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Kamele im Buch Genesis
Kamele im Buch Genesis
Die Bibelstellen
In der Gen ist mehrmals von Kamelen (hebr. Sg. גָּמָל
gāmāl, Pl. גְּמַלִּים gemallîm)
die Rede, wobei nach weitgehend übereinstimmender Ansicht immer einhöckrige
Kamele (Dromedare) gemeint sind:
- Gen 12,16: Abram besitzt oder bekommt in Ägypten unter anderem auch Kamele
(וַיְהִי־לוֺ kann sowohl heißen „ihm waren“ = „er hatte,
besaß“, als auch „ihm wurden (zuteil)“ = „er bekam“) (s.a. 24,35).
- Gen 24,10-14 et passim (19f.22.30-32.44.46): Abrahams Knecht kommt mit
zehn Kamelen zur Brautwerbung nach Mesopotamien, Rebekka tränkt die Tiere.
- Gen 24, 61.63f: Rebekka und ihre Dienerinnen setzen sich zur Reise nach
Kanaan auf die Kamele. Isaak sieht sieht die Kamele kommen, Rebekka springt
vom Kamel herunter (וַתִּפֹּל מֵעַל הַגָּמָל,
נפל npl „sich werfen, stürzen, fallen“,
hier lt. Gesenius17 S. 512a, Bed. 1.e: „m. מֵעַל
herabspringen, v. Reittiere Gn 24 64, v. Wagen 2K 5 21“).
- Gen 30,43: Zu Jakobs Reichtum an Vieh zählen auch Kamele (s.a. Gen 32,8,
wo aber in der LXX die Kamele fehlen).
- Gen 31,17: Jakob lädt Frauen und Kinder auf die Kamele, um nach Kanaan
zurückzukehren.
- Gen 31,34: Rahel hat die Teraphim ihres Vaters im (=unter dem) Kamelsattel
(בְּכַר הַגָּמָל) versteckt; כַּר
kar (LXX σάγματα) ist ein hapax legomenon (vgl. arab. كُور
kūr oder قَرٌّ qarr „Kamelsattel“).
- Gen 32,16: Unter den Tieren, die Jakob als Geschenk für Esau vorausschickt,
sind 30 säugende Kamelstuten mit ihren Fohlen.
- Gen 37,25: Josefs Brüder sehen „eine Karawane von Ismaelitern […] und ihre
Kamele“ (אֹרְחַת יִשְׁמְעֵאלִים […] וּגְמַלֵּיהֶם) und verkaufen
Josef an sie als Sklaven.
Doch kann das historisch stimmen? Gab es damals, also in der mittleren
Bronzezeit, schon domestizierte Kamele? Wann wurde das Kamel domestiziert?
Woher kam es überhaupt? Ich habe ein paar Publikationen zu diesem Thema
gelesen und fasse die wichtigsten Argumente und meine Sicht dazu zusammen.
Genetik
Die Urform der Kamelartigen stammt aus Nordamerika und hat sich in zwei
Gruppen aufgespalten:
- die nach Südamerika gewanderten höckerlosen Neuweltkamele:
- Alpaka (wildlebend Vikunja)
- Lama (wildlebend Guanako) (die engl. Wikipedia-Art. haben eine etwas
andere Klassifikation)
- die über die Beringstraße nach Asien gewanderten Altweltkamele:
- das zweihöckrige Baktrische Kamel (Trampeltier)
- das einhöckrige Arabische Kamel (Dromedar)
Die Urform des Kamels ist längst ausgestorben. Auch die wildlebende Form des
Dromedars gibt es schon lange nicht mehr. In Australien, wohin das Dromedar
im 19. Jh. importiert wurde, gibt es ansehnliche Populationen ausgewilderter
Tiere. Die Wildform des Trampeltiers existiert noch in einigen hundert
Exemplaren, sie wird aber wohl in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten
aussterben (Stand 2021).
Wann und wo wurde das Dromedar domestiziert? Diese Frage hat ein
internationales Forscherteam, dem auch Pamela Burger von der
Veterinärmedizinischen Universität Wien angehört, durch DNA-Untersuchungen
zu klären versucht. Ihr 2016 veröffentlichtes Ergebnis: „The domestication of
the dromedary likely happened in the late second millennium BCE“ (S. 6708a).
Ich verstehe weder etwas von DNA, noch von statistischer Analyse.
