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Alkohol
Ein alter Kalauer lautet: „berauschende Substanz ohne k: Aljohol“. Ein weiteres Wort, auf das mich Stefan aufmerksam gemacht hat. Es kommt aus dem Arab.
Arab. كُحْل kuḥl, mit Artikel
الكحل al-kuḥl, bedeutet „Antimon(it)“
und „Khol“[1];
vgl. كحل kaḥil „schwarzgefärbt“, كحيل kaḥīl „schwarz,
schwarzgefärbt“. Antimon ist ein silberglänzendes Halbmetall; Antimonit (das
ist häufig mit Antimon gemeint) ist ein schwarzes antimonhaltiges
Mineral. Khol ist ein Pulver zum Schwärzen der Augenlider.
Zur selben Wurzel gehören:
Traditionell bestand Khol (engl. kohl)[7] aus pulverisiertem Antimonit (auch Stibnit, Spießglas, [Grau-]Spießglanz, mlat. stibium, antimonium genannt, chem. Antimon(tri)sulfid Sb2S3)[8]. Weitere möglich Ingredienzien etwa waren Galenit (Bleiglanz, Bleisulfid PbS) und Malachit (Kupferspat, Cu2[(OH)2|CO3]).
In Wörterbüchern findet man als Übersetzung immer wieder „Kollyrium“ oder „collyrium“, d.i. lat. collȳrium „Augensalbe“ < gr. κολλύριον „(Augen-)Salbe“ (Herkunft dunkel).
Im Prinzip das gleiche ist Kajal (Hindi काजल kājal [j = dʲ, dʒ] < skr. कज्जलkajjala „Wolke; Ruß (verwendet als Augensalbe, auf Wimpern oder Lieder aufgetragen, medizinisch oder als Schmuck); Blei- oder Antimonsulfid“[9]?).
Das Wort dringt wohl durch die Beschäftigung abendländischer Alchimisten mit der Chemie der Araber ins Gelehrtenlatein und in die europ. Sprachen. (Nach Kluge und Pfeifer aus dem Hispano-Arab., daher mit Aufsprengung der Doppelkonsonanz am Wortende.[10]) Bis ins 17. Jh. verzeichnen engl. (Wörter-)Bücher das Wort alcohol als Antimon(it) bzw. schwarzes Pulver zum Färben der Augenlider.[11] Ab dem 16. Jh. (Bartholomew Traheron) ist aber auch die Bedeutung „feines Pulver“ bezeugt. Das Wort wird bald auch auf Flüssigkeiten übertragen und bezeichnet so ab dem 17. Jh. die durch Destillation gewonnene Essenz („Quintessenz“), insbes. den alcohol of wine.
Auch Paracelsus kennt das Wort und gebraucht es. So schreibt er etwa in Von den natürlichen wassern (1525/26), 5. Buch, 3. Traktat, über die Frage, wie Regentropfen entstehen. Er vergleicht die Regentropfen in der Wolke mit den Körnern des Sandsteins:
und wie in einem mörsel die stein zu pulver gestoßen werden, also wird das gewülk zu pulver resolvirt, das ist in wasser. dan das pulver ist der stein art und das wasser der gewülk art […] dan also ist ir natur. den ein ieglichs gibt sein alkool und das selbig in maßen wie obstêt.[12]
Alkool ist wohl die eigentliche Substanz in Reinform, aus der etwas besteht. Beim Stein ist dies das im Mörser zermahlene Pulver. Daher versteht Kluge in der 20. Aufl. alkool hier als „feines Pulver“.
Im Liber praeparationum (auch De praeparationibus genannt, 1526/27), einer Sammlung von Zubereitungen für Medikamente, lautet das dritte Rezept des 1. Buches:
[13]
Tertia praeparatio in vulneribus. Dritte Zubereitung bei Wunden. Rec. antimonii, tartari calcinati, ana lib. semis, alcool vini kist unum; fiat mixtura, destilla per alembicum usque ad resolutionem rei; cuius rei dissolutae rec. drach. 1, alcool vini drach. 4, exsicca per coagulationem, reduc in oleum super porphyrium. Nimm von Antimon(it), gebranntem Weinstein (d.i. Kaliumcarbonat?), je ein halbes Pfund, von der Essenz des Weines (Weingeist) ein Kist; es werde eine Mischung, destilliere über einen Alembik (Destillierhelm) bis zur Auflösung der Sache; von dieser aufgelösten Sache nimm 1 Drachma, von der Essenz des Weines (Weingeist) 4 Drachmae, trockne durch Gerinnung (?), führe zurück in (oder: reduziere zu) Öl über (oder: auf) Porphyr (?).
Insgesamt bleibt vieles unklar: ein Kist ist ein Gewicht unbekannter Größe, eine Drachma ist ein Gewicht von ca. 3,6 g[14]. Rätselhaft ist mir auch, welche Funktion der Porphyr (ugs. für ein rötliches Erstarrungsgestein mit grobkörnigen Feldspatkristallen, der engl. Übersetzer versteht darunter eine Marmorplatte) haben soll. Oder heißt porphyrium hier was ganz anderes?
