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Von Jakob zu den Juden
Jakob, der Sohn Isaaks, erhält bei seinem Kampf am Jabbok den Namen Israel (Gen 32,28f). Er hat zwölf Söhne:
Sohn | Mutter | |
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Ruben | רְאוּבֵן Reʾûḇen | Lea |
Simeon | שִׁמְעוֺן Šimʿôn | Lea |
Levi | לֵוִי Lewî | Lea |
Juda | יְהוּדָה Jehûdâ | Lea |
Dan | דָּן Dān | Bilha |
Naftali | נַפְתָּלִי Nap̱tālî | Bilha |
Gad | גָּד Gād | Silpa |
Asser | אָשֵׁר ʾĀšer | Silpa |
Issachar | יִשָּׂכָר Jiśśāḵār | Lea |
Sebulon | זְבוּלֻן Zeḇûlun | Lea |
Josef | יוֺסֵף Jôsep̱ | Rahel |
Benjamin | בִּנְיָמִין Binjāmîn | Rahel |
Die Namensformen der ersten Spalten sind die mir durch die Lutherbibel geläufigen. Luther hat übrigens fälschlich Isaschar gelesen (wohl Isas-char, d.i. das Ketib יִשָּׂשׂכָר, das Jiśśāśḵār zu lesen wäre, wenn das zweite Sin ein Schwa bei sich hätte). Die Einheitsübersetzung schreibt einzig Ascher anders als die Lutherbibel.
Bilha war Rahels Sklavin, Silpa war Leas Sklavin. Ihre Kinder galten rechtlich als Kinder der jeweiligen Herrin. (Langversion Gen 29,31-35 + 30,1-24; 35,16-18; Zusammenfassung Gen 35,23-26.)
Später nimmt Jakob die zwei Söhne Josefs, Efraim (אֶפְרַיִם ʾÆp̱rájim) und Manasse (מְנַשֶּׁה Menaššæ̂), als eigene Kinder an (Gen 48,5) und erteilt ihnen seinen Segen.
Der Sonderweg, den der Stamm Juda offensichtlich ging, ist schon in der Erzählung von Juda und seiner Schwiegertochter Tamar angedeutet (Gen 38).
Ein weiterer, früh angesiedelter Beleg für diese Sonderstellung Judas ist das Siegeslied der Debora. Hier werden den sechs Stämmen, die sich dem Kampf mit Sisera gestellt haben, die vier gegenübergestellt, die es vorzogen, zu Hause zu bleiben. Bezeichnend ist, daß die beiden südlichsten Stämme Juda und Simeon gar nicht erwähnt werden, so als würden sie gar nicht dazugehören (Ri 5,13-18):
mitgekämpft | nicht mitgekämpft | nicht erwähnt |
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An Stelle von Josef sind sein Sohn Efraim und sein Enkel Machir (Manasses Sohn) genannt. Der Stamm Levi wird nicht genannt, vermutlich weil er gemäß göttlicher Anweisung kein eigenes Gebiet hatte (Num 18,20), sondern 48 Städte, die über das ganze Land verteilt waren (Num 35,1-8; Jos 21,1-3).
Aus dem Richterbuch erfahren wir auch von Reibereien zwischen Manasse und Efraim, das anscheinend eine Vorrangstellung beansprucht hat (vgl. Gen 48,17-20). Einmal nach dem Sieg Gideons (aus dem Stamm Manasse) über die Midianiter (Ri 7,23-25 + 8,1-3); einmal nach dem Sieg Jiftachs über die Ammoniter (Ri 12,1-6). Jiftach, wohl ebenfalls aus Manasse, wird als Gileaditer bezeichnet (Gilead hieß das Gebirge, auf dem die Stämme Ruben, Gad und wohl ein Teil Manasses siedelten). In diesem Zusammenhang erfahren wir auch, daß die Efraimiter kein sch (wie in שִׁבֹּלֶת šibbólæt „Ähre; Strom“) aussprechen konnten.
Der erste König Israels, Saul, war aus dem Stamme Benjamin. Nachdem er im Kampf gegen die Philister gefallen ist, kann David gefahrlos heimkehren und wird in Hebron vom Stamm Juda zum König über Juda gesalbt (2Sam 2,4). In Mahanajim wird Sauls Sohn Isch-Baal zum König über das restliche Israel gesalbt (2Sam 2,8-9):
David | Isch-Baal |
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Der Stamm Simeon wird nicht erwähnt. Er dürfte zu dieser Zeit schon weitgehend im größeren Nachbarstamm Juda aufgegangen sein (entsprechend dem „Segen“ Jakobs in Gen 49,5-7; vgl. 1Chr 4,27. 31).
Gilead und Jesreel sind keine Stämme Israels, sondern geographische Bezeichnungen. Auch hier war wohl die klare Trennung der Stammesgebiete nicht mehr möglich (s.o. die Bezeichnung Jiftachs als Gileaditer). Efraim dürfte seine Vorrangstellung durchgesetzt haben: von Manasse ist nicht mehr die Rede, es wird wohl bei Efraim mitzudenken sein.
