirksamkeit des Satan geschieht unter (d.h. verbunden mit) aller Macht und Zeichen und Wundern der Lüge, |
10 | καὶ ἐν πάσῃ ἀπάτῃ ἀδικίας τοῖς ἀπολλυμένοις, ἀνθ’ ὧν τὴν ἀγάπην τῆς ἀληθείας οὐκ ἐδέξαντο εἰς τὸ σωθῆναι αὐτούς. | und unter jedem Betrug der Ungerechtigkeit für die, die zugrunde gehen, dafür dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht zu ihrer Errettung angenommen haben. |
11 | καὶ διὰ τοῦτο πέμπει αὐτοῖς ὁ θεὸς ἐνέργειαν πλάνης εἰς τὸ πιστεῦσαι αὐτοὺς τῷ ψεύδει, | Und deshalb schickt ihnen Gott eine Kraft des Irrtums (od. der Verirrung), damit sie der Lüge glauben, |
12 | ἵνα κριθῶσιν πάντες οἱ μὴ πιστεύσαντες τῇ ἀληθείᾳ ἀλλ’ εὐδοκήσαντες τῇ ἀδικίᾳ. | damit alle gerichtet werden, die nicht der Wahrheit geglaubt haben, sondern an der Ungerechtigkeit Wohlgefallen hatten. |
Der Antichrist wird sich als mächtig und wundertätig erweisen. Und er wird Lüge und Betrug verbreiten. Und er wird bei Menschen, denen Wahrheit und Gerechtigkeit nichts bedeuten, Glauben finden. Der Antichrist kommt in der Macht des Satan. Weil diese Menschen die Wahrheit nicht wertschätzen, schickt Gott ihnen „krefftige jrthum“, wie Luther übersetzte. Menschen, die nicht an Gott glauben wollen, glauben Dinge, die aus christlicher Sicht offensichtlicher Nonsens sind. Zu Paulus' Zeit war dies z.B. der Glaube an die Göttlichkeit des Kaisers, aber auch verschiedene abstruse Kulte und gnostische Glaubenssysteme.
Doch wie verhält sich die Lüge und Verführung durch den Antichristen zu der Kraft des Irrtums, die Gott schickt? Ich kann nur mutmaßen, dass dahinter die Vorstellung steckt, dass Menschen, die sich Gott bewusst verweigern und lieber dem Satan hinterherlaufen, irgendwann von Gott noch tiefer in den Sumpf wahnhaften Glaubens getaucht werden, sodass eine Umkehr (fast) unmöglich wird. So wie Gott das Herz des Pharao verstockte, der so lange nicht wollte, bis er irgendwann nicht mehr anders konnte. Es gibt für die Ablehnung Gottes offenbar einen point of no return, einen Kipppunkt, dessen Überschreiten unumkehrbar zu sein scheint.
Auch angesichts rechtsradikaler und oft gewaltbereiter und gewalttätiger Verschwörungstheoretiker wie der QAnon-Gruppe oder der Anhänger groben Unsinns wie Chemtrails, flache Erde usw. fragt man sich als Christ, ob dahinter nicht mehr steckt als soziologische und psychologische Phänomene. Es gibt eine Qualität der Unwahrheit, die sich anscheinend nicht mehr aus der Immanenz erklären lässt. Der wir als Christen nichts anderes entgegenzusetzen haben als unsere Hoffnung auf die Wiederkunft Christi, die dem Antichristen und allen Lügen und aller Ungerechtigkeit ein Ende bereiten wird.
In 2Tim 3,14-17 ermahnt Paulus den Timotheus, sich weiter an den überlieferten Glauben und die heiligen Schriften (ἱερὰ γράμματα) zu halten.
πᾶσα γραφὴ θεόπνευστος καὶ ὠφέλιμος πρὸς διδασκαλίαν, πρὸς ἐλεγμόν, πρὸς ἐπανόρθωσιν, πρὸς παιδείαν τὴν ἐν δικαιοσύνῃ […]. | Jede Schrift (ist) von Gott inspiriert und nützlich zu Lehre, zu Überführung, zu Zurechtbringung, zur Erziehung in Gerechtigkeit […]. |
Im NT wird γραφή meist mit Artikel verwendet: ἡ γραφή „die (scil. heilige) Schrift“, d.h. das AT insgesamt (z.B. Joh 13,18), im Plural αἱ γραφαί „die (einzelnen) Schriften“ (des AT) (z.B. Mt 21,42). Ohne Artikel kann es „(eine) Schrift“ (des AT) heißen, so z.B. Joh 19,37 (ἑτέρα γραφή „eine andere Schrift“), und so ist es vermutlich auch hier im 2Tim zu verstehen.
Einige wenige antike Übersetzungen haben das „und“ gestrichen, sodass zu übersetzen wäre: „jede von Gott inspirierte Schrift ist nützlich […]“, z.B. die Vulgata Sixto-Clementina (inspirata utilis est statt Hieronymus' inspirata et utilis, so auch der Kommentar des Ambrosiaster und der Codex Augiensis 126r, der als Textzeuge der Vetus Latina gilt) und die Peschitta (ܟܽܠ ܟܬܼܳܒܼ ܕܰܒܼܪܽܘܚܳܐ ܐܶܬܼܟܿܬܼܶܒܼ܃ „jede Schrift, die im Geist geschrieben wurde“).
Das seltene θεόπνευστος „gottgehaucht, von Gott inspiriert“ findet sich im NT nur hier, in der paganen Literatur z.B. bei Plut.mor. 904F.
