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Mein Senf 2010-2014
Conchita Wurst hat den Eurovisions-Songcontest gewonnen und die heimische Presse feiert Österreich als Hort der Liberalität. (Dass ich nicht lache!) Und die linke Reichshälfte nutzt die positive Stimmung, um wieder einmal das Thema der Rechte der Homosexuellen hochzukochen. Dabei merkt sie nicht, dass sie, indem sie die Abschaffung der Normalität betreibt, immer mehr Menschen den rechten Populisten in die Arme treibt. Oder bin ich der einzige, der Frauen mit Bart seltsam findet?
Die Österreicher haben gewählt und ich fasse es nicht: die FPÖ unter H. C. Strache hat mehr als zwanzig Prozent. Jene Partei, die „Nächstenliebe“ sagt, wenn sie Fremdenhass meint. Die die Verdrehung politischer Begriffe betreibt, wie sie Vaclav Havel in seinem Versuch, in der Wahrheit zu leben für die kommunistischen Machthaber der ČSSR beschreibt. Und die ÖVP versucht jetzt, den Preis für eine neue Große Koalition in die Höhe zu treiben, indem sie mit einer möglichen Koalition mit dieser FPÖ kokettiert. Mich widert das alles so an.
Die Italiener haben gewählt und ich fasse es nicht: sie haben zum dritten Mal (ich wiederhole: zum dritten Mal) Silvio Bunga Bunga Berlusconi gewählt. Mir tut vom vielen Kopfschütteln schon der Nacken weh. Mario Monti, der das Vertrauen in die italienische Wirtschaft wiedergewonnen hatte, ist abgewählt worden. Mir ist schon klar, dass Sparen nicht lustig ist. Und man kann darüber streiten, ob es der beste Weg ist, die Finanzen des Staates in Ordnung zu bringen. Aber dass so viele Italiener die haltlosen Versprechungen des 76jährigen Cavaliere geglaubt haben, macht mich sprachlos. Besuchen Sie Italien – solange es noch steht.
Die entbehrliche, alle zwei Jahre stattfindende Sportgroßveranstaltung ist endlich zu Ende. Nachdem sich die Finanzhaie in London „gesundgestoßen“ haben, sind jetzt die Immobilienspekulanten dran. Aber die Ungerechtigkeiten im Vorfeld der Spiele (Enteignung kleiner Grundbesitzer gegen ein Butterbrot) werden ebenso schnell vergessen sein, wie der Umstand, dass die Olympiade vor vier Jahren in Peking mitnichten zu mehr Meinungsfreiheit, Demokratie oder einer Verbesserung der Menschenrechtssituation in China geführt hat. Aber seien wir ehrlich: das hat kein intelligenter Mensch wirklich geglaubt.
Jener fragwürdige Schweizer Verein, der für die Vergabe der Spiele verantwortlich ist, zeigt auf seiner eigenen Website, wie wenig er von Meinungsfreiheit hält: „You may create your own link to the Site, provided that your link is in a text-only format. You [...] agree that no such link shall portray us or any other official London 2012 organisations (or our or their activities, products or services) in a false, misleading, derogatory or otherwise objectionable manner.“ Keine Sorge, auf so einen Verein setze ich keine Links, nicht einmal abfällige!
Dass Dabeisein gar nichts ist und nur der Sieg zählt, war schon bei den Olympischen Spielen der Antike so (da gab es nicht einmal eine Silbermedaille). Mit Völkerverständigung haben die Medaillenspiegel, die ständig vorrechnen, welches Land wieviele Medaillen errungen hat, auch nichts zu tun. Und trotz negativer Dopingprobe kann ich in einigen Fällen nur schwer glauben, dass der Sportler bzw. die Sportlerin auch wirklich ungedopt war (wenn auch mit Zeug, das erst in ein paar Jahren verboten sein wird).
In einem in den Salzburger Nachrichten am 14. Mai 2012 veröffentlichten Interview sagte der renommierte Ägyptologe Jan Assmann (online einsehbar):
„Der säkulare Staat hat die Aufgabe, den in ihm wohnenden religiösen Menschen einen Entfaltungsraum gegenseitiger Respektierung zu geben. Der säkulare Staat darf nicht zulassen, dass auf seinem Rechtsgebiet Religionen verunglimpft werden.