Im ander [2.] buch der Wundarznei (1528), 7. Kap., beschreibt Paracelsus ebenfalls diverse medizinische Rezepte. Eines besagt:
[15]
recipe foliorum auri drachmam, olei masticis drachmas sex, laß digeriren auf ein Monat, darnach wesch es und ubergeuß alcohol vini, laß aber digerirn auf acht tag, darnach zeuchs in balneo darvon; dasselbig öl brauch. Nimm eine Drachma Blattgold, sechs Drachmae Mastixöl; lasse (es) einen Monat lang digerieren, danach wasche es und übergieße es mit Essenz des Weines (Weingeist), lasse (es) aber acht Tage lang digerieren; danach ziehe es im (Wasser-)Bad davon (?); dasselbige Öl verwende.
Digerieren bedeutet auflösen, verdauen, in der Chemie ist es die Extraktion löslicher Bestandteile. Natürlich wird sich aus dem Gold nichts lösen.
Der Mediziner und Lexikograf und Georg Henisch definiert in seinem unvollendet gebliebenen Thesaurus des Deutschen (1616):
Alcool/ das subtilest eines jeden dings/ und ein jedes Pulver oder staub/ als alcool vini, der brantwein/ aqua vitae rectificata, Alcool ossium granatorum, das Pulver von den granatkernen/ wirt also genant von dem Arabischen Articul Al und cobol/ welches aptare, comere, praeparare, zubereiten bedeut.[16]
Hier kommt eine weitere Bezeichnung des Alkohols ins Spiel: „rektifiziertes (wörtl. wiederhergestelltes, d.i. destilliertes) Wasser des Lebens“. Aqua vitae oder Aquavit war ursprl. eine andere Bezeichnung für hochprozentige Spirituosen oder Alkohol. Später wurde es zur Benennung einer hauptsächlich mit Kümmel, aber auch Dill, Koriander u.a. aromatisierten Spirituose.[17] Das Wort Whisk(e)y, eine Spirituose aus vergorenem Getreide, die in Holzfässern reifen muss, stammt von gäl. uisge beatha, was ebenfalls „Wasser des Lebens“[18] bedeutet. Wodka, ein Schnaps aus Getreide (traditionell Roggen), aber auch aus Kartoffeln oder Zuckermelasse, der ohne Reifung in den Handel kommt, bedeutet im Slaw. „Wässerchen“ (poln. wódka, russ. во́дка, tschech. vodka), es ist Deminutiv des slaw. Wortes für „Wasser“ (poln. woda, russ. вода́, tschech. u. serbokroat. voda). Ob der Name etwas mit Aquavit zu tun hat, ist unklar, aber jedenfalls hieß das Ergebnis der dritten Destillation (mit 70-80% Alkohol) auf Poln. okowita (= aqua vitae).[19]
William Johnson hat in seinem Lexicon Chymicum (1652) gleich mehrere Lemmata und weist den unterschiedlichen Schreibweisen auch unterschiedliche Bedeutungen zu:
[20]
Alcohol, vini, quando omnis superfluitas vini a vino separatur, ita ut accensum ardeat, donec totum consumatur, nihilque faecum, aut phlegmatis in fundo remaneat. Alkohol, des Weines, wenn alles Überflüssige des Weines vom Wein getrennt wird, sodass er brennt, wenn er angezündet wird, bis er zur Gänze aufgebraucht ist, und keine Hefe (Bodensatz) oder Schleim (Feuchtigkeit) am Boden zurückbleibt. Alcool Paracelsi, Alcool rerum aut corporum quorumcunque nihil aliud est, quam purior & mundior substantia ab impura separata; […] Alcool des Paracelsus, Alcool von allen möglichen Dingen oder Körpern ist nichts anderes, als eine lauterere und reinere Substanz, die von Verunreinigungen getrennt (worden) ist; […] Alcol, aliquando scriptum alcool, vel alcohol, est pulvis in minutissimum pollinem factus, ubi nihil additur ad nudam vocem, alioqui restringitur per adjunctum. Alcol, manchmal alcool oder alcohol geschrieben, ist ein zu allerfeinstem Mehl (Staub) gemachtes Pulver, wo dem bloßen Wort nichts hinzugefügt wird, andernfalls wird es durch Hinzufügung eingeschränkt. Alcol, vini est aqua ardens rectificata. Alcol, des Weines ist destillierter Branntwein (wörtl. brennendes Wasser). Alcofol, (vel ut nonnulli volunt) alcosol, est stibium sive antimonium : Item alcimad, est stibium. Alcofol, (oder wie manche wollen) alcosol, ist Stibium oder Antimon(it): desgleichen alcimad, ist Stibium.
