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Vor der fatalen Fee gefeit
Vor der fatalen Fee gefeit
Das lat. Deponens (nur im Passiv gebräuchliches Verb) *for, fārī, fātus
sum bedeutet „sagen, weissagen“. Das substantivierte Part. Perf. Passiv
fātum, -ī n. (wörtl. „Gesagtes“) bedeutet „Götterspruch, Weissagung“,
aber auch „Schicksal, Geschick“, nicht selten negativ als „Missgeschick,
Unheil, Verderben, Tod“.
Das Adj. dazu, fātālis, -e, bedeutet neutral „vom Schicksal verhängt,
des Schicksals“ und negativ „verhängnisvoll, verderbenbringend“. Das dt.
fatal hat nur noch die negative Bedeutung bewahrt.
Bernardo Strozzi (1581-1644), Die drei Parzen (eine spinnt den Lebensfaden,
eine misst ihn ab, eine schneidet ihn durch).–
Quelle:
Wikimedia.–
Lizenz: gemeinfrei.–
Bearbeitung: etwas beschnitten, verkleinert, nachgeschärft.
Das Schicksal konnte von den Römern als personifizierte Macht gesehen werden,
die fāta „Schicksale, Schicksalsmächte“ waren möglicherweise ein
Synonym für die Parcae „Schicksalsgöttinnen, Parzen“ (so sagen es die
etymolog. Wörterbücher des It. und Frz., ich kenne allerdings keine Belege
dafür). Am naheliegendsten ist die Annahme, dass aus dem lat. Neutr. Pl. ein
it. (fata) bzw. afrz. (fae) Fem. Sg. im Sinne eines
übernatürlichen Wesens und/oder einer Zauberin geworden ist (vgl. lat.
folium > it. la foglia).
Im 12. Jh. ist das Wort als fei(e) aus dem Frz. ins Mhd. gelangt,
aber später wieder verlorengegangen. Davon wurde aber ein Verbum feien
„durch Feen-Zauber schützen“ abgeleitet, das noch als Part. gefeit
„geschützt“ und als Subst. (stille) Feiung „(Immun-)Schutz“ (nach
unbemerkt durchgemachter Infektion) gebräuchlich ist.
Ende des 17. Jh. entstand in Frankreich das Genre des conte de(s) fées
„Feen-Erzählung“. Im 18. Jh. wurden diese Geschichten ins Dt. übersetzt, aus
der frz. fée wurde die dt. Fee. La fée verte „die
grüne Fee“ ist eine Umschreibung für den Absinth, eine hochprozentige
Spirituose.
Im Engl. wurde afrz. faerie (fae + Suffix -erie,
nfrz. féerie „Zauber, märchenhaftes Schauspiel“) entlehnt als
faerie „Zauberei, Zauber-, Feen-Reich“. Das moderne engl. fairy
bezeichnet ein Wesen dieses Zauberreiches, die Fee. Engl. fairy tale
wie auch die frz. conte de fées (beides wörtl. „Feenerzählung“)
bedeuten heute soviel als „Märchen“.
Das frz. fée und das engl. fairy sind
umfassender als das dt. Fee, sie schließen auch Naturgeister, die
wir im Dt. als Elfen bezeichnen, und ihnen verwandte Wesen mit ein.
Die literarisch bedeutsamste Fee ist wohl Morgana.
Edward Burne-Jones (1833-1898), Der letzte Schlaf des Artus in Avalon (Morgen
und ihre Schwestern um den sterbenden Artus), Öl auf Leinwand, Museo de Arte
de Ponce (Puerto Rico).–
Quelle:
Wikipedia.–
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Bearbeitung: beschnitten, aufgehellt, verkleinert.
- Der älteste literarische Beleg ist die Geoffrey von Monmouth (ca.
1095/1100-1155) zugeschriebene Vita Merlini. Darin wird von einer
Apfelinsel (insula pomorum, V. 908), einer Art Insel der Seligen
berichtet, die von neun Schwestern regiert wird. Die herausragendste unter
ihnen ist die zauber- und heilkundige Morgen (V. 920ff). Auf diese Insel
wird der in der Schlacht tödlich verwundete König Artus gebracht (V. 929f).
- Im Roman Erec und Enide des Chrétien de Troyes (ca. 1140-1190)
wird der verwundete Erec mit einem zauberischen antret/entrait
(Foerster: „Wundpflaster“, Dictionnaire Électronique de Chrétien de Troyes:
„Salbe“) behandelt, das Morgue, die Schwester des Königs Artus bereitet hat
und jede Verwundung rasch heilt (V. 4219ff). In V. 1957 wird Morgue (im Akk.
Morgain, Morgant) als la fee bezeichnet. Im Yvain
spricht die Herrin von Noroison von einer Salbe, die ihr Morgue, la
sage „Morgan(a), die Weise“ gegeben hat und die Yvains Wahnsinn kurieren
kann (V. 2952-55).
- In Wolfram von Eschenbachs (ca. 1160/80-1220) Parzival
hinterlässt Gahmuret seiner schwangeren Frau einen Brief, in der er sie über
seine Vorfahren aufklärt: sein Urahn hieß Mazadân, „den führte eine Fee nach
Feimurgân, sie hieß Terre da la joie“ (den fuort ein feie in Feimurgân:/
diu hiez Terdelaschoye, 1,56,18f). Hier liegt offenbar eine Verwechslung
von Personen- und Landesnamen vor: die Fee hieß Feimurgan (Fee Morgana), ihr
Land „Land der Freude“. Ein anderer Ritter dieses Ahns war König Vergulaht,
„sein Geschlecht sandte Mazadân vom Berg Fâmorgân: er stammte von der Fee ab“
(sîn geslähte sante Mazadân/ für den berc ze Fâmorgân:/ sîn art was von
der feien, 8,400,7-9; s.a. 9,496,7f).