Hier bezeichnet Israel (wohl zum ersten Mal im AT) nur die nördlichen Stämme im Gegensatz zu Juda.
Später wird David auch zum König über dieses Israel gesalbt (2Sam 5,3). Doch David scheint klar zu sein, daß bereits ein Riß durch das Zwölfstämmevolk geht. Daher residiert er nicht weiter in Hebron, sondern erobert die Jebusiterfestung Jerusalem. Da er dies nicht mit dem Volksheer der Stämme tut, sondern mit seiner privaten Streitmacht, ist Jerusalem „Davids Stadt“, auf die weder Juda noch Israel Anspruch erheben können – gleichsam neutraler Boden (2Sam 5,6-9).
Nach seiner Flucht vor Absalom begeht David jedoch den Fehler, sich von seinen Stammesbrüdern (vermutlich unter Zusage von Privilegien) zurückholen zu lassen (2Sam 19,10-16). Das führt zum Streit zwischen Juda und Israel (2Sam 19,42-44), der ungeschlichtet bleibt. Als direkte Folge kommt es zum Aufstand des Benjaminiters Scheba: er fordert Israel auf, nach Hause zu gehen und Davids Herrschaft nicht länger anzuerkennen (2Sam 20) – ein Wetterleuchten der Ereignisse, die sich zwei Herrschergenerationen später ereignen sollten.
Unter Salomos Nachfolger Rehabeam begehren die Nordstämme auf. Sie wollen die dynastische Erbfolge des Hauses David nicht ohne weiteres anerkennen, sondern stellen Bedingungen (1Kön 12,1-4). Als Rehabeam diese mit überheblichen Worten ablehnt, kommt es zum endgültigen Auseinanderbrechen der israelitischen Stämme. Rehabeam und seine Nachfolger herrschen nur noch über den südlichen Teil des Reiches, Juda genannt. Seine Hauptstadt bleibt Jerusalem.
Die nördlichen Stämme machen Jerobeam zum König über Israel. Jerobeam residiert zunächst in Sichem, später in Pnuël im Ostjordanland, zuletzt in Tirza. Für mehrere Herrschergenerationen lang bleibt Tirza Königsresidenz, bis König Omri Samaria gründet und zur neuen Hauptstadt macht (1Kön 16,24).
Dieses nördliche Reich heißt Israel. In den Prophetenbüchern wird es manchmal nach seinem inzwischen größten und wichtigsten Stamm (dem auch der erste König Jerobeam entstammt) genannt: Efraim (z.B. Jer 31,18. 20; drei Verse vorher wird Efraims Großmutter Rahel, gleichsam die Stammutter des Nordreichs, als dichterische Bezeichnung für Israel gebraucht).
Es überrascht, bei der Reichsteilung den Stamm Benjamin auf der Seite Judas zu sehen (1Kön 12,21. 23). Die Prophezeiung Ahijas hatte Jerobeam zehn Stämme zugesagt, Salomos Sohn hingegen nur einen (1Kön 11,30-32. 35f). Wenn Benjamin zu Rehabeam gehört, welches sind dann die zehn Stämme Jerobeams? Das Gebiet Benjamins liegt an der Grenze zwischen Nord- und Südreich und ist zeitweise Anlass militärischer Auseinandersetzungen (1Kön 15,16-22).
Nachdem schon durch den Assyrer Tiglat-Pileser der nördliche Teil Israels und die Gebiete jenseits des Jordan erorbert und deren Bevölkerung deportiert worden war (2Kön 15,29), erobert Salmanassar schließlich auch das restliche Israel samt der Hauptstadt Samaria und deportiert das Volk (oder zumindest die Oberschicht) (2Kön 17,5f).
Die Zurückgebliebenen vermischen sich mit den von den Assyrern nach Israel umgesiedelten Besiegten anderer Völker des syrisch-mesopotamischen Raumes (2Kön 17,24) und werden im Laufe der Jahrhunderte zu den halbheidnischen Samarit(an)ern. Die Samariter sind zwar Jahwe-Verehrer und anerkennen den Pentateuch als heiliges Buch (allerdings nur diesen, nicht etwa die Propheten oder sonstigen Schriften des AT). Sie anerkennen allerdings nicht den Jerusalemer Tempelkult, sondern haben ihre eigene Kulttradition auf dem Berg Garizim (s. meine Seite Samariter).
125 Jahre später sind die Assyrer Geschichte, die neuen Herren Mesopotamiens sind die (Neu-)Babylonier (Chaldäer). Sie erobern zweimal Jerusalem und deportieren die Oberschicht Judas nach Babylon (sog. Babylonisches Exil).