Welches Inspirationsverständnis hier vorausgesetzt ist, ist natürlich nicht zu sagen. Aber man sollte darauf hinweisen, dass für den Empfänger des 2Tim „die Schriften“ die LXX war. Diese enthält neben den Schriften des hebräischen Kanons auch andere, die von den Kirchen der Reformation als Apokryphen bezeichnet werden. Und gewisse Evangelikale kritisieren sogar, dass manche evangelische Bibelausgaben diese Apokryphen (wenn auch nur als Anhang zum AT) enthalten. Aber: „jede Schrift ist von Gott inspiriert“.
Offb 13,9f lautet in der Übersetzung von Hermann Menge:
9 Wer ein Ohr hat, der höre: 10 »Wer andere in Gefangenschaft führt, wandert selbst in Gefangenschaft; wer mit dem Schwert tötet, muß selbst durch das Schwert den Tod finden.« Hier ist das standhafte Ausharren und der Glaube der Heiligen erforderlich.
Offenbar hat Menge hier den Textus receptus genommen:
9 Εἴ τις ἔχει οὖς ἀκουσάτω. Wenn jemand ein Ohr hat, höre er. 10 εἴ τις εἰς αἰχμαλωσίαν συνάγει, εἰς αἰχμαλωσίαν ὑπάγει· Wenn jemand in Gefangenschaft zusammenführt, geht er in Gefangenschaft; εἴ τις ἐν μαχαίρῃ ἀποκτενεῖ, δεῖ αὐτὸν ἐν μαχαίρῃ ἀποκτανθῆναι. wenn jemand mit dem Schwert töten wird, muss er mit dem Schwert getötet werden. Ὧδέ ἐστιν ἡ ὑπομονὴ καὶ ἡ πίστις τῶν ἁγίων. Hier ist (=zeigt sich) die Geduld und der Glaube der Heiligen.
Das Wort scheint zu besagen, dass diejenigen die die Gläubigen ins Gefängnis werfen und/oder töten, ein entsprechendes Gericht zu gewärtigen haben. Doch bis es kommt, müssen die Heiligen sich in Geduld üben.
Doch N/A25 hat das συνάγει in V.10 gestrichen: „Wenn jemand in Gefangenschaft (geht?), geht er in Gefangenschaft.“ Das ist auch der Text der Vulg.
9 si quis habet aurem, audiat! Wenn jemand ein Ohr hat, höre er. 10 qui in captivitatem, in captivitatem vadit; Wer in Gefangenschaft (geht?), geht in Gefangenschaft; qui in gladio occiderit, oportet eum gladio occidi. wer durch das Schwert getötet hat (wörtl.: getötet haben wird), muss durch das Schwert getötet werden. hic est patientia et fides sanctorum. Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen.
Die UBS3 hat den Text des Codex Alexandrinus übernommen:
10 εἴ τις εἰς αἰχμαλωσίαν,
εἰς αἰχμαλωσίαν ὑπάγει·
εἴ τις ἐν μαχαίρῃ ἀποκτανθῆναι
αὐτὸν ἐν μαχαίρῃ ἀποκτανθῆναι.
Ὧδέ ἐστιν ἡ ὑπομονὴ καὶ ἡ πίστις τῶν ἁγίων.
Der zweite Satz ist praktisch unübersetzbar geworden: „Wenn jemand mit dem Schwert getötet werden, ihn mit dem Schwert getötet werden (dass er mit dem Schwert getötet werde?).“ Damit das syntaktisch Sinn ergibt, muss man sich das weggelassene δεῖ wieder dazudenken und in der Protasis ein Wort wie μέλλει ergänzen. Luther 2017 hat das gemacht und gibt das ganze so wieder:
9 Hat jemand Ohren, der höre! 10 Wenn jemand ins Gefängnis soll, dann wird er ins Gefängnis kommen; wenn jemand mit dem Schwert getötet werden soll, dann wird er mit dem Schwert getötet. Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen!
Zwar gilt die schwierigere Lesart als die wahrscheinlichere, aber wenn sie syntaktisch keinen Sinn ergibt? Die Passage ist ein Zitat aus (oder eine Anspielung auf) Jer 15,2. Gott fordert den Propheten auf, das Volk (aus dem Tempel?) wegzutreiben, denn Gott will kein Mitleid mehr haben mit seinem abtrünnigen Volk, sondern es seiner verdienten Strafe überlassen. Der Text der LXX lautet:
καὶ ἔσται ἐὰν εἴπωσιν πρὸς σέ Ποῦ ἐξελευσόμεθα; Und es wird (=soll) sein, wenn sie zu dir sagen: „Wohin werden (=sollen) wir (weg)gehen?“, καὶ ἐρεῖς πρὸς αὐτούς Τάδε λέγει κύριος dann wirst (=sollst) du zu ihnen sprechen: „Dies sagt der Herr: Ὅσοι εἰς θάνατον, εἰς θάνατον· ‚Wieviele in den Tod, in den Tod; καὶ ὅσοι εἰς μάχαιραν, εἰς μάχαιραν· und wieviele ins Schwert, ins Schwert; καὶ ὅσοι εἰς λιμόν, εἰς λιμόν· und wieviele in den Hunger, in den Hunger; καὶ ὅσοι εἰς αἰχμαλωσίαν, εἰς αἰχμαλωσίαν. und wieviele in Gefangenschaft, in Gefangenschaft.‘“
Wollte der Seher den Propheten zitieren (wie die Herausgeber des aktuellen Textes anzunehmen scheinen) oder wollte er nur auf ihn anspielen, aber den Text einer anderen Aussageabsicht entsprechend abwandeln?
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 7. Aug. 2024