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Buddhismus


Quellen

Die frühestens Texte des Buddhismus sind in Pāli (abgek. p.), spätere Texte in Sanskrit (abgek. skr.), noch spätere auf Chinesisch, Japanisch und Tibetisch abgefasst. Für die Wiedergabe von Namen und Wörtern aus Pāli und Sanskrit werden folgende Zeichen verwendet:

Um der leichteren Lesbarkeit willen sind die Wortbestandteile einiger indischer Wörter durch Bindestrich voneinander abgesetzt. Da ich keiner der genannten Sprachen mächtig bin, muss ich mich sowohl bei der korrekten Transkription als auch bei der Übersetzung auf meine Quellen verlassen.

Meine Quellen, neben den diversen deutsch- und englischsprachigen Wikipediaartikeln zum Thema, waren folgende Bücher:

Landaw, Jonathan / Bodian, Stephan: Buddhismus für Dummies.- 1. Aufl.- Weinheim: Wiley-VCH Verlag, 2006. 386 S.
Zwei praktizierende Buddhisten stellen aus der Innensicht und mit Enthusiamus die breite Palette buddhistischer Strömungen dar. Aber oft eine undistanzierte Lobhudelei, für ein Sachbuch m.E. zu unkritisch.
Buddha: Pfad zur Erleuchtung. Buddhistische Grundtexte.- Übers. u. hg. v. Helmuth von Glasenapp.- Düsseldorf, Köln: Diederichs, 1956. 222 S.
Ich vermag nicht zu beurteilen, wie repräsentativ die Textauswahl ist. Überrascht hat mich, dass so wenig Texte zum Thema Meditation enthalten sind. Aber vermutlich sind theologische Texte und religiöse Praxis zwei Paar Schuhe. Alle Textzitate stammen aus diesem Werk.
Schuhmacher, Stephan: Zen.- Kreuzlingen b. München: Hugendubel, 2001. (Diederichs kompakt) 117 S.
Ein praktizierender Zenbuddhist erklärt in moderner, unbetulicher Sprache Anliegen und Geschichte des Zen. Aber wie beim Dummiesbuch für ein Sachbuch m.E. zu missionarisch.
Tenzin Gyatso [14. Dalai Lama]: Der Weg zum Glück. Sinn im Leben finden.- A.d.Amerik. v. Joh. Tröndle.- Freiburg. i.Br.: Herder, 2002. 155 S.
Ein Lehrbuch des Buddhismus aus der Feder des Oberhaupts der tibetischen Buddhisten.
Gräfe, Ursula: Buddha. [Leben Werk Wirkung.]- 1. Aufl.- Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2005. (Suhrkamp BasisBiographie, 5) 159 S.
Im Stil vom Rowohlts Bildmonographien geschrieben, je ein Kapitel über, wie der Untertitel auf dem Cover sagt, Leben, Werk und Wirkung Buddhas.

Der Religionsstifter

Die ältesten Texte über den Religionsstifter des Buddhismus entstanden rund 400 Jahre nach seinem Tod (das wäre etwa so, wie wenn die ältesten Evangelien aus der Völkerwanderungszeit stammten). Dennoch wird nicht bezweifelt, dass er eine historische Persönlichkeit war. Seine Lebenszeit wird traditionell mit 563 - 483 v. Chr. angesetzt. Die ältere buddhistische Überlieferung setzt sie rund 60 Jahre früher an, die neuere Forschung diskutiert ein um 1 Jh. späteres Datum.

Zur besseren Einordnung: 587 zerstörte Nebukadnezar den Tempel in Jerusalem. 560 errichtete in Athen Peisistratos die Tyrannis. 509 begannen die demokratischen Reformen des Kleisthenes. 490 besiegten die Griechen die Perser bei Marathon, 480 bei Salamis.

Skr. Siddhārtha (p. Siddhattha) wurde der Überlieferung nach in Lumbinī (am Fuße des Himalaya, heute in Südnepal) als Angehöriger der Kriegerkaste (wobei allerdings fraglich ist, ob es das Kastenwesen in der dortigen Gesellschaft gab), als Sohn des lokalen Herrschers (skr. rājā „König“) aus dem Stamm der skr. Śākya (p. Sakya) geboren. Später nahm er den Beinamen Gautama (p. Gotamo) an. Er wuchs im väterlichen Palast in Kapilavastu in Luxus und Wohlstand auf.

Manche nehmen an, dass skr. Śākya vom Wort Saka abgeleitet ist, der persischen Bezeichnung für die Skythen.