Umgangssprachlich bezeichnet Alkohol heute jene Substanz, die chem. Ethanol (CH3–CH2–OH) heißt, fachsprachlich jede organische aliphatische Verbindung mit einer oder mehreren Hydroxygruppen (–OH). (Aromatische Verbindungen mit Hydroxygruppe(n) nennt man Phenole.) Da Ethanol eine geringere Dichte als Wasser – nämlich 0,79 kg/l – hat, wird der Alkoholanteil von Alkoholika immer in Volumsprozent, nicht in Gewichtsprozent, angegeben; da sind die Werte etwas höher.
Hier noch ein paar Begriffe zum Thema:
Spiritus (lat. „Geist“) ist heute vergällter (d.h. durch Zusatz
verschiedener Substanzen untrinkbar gemachter) 95- bis 96%-iger Alkohol.
(Alkohol kann durch Destillation nicht höher als 97% konzentriert werden,
weil ein Ethanol-Wasser-Gemisch ab dieser Konzentration ein Azeotrop wird.)
Dieser kann als Lösungs- und Reinigungsmittel oder als Brenn- oder Kraftstoff
verwendet werden. Darüber hinaus kann hochprozentiger Alkohol zur Desinfektion
verwendet werden (ich habe aus der Hoch-Zeit von Corona noch eine halbe Flasche
zu Hause). Wo die Feuergefahr gering ist, kann Alkohol auch als Frostschutzmittel
eingesetzt werden (Schmelzpunkt -114,5 °C).
Unvergällter Alkohol heißt Weingeist, in (Ost-)Deutschland
Primasprit. Man kauft ihn in Österreich in der Apotheke, aus
steuerlichen Gründen kostet er ein Vielfaches von Spiritus. Weingeist muss
aus landwirtschaftlichen Rohstoffen gewonnen werden, er darf keinen synthetisch
hergestellten Alkohol und keinen Alkohol aus nichtlandwirtschaftlichen
Rohstoffen enthalten.
Branntwein ist umgangssprachlich jede durch Destillation erzeugte
Spirituose mit mehr als 15% Alkohol. Nach EU-Recht dürfen aber nur noch Spirituosen, die durch
Destillation von Wein oder Weindestillat hergestellt sind, so
heißen.[21]
Weinbrand dagegen ist destillierter Wein mit mind. 36% Alkohol, der
mind. ein halbes Jahr im Eichenholzfass gereift ist, also das, was wir
landläufig als Brandy, Cognac (inzwischen aber geschützte
Herkunftsbezeichnung), Metaxa (ein Markenname wie Asbach,
enthält aber zusätzlich Kräuterextrakte) o.ä.
bezeichnen.[22]
Gin ist mit Wacholder aromatisierter Alkohol und hat von daher auch seinen Namen: er stammt von niederländ. genever, jenever „Wacholder, -schnaps“ < afrz. gene(i)vre „Wacholder“ < lat. iuniperus ds. Der cotton gin ist kein „Baumwollschnaps“, sondern eine Baumwollentkörnungsmaschine; gin ist hier Kurzform von engine „Maschine“, ursprl. auch „Fähigkeit, Können“, dieses letztlich von lat. ingenium „Fähigkeit, Begabung, Talent“.
Grappa bedeutet im Ital. „Klammer, Krampe“ und ist ein Schnaps aus vergorenem Trester (Pressrückstände der Weinherstellung). Zugrunde liegt protogerm. *krappon „Haken“, vgl. ahd. krap(h)o, krapfo „Haken, Klammer, Kralle“, frz. le grappin „Haken, Anker“, span. la grapa „Klammer, Krampe“, lombard. grapa „Traubenkamm, Stiel der Trauben“ (weil gebogen?)[23], dazu das Deminutiv it. il grappolo „Traube“, vgl. engl. grape ds.
Aus irgendeinem Grund gibt es etliche mit Anis aromatisierte Schnäpse:
Lat. stibium (auch stibi, stimmi n.) ist „Spießglas“ (d.h. Antimonit) und „Augenschwärze“ (aus Spießglas hergestelltes Pulver zum Schwärzen der Augenbrauen). Es stammt von gr. στίβι, στῖμι, στίμμι „pulverisierter Antimonit, Khol“, dieses wohl[26] von äg. mśdm.t, śdm(.w) „schwarze Augenschminke“ (von śdm „schminken“)[27], kopt. ⲥⲧⲏⲙ stem (bohair. auch ⲥⲑⲏⲙ) „Antimon(it), Khol“[28]. Seine Abkürzung Sb wurde zum Elementsymbol für Antimon, welches ursprl. ebenfalls den Antimonit bezeichnete.
Antimon kommt von mlat. antimonium „Spießglas, Stibium“, z.B. (erstmals?) bei Constantinus Africanus (11. Jh.), Liber de gradibus[29]; dieses vermutlich von arab. إثمد ʾiṯmid, mit Artikel الإثمد al-ʾiṯmid, „Antimonsulfid, Stibnit“ (heute wie im Dt. „Antimon“)[30]. Fachsprachlich wurde das Wort im Laufe der Zeit zur Bezeichnung des metallischen Elements verwendet.
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Letzte Aktualisierung: 21. Nov. 2023