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Todesstrafe


Für die Todesstrafe zu votieren gilt heute in Europa als rückständig, stockkonservativ, politsch rechts, autoritätslastig, Anhängerschaft von law and order, ja wird von manchem Gegner in die Ecke des Nazitums gestellt. Dagegen zu sein verleiht eine Aura von fortschrittlicher Humanität. Einer sachlichen Diskussion dient dies nicht gerade. Todesstrafe ist ein heikles Thema. Bitte das Dokument zur Gänze durchlesen und mich erst danach zu steinigen. Ich bin weder ein Nazi noch ein Sympathisant von George W. Bush. Ich lasse mir einfach das Nachdenken von niemandem verbieten.

Ein bisschen Geschichte

In einer Familie, einem Clan, einer Gesellschaft kann nicht jeder einfach tun, was ihm passt. Es muss Regeln geben, und die Befolgung dieser Regeln muss mit entsprechenden Mitteln durchgesetzt werden. Insbesondere können Verstöße nicht ohne Gegenreaktion hingenommen werden.

Was macht man, wenn jemand gegen solche Regeln in gravierender Weise verstoßen hat? Wenn er also ein Verbrechen begangen hat? An erster Stelle steht meist die Forderung nach Wiedergutmachung des begangenen Schadens. Ist diese nicht mehr möglich, muss der Täter einen angemessenen Gegenwert in Sachwerten oder Geld erstatten. So entstand die Geldbuße.

Was soll nun aber geschehen, wenn eine Wiedergutmachung oder Ersatzleistung nicht möglich ist, z.B. bei Mord oder Landesverrat (den man in der Antike als ebenso schreckliches Verbrechen betrachtete)? Wenn der Täter durch die Schwere seiner Tat sein Anrecht auf Teilhabe an der Gesellschaft verwirkt hat? Dann darf dem Täter zumindest keine Chance gegeben werden, seine furchtbare Tat zu wiederholen.

In der Antike gab es hierfür zwei Strafen: Verbannung und Hinrichtung. Die langjährige Gefängnisstrafe war unbekannt und bei vielen Völkern (z.B. bei Nomaden) auch praktisch gar nicht durchführbar.

Kein bisschen Abschreckung

Wenn heute in der Diskussion um die Todesstrafe behauptet wird, dass sie nachweislich keine abschreckende Wirkung habe und dass damit die Todesstrafe als sinnlos erwiesen sei, dann wird vergessen, dass der primäre Sinn der Todesstrafe darin liegt, den Täter an einer Wiederholung seiner Tat zuverlässig zu hindern.

Man nehme als Beispiel den bekannten Fall des 1950 geborenen „Jack“ Unterweger. Nach den meisten Quellen im Jahre 1976 (nach dem Wikipedia-Artikel 1974) wegen Mordes an einer 18-jährigen Prostituierten zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt, begann er im Gefängnis zu schreiben. Mit seiner Autobiographie „Fegefeuer - eine Reise ins Zuchthaus“ erlangte er literarische Anerkennung. Er wurde 1990 nach 14 (oder 16?) Jahren Gefängnis entlassen und war der Liebling der Wiener Schickeria. Er galt als Vorzeigeprojekt gelungener sozialistischer Resozialisierungspolitik.

Doch wenige Monate nach seiner Entlassung ereigneten sich neue Prostituiertenmorde nach dem gleichen Muster der einstigen Tat Unterwegers (die Opfer wurden mit der eigenen Unterwäsche erdrosselt). In Österreich, in den USA, in Tschechien. Und immer war auch Unterweger zu dieser Zeit in der Nähe des Tatorts gewesen. Er wurde nach längerer Flucht 1992 in Miami verhaftet. Obwohl Unterweger immer leugnete, sah das Gericht seine Täterschaft zumindest in neun von elf ihm zur Last gelegten Fällen als erwiesen an. Er wurde 1994 erneut zu lebenslanger Haft verurteilt. Er erhängte sich in der Nacht nach seiner Verurteilung.

Die Zahl der Geschichten von Tätern, die bei einem Freigang oder nach ihrer (vielleicht noch vorzeitigen) Entlassung ihre Taten wiederholten, ist Legion. Die unrühmliche Rolle, die Psychologen als Gutachter dabei oft spielen, ist ein eigenes Thema (difficile saturam non scribere). Es ist eben kaum möglich, zuverlässig vorherzusagen, wie sich ein Mensch verhalten wird. Wer etwas anderes behauptet, ist ein Scharlatan.

Pro

Wären die Täter nach ihrer ersten Tat hingerichtet worden, könnten viele Opfer noch am Leben sein. Dies ist das stärkste Argument der Befürworter der Todesstrafe.