Ich kann daher nicht nachvollziehen, wie die Forscher zu ihrem Ergebnis
gekommen sind, und nicht beurteilen, in wieweit dieses Ergebnis in Stein
gemeißelt ist. Historisch gesehen muss man drei Dinge unterscheiden: Wann
wurde das Dromedar (als Milch-, Fleisch-, Woll- und Lederlieferant)
domestiziert? Seit wann wurde es als Lasttier verwendet? Seit wann als
Reittier (Erfindung des Kamelsattels)? Und für den Bibelhistoriker wichtig:
wann tauchte es zum ersten Mal in Syrien/Palästina auf? Ich weiß nicht, ob
man solche Dinge an der DNA ablesen kann.
R. Walz
Schon 1950 hat Reinhard Walz den damaligen Stand der historischen und
archäologischen Forschung zu diesem Thema zusammenzufassen versucht.
- In Ägypten spielte das Kamel vor der Ptolemäerzeit keine Rolle. Es gibt
aus der Pharaonenzeit anscheinend keine gesicherte Darstellung eines Kamels,
und die Hieroglyphenschrift hat nicht einmal ein Wort dafür. Zumindest
findet sich keines in dem allerdings bald 100 Jahren alten Wörterbuch von
Erman/Grapow. Für das Demotische enthält das Chicago Demotic Dictionary das
Wort gmwl (var. gmlꜣ) und nennt als Beleg einen Papyrus
des 2. Jh. v.Chr. (P. Berlin 8278) (s.a. Spiegelberg, Koptisches Handwörterbuch,
S. 270). Im Koptischen lautet das Wort dann
sahid. ϭⲁⲙⲟⲩⲗ šamoul (gj-),
bohair. ϫⲁⲙⲟⲩⲗ dšamoul (tj-).
- In den akkadischen Keilschrifttexten aus Mari (18. Jh. v.Chr.) kommt das
Kamel noch nicht vor.
- In den babylonischen Keilschrifttexten aus el-Amarna (14. Jh.) kommt es
ebenfalls nicht vor.
- In den alphabetschriftlichen Texten aus Ugarit (13. Jh. v.Chr.)
gibt es einen fraglichen Beleg:
bnt hll bʿl gml (UDB 1.24
[=RS 5.194,
AO 19.995],42).
Das ugarit. Wörterbuch von Olmo Lete/Sanmartín übersetzt: „Töchter des HLL
(astrale? Gottheit), Herr des ersten Viertels“. Das Wort gml heißt
demnach „Mondsichel, erstes Mondviertel“ o.ä. (S. 300). In einer Liste von
Haustieren ist kein Wort für das Kamel aufgeführt. Somit kommt nach aktuellem
Stand der Lexik des Ugarit. das Kamel auch hier nicht vor.
Das ugarit. u͗dr wird von den meisten zu hebr.
אַדִּיר ʾaddîr „vornehm, herrlich, mächtig“
gestellt. Doch gibt es auch abweichende Ansichten, u.a. meinen (nach dem
Wörterbuch von Olmo Lete/Sanmartín) Caquot/ Sznycer/ Herdner, dass es zu
assyr. udru (s.u.) gehört und also das Baktrische Kamel bezeichnet.
- Das Buch der Richter berichtet von midianitischen
Kamelreiternomaden in der Zeit vor dem Aufkommen des israelitischen
Königstums, also um ca. 1100 v.Chr. (Ri 6,3-5; 7,12). Die Beduinen kommen
zur Zeit der Ernte aus der jordanischen Wüste in die Jesreel-Ebene, plündern
die sesshaften Bauern aus und verschwinden anschließend wieder in der Wüste.
- Auf dem sog. Kurkh-Monolithen des Assyrerkönigs Salmanassar
III. werden erstmals (einhöckrige) Kamele genannt, und zwar im gegnerischen
Heer in der Schlacht von Qarqar (853 v.Chr.):
M gam-ma-lu ša gi-in-di-bu-ʾ (mâtu) ar-ba-ai „1000 Kamele des
Gindibuʾ, des Arabers“ (Kol. 2, Z. 94).
Auf dem Schwarzen Obelisken desselben Salmanassar sind nur
gammali
ša
šu-na-a-a
ṣe-ri-ši-na
„Kamele, deren Rücken je zwei“ (also zweihöckerig ist) in den Beischriften
als Tribut genannt und als Relief dargestellt.
-
Relief eines Dromedarreiters auf einem der sog. kleinen Orthostaten aus
dem Palast des Kapara in Tell Halaf, vermutl. 10. oder 9. Jh. v.Chr.–
Quelle: M. v. Oppenheim, Der Tell Halaf, Tafel 21a (s. Lit.)–
Lizenz: hoffentlich gemeinfrei.
