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Die Salbung in Betanien


In Mk 14,3-9 wird folgende Geschichte erzählt: Jesus ist in Betanien im Haus eines gewissen Simon zu Gast. Als sie bei Tisch sitzen, kommt eine Frau und gießt ein Fläschchen mit teurem Parfüm über Jesus aus (sie salbt ihn). Einige der Anwesenden äußern ihr Unverständnis: dieses Parfüm hatte den Wert eines Jahresverdienstes eines Arbeiters. Mit soviel Geld hätte man Sinnvolleres tun können, z.B. Arme unterstützen. Jesus nimmt die Frau in Schutz: Arme wird es immer geben, er aber wird nicht immer unter ihnen sein.

Ich habe lange Zeit mit diesem Text nicht viel anfangen können. Auf den ersten Blick schien mir, daß die Anwesenden mit ihrer Kritik am Handeln der Frau recht haben. Man hätte Jesus auch auf billigere Weise etwas Gutes tun können. Das Handeln der Frau ist gut gemeint, aber eine riesige Verschwendung. Warum unterstützt Jesus das? Man kann ihm ja wohl kaum vorwerfen, ein Egoist zu sein, dem die Armen egal sind.

Worum es aber geht, ist die Frage, was das Handeln der (religiösen) Menschen letztlich motiviert. Wie funktionieren wir? Ist es das soziale Gewissen, das uns antreibt? Ist es der Wunsch, Gutes zu tun, anderen zu helfen? Oder ist es die Liebe zu unserem Erlöser?

Damals wie heute werden viele Gläubige vor allem vom Bewußtsein ihrer sozialen Verpflichtung oder auch vom tiefen Wunsch, Notleidenden zu helfen, angetrieben. Da wird die soziale Kompetenz der Kirche beschworen, es gibt Sozialhirtenbriefe, ökumenische Sozialworte, und es wird die Wichtigkeit kirchlicher Sozialeinrichtungen in einer kälter werdenden Welt des Turbokapitalismus betont.

Ich bin der letzte, der die Wichtigkeit kirchlicher Einrichtungen wie Caritas oder Evangelische Diakonie in Frage stellt. Aber wenn die Kirche und die Menschen, die in ihr arbeiten, nicht vor allen Dingen von der Liebe zu Jesus angetrieben werden, dann wird Kirche sehr bald nicht mehr sein als ein soziales „Competence Center“. Darum nimmt Jesus die Frau in Schutz: was sie getan hat, mag aus sozialer Sicht nicht besonders sinnvoll gewesen sein, aber es war motiviert durch ihre große Liebe zu Jesus. Und das ist es, was in erster Linie zählt.

Das hebt die soziale Verpflichtung der Christen in keiner Weise auf. Aber sozial motivierte Erbsenzählerei ist in der Gegenwart des Sohnes Gottes, der für uns ans Kreuz gegangen ist, unangemessen. Dieser Tod verdiente allemal eine kostbare Salbung. Die Gäste bei diesem Mahl waren vor lauter sozialem Engagement blind für Gottes Sohn. Das ist schon tragisch, wenn man in der Welt nur noch Hilfebedürftige und Notleidende sieht und nicht mehr, was Gott tut oder getan haben möchte.

Christen sind Menschen, die zu allererst die Liebe zu Christus antreibt. Andernfalls sind sie keine Christen.


Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 27. Mai 2016