60 Jahre später sind auch die Chaldäer Geschichte. Der Perserkönig Kyros erlaubt den Exulanten die Rückkehr nach Jerusalem und den Wiederaufbau des Tempels. Noch einmal wird Benjamin neben Juda genannt (Esra 1,5; 10,9), doch die Landschaft in die sie zurückkehren heißt Juda (Esra 2,1). Die nach Juda und Jerusalem Zurückgekehrten erkennen das in Samarien lebende jüdisch-heidnische Mischvolk nicht als Israeliten an und lehnen ihre Mithilfe beim Tempelbau ab (Esra 4,2f). Damit gibt es keine Israeliten im älteren Wortsinn mehr. Vom Zwölfstämmevolk sind nur die vom Stamm Juda, die Juden, übriggeblieben. Ob und und welchem Umfang die Priester und Leviten wirklich Nachfahren Levis sind, vermag ich nicht zu sagen. Esra 2,59-62 erweckt den Eindruck, dass man es damit durchaus genau genommen hat.
Auch Jahrhunderte nach dem Verschwinden des Nordreichs wird die religiöse Tradition (um nicht zu sagen die Fiktion) des Zwölfstämmevolkes aufrechterhalten. Jesus wählt nicht zufällig zwölf Apostel. In der Vision von den 144.000 Versiegelten (je 12.000 aus jedem Stamm) werden die zwölf Stämme aufgezählt (Offb 7,4-8):
Es fällt auf, dass der Stamm Dan fehlt. Neben Manasse ist auch sein Vater Josef genannt, nicht jedoch Efraim. Dahinter steckt vermutlich kein theologisches Kalkül, eher wird es sich um einen lapsus memoriae handeln.
Noch einmal taucht der Stamm Benjamin auf: der Apostel Paulus führt seine Abstammung auf ihn zurück (Phil 3,5).
Abraham heißt bis Gen 17,5 אַבְרָם ʾabrām. Das ist vermutlich ein Satzname und bedeutet „Vater (d.h. Gott?) ist erhaben“ (רום rwm „hoch sein, erhaben sein“), vgl. den Namen אֲבִירָם ʾabîrām, was ganz ähnlich „(mein) Vater ist erhaben“ bedeutet. Gott ändert Abrams Namen in אַבְרָהָם ʾabrāhām, was „Vater einer Menge von Völkern“ (אַב־הֲמֹון גֹּויִם) bedeuten soll (הָמֹון hāmôn „Lärm, Menschenmenge“). Gesenius18 verweist auf ar. رُهَامٌ ruhām „Menge“ (Lane S. 1172a, 2. Lemma). Die Lexikographen halten das aber für eine Volksetymologie, Abraham ist nur eine dialektale Variante von Abram.
Dasselbe gilt wohl für Abrahams Frau. Sie heißt zunächst שָׂרַי śāraj, ab Gen 17,15 שָׂרָה śārâ. Letzteres ist Fem. von שַׂר und bedeutet „Fürstin, Herrin, Vornehme“. Saraj ist entweder eine dialektale Variante (Fem.-Endung -aj?) oder es ist eine Kurz- bzw. Koseform.
Isaak heißt auf Hebr. יִצְחָק jiṣḥāq (Nebenform יִשְׂחָק jiśḥāq) „er lacht, möge lachen“ (שׂחק ,צחק ṣḥq, śḥq „lachen“). Wer soll lachen? Entweder Gott oder der Namensträger. Eine andere Begründung für diesen Namen gibt Gen 17,17: Abraham lacht, als Gott ihm sagt, Sara werde noch ein Kind bekommen (vgl. 18,12: Sara lacht, als sie hört, sie solle schwanger werden).
Jakob heißt ursprl. יַעֲקֹב jaʿaqob. Das wird in Gen 25,26 mit dem Wort עָקֵב ʿāqeb „Ferse“ erklärt (Jakob hält bei der Geburt die Ferse seines Zwillingsbruders fest), in Gen 27,36 wird es als „er überlistet, betrügt“ erklärt (Jakob hat Esau den väterlichen Segen gestohlen, עקב ʿqb „betrügen, hintergehen“). Doch ist die wahre Bedeutung des Namens wohl „Gott möge schützen“ o.ä., vgl. äth. ዐቀበ ʿaqaba „bewachen, bewahren, beschützen“ (Dillmann S. 977a, letztes Lemma) und die Namen äg. jʿḳb-hr, bab. jaḫkub-el.
Nach seinem Kampf am Jabbok bekommt Jakob den Namen יִשְׂרָאֵל jiśrāʾel „Gott möge streiten“ (שׂרה śrh „kämpfen, streiten“), was Gen 32,29 aber als „er streitet mit Gott“ gedeutet wird (שָׂרִיתָ עִם־אֱלֹהִים „du hast mit Gott gekämpft“). Es werden aber auch andere Etymologien erwogen, z.B. „Gott möge herrschen“ (von שׂרר śrr „herrschen“).
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 10. April 2023