- In späteren Versionen der Artussage, z.B. in Thomas Malorys (um 1405/15-1471)
Le Morte Darthur wird Morgana zur zeitweisen Gegenspielerin ihres
Halbbruders Artus (z.B. 5(4),11: How Accolon confessed the treason of Morgan
le Fay, king Arthur's sister, and how she would have done slay him). Sie
wird so zu einer zwiespältigen, oft böswilligen Fee.
Die gelegentlich versuchte Herleitung der Gestalt der Fee Morgana
von dem kelt. weiblichen Dämon Morríga(i)n ist fraglich. Kann sein,
dass Züge der Morrígan auf Morgana übertragen wurden. Doch der Name der
Morrígan ist irisch: „Geisterkönigin“, aus mir. mor < idg.
*morā „Alp, Gespenst“ (Pokorny S. 736), vgl. nhd. (Nacht-)Mahr
„Nachtgespenst“, engl. night-mare, + air. rígain „Königin“,
vgl. lat. rēgīna; ursprl. vielleicht Mórrígan „Große Königin“, von
air. már, mór „groß“ < idg. *mē-ro-, *mō-ro- ds. (Pokorny
S. 704). Der Name der Morgana ist wohl walisisch, vermutlich abgeleitet von
mwal. mor „Meer“ < idg. *mō̆ri „Meer, stehendes Gewässer,
Sumpf“ (Pokorny S. 748), vgl. lat. mare „Meer“, nhd. Meer
und Moor.
Eine (nach unten gespiegelte) Yacht scheint über dem Meer zu schweben, Fata
Morgana gesehen in Queensland, Australien.–
Quelle:
Wikimedia.–
Urheber: User:Timpaananen, 2013.–
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CC BY-SA 3.0.–
Bearbeitung: Kontrast erhöht, geringfügig beschnitten, verkleinert.
Die Normannen brachten die Artussage aus Frankreich nach Apulien und Sizilien.
Im It. heißt die Fee Fata Morgana. Ihr wurden die Luftspiegelungen
zugeschrieben, die vor allem in der Straße von Messina beobachtet wurden. So
wurde die Fee zur Namensgeberin für das Phänomen der Luftspiegelung. Viele
meinen, eine Fata Morgana sei eine Halluzination. Aber sie ist ein optisches
Phänomen, das man fotografieren kann. Sie ist vielleicht der Ursprung der Sage
vom Fliegenden Holländer und wahrscheinlich auch die Ursache vieler
Ufo-Sichtungen.
Im Frz. und Engl. heißt das Phänomen auch mirage [miˈraːʒ]
„Luftspiegelung, Trugbild, Illusion“, abgeleitet von frz. mirer
„betrachten“, refl. „sich im Spiegel betrachten, sich spiegeln“ < lat.
mīror, -ārī „sich wundern, bewundern, bestaunen“.
- Fee.– Wikipedia de
- Fairy.– Wikipedia en
- Absinthe
(spiritueux).– Wikipedia fr
- Morgan le Fay.–
Wikipedia de
- Fata Morgana.–
Wiktionary de
- The
Morrígan: Arthurian legend.– Wikipedia en
- Terra X: Fata Morgana
– Naturwunder und Zauberspuk (Youtube-Clip mit schönen Filmaufnahmen von
Fata Morganas in den ersten 12 Min., aber ungesicherter Herleitung von der
kelt. mytholog. Gestalt der Morrígan)
- Vita Merlini,
The Life of
Merlin (sacred-texts)
- Die Sagen von Merlin. Mit […] der Vita Merlini […]. Hrsg. u. erl. v.
Albert Schulz.– Halle: Verl. d. Buchhdlg. d. Waisenhauses, 1853.
S. 299
- Kristian von Troyes: Erec und Enide. Hrsg. v. Wendelin Foerster.– 2.
gänzl. umgearb. u. verm. Aufl. Halle/Saale: Niemeyer, 1909. (Romanische Bibl.,
Bd. 13)
S. 117;
S. 54
- Chrétien de Troyes: Eric and Enid. Übers. mit e. Einl. v. William Wister
Comfort.– London: Dent & Sons, o.J. (Everyman's Library)
S. 55
- Kristian von Troyes: Yvain (Der Löwenritter). Hrsg. v. Wendelin Foerster.–
4. verb. u. verm. Aufl. Halle/Saale: Niemeyer, 1912. (Romanische Bibl., Bd. 5)
S. 82
- Chrétien de Troyes: Yvain or the knight with the lion. Übers. v. Ruth
Harwood Cline.– Athens: Univ. of Georgia Pr., 1975.
S. 83
(V. 2773-76)
- Wolfram von Eschenbach. 5. Ausg. v. Karl Lachmann.– Berlin: Reimer, 1891.
S. 37a,
S. 195a
- [Wolfram von Eschenbach:] Parzival und Titurel. Rittergedichte v. ~.
Übers. u. erl. v. Karl Simrock.– 6. durchges. Aufl. Stuttgart: Cotta, 1883.
S. 23a,
S. 150b
- The Works of Sir Thomas Malory. Hrsg. v. Eugène Vinaver.– Bd. 1.– Oxford:
Clarendon Pr., 1947.
S. 145-147
- Le morte d'Arthur. Einl. v. [Ernest?] Rhys.– Bd. 1.– London: Dent &
Sons, 1906, Ndr. 1935 (Everyman's Library, Bd. 45)
S. 104f