Die älteste Darstellung eines Dromedarreiters findet sich
auf einer der Reliefplatten im Palast des aramäischen Herrschers Kapara
(10./9. Jh. v.Chr.) im nordostsyrischen Tell Halaf. Der Ausgräber von
Oppenheim war der Ansicht, dass die Beschriftungen mit dem Namen des Kapara
nachträglich angebracht wurden, die Reliefs also älteren Datums sind und von
Kapara wiederverwendet wurden. Doch die Datierung auf 2900 bis 3000 v.Chr.
(von Oppenheim S. 129, 231) ist bei weitem zu hoch gegriffen. Andererseits
ist Moortgats Datierung auf das ausgehende 9. Jh. wohl das unterste Ende des
noch Möglichen.
- Bei älteren Darstellungen von Kamelen, die im Zweistromland
ans Licht gekommen sind (hauptsächlich Terrakotten), ist (bei Tonköpfchen)
nicht immer klar, ob es ein- oder zweihöckrige Tiere sind, und es ist
fraglich, ob es sich um domestizierte Kamele handeln soll.
- Herodot nennt das Dromedar nicht (S. 36): das Wörterbuch von
Liddell/Scott führt zwei Belege für das Kamel bei Hdt an:
Hdt. 1,80 (Kamele im Heer des Kyros); 3,105 (Kamele bei der Gewinnung des
indischen Goldes). In beiden Fällen ist wohl vom Baktrischen Kamel die Rede.
Das Assyr. kennt als Wörter für das Kamel:
- gammalu „Kamel“ (< aram. gamlâ? oder doch <
arab. جَمَل ǧamal?). Das ist, wenn ohne weitere Bestimmung gebraucht
(„mit zwei Höckern“ o.ä.), wohl ausnahmslos das Dromedar.
- ibilu „Dromedar“ (vgl. arab. إِبِلٌ ʾibil(un) „Kamele“
als Koll., aber wegen der ungewöhnlichen Bildungsweise qiṭil
vielleicht außersemit. Herkunft). gammalu und ibilu
werden beide oft mit dem Sumerogramm anše.a.ab.ba
geschrieben; es ist dann meist nicht eindeutig, welches der beiden Wörter
gemeint ist.
- *udru „Trampeltier“ (nur Pl., < iran.?, vgl. awest.
uštra- ds.), z.B. auf dem Kurkh-Monolithen 1,28 und 2,62. Ist in
den sumer.-assyr. Vokabellisten mit den Sumerogrammen
am.si.kur.ra und
am.si.ḫar.ra.an verzeichnet, wird in Inschriften
aber anscheinend immer syllabisch geschrieben.
- anaqāte „weibliche Kamele“ (nur Pl., < arab. نَاقَةٌ
nāqa(tun) ds.)
Das CAD schreibt dazu s.v. ibilu (Bd. 7, S. 2b):
„The Hh. passages [lexical series ḪAR.ra = ḫubullu, 14. Tafel, hrgs. v. B.
Landsberger 1932] show that the dromedary and the special word therefor were
known in the OB [Old Babylonian] period and also that the scribes
differentiated between the dromedary
(anše.a.ab.ba) and the Bactrian camel
(am.si.kur.ra, am.si.ḫar.ra.an). In fact, the
latter is already mentioned as domesticated in the following Sumerian
passage:
dDumu.zi ga.am.si.ḫar.ra.an.[na
SIG7.ma.a.ab] am.si.ḫar.ra.an.na ga.bi
[zé.ba.àm] u5.ga.bi [zé.ba.àm] O Dumuzi, provide(?) me with
camel's milk – the milk of the camel is sweet, the cream(?) of the camel is
sweet. Ni. 9602:94f. (unpub., courtesy T. Jacobsen).“
Walz kommt zusammenfassend zu dem Schluss, dass die Domestizierung des
Dromedars im Zentrum der arabischen Halbinsel geschah und dass das domestizierte
Tier kurz vor der Wende des 1. Jtsd. (über Südarabien) nach Afrika
und fast gleichzeitig in den Norden in die Kulturländer am Rand der syrischen
Steppe gelangte. Da er die Berichte über die Raubzüge der Midianiter der frühen
Eisenzeit (Ri 6) für historisch korrekt hält, datiert er die Entstehung des
Kamelnomadentums (d.i. die Verwendung des Dromedars als Last- und Reittier)
auf „nicht sehr weit hinter das 13./12. Jhdt. v.Chr.“ (S. 49).
Walz hat anschließend die gleiche Untersuchung für das Baktrische Kamel
gemacht. Über seine Domestizierung können wir offenbar noch weniger sagen.
Sie ist vermutlich irgendwo in Zentralasien passiert, vielleicht auch mehrmals
unabhängig voneinander. Ein in Shah Tepe im Nordiran gefundener Halswirbel,
dessen Fundschicht auf 3000-2500 v.Chr. datiert wurde, wurde von dem
Tierzuchtforscher J. W. Amschler als einem domestizierten Baktrischen Kamel
gehörig identifiziert (S. 67f – Ob das nicht ein bisschen viel Schlussfolgerung
aus einem Knöchelchen ist?) Dass wir bei den Skythen und Sarmaten des 1.
