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Tätowierung
Ohne viel darüber nachzudenken, stand für mich immer außer Frage, dass ich nicht bereit bin, Zeit und Geld zu investieren, um mir eine Tätowierung stechen zu lassen. Nicht zuletzt birgt das Einstechen von Farbpigmenten unter die Haut die Gefahr, 1. dass man damit auch Keime einbringt und sich eine Infektion einfängt, 2. dass der Körper auf die Farbstoffe mit Unverträglichkeit, Allergie oder als Spätfolge mit einem Karzinom reagiert. Ich haue mir auch nicht mit einem Stein auf den Schädel, nur weil es gerade modern ist. Ich habe es immer mit dem Lied Lass dich tätowier’n von Georg Danzer aus dem Jahr 1974 gehalten, wo es heißt: „Doch ich trage meine Male und ich sagte: Nein./ Nur das Leben, das soll meine Tätowierung sein.“
Tätowieren ist seit zwei, drei Jahrzehnten eine Modetorheit. Da haben sich nicht wenige Damen in jungen Jahren ein symmetrisches Ornament über dem Steiß, ein sog. Arschgeweih (auch Schlampenstempel genannt), „pecken“ lassen. Wohl in dem Glauben, das sei sexy. Was aber, wenn diese Damen die sechzig überschritten und ihre Körperfülle beträchtlich vermehrt haben? Dann ist es in erster Linie urpeinlich.
Statt Tätowierungen lassen sich manche auch Schmucknarben machen, sei es durch Schneiden (Cutting) oder Brennen (Branding).
Ebenso unverständlich ist für mich, dass Menschen sich Löcher in den Körper stechen lassen, um Metallstifte oder -ringe durchzuführen. Möglichst an Stellen, wo es besonders schwer heilt, wie in der Zunge oder am Ohrknorpel. Auch die in unseren Breiten zum Teil der Kultur gewordene Sitte, dass sich junge Mädchen die Ohrläppchen stechen lassen, um Schmuck in Form von Steckern oder Gehängen darin zu befestigen, halte ich durchaus für hinterfragbar.
Noch dämlicher ist der Schmiss, die Narbe einer beim Mensurfechten bewusst herbeigeführten Schnittverletzung im Gesicht. Heute ist diese Narbe selten geworden und gilt als Zeichen einer reaktionär-nationalistischen Weltanschauung.
Am allerdämlichsten sind „Körpermodifikationen“ wie eine gespaltene Zunge, Fleischtunnel in den Ohrläppchen oder gar einer unter der Lippe. Dass es Völker gibt, bei denen so etwas Teil der Kultur ist, z.B. riesige Lippenteller bei den äthiop. Mursi oder Turmschädel bei den Mangbetu im Kongo, zeigt nur, wie bescheuert Menschen sein können. Man mag dieses Urteil für westliche Überheblichkeit halten. Aber Kultur ist nicht sakrosankt, sondern muss sich für ihre Auswüchse Kritik gefallen lassen.
Zur rituellen Selbstverstümmelung und zum Tätowieren heißt es in Lev 19,27f:
27 לֹא תַקִּפוּ פְּאַת רֹאשְׁכֶם Ihr sollt nicht kreisförmig abscheren den Rand eures Hauptes; וְלֹא תַשְׁחִית אֵת פְּאַת זְקָנֶךָ׃ und du sollst nicht verderben (=stutzen?) den Rand deines Bartes. 28 וְשֶׂרֶט לָנֶפֶשׁ לֹא תִתְּנוּ בִּבְשַׂרְכֶם Und einen Einschnitt für die (Toten-)Seele sollt ihr nicht machen an eurem Fleisch; וּכְתֹבֶת קַעֲקַע לֹא תִתְּנוּ בָּכֶם und eine eintätowierte Schrift sollt ihr nicht machen an euch. אֲנִי יְהוָה׃ Ich bin JHWH.
Vermutlich geht es hier um ein Verbot heidnischer Trauerbräuche. In Lev 21,5 wird das Verbot der rituellen Selbstverstümmelung für Priester noch einmal wiederholt. Sich im Kult einer Gottheit mit Messern zu ritzen, ist auch sonst im AT belegt (z.B. 1Kön 18,28). Welche Funktion die Tätowierungen haben, ist unklar. Jedoch hat das orthodoxe Judentum alle Formen von Tätowierung unter Verbot gestellt. Und auch im Christentum war Tätowierung über weite Zeitstrecken verpönt oder verboten.
