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Erinnerungen an den Zivildienst


1989/90 absolvierte ich meinen Zivildienst beim Roten Kreuz in Salzburg. Während nachts Freiwillige den Rettungsdienst versahen, waren tagsüber berufliche Rettungssanitäter unterwegs. Zivildiener wurden als Begleiter der Berufssanitäter eingesetzt; sie hatten den Patienten zu betreuen, während der Fahrer den Sanka (den Sanitätskraftwagen, sprich das Rettungsauto) lenkte. Unsere Aufgabe als Zivildiener war auch, die persönlichen Daten des Patienten zu erheben und am Ende des Tages die Transportscheine auszufüllen, auf deren Grundlage die Transportkosten von den Krankenkassen eingefordert wurden. Darüber hinaus mussten wir jeden Morgen die Rettungswagen der Freiwilligen putzen und ihre Erste-Hilfe-Ausrüstung durchchecken.

Ich leistete meinen Dienst in einer Übergangszeit. Lange Jahre wurde das Rote Kreuz in Salzburg von einem Mann geleitet, der, wie mir die Kollegen erzählten, einen militärischen Führungsstil pflegte und die Zivildiener als Drückeberger verachtete. Als ich meinen Dienst antrat, hatte mit Gerhard Huber zwar ein Mann das Ruder als Landesrettungskommandant übernommen, der die Dinge mehr von der wirtschaftlichen Seite betrachtete. Doch wir Sanitäter mussten noch Uniform tragen: die graue Hose, den grauen Pullover und die rote Goretexjacke bekamen wir zur Verfügung gestellt, dazu waren weißes Hemd, schwarze Schuhe und schwarze Socken Vorschrift.

Ein Rest der Zweiklassengesellschaft aus Berufssanitätern und Zivildienern war folgender Umstand: alle Trinkgelder, die Patienten spendierten, wurden eingesammelt und monatlich gleichmäßig aufgeteilt – auf die Sanitäter. Zivildiener gingen leer aus. Weshalb ich irgendwann dazu überging, den Patienten zu sagen, dass ich Zivildiener sei und kein Trinkgeld annehmen dürfe.

In der Stadt Salzburg hatte man als Sanitäter einen großen Vorteil: bei lebensbedrohlichen Situationen wurde meist der Notarzt losgeschickt. Als normaler Sanitäter kam man bestenfalls zur Unterstützung dazu. Nur gelegentlich war man vor dem Notarzt vor Ort und musste Ersthilfe leisten. Menschen, die sich vor den Zug geworfen oder die sich erhängt hatten, sind mir erspart geblieben. Dennoch sah und erlebte ich hin und wieder Erschütterndes.


Ich habe damals zwei solcher Erlebnisse zu Papier gebracht. Das ganze ist jetzt über 25 Jahre her. Damals gab es keine Mobiltelephone, die Sankas kommunizierten mit der Leitstelle über Funk; Wagenfenster wurden in der Regel noch von Hand gekurbelt; man bezahlte mit Schilling und Groschen; und viele Wörter schrieb man noch mit ß.

Als Sanitäter sieht man oft nur einen Ausschnitt des Geschehens und muss sich den Zusammenhang zusammenreimen. Dabei kann man sich natürlich auch irren. Meine Erinnerungen sind subjektiv. Ich habe die Namen geändert und hoffe, niemandes Persönlichkeitsrechte verletzt zu haben.

Parkdeck

„Zwosieben von Zentrale!“ – Karl, der Fahrer, mit dem ich heute zusammenarbeitete, griff zum Mikrophon des Funkgerätes: „Zwosieben?“ – „Peilsteinerstraße, auf dem Parkdeck neben Universal-Versand. Zwohundertfünf. NAW ist ebenfalls unterwegs.“ – „Verstanden.“

Karl hängte das Mikrophon in die Verankerung und legte den Schalter um, der das Blaulicht in Betrieb setzte, während ich an meiner roten Goretex-Jacke nestelte, um eine handgeschriebene Liste mit den Zahlencodes daraus hervorzuziehen: Die Zwohunderter bedeuteten Arbeitsunfälle, Zwohundertfünf hieß Sturz vom Gerüst. Ich zog ein paar Latexhandschuhe aus meiner Oberschenkeltasche und streifte sie mir über.

Karl steuerte unseren Rettungswagen, einen Mercedes Diesel, mit großer Präzision durch den vormittäglichen Verkehr. Oft mit nur wenigen Zentimeter Abstand Blech an Blech vorbeizubewegen gehörte zum Alltag der Rettungsfahrer. Schon nach wenigen Minuten hatten wir unser Ziel erreicht. „Eintreffen Zwosieben“, meldete Karl der Zentrale.