Ich empfinde es als töricht, dass die Presse in Dänemark die Muhammad-Karikaturen begrüßt hat als Fanal, als Leuchte der Pressefreiheit. Die Muhammad-Karikaturen erfüllen den Tatbestand der Beleidigung. Der Staat muss aber darauf achten, dass niemand beleidigt wird. Da haben wir noch viel zu lernen, was den gegenseitigen Respekt angeht.“
Dem möchte ich energisch widersprechen: der säkulare Staat hat vor allem die Aufgabe, die Freiheitsrechte seiner Bürger zu schützen. Dazu gehört auch das Recht, Kritik zu üben; auch unsachliche Kritik (welcher Kritisierte wird die Kritik nicht als unsachlich empfinden?); auch Kritik in Form von Spott und Karikatur. Ich bin als Christ natürlich nicht amused, wenn sich jemand über Jesus Christus oder den christlichen Glauben lustig macht – aber das Recht dazu muss man haben. Dass Gerhard Haderer für sein Jesus-Buch in Griechenland in erster Instanz zu sechs Monaten Haft verurteilt wurde, ist mehr als nur peinlich: es ist eines säkularen Rechtsstaates unwürdig. (Die älteste bildliche Darstellung Jesu ist übrigens eine Karikatur: das Spottkruzifux vom Palatin.)
Auf die Befindlichkeit radikaler Muslime Rücksicht nehmen zu müssen wäre eine nicht hinnehmbare Einschränkung der Meinungsfreiheit, weil – wie Dieter Nuhr es formuliert – die immer gleich so radikal beleidigt sind. Und tatsächlich waren die vielen gewälttätigen oder gewaltandrohenden Reaktionen der Muslime in aller Welt weit überzogen. Das Traurige an den Karikaturen ist ja, dass sie mehr als nur ein Körnchen Wahrheit enthalten. Dabei sind Zeitungen in islamischen Ländern bekanntermaßen auch nicht gerade zimperlich, wenn es darum geht, Juden zu verunglimpfen. Vergessen wir nicht die Todesfatwa gegen Salman Rushdie oder gerade eben gegen den Rapper Shahin Najafi. Der säkulare Staat hat hier die Pflicht, die Bürger gegen das Beleidigtsein der Muslime in Schutz zu nehmen.
Und der schweigenden muslimischen Mehrheit, die angeblich nicht mit den Islamisten in einen Topf geworfen werden will, sei gesagt: dann muss sie aufhören zu schweigen, denn wer schweigt, scheint zuzustimmen.
Die Ankündigung des fundamentalistischen christlichen Pastors Terry Jones, am Jahrestag von 9/11 Koranausgaben verbrennen zu wollen, hat unglaublich viel Staub aufgewirbelt. Ich bin dagegen, Bücher welcher Art auch immer zu verbrennen (ausgenommen alte Telefonbücher). Aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir die falschen Fragen diskutieren. Wenn man sich ansieht, wie mau es um die Religionsfreiheit von Nicht-Muslimen in vielen islamischen Ländern bestellt ist, kann man die beabsichtigte Koranverbrennung nur als Nullmeldung betrachten: einfach nicht hingehen.
Wenn ein Mufti in Arabien Bibeln verbrennen wollte, würde das keinen Hund hinter dem Ofen hervorlocken. Amerikanische Fahnen werden ja am laufenden Meter abgefackelt. Hier wird doch mit zweierlei Maß gemessen! Auch das Ansinnen, am Ground Zero ein islamisches Zentrum zu errichten, ist doch eine Ohrfeige ins Gesicht der Angehörigen der Opfer (so wie die geschmacklose Idee der Katholiken, im KZ Ausschwitz ein großes Kreuz zu errichten). Es fällt mir als Nicht-Muslim schwer, das anders zu deuten als: „Wir haben das Gebäude zum Einsturz gebracht, und jetzt bauen wir dort noch eine Moschee – Islam rulez.“ Aber vielleicht könnte man zum Ausgleich eine Kirche im Zentrum von Riad oder Teheran errichten?
Die Koranverbrennung hat natürlich nicht stattgefunden. Zu groß war der Druck der Politik, zu groß die Angst, dass im Gegenzug in islamischen Ländern westliche Botschaften brennen würden, Christen massakriert würden oder Ähnliches. Keine Frage: Pastor Terry Jones ist ein Idiot. Aber Tausende Muslime weltweit stehen ihm in nichts nach.
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 24. Aug. 2024