Jahrtausends keinen Hinweis auf das Kamel finden, könnte mit den damaligen
klimatischen Bedingungen zusammenhängen. Im awestischen Schrifttum findet
sich das Kamel (awest. uštra-, von daher vermutlich der Name des
Zarath-ustra). Die Kamelknochen, die in einem der Hügel von Anau im Süden
Turkmenistans gefunden wurden, sind zwar wahrscheinlich domestizierten
Trampeltieren zuzurechnen, aber die Datierung schwankt beträchtlich, sie
stammen vielleicht erst aus dem Ende des 2. Jahrtausends v.Chr. (S. 66f).
Der sog. Zerbrochene Obelisk, der meist der Zeit des Tiglath-pileser I.
(um 1100 v.Chr.) zugeschrieben wird, enthält die älteste assyr. Erwähnung
des zweihöckrigen Kamels in einer Aufzählung der Jagderfolge des Königs
(Kol. 4, Z. 26-28):
[…]
26
u-šam-ḳit
pur-ḫi-iš
ud-ra-a-te(pl)
te-še-ni(pl)
(amêlu)damḳarê(pl)
27
iš-pur
il-ḳi-u-ni
ud-ra-a-te(pl)
iḳ-ṣur
u-ša-lid
28
su-gul-la-a-te-šu-nu
nišê(pl)
mâti(ti)-šu
u-še-ib-ri
„[Aufzählung von Wildtieren]
26
streckte er nieder. Wildrind, Baktrische Kamele, Teschenus: Händler
27
sandte er [nach ihnen], (und) sie kauften (od. brachten) [sie]; Kamele
sammelte er, (und) züchtete er [wörtl.: ließ er gebären].
28
Ihre Herden ließ er die Bewohner seines Landes sehen.“
- Bibliograph. Angaben zu den genannten Wörterbüchern unter:
Etymologica Selecta#Quellen
- The
Demotic Dictionary of the Oriental Institute of the University of Chicago.
Hrsg. v. Janet H. Johnson.– Chicago: The Oriental Institute, 2001.
G,
S. 31
- Walz,
Reinhard: „Zum Problem des Zeitpunkts der Domestikation der altweltlichen Cameliden“,
Zeitschr. d. Dt. Morgenländ. Ges. 101 (1951), S. 29-51
- Walz,
Reinhard: „Neue Untersuchungen zum Domestikationsproblem der altweltlichen
Cameliden. Beitr. z. ältesten Gesch. d. zweihöckrigen Kamels“, Zeitschr.
d. Dt. Morgenländ. Ges. 104 (1954), S. 45-87
- Walz,
Reinhard: „Beiträge zur ältesten Geschichte der altweltlichen Cameliden unter
besonderer Berücksichtigung des Problems des Domestikationszeitpunktes“,
Actes du IVe congrès international des sciences anthropologiques
et ethnologiques, Vienne, 1-8 Septembre 1952. Bd. 3, T. 2.– Wien: Holzhausens
Nfg., 1956. S. 190-204
- Sammlung von assyrischen und babylonischen Texten in Umschrift und
Übersetzung. Hrsg. v. Eberhard Schrader. Bd. 1.– Berlin: Reuther, 1889
(Keilschriftl. Bibl.)
Schwarzer Obelisk: S. 150f,
Kurkh-Monolith: 172f
- Oppenheim, Max Freiherr von: Der Tell Halaf. E. neue Kultur i. ältesten
Mesopotamien.– Leipzig: Brockhaus, 1931.
Abb. Tafel 21;
Beschreibung: S. 140
- Procession
of the Aamu, Tomb of Khnumhotep II
- The annals of the kings of Assyria. The cuneif. texts w. transl., translit.,
etc. from the orig. documents in the British Museum. Hrsg. v. E[rnest] A[lfred]
Wallis Budge u. L[eonard] W[illiam] King. Bd. 1.– London, 1902. Zerbrochener
Obelisk:
S. 141
f
M. Heide
In einer Publikation von 2010/11 hat sich Martin Heide des Themas noch
einmal angenommen. Er kann auf zusätzliches archäologisches Material verweisen.