Als unser Wagen die Rampe zum Parkdeck erklommen hatte, stellte ich erleichtert fest, daß der NAW (so unser internes Kürzel für den Notarztwagen, einen geräumigen VW-Transporter) schon da war. Ein großer blutiger Fleck im Schnee zeigte die Stelle, an der unser Zwohunderfünfer auf das Parkdeck gestürzt war. Doch von welchem Gerüst sollte er gestürzt sein? Es gab kein Gerüst an der Mauer des fünstöckigen Wohnhauses, an das das Parkdeck grenzte, keinen Balkon; und um aus dem Fenster gestürzt zu sein, war der blutige Fleck zu weit von der Hausmauer entfernt.

Die Sanitäter des NAW hatten den Verunglückten schon auf die Vakuummatratze gelegt und in den Wagen geschoben. Die Notärztin und die zwei Notfallsanitäter kämpften um sein Leben: Herzstillstand. Sie hatten die EKG-Elektroden auf seine Brust geklebt und mit der Reanimation begonnen. Karl, ein großer, kräftiger, pyknischer Kerl, sprang in den Patientenraum des Wagens und begann mit der Herzmassage.

Einer der Sanitäter drückte mir steril verpacktes Infusionsbesteck und einen Infusionsbeutel in die Hand und sagte nur: „Bitte!“ Mit klammen Fingern und nervös – ich hatte das bisher noch nicht gemacht – riß ich die Verpackung auf und machte die Infusion einsatzbereit. Als ich sie in den Wagen hineinreichte, sah ich die einen halben Meter langen, mehr als fingerdicken Kanülen der Thoraxdrainage links und rechts aus der Brust des Verunglückten ragen: er hatte wohl einen Pneumothorax, eine stumpfe Brustkorbverletzung, vermutlich durch gebrochene Rippen, die sich in die Lunge gebohrt hatten.

Zu viert mühten sie sich ab: künstliche Beatmung, Herzmassage, Infusionen; ich konnte nicht helfen, denn ein fünfter hätte beim besten Willen nicht mehr in den Wagen gepaßt. Daher stand ich vor der offenen Tür des Patientenraumes.

„Wir brauchen eine Anamnese!“, sagte die Notärztin zu den Sanitätern. „Ob er irgendwelche Medikamente nahm, ob er Depressionen hatte, usw.“ Und dann zu mir gewandt: „Schauen Sie, ob Sie jemanden finden, der ihn kennt oder etwas über ihn weiß.“ Dann zog einer der Sanitäter die Tür zum Patientenraum zu.

Unsicher und frierend ging ich auf dem Parkdeck umher. Meine Finger schmerzten, denn es war ein frostiger Wintertag und die AIDS-Handschuhe boten keinen Schutz vor der Kälte.

Auf dem Parkdeck stank es nach Abgasen, denn man mußte den Motor des NAW laufen lassen, um den Patientenraum zu heizen. Ich besah die vom Schnee aufgesogene Blutlache. Sie war gut fünf Meter von der Hausmauer entfernt. Der Verunglückte mußte Anlauf genommen haben, um hier aufzuschlagen. Ich sah die Hausmauer hoch: fünf Stockwerke Fenster, ein Flachdach. Er mußte vom Dach gesprungen sein, mit Anlauf. Ein Selbstmordversuch.

Ich war allein auf dem Parkdeck. Aus den geschlossenen Fenstern des gegenüberliegenden Gebäudes blickten neugierige Gesichter aufs Parkdeck: eine Schule? Oder ein Großraumbüro? (Jahre später arbeitete ich in dem Gebäude: es handelte sich um die Büros des Universal-Versands.)

Jetzt näherte sich neugierig ein etwa fünzigjähriger Mann. Ich ging auf ihn zu. „Was ist denn passiert?“, fragte er mit unverhohlener Neugier, „Ist jemand krank?“ – „Ein Unfall“, antwortete ich, „Sie haben nicht gesehen, wie es passiert ist?“ – „Nein.“ – „Wohnen Sie hier?“ – „Ja, ich bin der Hausmeister.“ – „Kommen Sie bitte mit und sagen Sie uns, ob Sie den Mann kennen!“

Ich brachte den Hausmeister zum NAW, öffnete die Patientenraumtür und ließ ihn hineinsehen. Die kleine Gestalt des Hausmeisters blickte mit einer Mischung aus Faszination und Ekel auf den Mann, an dem sich immer noch die Notärztin, die zwei Notfallsanitäter und Karl abmühten.

„Nein, der gehört nicht zu den Leuten vom Haus. Den hab' ich hier noch nie gesehen.“ Ich bedankte mich beim Hausmeister, der sich zögernd entfernte.

Einer der Notfallsanitäter forderte mich auf, ihn bei der künstlichen Beatmung abzulösen. Ich stieg in den Wagen, nahm den Ambu-Beutel und begann ihn im Rhythmus der Herzmassage zusammenzudrücken: fünfmal den Brustkorb niederdrücken, einmal den Ambu-Beutel drücken; und zwar möglichst so, daß die Herzmassage in ihrem Rhythmus nicht unterbrochen wurde. Auch Karl hatte sich inzwischen ablösen lassen, zehn Minuten Herzmassage waren sehr anstrengend.

