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Römisches Alphabet
Als römisches Alphabet wird hier das Alphabet bezeichnet, mit dem die Römer ihre Texte und Inschriften geschrieben haben und das im Mittelalter für lat. Texte verwendet wurde. Treffender wäre daher die Bezeichnung lateinisches Alphabet, doch wird mit diesem Begriff meist das auf dem Alphabet der Römer basierende heutige 26-Buchstaben-Alphabet bzw. die davon abgeleiteten modernen einzelsprachlichen Alphabete (z.B. des Deutschen) bezeichnet.
Meine Quellen:
Da es aus antiker Zeit keine Tonaufzeichnungen gibt, kennen wir die exakte Artikulation der Laute nicht. Alle Angaben zur Lautung sind als Näherungswerte zu betrachten.
Das röm. Alphabet ist vom westgriech. Alphabet abgeleitet: Η Eta war im Westgriech. h (ostgriech. ē), Χ Chi war ks (ostgriech. kh). Doch lassen die geänderten Buchstabennamen darauf schließen, dass die Schrift nicht direkt von den Griechen übernommen wurde, sondern durch vermutl. etrusk. Vermittlung.
Die Griechen nannten ihre Buchstaben nach phöniz. Vorbild
Alpha, Beta, Gamma usw. (wovon unser Wort Alphabet herkommt). Die
Römer nannten (den Sekundärquellen zufolge, Primärquellen habe ich keine
gefunden) die Buchstaben vermutl. so, wie der Buchstabe selber klang,
setzten bei den Konsonanten zur leichteren Aussprache einen Vokal hinzu:
die Vokale hießen A [a], E [e], I [i], O [o], V [u]
bei Konsonanten, die man „halten“ kann, wurde e vorgesetzt:
F [ef], L [el], M [em], N [en], R [er], S [es], X [eks]
bei den übrigen wurde meist E nachgesetzt:
B [be], C [ke], D [de], G [ge], P [pe], T [te]
bei K und Q wurden a bzw. u nachgesetzt (notwendig zur Unterscheidung der
drei k-Laute C, K, Q):
K [ka], Q(V) [ku]; H [ha] vielleicht wegen der artikulatorischen Nähe zu K
Das älteste röm. Alphabet sah folgendermaßen aus: A B C D E F H I K L M N O P Q R S T V X.
P sieht zwar aus wie griech. Ρ Rho, ist aber eine gerundete Variante von Π Pi. R ist ein Ρ Rho mir Abstrich. C, D, S sind gerundete Varianten von Γ Gamma, Δ Delta, Σ Sigma (alle diese Formen findet man auch auf griech. Inschriften). F ist griech. Ϝ Digamma, ein Buchstabe, den das klass. Griech. aufgegeben hat.
Möglicherweise hat auch Z zum ursprünglichen Bestand des röm. Alphabets gehört; es findet sich z.B. in einem der Fragmente des Carmen saliare (frg. 2 Maurenbrecher = Varro l.l. 8,27) und vereinzelt in frühen Inschriften, war aber nicht allgemein in Verwendung.
C (aus griech. Γ Gamma) bezeichnete ursprünglich g, aber seit frühester Zeit auch - viell. unter etrusk. Einfluss - k (statt K); daher die Abkürzungen C. für Gaius und Cn. für Gnaeus. Im 3. Jh.v.Chr. wurde für g ein neuer Buchstabe geschaffen, ein C mit einem kurzem senkrechten Strich: das G, das an die Stelle gestellt wurde, die im griech. Alphabet das Zeta innehat.
Die ursprl. Funktion des C als g zeigt sich auf Inschriften in Schreibungen wie CRATIA (CIL I 60 = Dessau 3684, 3. Jh. v.Chr.), LECIONES, MACISTRATOS (CIL I 25/VI 1300 = Dessau 65).
Die Aussprache des C immer als k und von TI vor Vokal als ti in klass. Zeit wird durch die Wiedergabe lat. Wörter und Namen im Griech. und griech. Wörter im Lat. erwiesen: Cicerō = Κικέρων, κύκλος = cyclus, Latium = Λάτιον usw. Die heute im Dt. übliche Aussprache des c vor e/ae/oe/i/y als ts (Cicero [ˈtsitsɛro], vgl. auch ital. cicerone [tʃitʃeˈroːne] „Fremdenführer“) geht, ebenso wie die Aussprache von ti als [tsi] (Nation [naˈtsion], vgl. ital. nazione [natˈtsioːne]), auf Aussprachegewohnheiten des 4. Jh. zurück.
Das Alphabet hatte somit drei Zeichen zur Wiedergabe von k: C (vor e und i), K (aus griech. Κ Kappa, vor a und Konsonant) und Q (aus griech. Ϙ Koppa, vor o und u). K hatte sich in klass. Zeit nur noch vor a erhalten in einigen Abk., z.B. K. für Kaeso (ein Eigenname), und das aus dem Kultbereich stammende Wort Kalendae (der Monatserste). Q wurde nur in der Verbindung QV [kw] verwendet (wohl ausgesprochen wie qu in engl. queen).