Für das Dromedar bringt er u.a. folgende Belege:
- Scherben einer 25 cm großen Schale aus örtlichem Nilton, in die nach dem
Brennen die Zeichnung eines Dromedars eingeritzt worden ist, gefunden in
Pi-Ramesse (Qantir), von Ende der 18. / Anfang der 19. Dynastie (14.-13. Jh.
v.Chr.). (Der Höcker ist nicht erhalten, aber mehr als einer kann es nicht
gewesen sein. Dass es sich überhaupt um ein Kamel handelt, müssen wir dem
Ausgräber wohl glauben.) Allerdings: die Zeichnung beweist meines Erachtens
nichts für die Domestikation des Dromedars.
- Tonfigur eines Kamels mit Wasserkrügen aus einem Grab der 19.
Dynastie (1292-1189 v.Chr., Heide sagt „späteres 13. Jh.“ S. 342) in Rifeh.
Petrie verweist seinerseits auf eine ähnliche Figur aus dem Osiristempel von
Abydos, publiziert von Auguste Mariette. Diese ist aber möglicherweise
beträchtlich jünger.
- Das Sumerogramm anše.a.ab.ba
(„Esel des Meeres“, d.h. Lasttier, das übers Meer nach Mesopotamien gekommen
ist?), das nach weitgehend einhelliger Meinung, das Dromedar bezeichnet,
findet sich bereits in einer einsprachigen sumer. Vokabelliste des 14./13.
Jh. aus Nippur.
- In einer ähnlichen Liste des späten 13. Jh. aus Ugarit ist
vermutlich [MIN.a.a]b.ba zu lesen, wobei
MIN ein Wiederholungszeichen ist (ähnlich
unserem –"–) und für das 12 Zeilen vorher stehende anše
steht.
- Die Liste urra = ḫubullu XI des 13./12. Jh. aus Emar
hat in einer Auflistung von Tierhäuten kuš.anše.a.ab.ba
„Dromedarhaut“.
Auf die archäologischen Funde, die auf eine Domestikation des zweihöckrigen
Kamels bereits in der ersten Hälfte des 3. Jtsd. hinweisen, gehe ich hier
nicht weiter ein. Babylonische und sumerische Schreiber kannten offenbar das
zu ihrer Zeit bereits domestizierte zweihöckrige Kamel:
- Ein altbabylon. Vorläufer (ca. 1800-1600 v.Chr.) der urra-XIV-Listen
(die überwiegend wilde Tiere auflistet) hat
am.si.ḫar.ra.an.na und
am.kur.ra (gemeint wohl
am.si.kur.ra). Dass hier nicht notwendigerweise
die Wildform gemeint sein muss, ergibt sich daraus, dass neben dem Wildschwein
auch verschiedene Formen domestizierter Schweine aufgelistet sind. Sumer.
am-si heißt „Elefant“, ḫar-ra-an „Straße“, kur
„Berg, Gebirge“. Dass das Trampeltier von den Sumerern als „Straßenelefant“
bezeichnet wurde, weist vielleicht auf seine Verwendung als Lasttier. Die
Benennung als „Gebirgselefant“ könnte auf seine Herkunft aus den (von Sumer
aus gesehen) östlichen Gebirgen verweisen.
- Eine weitere Liste von Tieren derselben Zeit aus Nippur hat
ḫar.ra.an, was wohl als gekürzte Schreibung zu
verstehen ist.
- Eine Tierliste der frühdynastischen Zeit (ca. 2600-2500
v.Chr.) aus Šuruppak (Tell Fara) enthält am.si.ḫar.an.
- Das zweihöckrige Kamel war (zumindest im 1. Jtsd.) auch in
Arabien bekannt: die Annalen Sanheribs zählen unter der Kriegsbeute aus dem
Kampf gegen den babylonischen König Marduk-apla-iddina II. (in der Bibel
Merodach-Baladan genannt, Ende 8. Jh.) auch Dromedare
(anše.a.ab.bameš) und Trampeltiere
(anšeud-ri) auf, die wohl von Truppen der arabischen
Verbündeten der Babylonier stammten.
Ein paar Anmerkungen meinerseits: Wenn das miṣri auf dem Schwarzen
Obelisken, von wo zweihöckrige Kamele als Tribut gesandt werden, wirklich
Ägypten ist, dann handelt es sich um Tiere aus einem Zoo. (Denn in Ägypten
gab es zu dieser Zeit keinerlei Kamelzucht.) Diese Art der Tierhaltung hat
aber nichts mit Domestikation zu tun. Die Nennung der Kamelmilch in dem oben
zitierten Text aus Nippur weist auf die Verwendung als Nutztier in Mesopotamien,
beweist aber nicht die Verwendung als Last- und Reittier.