„Passen Sie auf, daß Sie ihm mit dem Ambu-Beutel nicht den Tubus wieder 'rausziehen!“, warnte die Notärztin. Schließlich bestimmte sie, den Verunglückten ins Krankenhaus zu fahren: „Wir versuchen's.“

Ich war im NAW geblieben. Karl war zu unserem Rettungswagen zurückgegangen und fuhr jetzt vor dem NAW mit Blaulicht und Folgetonhorn her, der NAW mit Blaulicht und Horn nach.

Die Notärztin hatte gerade eine neue Infusion, eine Ringerlösung, fertiggemacht, drückte mir den Infusionsbeutel in die Hand und befahl mir, die Infusion so schnell wie möglich hineinzudrücken. Sie löste mich beim Beatmen ab. Ich kniete am Kopfende unseres Patienten und bemühte mich, trotz des starken Schaukelns des hohen NAW in den Kurven das Gleichgewicht zu halten.

Mit aller Kraft preßte ich den Kunststoffbeutel, in dem die Infusionslösung war, zusammen. (Der durch die äußeren und inneren Verletzungen verursachte Blutverlust mußte möglichst rasch kompensiert werden.) Der Infusionsschlauch mündete in einen Subclaviakatheter, d.h. der Katheter befand sich beim Schlüsselbein des Verunglückten. Ich preßte so, daß mir schon die Hände und Unterarme weh zu tun begannen.

Ich sah, daß sich um den Patienten auf der Vakuummatratze Lachen einer wässrigen, orangefarbenen Flüssigkeit bildeten, offenbar die Infusionslösung, vermischt mit Blut.

„Wo kommt das her?“ fragte der Sanitäter, der die Herzmassage ausführte. „Das muß ihm bei den Ohren herausrinnen“, antwortete die Notärztin. (Offenbar hatte der Mann einen beidseitigen Schädelbasisbruch.) In den Kurven schwappte die appetitliche Flüssigkeit von der Matratze, wurde aber nicht weniger, da ich ja ständig Infusionslösung in den Patienten hineinpreßte. In einer der Kurven ergoß sich schließlich ein Schwall auf meine Hose.

Als wir die unfallchirurgische Abteilung des Krankenhauses erreichten, war der Infusionsbeutel leer, meine Hände schmerzten, und ich hatte vom Knie an abwärts einen großen nassen Fleck auf meiner Hose.

Im Krankenhaus hievten wir den Mann von der fahrbaren Patiententrage des NAW auf eine Liege, wobei eine der großen Kanülen, die aus dem Brustkorb ragten, herausrutschte. Das Krankenhauspersonal begann sofort, die Reanimation fortzuführen. Einer der Ärzte befahl, das Röntgen bereit zu machen.

Wir konnten dem Krankenhaus keine persönlichen Daten des Verunglückten geben, wir wußten nicht, wie der Mann hieß, wo er wohnte, nichts.

Der Patientenraum des NAW sah aus, wie ein Schlachthof, alles voller Blut und blutvermischter Ringerlösung. Sterile Verpackungen von Infusionsbestecken und Injektionskanülen, leere Infusionsbeutel und Zellstoff lagen herum. Der Sanitäter, der den NAW gefahren hatte, machte sich ans Aufwischen.

Wie ich noch am gleichen Tag erfuhr, konnte der Mann nicht mehr gerettet werden. Man hatte ihn geröntgt und festgestellt, daß so ziemlich alle Knochen gebrochen waren, das Becken völlig kaputt. Dazu der beidseitige Schädelbasisbruch, der beidseitige Pneumothorax, die inneren Verletzungen, der Blutverlust. Das „Abgangsbuch“ des Krankenhauses vermerkte ihn als „tot eingeliefert“.

Hirn am Asphalt

Ich war heute mit Richard unterwegs und hoffte auf einen ruhigen Nachmittag. Richard war Anfang zwanzig und normalerweise Beifahrer. Aber da er auch bei der freiwilligen Rettung in Hallein half und dort selber Rettungswagen fuhr und da heute offenbar Mangel an Fahrern herrschte, hatte man Richard zum Fahren eingeteilt. Er hatte übrigens ein makabres Hobby: er fotografierte besonders grausige Unfälle.

Wir waren gerade unterwegs zum Flughafen, um in der Dienststelle West Bereitschaftsdienst zu machen. Wir standen an einer Kreuzung, und ich hörte nur mit halbem Ohr, wie die zentrale Funkleitstelle den NAW rief: „Innsbrucker Bundesstraße .., vor der Raiffeisenbank. Ein Patient dreihunderteins.“

Dreihunderteins bedeutete Verkehrsunfall mit Schwerverletzten. Ich blickte aus dem Seitenfenster und sah eine Raiffeisenbank. In meinem Kopf begann es zu arbeiten: wir waren auf der Innsbrucker Bundesstraße, doch von einem Verkehrsunfall hatten wir nichts gesehen.