Damit man mich nicht missverstehe: ich bin kein Befürworter der Wiedereinführung der Todesstrafe. Aber ich glaube, dass die Befürworter der Todesstrafe ein gutes Argument auf ihrer Seite haben. Mit ein bisschen humanistischem Getue ist das nicht vom Tisch zu wischen.

Immer wieder hört man, eine Hinrichtung sei grausam, barbarisch, unmenschlich, einer zivilisierten Gesellschaft unwürdig, letztlich auch ein Mord. Denn schließlich sei auch der Täter ein Mensch und habe Menschenrechte. Die Angehörigen von Tätern dürfen zu Recht so argumentieren.

In der Tat ist auch der Täter ein Mensch und hat Anspruch auf menschliche Behandlung. Andererseits waren auch die Opfer Menschen und hatten denselben Anspruch. Und genau diesen hat der Täter ihnen verweigert. Dem Täter widerfährt schlimmstenfalls, was er seinem Opfer angetan hat. Das mag nach Rache aussehen, und für die Angehörigen der Opfer mag es das auch oftmals sein. Aber man versetze sich in deren Lage und dann werfe man den ersten Stein.

Natürlich kann sich ein Mensch verändern. Ein Mann vom Kaliber eines Jack Unterweger hätte sich zu einem „wertvollen Mitglied der Gesellschaft“ wandeln können. Doch zeigen die vielen Fälle von Rückfallstätern (wie z.B. Jack Unterweger), dass wir uns darüber keine allzugroßen Illusionen machen sollten. Man lasse sich nicht von Filmen wie „The Green Mile“ in die Irre führen: eine solche Anhäufung von reuigen, einsichtigen und demütigen Menschen wie im Todestrakt dieses Filmes wird man in keinem Wiener Kaffeehaus finden - das ist Kino und hat mit der Realität wenig zu tun.

Contra

Das Hauptproblem der Todesstrafe ist meines Erachtens nicht ihre Grausamkeit, sondern der Umstand, dass sie nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Ein zu Unrecht im Gefängis Schmachtender kann entlassen werden (und man kann ihn für die ihm geraubte Zeit zumindest finanziell entschädigen). Aber ein zu Unrecht Hingerichteter bleibt unwiderruflich tot.

Nebenbei bemerkt: Der Umstand, dass in vielen autoritär regierten Ländern auch für „politische Vergehen“ die Todesstrafe verhängt wird, ist kein Argument gegen die Todesstrafe, sondern ein Argument gegen autoritäre Regierungsformen. Auch eine Haftstrafe wegen oppositioneller Betätigung ist Unrecht. Aber tatsächlich kommt die Hinrichtung hier der Ermordung missliebiger Menschen mehr oder weniger gleich.

Der Schritt des Gouverneurs des US-Bundesstaates Illinois, George Ryan, im Jan. 2003 alle Todeskandidaten zu lebenslänglicher Haftstrafe zu „begnadigen“ (s. Bericht in Die Welt.de) ist weniger eine Kritik an der Todesstrafe als eine am US-amerikanischen Rechtssystem. Und das ist mit seinen gewählten und unter Erfolgsdruck stehenden Staatsanwälten mehr als fragwürdig.

Fazit

Es gibt ein gutes Argument für die Todesstrafe: sie hindert den Täter unwiderruflich, seine Tat zu wiederholen. Eine lebenslängliche Gefängnisstrafe ist in der Praxis meist nicht wirklich lebenslänglich und daher auch nicht unwiderruflich (ganz abgesehen davon, dass ein Häftling auch ausbrechen kann).

Genau diese Unwiderruflichkeit ist auch das Problem: wird jemand zu Unrecht hingerichtet, bleibt er für immer tot. Dass das Motiv für die Hinrichtung der Schutz der Gesellschaft war (und damit nicht einfach einem Mord gleichgesetzt werden kann), macht den Toten nicht wieder lebendig und kann die Angehörigen nicht trösten.

Jede Gesellschaft muss sich gut überlegen, welches Argument schwerer wiegt. In einem Fall hat man vermeidbare Mordopfer, im anderen unvermeidliche Justizopfer.

Es ist beruhigend zu wissen, dass einem (weil es in Österreich keine Todesstrafe gibt) ein solches Schicksal nicht widerfahren kann. Weniger beruhigend ist es zu wissen, dass man selber oder seine Kinder das Opfer von vorzeitig entlassenen Wiederholungstätern werden können. Da ist guter Rat teuer.


Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt) - aber Achtung: wer nicht sachlich bleibt, landet im Mülleimer!
Letzte Aktualisierung: 3. Mai 2024