Wenn das V vokalisch war, wurde natürlich CV geschrieben. Daher QVANDO [ˈkwando], EQVVS [ˈekwus], QVI [kwi] (Betonung auf dem i), aber CVI [kuj] (Betonung auf dem u), CVIVS [ˈkujus] (älter QVOI, QVOIVS), CVRA usw. Manchmal schwankt die Schreibung, z.B. CVM oder QVVM (älter QVOM).
V (aus griech. Υ Ypsilon, ursprl. Lautwert u) bezeichnete sowohl den Vokal u als auch den Halbvokal u̯ [w] (wohl ausgesprochen wie w in engl. water). Die Unterscheidung zwischen dem Konsonanten V und dem Vokal U kam erst im Hochmittelalter auf. Sie wird für die moderne Wiedergabe lat. Texte meist beibehalten. Da U und V als formale Varianten eines Buchstaben betrachtet wurden, stehen sie heute im Alphabet direkt hintereinander.
W ist eine im Mittelalter entstandene Ligatur aus VV (zwei v bzw. u, daher der Name engl. double u, franz. double v, U und V wurden wohl noch nicht unterschieden). Ursache war wohl, dass im Lat. konsonantisches V inzwischen zu [v] (wie w in dt. Wasser) geworden war und man daher ein eigenes Zeichen für german. [w] schaffen wollte.
I bezeichnete sowohl den Vokal i als auch den Halbvokal i̯ [j]. Die Unterscheidung zwischen dem Vokal I und dem Konsonanten J ist erst im Spätmittelalter entstanden. In der modernen Wiedergabe lat. Texte wird J normalerweise nicht verwendet. Da I und J als formale Varianten eines Buchstaben betrachtet wurden, stehen sie heute im Alphabet direkt hintereinander.
Im 1. Jh.v.Chr. wurden für die korrekte Wiedergabe griech. Wörter und Eigennamen aus dem griech. Alphabet die Buchstaben Y (jetzt Lautwert ü) und Z (Lautwert ts oder ds, später wohl stimmhaftes s) übernommen und ans Ende des Alphabets gestellt: zōna = ζώνη, Zēnō = Ζήνων, hydra = ὕδρα, Hyperīōn = Ὑπερίων. Vorher wurde V für Y (Trupho = Τρύφων) und S für Z (sōna = ζώνη) geschrieben.
CH, PH, TH waren behauchte Verschlusslaute kh, ph, th (ursprl. für griech. Fremdwörter wie philosophia < φιλοσοφία, chorus < χορός, theatrum < θέατρον, dann auch in die Schreibung lat. Wörter wie pulcher, triumphus gedrungen). Die Aussprache der ersten beiden als Frikative [x] (wie dt. ch), [f] ist erst in der Spätantike (?) aufgekommen.
AE, OE waren Diphthonge (wohl annähernd wie ai, oi). Die Aussprache als [ɛ], [œ] kam erst in nachklass. Zeit auf und wurde im 4. Jh. die vorherrschende.
Für AE wird dies erwiesen durch inschriftl. Schreibungen wie GNAIVOD, AIDILIS (Dessau 1), QUAIST[OR] (Dessau 5), PRAIDAD (CIL I 49 = Dessau 3142, 2. Jh. v.Chr.), AIMILIVS (CIL I 622 = Dessau 8884, 168/167 v.Chr.), PRAITOR (CIL I 803 = Dessau 3141) u.v.a.m.
Kein Diphthong war und ist AE, OE, wenn einer der beiden Vokale lang ist: āēr, āeris, poēta.
Den Sekundärquellen zufolge wurde G vor N und N vor C/G/Q wie ng in dt. eng [ŋ] ausgesprochen, also: magnus [ˈmaŋnus], angustus [aŋˈgustus], anceps [ˈaŋkeps], quinque [ˈkwiŋkwe].
Die Synaloephe tritt in der Metrik auch ein, wenn ein Wort auf -m endet bzw. das folgende mit h- beginnt. Das und die vielen fehlerhaften Schreibungen in Inschriften und Graffiti weisen darauf hin, dass in klass. Zeit beide Laute bereits verstummt waren (beim m wohl unter Nasalierung des vorhergehenden Vokals). habeās „du sollst haben“ und abeās „du sollst weggehen“ klangen wohl gleich.
Das h wurde vielleicht auch in der Zeit, als es noch gesprochen wurde, nicht als eigener Konsonant, sondern nur als Behauchung eines vokalischen Anlauts empfunden.
Das Lat. hatte wie das Dt. einen Druckakzent. In sehr alter Zeit dürften alle Wörter auf der ersten Silbe betont worden sein. In klass. Zeit galt das Dreisilbengesetz, auch Pänultimaregel genannt:
Wörter, an die eine der enklit. Partikel -que, -ve oder -ne angehängt ist, werden auf der Silbe vor der Partikel betont: do-mi-ná-que (obwohl das a kurz ist).
Davon zu unterscheiden sind Wörter, bei denen das -que immer zum Wort gehört: i-tá-que „und so“, aber: í-ta-que „also, daher“.
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 18. März 2024