Indien, Übersicht und Detailkarte des Nordens. Der Herrschaftsbereich von Siddhārthas Vater lag nördlich der heutigen Stadt Gorakhpur. (Die Karten sind Bearbeitungen einer Karte von Indien, die freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde von der Perry-Castañeda Library Map Collection. Um die vollständige Karte herunterzuladen, eine der beiden Karten anklicken.)

Bei Ausfahrten aus dem väterlichen Schloss beeindruckte ihn die Begegnung mit der Vergänglichkeit (die sog. „vier Zeichen“: ein Alter, ein Kranker, ein Toter, ein Wandermönch) so sehr, dass er mit 29 Jahren heimlich seine Familie verließ, um nach einer Überwindung der Vergänglichkeit zu suchen.

Strenge Askese führte ihn an den Rand des Todes, brachte ihn aber der Erkenntnis nicht näher. Er wählte daher einen „mittleren Weg“ zwischen Überfluss und Askese und erlangte mit 35 Jahren während der Meditation unter einem Feigenbaum bei Bodh Gayā (dem sog. Bodhibaum) die skr. Bodhi „Erwachen, Erleuchtung“. Er wurde so zum skr. Buddha(s) (p. Buddho, jap. Butsu) „Erwachter, Erleuchteter“. Andere Ehrenbezeichnungen sind: skr. Śākya-muni „Schakja-Weiser“ oder skr. Tathāgata „so Gegangener“.

Siddhārtha Gautama begann, seine Erkenntnisse, den skr. Dharma (p. Dhamma) „Halt, Gesetz“, anderen mitzuteilen („er begann das Rad des Dharma zu drehen“, vermutlich in Māgadhī, der Sprache des Königreiches Māgadha, in dem er sich die meiste Zeit aufhielt). Er gründete mit seinen ersten Anhängern den skr. Sangha, d.h. die Ordensgemeinschaft. Er lehrte etwa 45 Jahre lang und starb mit 80 Jahren bei Kuśinagara, nachdem er an Ruhr erkrankt war.

Das Wort dharma hat im Buddhismus verschiedene Bedeutungen:

Buddha wird meist im Schneidersitz sitzend dargestellt, entweder in Meditation versunken oder lehrend. Oft hat er eine Art Beule an der Stirn (Symbol seiner Geistesschärfe) und lange Ohrläppchen (Zeichen seiner adeligen Herkunft?).

sitzender Buddha Kopf des Buddha
Über 11 m hohe, bronzene Buddhastatue in Kamakura, Japan. Foto von Dirk Beyer, 2005-05-10, veröffentlicht unter GFDL und Creative Commons by-sa-2.5 auf Wikipedia

Kleines Fahrzeug

Die Lehre Buddhas wurde über Jahrhunderte nur mündlich weitergegeben. Sie gelangte u.a. nach Ceylon (Sri Lanka), dort wurde sie im 1. Jh.v.Chr. zum ersten Mal schriftlich aufgezeichnet (in Pāli). Dieses Textcorpus wird skr. Tripitaka (p. Tipitaka) „Dreikorb“ genannt (weil in drei Gruppen eingeteilt).

Die in diesen Schriften aufgezeichnete Lehre wird heute in der Wissenschaft skr. Hīna-yāna „Kleines Fahrzeug“ (ursprl. spöttische Bezeichnung der Anhänger des späteren „Großen Fahrzeugs“) oder p. Thera-vāda „Mönchsweg, -lehre“ genannt und auch als Südliche Tradition (verbreitet vor allem in Sri Lanka, Burma, Thailand, Laos, Kambodscha) bezeichnet.

Die hinduistischen Grundlagen

Der Buddhismus übernimmt aus dem vorherrschenden Brahmanismus seiner Zeit die Lehre vom skr. Samsāra „Wanderung“, d.h. dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburten, und skr. Karma (p. Kamma) „Tat, Werk“, der Summe der guten und bösen Taten eines Menschen, die über sein Ergehen im gegenwärtigen und in den zukünftigen Leben bestimmen. Je nach seinem Karma kann ein Mensch im nächsten Leben in einer von sechs Daseinsformen (Höllenwesen, hungriger Geist, Tier, Mensch, Dämon, Gott) wiedergeboren werden. Aber die Kultpraxis, insbes. das blutige Tieropfer, und das Kastensystem lehnt der Buddhismus ab.