Richard griff bereits zum Mikrophon, um der Zentrale mitzuteilen, daß wir an der Unfallstelle seien und nach dem Rechten sehen würden.

Ein Mann mit Funkgerät in der Hand und einem Amtskäppchen auf dem Kopf – er war anscheinend Fahrscheinkontrolleur oder etwas Ähnliches der städtischen Buslinien – erschien an meinem Fenster. Ich kurbelte herunter. „Sie ist da drüben“, sagte er und wies mit dem freien Arm irgendwo hinter uns, „sie ist schon tot.“

Richard schaltete das Blaulicht ein und wendete den Wagen, um ihn schon nach zwanzig Metern wieder zum Stehen zu bringen. Wir stiegen aus und da lag sie, mitten auf der Straße: eine offenbar schon ältere Dame, um die sechzig, auf dem Bauch liegend, ihr halber Oberkörper und ihr Kopf mit einer gelben Regenjacke bedeckt. Einen halben Meter von ihr entfernt lag eine altmodische Brillenfassung, das Glas zersplittert, einige kleine Glasscherben rundherum. Und auf einer Strecke von einem Meter, ausgehend von ihrem Kopf, kleine rosige Fetzchen: ihr Gehirn war auf dem Asphalt verspritzt.

Richard kniete sich hin und hob kurz die Regenjacke auf, dann ließ er sie wieder fallen und stand auf. „Und?“ fragte ich. „Exitus“, erwiderte Richard, ohne eine Spur von Rührung oder Schreck zu zeigen, „Kannst sie dir ruhig ansehen, wenn du möchtest.“

Ich war unschlüssig, aber schließlich siegten meine Angst und mein Ekel. „Was geschieht jetzt?“ fragte ich zurück. – „Jetzt muß der Leichenbestatter kommen.“

Ich ging zum Straßenrand und wartete unsicher, ohne zu wissen worauf. Ein blasser junger Mann mit einem eigenartig entsetzten Gesichtsausdruck sprach mich an. Erst als er ein paar Sätze gesprochen hatte, verstand ich, daß er sie überfahren haben mußte.

„Ich bin da rückwärts gefahren, und ich hab' in meinen Spiegel geschaut. Sie ist da direkt hinter meinem Laster herausgerannt. Sie wollte anscheinend 'rüber zum Bus. Ich hab' sie überhaupt nicht gesehen...“ Ich nickte zunächst ein paar Mal verständnislos. Nur langsam begann ich seine konfuse Erklärung zu begreifen. Er schien sich irgendjemandem gegenüber rechtfertigen zu wollen. Ich blickte über die Straße. Gegenüber hielt gerade ein Oberleitungsbus. Eine Bushaltestelle also; die Frau hatte offensichtlich noch den Bus auf der anderen Straßenseite erwischen wollen und war, ohne zu schauen, hinter einem zurückstoßenden LKW auf die Straße gelaufen.

Jetzt kam der Notarztwagen, ein hoher VW-Transporter, mit Blaulicht und Horn herangerast. Er hielt mitten auf der Kreuzung, die Patientenraumtür öffnete sich, und der Notarzt und ein Sanitäter sprangen heraus. Der Notarzt hatte schon das tragbare kombinierte EKG/Defibrillator-Gerät in der Hand und ging zu der leblos Daliegenden.

Ich ging auf ihn zu und grüßte ihn: Lukas war wie ich Zivildiener, der älteste meines Turnusses und Facharzt für Anästhesie. Er kniete sich hin und hob die über den Kopf der Frau gebreitete gelbe Regenjacke auf. Ich stand seitlich hinter ihm und blickte an ihm vorbei zu Boden. Für einen Sekundenbruchteil erschrak ich. Die Tote lag mit zur Seite gedrehtem Gesicht da. Doch der Kopf hörte bei den Augenbrauen auf. Darüber war nichts. Nur ein großes, rosiges Loch. Der LKW war ihr über den Kopf gefahren.

Lukas breitete die Jacke wieder hin, schob die Jacke der Toten und ihre Bluse ein Stück hoch und setzte die beiden Platten des Defibrillators auf ihren Rücken. Der Sanitäter schickte Strom durch. Nichts. Der Körper der Frau zeigte keine Reaktion, keine Reflexe; sie war mausetot.

Lukas streifte Bluse und Jacke der Toten wieder herunter und stand auf. „Wir können hier nichts mehr tun“, sagte er zu seinen beiden Notfallsanitätern, „um das weitere soll sich die Polizei kümmern.“ Dann bückte er sich und wischte mit der Hand die herumliegenden Fetzchen Gehirn zur Toten hin. Dabei riß sein Gummihandschuh an der Zeigefingerspitze auf. Mit skeptischem Blick nestelte er an dem Stückchen Gummi herum.

