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Begriffe aus der Keramik
Ich bin kein Töpfer. Das einzige Keramikprodukt, das ich jemals hergestellt habe, war in Bildnerischer Erziehung ein Kopf aus Terrakotta. Dessen künstlerischen Qualitäten waren zu gering, um ein Überleben für Jahrzehnte sicherzustellen – es gibt ihn nicht mehr. Mein Interesse für Keramik entzündete sich an der Beschäftigung mit Geschichte: im Pafos District Museum kann man Keramik von der helladischen Zeit bis ins 16. Jh. sehen. Ich will hier kein Wörterbuch der Keramik bieten, sondern nur ein paar zentrale Begriffe erklären.
Meine Quellen, neben den einschlägigen Wikipedia-Artikeln:
Keramik ist ein Sammelbegriff für eine Gruppe von Werkstoffen, die drei Bedingungen erfüllen:
Das Wort Keramik geht zurück auf griech. κέραμος „Töpfererde; Ziegel, Tongefäß, Topf, Krug, Geschirr“, dieses ist wohl kleinasiat. Ursprungs (Ableitung von griech. κεράννυμι „mischen“ gibt wenig Sinn).
Als Ton bezeichnet man eine überwiegend aus sehr feinkörnigen Mineralen (Schichtsilikate, Verwitterungsprodukte von Feldspaten) bestehende Masse, die bei entsprechendem Wassergehalt plastisch formbar ist, beim Brennen mit Temperaturen ab 800° C (der Ton wird geschrüht, daher Schrühbrand) aber aushärtet und wasserfest (nicht jedoch wasserdicht) wird. Das Innere der gebrannten Keramik bezeichnet man als Scherben.
Lehm ist eine Mischung aus Sand und Ton. Mergel ist stark kalkhaltiger Lehm oder Ton. Das Wort Ton kommt laut Etymologie-Duden von altgerm. tāhe, dāhe, got. þāhō „dicht“.
Wenn ein Ton wenig Quarz und andere nicht-plastische Bestandteile enthält, wird er als fett bezeichnet. Fetter Ton kann viel Wasser aufnehmen, ist gut formbar, es entsteht aber beim Trocknen ein deutlicher Volumenschwund und es besteht die Gefahr, dass der Ton dabei reißt. Magerer Ton enthält mehr Quarz, kann weniger Wasser aufnehmen, ist deutlich schwerer zu formen, schwindet aber beim Trocknen weniger. Zu fetter Ton wird mit Quarzsand, Schamotte, Kalkspat u.ä. gemagert.
Der Ton wird nach dem Abbau gesumpft (in Wasser gelöst, sodass Verunreinigungen entweder aufschwimmen oder zu Boden sinken). Man lässt ihn wittern oder ausfrieren (er wird Regen und Frost ausgesetzt, wodurch sich die Tonminerale spalten, kleinere Partikel bedeuten höhere Plastizität). Der Ton wird gemaukt (feucht gelagert, wodurch es zu Zersetzung von organischem Material kommt).
Der dünnflüssige Brei, der entsteht, wenn man Ton mit viel Wasser ansetzt, heißt Schlicker. Wird Schlicker zum Bemalen oder Beschichten von Keramik verwendet, nennt man ihn auch Engobe [ɑ̃ˈgobə] oder Beguss. Die Keramik der alten Griechen z.B. ist mit Schlicker bemalt. Je nach dem Gehalt an Eisen, Titan u.a. Beimengungen nimmt Ton beim Brennen eine andere Farbe an. Stark eisenhaltige Tone werden durch das Brennen rötlich, Tone mit hohem Kaolingehalt werden cremefarben bis weiß.
Engobe ist abgeleitet vom Verb engober „mit Beguss überziehen“, dieses von gober „schlürfen, schlucken“ (von gall. gobbo „Schnabel, Maul“).
Unglasierte Tonwaren bezeichnet man als Terrakotta (ital. terra cotta „gebackene Erde“). Terrakotta hat einen porösen Scherben und eine rauhe Oberfläche; sie ist wasserdurchlässig. Soll Terrakotta wasserdicht sein, überzieht man sie mit einer Suspension von in Wasser gelöstem Mineralmehl, das bei einem weiteren Brennvorgang mit etwas höheren Temperaturen (sog. Glattbrand) verglast. Diese Glasur gibt dem Gefäß eine glatte Oberfläche und macht es wasserdicht.
Die Wasserdurchlässigkeit von Terrakotta konnte mitunter sogar erwünscht sein. Denn wenn die Feuchtigkeit an der Außenseite eines Gefäßes verdunstet, entzieht es dem Gefäß Wärme und kühlt es so. Sollte Terrakotta wasserundurchlässig sein, rieb man sie mit Öl oder Harz ein.