Da auch Götter (skr. Devas „Himmelswesen“) den Gesetzen von Samsāra und Karma unterworfen sind, ist von ihnen keine Erlösung zu erwarten. Sie sind daher im Buddhismus bedeutungslos und werden nicht verehrt. Daher wird immer wieder angezweifelt, ob der frühe Buddhismus überhaupt als Religion anzusehen ist.

Weg und Ziel

Die Hauptaussage des Buddhismus ist, dass alle Existenz leidvoll ist: „Geburt ist leidvoll, Altern ist leidvoll, Krankheit ist leidvoll, Sterben ist leidvoll. Mit Unlieben vereint zu sein ist leidvoll, von Lieben getrennt zu sein ist leidvoll, und wenn man etwas, das man sich wünscht, nicht erlangt, auch das ist leidvoll.“ (Predigt von Benares, Samyutta-Nikāya 56,11,5). Millionenfach immer und immer wieder wiedergeboren zu werden bedeutet daher millionenfaches Leid.

Ziel des Buddhismus ist es, nicht mehr wiedergeboren zu werden. Dies wird das skr. Nirvāna (p. Nibbāna) „Erlöschen, Verwehen“, nämlich der Lebensgier, genannt. Wer das erreicht hat, wird als skr. Arhat (p. Arahant) „Ehrwürdiger“ bezeichnet. Er ist schon im jetzigen Leben frei von Leid und wird nach dem Tod nicht mehr wiedergeboren, sondern ist endgültig ausgelöscht. Das soll erreicht werden durch die Befreiung von der falschen Vorstellung, dass es ein beharrendes Selbst gibt, also durch Erleuchtung.

Buddha lehrte die „Vier Edlen Wahrheiten“:

vom Leiden
alles Dasein ist von Leiden (skr. duhka, p. dukkha) durchdrungen; Alter, Krankheit, Tod, Enttäuschung, Frustration
von der Entstehung des Leidens
Ursache ist die „Anhaftung“, die Begierde, die falsche Anschauung (d.h. eine irrige Auffassung vom Wesen der Welt und der Seele)
von der Vernichtung des Leidens
durch Loslassen, Freiwerden von Anhaftung, Reinigung des Geistes
von dem dazu führenden Weg
durch den „Edlen achtfachen Pfad“:
rechte Anschauung
Wissen um das Leid, seine Ursache, seine Aufhebung
rechte Gesinnung
frei sein von Selbstsucht, Begierde, Gewalttätigkeit
rechtes Reden
nicht lügen, beschimpfen, verleumden, sinnlos daherreden
rechtes Handeln
nicht stehlen, töten, unkeusch leben
rechter Lebenserwerb
keine schlechten Berufe wie Schlächter, Jäger, Henker, Waffenhändler ausüben
rechtes Streben
unheilvolle dharmas (Gemütsregungen) zum Verschwinden bringen, heilvolle, gute entstehen lassen
rechte Achtsamkeit
„besonnene Betrachtung des Körpers, der Empfindungen, des Denkens und der dharmas“
rechtes Sichversenken
in der Versenkung (Meditation) verweilen

Der Dharma wird oft als Rad mit acht Speichen (die den achtteiligen Pfad versinnbildlichen) dargestellt. Dieses dient zugleich häufig als Symbol für den Buddhismus, so wie das Kreuz als Symbol des Christentums.

das Rad des Dharma in der Windows-Schriftart Wingdings

Buddha, Dharma und Sangha bilden die sog. „drei Edelsteine“.

Buddha

Ein Buddha ist jemand, der die Erleuchtung (im Gegensatz zu einem Arhat) aus eigenem Nachdenken, ohne Lehrer erlangt. Schon das Hīna-yāna lehrt, dass es auch vor Śākya-muni Buddhas gegeben habe und auch in späterer Zeit welche geben werde. Der nächste Buddha wird Maitreya (p. Metteyya) heißen. Vor seinem Erwachen wird ein zukünftiger Buddha als skr. Bodhi-sattva „Erleuchtungswesen“ bezeichnet.

Offenbar schon früh haben sich über den Religionsstifter Legenden über seine Kindheit, seine Wundertaten, seine früheren Inkarnationen, sein Leben als Bodhi-sattva ausgebildet. Diese erfuhren im Laufe der Zeit immer weitere Ausschmückungen und Steigerungen.

Man fühlt sich an apokryphe Evangelien erinnert, die etwa von Wundertaten Jesu als Kind zu berichten wissen.