Einer der Sanitäter hatte den Defibrillator inzwischen wieder im Wagen verstaut. „Ja, wir fahren gleich wieder“, sagte Lukas zu Richard, um den ich mich gar nicht mehr gekümmert hatte. (Er bedauerte wahrscheinlich, keinen Fotoapparat mitzuhaben.) Sprach's und stieg in den NAW; dieser wendete und entfernte sich.

Auch Richard und ich stiegen jetzt in unseren Rettungswagen. Eben kam ein Polizeiwagen mit Blaulicht. Richard wendete und funkte zur Zentrale, daß wir einsatzbereit wären. Diese wiederholte ihren ursprünglichen Auftrag. Fünf Minuten später erreichten wir den Flughafen, wo sich die Dienststelle West befand. Es wurde dann, wie erhofft, ein ruhiger Nachmittag.


Das folgende habe ich im Jahr 2015 aus der Rückschau aufgeschrieben. Viele Details sind aus der Erinnerung verschwunden.

Frühstücksleiche

Ein Patient einhunderteins: Herzstillstand. Und das kaum, dass mein Dienst um sieben Uhr begonnen hatte. Noch dazu in der Schießstattstraße, in der verwinkelten Siedlung mit einem Dutzend Hauseingängen, für die manche Rettungsfahrer einen eigenen Plan mitführten.

Ich war an diesem Morgen mit Robert unterwegs, einem ehemaligen Piloten, der sich beim Fliegen einen schweren Gehörsturz zugezogen hatte und jetzt ein Hörgerät tragen musste (so hatte ich es zumindest verstanden). Mit dem Fliegen war es damit natürlich vorbei. Sein Lieblingssatz war: „Verstehst du?“

Wir fuhren mit Blaulicht. Robert mutmaßte, dass es sich um eine typische „Frühstücksleiche“ handle. „Frühstücksleiche?“ fragte ich verständnislos. „Ja. Die Ehefrau steht am Morgen auf, macht Frühstück, will dann ihren Mann wecken und stellt fest, dass der sich nicht mehr rührt. Er ist über Nacht gestorben.“

Und genau so war es. Robert hatte den richtigen Hauseingang bald gefunden. eine halbwegs gefaßte alte Frau empfing uns. Ihr Ehemann lag tot im Bett und war auch schon spürbar einige Grad ausgekühlt, musste also schon seit Stunden tot sein. Auch der Notarzt, der nach uns eintraf, konnte nur noch den Tod konstatieren.

Robert beschloss, bis zum Eintreffen des Leichenbestatters bei der Frau zu bleiben und mit ihr ein bisschen zu reden, damit sie nicht mit dem Leichnam ihres Mann allein bleiben musste. Mir gab er den Auftrag, dem Leichnam den Schmuck (Ehering, Halskettchen, wenn vorhanden) abzunehmen, damit das nicht die Frau tun musste. Das empfand ich schon als gruselig.

Scheißhäusltouren

Wir nannten sie zwar nicht so wie Wolf Haas in Komm, süßer Tod, aber es gab sie auch bei uns: die ungeliebten Transporte von (hauptsächlich) Dialysepatienten ins Krankenhaus und wieder nach Hause. Wobei meiner laienhaften Einschätzung nach der eine oder andere wohl auch mit dem Taxi hätte fahren können (was für die Krankenkasse auch billiger gewesen wäre). An einige Patienten erinnere ich mich noch:

Da war einmal die bettlägerige, blinde alte Frau, die wir von der Pflege Mülln (einer kirchlichen Pflegeeinrichtung) holen und ein paar hundert Meter weit ins Landeskrankenhaus transportieren mussten. Die Kollegen sprachen von ihr mit Verachtung, wenn nicht mit Abscheu. Was ich zunächst nicht verstand. Doch dann erzählten sie mir, sie habe im zweiten Stock eines alten Hauses in der Getreidegasse gewohnt (in dem es offenbar keinen Lift gab). Und nachdem sie ihren Hund äußerln geführt habe – wofür sie die Treppe offenbar noch zu benutzen imstande war –, habe sie sich von der Rettung holen lassen und darauf bestanden, in einem Tragesessel durch das enge Treppenhaus gewuchtet zu werden. Was angesichts ihrer damals beträchtlichen Leibesfülle von allen gefürchtet und gehasst wurde.

Dann war da eine Frau um die dreißig, die offensichtlich geistig behindert war und die wir von der Pflege Mülln zur Physiotherapie bringen mussten. Einmal begleitete uns ein Angehöriger, mit dem ich auf der kurzen Strecke ins Gespräch kam: er war der Ehemann. Seine Frau hatte versucht, sich mit Schlaftabletten umzubringen. Sie wurde im letzten Moment gefunden und gerettet, aber ihr Gehirn war durch den Sauerstoffmangel bereits irreparabel geschädigt, und sie war nun ein Pflegefall.