Mit dem kreisförmig abgeschnittenen Haupt(haar) ist wohl gemeint, dass die Schläfen rasiert waren (vgl. Jer 9,25; 25,23; 49,32). Wegen dieses Verbots lassen orthodoxe Juden ihr Schläfenhaar besonders lang wachsen und tragen Schläfenlocken (hebr. פֵּאֹת peʾot „Seiten, Ränder“, s.o. V. 27, aschkenas. Aussprache pajos, pejes o.ä., daher jidd.? Bejkeles).
Tätowieren ist seit dem Chalkolithikum bezeugt. Die Gletscherleiche vom Hauslabjoch (vulgo Ötzi, gestorben ca. 3200 v. Chr.) war tätowiert. Für sie wird auch eine medizinische Funktion, ähnlich der Akupunktur, diskutiert. Meist jedoch waren Tätowierungen Stammeszeichen, signalisierten Zugehörigkeit zu einer Subkultur (Matrosen, Soldaten, Häftlinge, Bikergangs), dienten der Stigmatisierung der Tätowierten (Sklaven, japan. Yakuza) oder sollten magische Wirkung entfalten, dienten also gleichsam als Amulette. Heute geht es vor allem um Selbstdarstellung, Steigerung des Sex-Appeals o.ä.
Die Frage, ob sich ein Christ tätowieren lassen darf, ist falsch gestellt. Die Frage muss lauten, warum sich ein Christ überhaupt tätowieren lassen möchte. Um dazuzugehören? Wo dazu? Zu einer gottfernen, hoffnungslosen Welt? Christen sollten aber eben gerade nicht dazugehören. Nach Röm 12,2 sollen Christen sich nicht an die Welt anpassen, sondern anders sein. Und Jak 4,4 warnt davor, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott bedeutet. Oder um sein christliches Bekenntnis zum Ausdruck zu bringen, etwa indem man sich ein Kreuz eintätowieren lässt? Aber warum ein Tattoo? Warum nicht einfach ein Kreuz an einer Halskette, ein T-Shirt mit Bibelvers o.ä.? Im Kontext einer muslimischen Kultur mag das begründbar sein. Ich hier im Westen würde es nicht tun. Aber das muss natürlich jeder selbst entscheiden.
Wenn man schon beim Thema Körperverstümmelung ist, muss auch die Beschneidung erwähnt werden. Nach Gen 17,10-14 ist die Beschneidung der neugeborenen Jungen das Zeichen des Bundes Gottes mit Abraham. Daher wird die Beschneidung von den (religiösen) Juden, die ihre Abstammung auf Abraham zurückführen, praktiziert. Die Muslime praktizieren sie, weil der Koran Sure 3,95(89) vorschreibt, dem Vorbild Abrahams zu folgen.
Auch die Beschneidung ist uralt. Auch sie mag ursprünglich ein Stammeszeichen gewesen sein. Auch sie mag bei manchen Völkern ein magisches Ritual gewesen sein. Jer 9,24f bezeugt, dass sie auch bei den Nachbarvölkern Israels (Ägyptern, Edomitern, Ammonitern und Moabitern) in Gebrauch war. Philister und Babylonier hingegen waren nicht beschnitten. In der Makkabäerzeit wurde sie zum Erkennungszeichen der Juden. Sie wird heute im nicht-jüdischen Westen vereinzelt problematisiert, weil es sich um eine (wenn auch nicht gravierende) Verstümmelung handelt und das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Kinder verletzt.
Das Christentum hat die Beschneidung aufgegeben, da es Paulus bei der Heidenmission wichtig war, die Bekehrten nicht zur Einhaltung des mosaischen Gesetzes und insbes. nicht zur Beschneidung zu verpflichten (z.B. Gal 5,2-3; Phil 3,2-3; Röm 2,25-29). Die wahre Beschneidung, auf die es ankommt, (so sein Argument) ist die Beschneidung des Herzens; und wahres Judentum ist innerliches Judentum.
Die Beschneidung des weiblichen Genitales, d.h. Entfernung der Klitoris, der Schamlippen und/oder sogar das Zunähen der Genitalöffnung sind in den meisten westlichen Staaten (ohne medizinische Indikation) verboten. Auch diese Form der Verstümmelung ist schon aus vorchristlicher Zeit bezeugt. Ihre religiöse Rechtfertigung ist allerdings sekundär. Weder die Bibel noch der Koran erwähnen sie. Sie hat in manchen Kulturen die Funktion eines Initiationsritus, wird manchmal ästhetisch begründet und ist vor allem angesichts der gesundheitlichen Folgen mehr als verzichtbar.
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 28. Dez. 2018