Metaphysik

Der Buddhismus lehnt kultische Handlungen (Opfer, Gebet, Waschungen im Ganges), aber auch metaphyische Fragen (woher kommt die Welt?) ab. Buddha begründete letzteres mit der Analogie vom vergifteten Pfeil: Wer von einem vergifteten Pfeil getroffen wurde, soll seine Zeit nicht damit vertun, zu fragen, wer den Pfeil geschossen hat, aus welcher Kaste der Schütze stammt, wie er heißt, wie er aussieht, wie der Bogen beschaffen war, usw. Sondern er muss sich von einem Arzt (d.h. Buddha und seiner Lehre) behandeln lassen. (Majjhima-Nikāya 63)

Eine andere buddhistische Erzählung, die die Ablehnung von Spekulationen über das Wesen der Welt begündet, ist die bekannte Geschichte von dem König, der Blindgeborenen einen Elefanten vorführen ließ. Jeder betastete einen anderen Körperteil und beschrieb entsprechend einen Elefanten anders. Schließlich begannen die Blinden sich darüber zu streiten und zu prügeln. (Udāna 6,4)

Definitiv abgeleht wird im Buddhismus der Glaube an einen Weltschöpfer und Weltenlenker, ebenso der Glaube an ein unveränderliches Schicksal oder daran, dass mit dem Tode alles aus ist.

Nach dem Buddhismus ist die Welt ein unendlicher Strom von Phänomenen (dharmas), die einander bedingen, kurz aufblitzen und wieder verschwinden („alle bedingten Daseinsfaktoren sind vergänglich“ Anguttara-Nikāya 3,134). Dies wird das Gesetz des bedingten Entstehens genannt. Daher gibt es auch kein Selbst, keine individuelle Seele, keinen ewigen, unzerstörbaren Wesenskern. Die Persönlichkeit eines Menschen ist eine Zusammensetzung aus verschiedenen Daseinsfaktoren wie Körper, Empfindung, Unterscheidungsvermögen, Triebkräfte und Bewusstsein (Samyutta-Nikāya 22,105,4). Nur deshalb ist es möglich, aus dem Kreislauf des Samsāra auszubrechen.

Der Buddhismus musste sich natürlich mit dem Widerspruch auseinandersetzen, dass es einerseits keine ewige Seele, aber andererseits Samsāra gibt: was aber wird wiedergeboren, wenn nicht die unsterbliche Seele eines Menschen? Der Buddhismus versucht dies durch Analogien plausibel zu machen, aber für den Nicht-Buddhisten bleibt ein gewisser Zweifel, ob da nicht doch ein unaufhebbarer Widerspruch besteht.

Ethik

Zentrale ethische Werte des Buddhismus sind Ahimsa (Nicht-Verletzen), Maitri (Mitgefühl, Barmherzigkeit), Enthaltsamkeit. Ein Mönch muss geloben, sich folgender Dingen zu enthalten: 1. Töten jeglicher Lebewesen, 2. Stehlen, 3. Unkeuschheit, 4. Lügen, 5. berauschende Getränke, 6. Essen fester Speise nach Mittag, 7. Tanz, Gesang, Schauspiel, 8. Verwendung von Parfüm und Salben, 9. Benutzen eines bequemen Bettes, 10. Annehmen von Geld. Die buddhistische Ethik ist allerdings eine Zweckethik: sie ist weitgehend ein Mittel zum Erreichen der Erleuchtung.

Schon früh entstand ein Buddhakult in Form von Verehrung von Statuen und Bildern Buddhas, von Reliquien und Orten, an denen sich Buddha aufgehalten hat, bzw. der dort errichteten Denkmale (skr. Stūpas). Diese Verehrung dient der Läuterung der Herzen der Gläubigen. Denn Buddha ist ja im Nirvāna erloschen. Zu den wichtigsten buddhist. Wallfahrtsorte gehören: Lumbinī (Geburtsort), der Maha-bodhi-Tempel in Bodh Gayā (Erleuchtung), Sārnāth bei Benares (erste Predigt), Kuśinagara (Sterbeort), Śravasti (wo Buddha 25 Regenzeiten zugebracht hat).

Das Hīna-yāna ist eine religiöse Zweiklassengesellschaft. Auf der einen Seite die Mönche und Nonnen, die ein Leben der Entsagung, des Verzichts auf Familie, Besitz und Karriere führen. Sie leben von der Unterstützung durch Laien („betteln“). Nur sie können in diesem Leben das Nirvāna erlangen. Auf der anderen Seite die Laienanhänger, die durch die Unterstützung der Mönchsgemeinde Verdienste sammeln, aber in diesem Leben nicht zur Befreiung gelangen können.