- Heide,
Martin: „The Domestication of the Camel. Biological, Archaeological and
Inscriptional Evidence from Mesopotamia, Egypt, Israel and Arabia, and
Literary Evidence from the Hebrew Bible“, Ugarit-Forschungen 42 (2010),
S. 331-384
- Flinders
Petrie, W[illiam] M[atthew]; Thompson, Herbert; Crum, W[alter] E[wing]:
Gizeh and Rizeh.– London: School of Arch. in Egypt, 1907.
Text: S. 23, Abb.: Tafel 27
- Mariette, Auguste: Abydos. Description des fouilles […]. Bd. 2.– Paris:
Imprimerie nationale, 1880.
Bildunterschrift: S. 54,
Abb.: Tafel 40, u
- Pusch, Edgar B.: „Ein
Dromedar aus der Ramses-Stadt“, Egypt and the Levant 6 (1996), S. 107–118
So wahr es ist, dass das Fehlen von Textzeugnissen über einen Sachverhalt
noch nicht beweist, dass es den Sachverhalt nicht gegeben hat (argumentum
e silentio), so wahr ist es aber auch, dass das fast vollständige
Schweigen der umfangreichen antiken Literatur über das Dromedar bis zur
Eisenzeit nicht einfach als Zufall der Überlieferung abgetan werden kann.
Natürlich kann niemand mit letzter Sicherheit ausschließen, dass Abra(ha)m
und Jakob bereits Kamele besaßen. Es stellt sich aber die Frage, wie
wahrscheinlich das im historischen Kontext ist.
Auch Heide kommt mit seinem zusätzlichen Material für das Dromedar nicht
weiter als in die späte Bronzezeit zurück. Daher schlägt er vor, dass es sich
bei den Kamelen der Erzväter um das Baktrische Kamel gehandelt habe, das in
dieser Zeit sicher schon domestiziert war. Das ist zwar vermutlich sprachlich
möglich. Aber wieder stellt sich die Frage nach der Plausibilität: Abraham und
Josef als Vorreiter der Trampeltierzucht in Syro-Palästina? Warum haben sie
keine Nachahmer gefunden? Sodass ein halbes Jahrtausend später die Araber das
Dromedar domestiziert haben. Warum haben sie offenbar selbst die Verwendung von
Kamelen zugunsten von Eseln wieder aufgegeben (s.u.)? In der Geschichtsforschung
geht es nicht darum, was möglich ist, sondern was am wahrscheinlichsten ist.
Nachzeichnung eines ägypt. Freskos mit der Darstellung einer Karawane von
„Asiaten“ des frühen 2. Jtsd. Als Lasttiere verwenden sie Esel. Grab BH 3,
Beni Hasan, Ägypten.–
Quelle:
Wikipedia.–
Urheber: NebMaatRa, 2008/2020.–
Lizenz:
GFDL 1.2,
CC BY-SA 3.0.–
Bearbeitung: wieder in zwei Teile zerlegt, verkleinert.
W. F. Albright
Die oben genannten Kamel-Stellen der Gen müssen also wohl doch als Anachronismen
verbucht werden. Die Erzväter benutzten mit hoher Wahrscheinlichkeit Esel als
Lasttiere (s. Albright, From the Stone Age to Christianity2,
S. 107, 120f, 196; ds., Archeology and the religion of Israel3,
S. 96ff; u.ö.). So ist es etwa auf einem Fresko im Grab des Chnumhotep II.
(eines Beamten des 20./19. Jh. v.Chr. im mittelägyptischen Antilopengau) bei
Beni Hasan (Grab BH 3) dargestellt. Und so ist es auch für den greisen Jakob
und seine Söhne bezeugt (Gen 42,26f; 43,18.24; 44,3.13; 45,23 – wohin sind
Jakobs Kamele verschwunden?).
Das bekannte Fresko im Grab BH 3 zeigt eine Karawane von (laut
Beischrift 37) ʿꜣm.w „Asiaten“ (d.h. Semiten), die nach Ägypten
gekommen sind, um mśdm.t „Augenschminke“ (bzw. ein dafür benötigtes
Mineral wie Stibnit, Galenit, Malachit) zu bringen. Ihr Anführer wird als
ḥḳꜣ ḫꜣś.t jbšꜣ „Herrscher des Fremdlandes (=Beduinenhäuptling,
Scheich) Ibscha (Abischai?)“ bezeichnet. Es soll nicht verschwiegen werden,
dass die genaue Bedeutung der dargestellten „Asiaten“ unklar ist. Handelt es
sich um semitische Händler, die bis nach Mittelägypten gekommen sind, um
mśdm.t zu verkaufen? Aber wozu haben sie ihre Frauen und Kinder mit?