Eine rüstige alte Dame, die wohl um die neunzig sein mochte, war so dünn, dass ich das Gefühl hatte, man könne sie mit einer Hand aufheben. Wir fuhren sie zwischen Altersheim und Dialyse hin und zurück. Eines Tages erfuhren wir, dass sie beschlossen hatte, nicht mehr zur Dialyse zu fahren: sie wollte sterben. Und das Altersheim akzeptierte das offenbar.

Ein Mann fiel mir auf, weil er am Unterarm ein riesiges Blutgefäß hatte. Er erklärte mir, dass es sich um einen Shunt handle, eine künstlich angelegte Verbindung einer Arterie und einer Vene.

Schnellschnitt

Das waren Fahrten, die mir nicht unsympathisch waren, weil man auf ihnen keinen Patienten zu betreuen hatte. Wir fuhren dazu zunächst zur Blutbank und holten dort ein spezielles Kühlgefäß. Damit fuhren wir zum Krankenhaus Zell am See. Sobald wir dort eintrafen, wurde der Patient narkotisiert und der Chirurg begann mit der Operation, wobei Gewebeproben entnommen und in eben jenes Kühlgefäß gegeben wurden. Mit diesem Gefäß fuhren wir nun mit Blaulicht nach Salzburg ins Landeskrankenaus auf die Histologische Abteilung. Unterdessen, so erzählte man mir, lag der Patient die ganze Zeit in der Narkose. Die Fachärzte der Histologie untersuchten sofort die Gewebeprobe und teilten das Ergebnis dem Chirurgen in Zell am See telefonisch mit. Und der operierte dann entsprechend der erhaltenen Information weiter (oder auch nicht).

Als ich einmal die Kühlbox von einem Arzt (ich denke, es handelte sich um den Chirurgen) in Empfang nahm, sagte er sinngemäß: „Es ist ein Kreuz mit dem Körper. Die Seele könnte ohne ihn so schön schmerzfrei leben.“ Ich weiß nicht mehr, was ich geantwortet habe; vermutlich gar nichts. Ich war nur erstaunt, dass ein Arzt der Meinung war, der Mensch könne ohne Körper existieren. Woran ich, obwohl ein religiöser Mensch, meine Zweifel hatte und habe.

Keine Nacht ohne Oberschenkel

Norbert war ein Kollege Anfang dreißig, der ein ziemlich schlagfertiges Mundwerk besaß und seine Kollegen oft veräppelte, aber – und das schätzte ich an ihm – nie seinen jeweiligen Beifahrer. Er trug seinen Ehering an einem Kettchen um den Hals. Etwas was auch ich in Erwägung zog, als ich von dem ewigen Händewaschen und Desinfizieren mit Sterilium am Finger neben dem Ehering ein Ekzem bekam, das nicht mehr wegging. Ich entschloss mich dann aber, für die paar Monate, die ich noch als Sanitäter abzudienen hatte, den Ring an die linke Hand zu stecken. Und da ist er bis heute geblieben.

An manchen Tagen ging es oft den ganzen Tag lang rund. So sehr, dass man den Fahrer fragte, ob „Durchfahren möglich“ sei, d.h. ob er bereit sei, auf die vorgesehene dreistündige Mittagspause zu verzichten. Wozu die Berufssanitäter in der Regel gerne bereit waren, dann es bedeutete Überstunden und zusätzlichen Verdienst. Für mich als Zivildiener bedeutete es, dass ich um meine Pause starb, denn ich bekam dafür keinen Groschen zusätzlich. An einem dieser Tage war ich mit Norbert unterwegs gewesen, und es war inzwischen Viertel nach sieben geworden und wir hofften, endlich einrücken (d.h. in die Zentrale heimkehren) zu dürfen. Denn um halb acht Uhr war unser Dienst zu Ende und ab sieben waren ohnhin die Freiwillen im Einsatz. Doch da hieß es: Eugendorf, ein Patient dreihundertzwo - d.h. Verkehrsunfall mit Leichtverletzten.

Norbert schaltete das Blaulicht ein und wir fuhren stadtauswärts, Gnigl, Hallwang, Eugendorf. Inzwischen hatte es auch zu regnen begonnen. Als wir keine fünfzehn Minuten später eintrafen, wurden wir mit Beschimpfungen empfangen. „Das ist ja unerhört. Wo seid ihr so lange geblieben? Wir warten schon eine Ewigkeit.“ Usw. Manfred rechtfertigte sich, dass wir so schnell gekommen seien, wie es eben möglich war, und dass wir keine Viertelstunde gebraucht hätten. „So ein Blödsinn! Wir haben schon vor .. Minuten angerufen. Wollen Sie mit mir streiten?“ Doch Norbert blieb gefasst: nein, wolle er nicht; wo sei jetzt der Verletzte?