Großes Fahrzeug

Im Jahrhundert vor und nach unserer Zeitrechnung entstand das skr. Mahā-yāna „Großes Fahrzeug“ oder Nördliche Tradition (verbreitet in China, Korea, Japan, Vietnam, Tibet). Das Mahā-yāna erkennt alle wesentlichen Lehren des Hīna-yāna an, ergänzt oder erweitert es aber durch neue Glaubenssätze. Die zumeist in Sanskrit abgefassten Schriften des Mahā-yāna werden als skr. Sūtras (p. Suttas) „Leitfaden“ bezeichnet.

Buddha

Im Mahā-yāna wird der historische Buddha zu einem überirdischen Heilsbringer überhöht, der schon vor Jahrmillionen erleuchtet wurde und seither die Menschen lehrt. Er hat seinen Eintritt ins Nirvāna nur vorgetäuscht, um die Menschen auf dem rechten Weg anzuspornen. Er ist Wundertäter, Schützer in Gefahr, Helfer in der Not. Daneben entsteht der Glaube an mythische (d.h. nicht-historische) Buddhas, wie Amitābha, die als Heilande den Weg zur Erlösung erleichtern sollen.

Amitābha hat ein überirdisches Land Sukhāvatī geschaffen, in dem es kein Leid und keine Leidenschaft gibt. Wer Amitābha verehrt, wird in diesem Land wiedergeboren und gelangt dort zur Erleuchtung. Dieser sog. Reines-Land-Buddhismus ist vor allem in China und Japan verbreitet.

Metaphysik

Die dharmas sind substanzlos (skr. shūnya „leer“), es gibt kein Entstehen, kein Vergehen, keine Einheit, keine Vielheit: die Welt ist Leerheit. Die wahrnehmbare Welt, aber auch das Nirvāna, besitzen keine selbständige Wirklichkeit. Von da war es nur ein kleiner Schritt zum erkenntistheoretischen Idealismus (Vijnāna-vāda „Bewusstseinslehre“): die Außenwelt ist eine Projektion unseres Bewusstseins. Die Trennung von (wahrnehmendem) Subjekt und (wahrgenommenem) Objekt ist eine Illusion.

Bodhi-sattvas

Während im Hīna-yāna Buddhas Ausnahmewesen sind, die nur selten auftreten, können im Mahā-yāna viele oder sogar alle Menschen zur Buddhaschaft gelangen. Das Ideal ist daher nicht mehr der Arhat, sondern der Bodhi-sattva, der das Erlangen des Nirvāna hinauszögert, um anderen bei der Erlösung aus dem Samsāra zu helfen, indem er z.B. seine Verdienste auf andere überträgt. Bekannte Bodhi-sattvas sind Avalokit-eśvara (Bodhi-sattva des Mitgefühls) oder Manjuśrī (Bodhi-sattva der Weisheit). Mahā-yāna-Buddhisten beten zu Buddhas und Bodhi-sattvas und verehren sie in einer Weise, die der Gottesverehrung anderer Religionen nicht unähnlich ist.

Diese Haltung des Bodhi-sattva, das Streben nach Buddhaschaft mit der Motivation, anderen helfen zu können, wird skr. Bodhi-citta „Erleuchtungsgesinnung“ genannt.

Neben dem tradtionellen Nirvāna lehren manche Texte ein höheres, aktives Nirvāna, einen Zustand der Allwissenheit, in dem der Erlöste frei ist von Karma, Leidenschaft und Unwissenheit und für die Belehrung und Besserung der Menschen wirkt.

Zen-Buddhismus

Bodhidharma begründete im 6. Jh. in China den jap. Zen (< chin. Ch'an < skr. Dhyāna „Versenkung“), der von den meisten als Spielart des Mahā-yāna betrachtet wird, aber der sehr eigenständige Traditionen entwickelt hat und heute vor allem in Japan verbreitet ist.

Kennzeichen/Besonderheiten des Zen sind:

Das aus dem Zen-Buddhismus stammende Bemühen, jeder Aktivität die gleiche uneingeschränkte Aufmerksamkeit und Sorgfalt zukommen zu lassen, ist ein Bestandteil der traditionellen japanischen Kultur geworden (Teezeremonie, Bogenschießen, Ikebana, Kalligraphie).

In Japan gibt es heute zwei Richtungen des Zen: die Sōtō-Schule (Betonung des absichtslosen Sitzens in Versenkung, um der jedem Menschen innewohnenden Buddhaschaft Ausdruck zu verleihen) und die Rinzai-Schule (bevorzugte Verwendung des Kōans, um die Erleuchtung zu erreichen).