Sind es semitische Metallarbeiter (eines der dargestellten Objekte wird als
möglicher Blasebalg gedeutet), die sich hier ansiedeln möchten? Was ist die
Bedeutung der Wildtiere ([Säbel-?]Antilope, Gazelle), die Ibscha und der Mann
hinter ihm führen? Eine Art Tribut? Wofür? Warum sind die beiden als einzige
der Asiaten barfuß? Welche Bedeutung hatte die Ankunft dieser Karawane für
das diesseitige und jenseitige Leben des Bestatteten?
Das Kamel ermöglichte neue Formen des Nomadentums, z.B. den des Beduinen,
die die Erzväter aber nicht genutzt haben. Sie waren vermutlich
Wanderweidewirtschaft (Transhumanz) betreibende Halbnomaden. Dafür hätte das
Kamel aber keinen großen Mehrwert gebracht.
- Albright, William Foxwell: From the Stone Age to Christianity. Monotheism
and the historical process.– 2. Aufl. Baltimore: Hopkins, 1946.
S. 107,
120f,
196
- Albright, William Foxwell: Archeology and the religion of Israel. The Ayer
lectures […] 1941.- 3. Aufl. Baltimore: Hopkins, 1953.
S. 96-101,
132-135
- Albright, William Foxwell: „Zur Zähmung des Kamels“, Zeitschr. f. d. atl.
Wiss. 62 (1950) S. 315 (war mir nicht zugänglich)
- Albright, W[illiam]
F[oxwell]: „Cuneiform material for Egyptian prosopography 1500-1200 B.C.“,
Journal of Near Eastern Studies 5/1 (1946), S. 25, Anm. 14
- Kamrin,
Janice: „The Aamu of Shu in the Tomb of Khnumhotep II at Beni Hassan“,
Journal of Ancient Egyptian Interconnections 1/3 (2009), S. 22-36
- Cohen,
Susan: „Interpretative Uses and Abuses of the Beni Hasan Tomb Painting“,
Journal of Near Eastern Studies 74/1 (2015), S. 19-38
K. Kitchen
Natürlich versuchen bibelgläubige Ausleger und Historiker dagegen zu
argumentieren. Aber ihre Faktenbasis ist momentan ziemlich dünn. Kenneth
Kitchen etwa führt folgende Gegenbeweise an:
- Eine mögliche Erwähnung in einer Futterliste aus dem heute südtürkischen
Alalach, und zwar, wie Kitchen schreibt, ca. aus dem 18. Jh., wie Lambert
meint, aus dem 15. Jh.:
1 šà.gal anšegam.mal „1 (Maß) Futter [für] Kamel“ (so
hat Wiseman gelesen und transkribiert). Lambert jedoch behauptet, dass da
nicht die drei Zeichen anše gam mal stehen, sondern nur zwei,
wahrscheinlich dàra.maš „Hirsch“.
Abgesehen davon füttert man Kamele nicht, man lässt sie grasen. Aber bei
Verbruggen ist das „möglich“ einfach weggelassen, und schon dient der Text
als Beweis.
- Ein sumerischer Text aus Nippur, nämlich der oben zitierte
aus CAD 7,2b. Aber: der spricht vom Baktrischen Kamel als Nutztier. Das steht
außer Frage, beweist aber für unser Thema nicht viel.
- Kamelknochen, die André Parrot in Mari gefunden hat. Parrot
erwähnt dies nur im Rahmen einer Buchrezension und drückt sich sehr unbestimmt
aus: „in der präsargonischen Schicht [also vor dem 24./23. Jh. v. Chr.]
mehrerer Wohnungen (? habitats) und die auf die erste Hälfte des 3.
Jahrtausends zurückgehen, haben wir Knochen eingesammelt, die keinen Zweifel
lassen. Es handelt sich tatsächlich um Kamele (chameaux).“
Das ist zu wenig Information, um als Argument zu dienen. Einhöckrige oder
zweihöckrige Kamele? Fanden sich die Knochen im Abfall? Wurden die Tiere
also gegessen? Gibt es Hinweise, dass es sich um domestizierte Tiere
gehandelt hat und nicht um Jagdbeute?
-
Steinernes Figürchen eines hockenden Kamels (?) aus Byblos.–
Quelle: P. Montet, Byblos et l'Egypte, Atlas, Tafel 52 (s. Lit.)–
Lizenz: hoffentlich gemeinfrei.
Ein unvollständiges Kamelfigürchen aus Byblos aus dem 19./18. Jh. v.Chr.
Kitchen nennt als Quelle eine Fußnote in einem Aufsatz von Roland de Vaux
(Revue Biblique 56 (1949) S. 9, Anm. 5 – richtig: 4). Dort wiederum wird auf
Pierre Montets Grabungsbericht (Byblos et l'Egypte, S. 91, Nr. 179) verwiesen.