Der Verletzte lag am Boden und war, trotz des Schirmes, den einer über ihn hielt, vom Regen durchweicht. Sein Oberschenkel hatte zwei Knicke jeweils im rechten Winkel. Der Oberschenkelknochen war offenbar zweimal gebrochen und das mittlere Bruchstück hatte sich 90° quer gestellt. Von wegen leicht verletzt! Er war mit dem Fahrrad unterwegs gewesen und von einer Frau, die mit ihrem Auto zurückgestoßen hatte, umgefahren worden. Wobei angesichts der Schwere der Verletzung zumindest einer von beiden mit nicht unbeträchtlichem Tempo unterwegs gewesen sein musste. Als Chauvi tippte ich auf die Autofahrerin.

„Wir haben zwei Möglichkeiten“ meinte Norbert. „Entweder wir heben ihn auf die Trage und riskieren dabei vielleicht, dass aus dem Bruch ein offener wird. Oder wir holen den Notarzt. Das ist definitiv eine schwere Verletzung.“ Wir entschieden uns schließlich für letzteres. Besser den Patienten noch eine Viertelstunde warten zu lassen, als ihn durch unsachgemäßes Transportieren auf dem Gewissen zu haben.

An den weiteren Verlauf kann ich mich nur noch dunkel erinnern. Ich weiß nur, dass der diensthabende Unfallchirurg, als wir mit unserem Patienten im UKH (Unfallkrankenhaus) ankamen, seufzend meinte: „Keine Nacht ohne Oberschenkel!“

Als wir endlich in die Zentrale einrückten, ging es auf halb zehn zu. Doch für mich war der Tag noch nicht zu Ende. Ich musste noch einen Packen Transportscheine ausfüllen. Wollte ich halbwegs leserlich schreiben, konnte ich das nicht während der Fahrt im Sanka erledigen, daher tat ich es immer abends. Als ich kurz nach zehn endlich fertig war, ging ich in die Funkzentrale, um dem Diensthabenden mitzuteilen, dass ich von der mir gesetzlich zustehenden Ruhezeit von elf Stunden Gebrauch zu machen gedachte. Ich würde daher am nächsten Morgen nicht um sechs Uhr zum Dienst antreten, sondern erst um neun kommen.

Ich erwartete eigentlich, dass ich am nächsten Tag ein gehöriges Donnerwetter erleben würde. War doch der für die Zivildiener zuständige Mitarbeiter (den ich im übrigen nie zu Gesicht bekommen habe) dem Vernehmen nach Reserveoffizier und von begrenztem Verständnis für die Bedürfnisse und Ansprüche der Zivis. Doch nichts geschah. Vielleicht hatte man ihm mit dieser Einschätzung Unrecht getan.

Hirntot

Eines Tages wurden wir in das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder gerufen. Es galt, eine Patientin nach „links der Glan“, d.h. in die Landesnervenklinik zu überstellen. Diese Verklausulierung stammte aus einer Zeit, als für viele Menschen Nervenklinik noch gleichbedeutend war mit Irrenhaus und als man sich noch genierte, von seinen Depressionen zu reden oder einzugestehen, dass man psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nahm. (Während es heute schon fast als Zeichen eines Minderleisters gilt, wenn man kein Burn-out hat.)

Als ich die Patientin sah, erschrak ich. Wir hatten sie erst ein paar Tage zuvor vom Krankenhaus zur Dialyse gebracht. Da war sie zwar von einer Nierenoperation geschwächt, aber ansonsten quicklebendig. Jetzt war sie ohne Bewußtsein und hing an einer Lungenmaschine. Was war passiert? Sie musste im Krankenkaus offenbar einen Infarkt erlitten haben. Als man das entdeckte, war sie schon einige Minuten ohne Atmung gewesen. Man reanimierte sie und es gelang, das Herz wieder zum Schlagen zu bringen. Doch die Atmung stellte sich nicht wieder ein, daher wurde sie mit einer Beatmungsmaschine beatmet.

Wie fuhren die Patientin in die Landesnervenklinik, damit man sie dort einer Elektroenzephalographie, d.h. einer Messung der Hirnströme unterziehen konnte. Begleitet wurde sie von einer jungen Ärztin, die mir erklärte, was geschehen solle: Man misst zweimal, im Abstand von etwa sechs Stunden, die Hirntätigkeit. Wenn zweimal keinerlei Gehirnaktivität festgestellen werden kann, gilt ein Patient als hirntot.