Der Legende nach wurde die Kampfkunst Kung Fu von buddhistischen Mönchen im Kloster von Shaolin (wo Bodhidharma neun Jahre meditiert haben soll) entwickelt. Doch ist eine Verbindung zwischen Zen und Kung Fu nicht nachweisbar.

Diamantfahrzeug

Aus dem Mahā-yāna hervorgegangen, aber von den meisten als eigenständige Richtung des Buddhismus betrachtet, ist skr. Vajra-yāna „Diamantfahrzeug“ (benannt nach der Vajra, dem Szepter der Priester), Mantra-yāna „Zauberspruchfahrzeug“, Lamaismus (nach seinem Oberhaupt) oder Tibetischer Buddhismus.

Zusätzlich zu den Sutras des Mahā-yāna gibt im Vajra-yāna eine Gruppe von Schriften, die als skr. Tantras „Gewebe, Zusammenhang“ bezeichnet werden. Zugleich bezeichnet das Wort Tantra die in diesen Schriften behandelten religiösen Praktiken, die zu den Besonderheiten des Vajra-yāna gehören:

Mehr noch als im Zen-Buddhismus ist der Meister, der skr. Guru „schwer, gewichtig“, d.h. Lehrer (tibet. Lama „hoch, Oberer“, Lehrer, Geistlicher) für den Schüler eine Autorität, der er bedingungslos zu vertrauen und zu gehorchen hat.

Das religiöse Oberhaupt des Vajra-yāna ist der Dalai Lama (mongol. Dalai „Ozean“, wegen der Tiefe seiner Weisheit). Der Dalai Lama wird nach seinem Tode wiedergeboren, denn er hat das Bodhisattvagelübde abgelegt, solange auf den Eingang ins Nirvana zu verzichten, solange es noch leidende Wesen gibt. Die Mönche und Lamas müssen herausfinden, in wem sich der Dalai Lama wieder inkarniert hat. Sobald dieser Knabe gefunden ist, wird er als neuer Dalai Lama erzogen.

Im Westen hat das Vajra-yāna Popularität erlangt durch den aktuellen, den 14. Dalai Lama (tibet. Tenzin Gyatso, eigentl. Lhamo Thondup). Er musste nach der Annexion Tibets durch die Chinesen Tibet 1959 verlassen. Er lebt seither in Nordindien und reist durch die Welt, um auf die Sitation der Tibeter aufmerksam zu machen, sich für den Frieden einzusetzen (er erhielt dafür 1989 den Friedensnobelpreis) und Buddhismus zu lehren. Durch seine sympathische, unprätenziöse Art hat der Dalai Lama dem Buddhismus große Glaubwürdigkeit erworben.

Sicht des Christentums

Entgegen den Beteuerungen moderner Buddhisten, im Buddhismus müsse man keine Glaubenssätze akzeptieren, gibt es einige nicht hinterfragbare Voraussetzungen:

Das Kernthema des Buddhismus ist Leid („alles Dasein ist leidvoll“), das des Christentums ist Schuld/Sünde („alle Menschen sind Sünder“). Man kann darüber streiten, ob der Buddhismus eine pessimistische Weltsicht hat. Sein Ziel ist jedenfalls die Aufhebung des Daseins. Das Christentum glaubt dagegen an ein leidloses Dasein in der Ewigkeit bei Gott.

Das Kleine Fahrzeug ist eine Selbsterlösungsreligion. Das Große Fahrzeug hat dies in Richtung einer Erlösung durch die Güte der Bodhi-sattvas korrigiert. Allerdings gibt es keine Erlösungsgewissheit. Man kann nicht wissen, ob oder wann man das Erlösungsziel erreichen wird.

Die buddhistische Ethik ist der christlichen Ethik ähnlich. Der Buddhismus ist aber im Durchschnitt viel stärker asketisch ausgerichtet als das Christentum. Man muss dem Buddhismus zugestehen, dass er das Ideal der Friedfertigkeit und des Gewaltverzichts besser in die Praxis umgesetzt hat als das Christentum. Christen haben im Laufe der Jahrhunderte viele grausame Kriege geführt. Auf der anderen Seite hat das Konzept des Ahimsa aus christlicher Sicht auch einige eher groteske Folgen: man darf auch Schadtiere (Gelsen, Ratten) nicht töten.


Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 3. Mai 2024