Gegenstände aus gebrannter Erde (d.h. Ton) heißen auf Dt. irden. Irdisch dagegen bedeutet „von der Erde stammend“ (Ggs. außer-irdisch, himmlisch). In der Werkstoffklassifikation bezeichnet Irdengut oder Irdenware nur Keramik mit porösem, ungesintertem Scherben.
Wenn man der Glasur Zinnoxid beisetzt und den Tongegenstand nach dem Aufbringen der Glasur bemalt (zumeist mit Kobaltblau, daneben auch Manganviolett und Kupfergrün) ergibt das nach dem Brennen leuchtende Farben und einen weißen porzellanähnlichen Untergrund. Diese Technik wurde im 9. Jh. in Mesopotamien erfunden und verbreitete sich über Persien bis nach Spanien. Über den Umschlagplatz Mallorca (ital. Maiorca) kam sie im 14. Jh. nach Italien, wo sie deshalb Maiolica (dt. Majolika) genannt wurde.
Nach der ital. Stadt Faenza (Provinz Ravenna), deren Werkstätten die ersten in Europa waren, die solche Keramik herstellten, hieß sie auf Franz. Fayence. Fayence und Majolika sind im Prinzip das gleiche. Jedoch werden heute nur die ital. und span. zinnglasierte Keramik des 15. und 16. Jh. als Majolika bezeichnet. Bei der seit dem 17. Jh. in ganz Europa hergestellten Fayence wurde teilweise auch mit speziellen Farben auf die glattgebrannte Ware gemalt und diese ein drittes Mal gebrannt (sog. Farbbrand). Ende des 18. Jh. wurde die Fayence vom billigeren Steingut und vom widerstandfähigeren Porzellan verdrängt.
Ab etwa 1200 entdeckte man (im Rheinland?), dass lokale Tonarten (die einen hohen Anteil von Quarz oder anderen Mineralien enthielten) bei Brenntemperaturen von deutlich über 1000° C versintern oder verglasen und der Scherben dadurch wasserdicht wird. Die so entstandene Keramik nennt man Steinzeug. Als Sintern bezeichnet man das Zusammenbacken feinkörniger Stoffe durch hohe Temperaturen und Druck (evt. unter teilweisem Aufschmelzen der Ausgangsstoffe). Wenn Steinzeug glasiert wird, dann wird die Glasur häufig bereits nach dem Trocknen des Tons aufgetragen, sodass nur einmal gebrannt werden muss. Die zum Sintern notwendigen hohen Temperaturen schränken jedoch die Möglichkeiten beim Gebrauch von Farben ein.
Sinter ist ein Begriff aus der Mineralogie und bezeichnet die durch das Ausfällen von im Wasser gelösten Mineralien entstandenen Überzüge und Gesteinsformationen (Sinterterrassen, Tropfsteine, Kesselstein usw.). Ursprl. bezeichnete ahd. sintar die beim Schmelzen und Schmieden von Eisen ausgeschiedene Schlacke.
Die Chinesen entdeckten, dass eine Mischung aus Kaolin (Porzellanerde, ein Aluminiumsilikat), Feldspat und Quarz im richtigen Verhältnis bei entsprechenden Brenntemperaturen einen sehr weißen, dichten, porenfreien Scherben ergibt. Diese Keramik wird Porzellan genannt und wurde anfangs für viel Geld nach Europa importiert.
Das Wort Porzellan kommt von ital. porcellana,
Bezeichnung einer weißen Meeresschnecke (Kauri?) (von ital. porcella
„Schweinchen“, Demin. von porca „Schwein, Sau“), wohl weil man eine
Zeitlang dachte, Porzellan werde aus deren Gehäusen hergestellt. Die Benennung
der Meeresschnecke soll nach einer Nebenbedeutung von ital. porco
erfolgt sein, die ich aber nur für das zugrundeliegende lat. porcus
gefunden habe: „weibliche Scham, Vulva“ (nicht „Vagina“!); die längliche
Öffnung im Schneckengehäuse habe an die Vulva eines Schweines erinnert.
Im Engl. heißt das Porzellan meist china.
Das Wort Kaolin kommt von seiner chines. Bezeichnung 高嶺土 (simpl.
高岭土) gāolǐngtǔ, dieses von dem Ortsnamen 高嶺 gāolǐng „hohe
Bergkette, hoher Gipfel“, einem Kaolinabbauort in China.