Dort steht dann: „Ein hockendes Kamel (?). Länge: 4,2 cm. Selbes Material wie
die vorhergehenden [nämlich grauer Stein]. Ein Strick geht viermal um das Maul
herum. Eine mit Quasten geschmückte Decke bedeckt den Körper. Ein viereckiges
Loch mit 1 cm Seitenlänge ist in die Mitte des Rückens gebohrt.“ Das Foto
im Atlas genannten Tafelband zeigt, dass die Statuette statt eines
Höckers eine Aussparung im Rücken hat, in die etwas hineingesteckt werden
konnte. Wenn es sich tatsächlich um ein domestiziertes Dromedar aus der 12.
Dynastie (20. und 19. Jh. v.Chr.) handeln sollte, wäre das in der Tat
bemerkenswert. Aber mangels Höcker ist nicht sicher, dass es sich hier um
ein Dromedar handelt. Und selbst wenn, beweisen die spärlichen Einzelfunde
noch keine ausgebreitete Dromedarzüchtung von wirtschaftlicher Relevanz
(Walz 1956, S. 198f). Wenn ein Tennengauer Bauer eine zahme Hirschkuh auf
seinem Hof hat oder ein Zirkus einen dressierten Bären, dann ist das nicht
Domestikation.
- Verbruggen,
Jan: 5 Things You Need to Know About Camels and Biblical Accuracy. 2014
- Kitchen, K[enneth] A[nderson]: Ancient Orient and Old Testament.– Chicago:
Inter-Varsity Pr., 1966.
S. 79
- Hamilton, Victor P.: The Book of Genesis. Chapters 1-17.– Grand Rapids:
Eerdmans, 1990. (New international commentary on the Old Testament)
S. 384
- Lambert, W. G.: „The
Domesticated Camel in the Second Millennium – Evidence from Alalakh and
Ugarit“, Bulletin of the American Schools of Oriental Research (BASOR) 160
(1960), S. 42f
- A. P. [Parrot, André]:
Rez. René Dussaud, La pénétration des Arabes en Syrie avant l'Islam
(Paris 1955). Syria 32 (1955), S. 323
- de Vaux, Roland: „Les
patriarches hébreux et les découvertes modernes (Suite)“, Revue Biblique
56 (1946), S. 9
- Die hebr.
Patriarchen
- Montet, Pierre: Byblos et l'Égypte. Quatre campagnes de fouilles à Gebeil
1921 - 1922 - 1923 - 1924. Paris: Geuthner. (Bibliothèque archéologique et
historique, Bd. 11)
Texte.– 1928. S. 91
Atlas.– 1929. Taf. 52
- Zahmer Hirsch - eine
ungewöhnliche Freundschaft. Daheim in Österreich, 25.08.2017
C. Gordon
Manche Menschen beginnen, wenn ihnen die Sachargumente ausgehen, ihre
weltanschaulichen Gegner persönlich zu attackieren. Cyrus Gordon versucht
daher, William Albright (den er von den Ausgrabungen auf dem Tell Beit Mirsim
persönlich kannte) als Eselsliebhaber und Kamelhasser zu pathologisieren,
dessen persönliche Vorlieben sein Urteil getrübt hätten. Aber selbst wenn
Albright wirklich ein Kamelhasser gewesen sein sollte, beweist das nichts
gegen die Stichhaltigkeit seiner Argumente. Leider ist sich Victor Hamilton
nicht zu schade, seinen Lesern ausgerechnet diese Entgleisung Gordons
mitzuteilen (S. 383, Anm. 9). Persönliche Angriffe statt Sachargumente. Das
ist mehr als nur schlechter Stil.
- Gordon, C[yrus] H[erzl]: The Pennsylvania tradition of Semitics. A Century
of Near Eastern and Biblical Studies at the University of Pennsylvania.–
Atlanta: Scholars Pr., 1986. S. 53 (war mir nicht zugänglich)
Zusammenfassung
Obwohl niemand mit letzter Sicherheit ausschließen kann, dass Abraham
bereits Kamele (welche auch immer) hatte, spricht meines Erachtens doch die
historische Wahrscheinlichkeit dagegen. Das Dromedar wurde, nach allem was
wir wissen, nicht vor der Spätbronzezeit domestiziert. Eine bestimmte
Erzähltradition des 1. Jtsd., in dem zum Reichtum an Tieren auch der Besitz
von Kamelen gehörte, ist davon ausgegangen, dass auch Abraham und Jakob Kamele
hatten. Die Josefserzählung hingegen weiß nichts von Kamelen Jakobs. Kamele
hat hier nur die ismaelitische Händlerkarawane, was aber historisch für diese
Zeit genauso wenig wahrscheinlich ist.