Auch der zweite Transport in die Nervenklinik traf zufällig uns. Und beide Male gab es im EEG eine „Nulllinie“. Ich fragte die Ärztin, wie es sein könne, dass jemand tot ist, obwohl sein Herz noch schlägt. Sie erklärte mir, dass das Herz ein primitiver Muskel sei, der zum Schlagen das Hirn nicht brauche. „Was geschieht jetzt?“ wollte ich wissen. „Jetzt werden die Angehörigen auf das Abschalten der lebenserhaltenden Geräte vorbereitet.“

Ingolstadt

Die Herzchirurgie im Landeskrankenhaus Salzburg war über die Grenzen des Landes hinaus anerkannt. So kam es, dass sich immer wieder auch Patienten aus dem angrenzenden Bayern in Salzburg ihre Bypässe legen ließen. Sobald diese Patienten transportfähig waren, wurden sie zur Rekonvaleszenz und Rehabilitation nach Bayern überstellt. Mit schöner Regelmäßigkeit mussten wir daher nach Ingolstadt fahren. Warum gerade nach Ingolstadt (und nicht z.B. nach München oder Augsburg) ist mir nie klargeworden. Vielleicht gab es im dortigen Krankenhaus eine Abteilung, die auf die Rehabilitation von Herzoperierten spezialisiert war.

Ich habe diese Fahrten nicht gemocht. Man war hin und zurück gut fünf Stunden unterwegs und ich wurde meist um meine Mittagspause gebracht (Stichwort „Durchfahren“). Für die Berufssanitäter dagegen bedeutete es fünf Stunden stressfrei Autofahren und Überstunden (vielleicht auch Diäten, weil im Ausland unterwegs, das weiß ich aber nicht).

Lebertransplantation abgesagt

Salzburg war zwar für seine Herzchirurgie berühmt. Lebertransplantationen wurden hier aber offenbar normalerweise nicht durchgeführt. Daher wurden wir eines Montags gerufen, um einen Patienten vom Landeskrankenhaus zur Universitätsklinik Innsbruck zu bringen, wo er eine neue Leber erhalten sollte. So wie der Patient aussah, ging es für ihn um Leben und Tod: Der Mann mochte zwischen vierzig und fünzig sein, hatte eine gelbe Hautfarbe und war komatös. Zirrhose oder Karzinom, ich wusste es nicht.

Ich saß also zwei Stunden hinten im Sanka neben dem Patienten, der nicht mehr ansprechbar war. Als wir beim Innsbrucker Krankenhaus angekommen waren, mussten wir nach der Abteilung suchen, wo wir unseren Patienten abzuliefern hatten. Und dort erfuhren wir: Der Chirurg, der die Transplantation durchführen sollte, hatte sich am Wochenende beim Schifahren den Arm gebrochen. Er konnte jetzt einige Wochen nicht operieren. „Und was sollen wir mit dem Patienten jetzt machen?“ – „Wieder mitnehmen, zum Sterben nach Hause bringen.“ (Wir verkneiften uns, zu bemerken, dass das Telephon schon erfunden sei und man das Krankenhaus in Salzburg hätte verständigen können, statt uns sinnlos durch die Weltgeschichte fahren zu lassen.)

So brachten wir den Mann wieder zurück. Zum Sterben verurteilt, weil ein Chirurg nicht schifahren konnte. Wenn das nicht eine Ironie des Schicksals war!

Rechts der Glan

Von links der Glan war schon die Rede. Was ich allerdings fürchtete, waren Patientenüberstellungen von „rechts der Glan“; das war ein Kriseninterventionszentrum, das im Grunde nur einen Steinwurf weit von der Nervenklinik entfernt war. Ich sage fürchtete, weil diese Patienten manchmal wirklich reichlich meschugge waren.

Eines Tages war es also wieder soweit: wir sollten eine Patientin von rechts der Glan nach links der Glan bringen. Es handelte sich um eine Frau in meinem Alter (also zwischen zwanzig und dreißig), die offenbar von der Polizei hergebracht worden war. Sie war nicht eben attraktiv und sie war barfuß, wofür es an diesem regnerischen Tag doch etwas zu kühl war.

Es bedurfte offenbar einiger Überredung von Seiten des Therapeuten, dass sie freiwillig mit uns ging. Und da wir Sanitäter im Gegensatz zur Polizei keine Gewalt, auch keine sanfte, anwenden durften, wurden wir von einem Polizisten begleitet. Vielleicht bestand auch die Gefahr eines Gewaltausbruchs der Patientin.

Zunächst ging alles gut. Doch inzwischen schien es sich die Patientin wieder anders überlegt haben. Als wir vor dem Gebäude der Psychiatrie ausstiegen, gab sie plötzlich Fersengeld und rannte über die Wiese vor dem Gebäude davon. Sie wurde von uns Sanitätern, sowie von zwei Pflegern der Psychiatrie, die sie in Empfang nehmen sollten, verfolgt. Von mir allerdings nur halbherzig. Was sollte ich machen, wenn ich sie erwischte? Mir eine schmieren lassen? Wir durften ja, wie gesagt, keine Gewalt anwenden. Und mit dem Mut der Verzweiflung war die füllige Dame erstaunlich agil und schlug Haken. Doch weil sie barfuß war, rutschte sie schließlich im nassen Gras aus und landete auf dem Allerwertesten – und so schließlich doch in der Psychiatrie. Nicht lustig!


Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 19. Feb. 2018