Beim Versuch, das teuer aus Fernost eingeführte Porzellan nachzuahmen, erfanden englische Keramiker das sog. Steingut. Durch Zufügung verschiedener Mineralien wird ein hellerer bis weißer Scherben erzielt. Doch wird mit geringeren Temperaturen gebrannt als beim Porzellan, der Scherben ist deshalb porös. Durch die einfachere und kostengünstigere Massenfertigung ist Steingut bis heute die beliebteste Keramik für Tafelgeschirr.
Trotz des ähnlichen Namens befinden sich Steingut und Steinzeug am jeweils entgegengesetzten Ende der Werkstoffklassifikation. Steinzeug hat dichten, aber in der Regel farbigen Scherben, Steingut ist porös, aber (fast) weiß. Die folgende Klassifikation ist als Typologie zu verstehen, in Wirklichkeit sind die Grenzen fließend:
Scherben | porös Irdengut |
dicht Sinterzeug |
|
---|---|---|---|
farbig | Tonware | unglasiert: Terrakotta | Steinzeug |
glasiert: z.B. Majolika, Fayence | |||
weiß | Steingut | Porzellan |
Das sog. Frittenporzellan wird aus einer glasartigen Masse aus Quarzsand, Alaun, Gips u.a. Ingredienzien, der Fritte, vermischt mit Mergel hergestellt. Es wird bei niedrigeren Temperaturen gebrannt als Porzellan, ist daher weicher und empfindlicher, aber es stehen mehr Farben zur Dekoration zur Verfügung. Die Herstellung von Frittenporzellan ist aufwendig, es ist daher teuer. Es wurde hauptsächlich im 18. Jh. in Frankreich hergestellt.
Die Begriffe Fliese und Kachel werden häufig synonym gebraucht. Doch kommt die Kachel aus dem Ofenbau. Sie hat die Form eines flachen Gefäßes und die Funktion, die Wärme zu speichern und nach außen abzugeben (Kachelofen). Auch die Keramikelemente des Hitzeschildes von Raumschiffen sind Kacheln, nicht Fliesen.
Fliesen sind Platten aus Keramik (auch Glas oder Stein), die als Wandverkleidung oder Bodenbelag verwendet werden.
Klinker sind Keramikfliesen, die bei hohen Temperaturen (um 1200° C) gebrannt werden und die daher einen dichten Scherben haben. Ein dichter Scherben bedeutet geringe Wasseraufnahmefähigkeit und damit Unempfindlichkeit gegenüber Frost.
Kachel, ahd. chachala, bedeutet ursprl.
„irdenes Gefäß, Krug, Topf“. Es kommt von vlat. *caccalus = lat.
caccabus „dreibeiniger Tiegel, Pfanne, Kessel“, von griech.
κάκκαβος „dreifüßiger Topf“.
Fliese stammt aus dem Niederdt., mnd. vlīse, von
spleißen, mhd. splîʒen, mnd. splīten (vgl. engl.
split) „spalten, trennen“. Der sachliche Zusammenhang ist mir aber
unklar: wurden Fliesen früher schon durch Unterteilen von Tonsträngen
hergestellt? Oder wie der Spaltklinker zwei Fliesen Rücken an Rücken gebrannt
(um die Verformung beim Brand zu reduzieren) und diese anschließend
gespaltet?
Der Klinker ist benannt nach dem hellen, klingenden Ton, der beim
Dagegenschlagen entsteht.
Eine einigermaßen erschöpfende Auflistung findet man im Wikipedia-Art. Liste der Formen, Typen und Varianten der antiken griechischen Fein- und Gebrauchskeramik und auf der Seite Formen griechischer Vasen im Überblick der Uni Gießen. Hier nur eine Auswahl:
Das fachgerechte Brennen von Keramik ist eine Wissenschaft für sich. Neben Brenntemperatur und -dauer ist auch die Luftführung entscheidend für die Oberfläche des Produkts. Denn je nachdem, ob unter reichlich Luftzufuhr (oxidierend) oder unter Luftabschluss (reduzierend) gebrannt wird, bildet das Eisen im Ton unterschiedliche Oxide: schwarzes Eisen(II)-oxid, rotes Eisen(III)-oxid (Hämatit, gibt auch dem Rost seine Farbe), glänzend schwarzes Eisen(II,III)-oxid (Magnetit).
Die Gefäße der klassischen griechischen Vasenmalerei (schwarzfigurig, rotfigurig) sind unglasiert, haben aber teilweise eine glatte, dichte Oberfläche. Der getrocknete Ton wurde mit Tonschlicker bemalt, der aus besonders feinkörnigen, bei niedrigen Temperaturen sinternden Tonen bestand. Die Gefäße wurde anschließend in drei Phasen gebrannt:
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 5. Mai 2024