Michael Neuhold Homepage
Startseite >
Etymologica Selecta >
Kabarett
Laut Online-Duden ist Kabarett (sprich [ˈkabarɛt, -ˈrɛt], in Österreich auch [kabaˈrɛː]) „Kleinkunst in Form von Sketchen und Chansons, die in parodistischer, witziger Weise politische Zustände oder aktuelle Ereignisse kritisieren“. Im weiteren kann auch die Bühne dafür oder das Ensemble, das Kabarett macht, gemeint sein. Im Gegensatz dazu sind Comedy meist unpolitische witzige Nummern.
Die bayerische Komikerin Monika Gruber bezeichnet in ihrem Programm Zu wahr, um schön zu sein, das, was sie tut, als Kabarett ([ˈkabarɛt) und sagt, in Österreich sage man [kabaˈre], aber das sei „des, wo nackerte Weiber auf der Bühne 'rumturnen“. Diese Vorstellung stammt vermutlich aus dem Film Cabaret von 1972 mit Liza Minelli und Michael York: geschminkte Männer, Frauen in Strapsen. Das mag gelegentlich witzig, satirisch und gesellschaftskritisch sein, dann ist es auch Kabarett. Aber in aller Regel ist es bloß seichte, oft anzügliche Unterhaltung, und dann ist es Varieté, Revue oder auf Engl. cabaret ([ˈkæbəreɪ, -ˈreɪ]), auf Frz. cabaret [kabaˈrɛ].
Kabarett kommt vom frz. le cabaret, dieses bedeutet „Gasthaus, Nachtlokal“. Die Bedeutung „Tablett“ ordnet der Online-Pons der kanad. Frankophonie zu. (Das große Schulwörterbuch von Langenscheidt kennt auch cabaret artistique „Kabarett“, gemeint wohl: Gasthaus mit Bühne.) Das frz. Wort wurde in der Wallonie (heute Belgien) und Picardie (Nordfrankreich) aus dem mniederländ. cabaret, caberet, cabret, cambret, cameret „Schenke, Gasthaus“ entlehnt, es ist ein Demin. zu lat. camera „Gewölbe, Kammer“.
Ende des 19. Jh. entstanden in Paris die cafés-concerts, Bars mit Varieté-Darbietungen, die bekanntesten waren Folies Bergère („B.-Verrücktheiten“, nach der nahegelegenen Rue Bergère, seit 1869/72), Le Chat Noir („der schwarze Kater“, 1881-1897) oder Moulin Rouge („Rote Mühle“, seit 1889). Das café-concert wird auch café-théâtre oder cabaret genannt (die Abgrenzung der Begriffe ist schwierig). Ein frz. Cabaret ist also ein Nachtlokal mit mehr oder weniger künstlerischen und mehr oder weniger erotischen Gesangs- und Tanzdarbietungen.
Bei der Übernahme des Begriffs ins Dt. hat sich eine gewisse Bedeutungsverschiebung ergeben. Die Darbietungen finden zwar auch häufig in Wirtshäusern mit Bühne (wie der Wiener Kulisse), in Kellertheatern oder auf Kleinkunstbühnen statt. Das Dargebotene ist aber nicht erotisch oder artistisch, sondern witzig und satirisch. Das hängt vermutlich – zumindest soweit es Österreich betrifft – vor allem mit den frühen Proponenten des Kabaretts in Wien zusammen, die aus dem Judentum stammten: Armin Berg, Fritz Grünbaum, Karl Farkas, Georg Kreisler, Heinrich Eisenbach u.a.m.
Wie bereits erwähnt, spricht man in Österreich Kabarett oft wie frz. cabaret aus. Wir Ösis sagen ja, worauf Andreas Vitasek in seinem Programm Kurzzugende hinweist, auch [brəˈso], und nicht [ˈbrɛsɔ] (ursprl. Bressot, später Bresso), [miˈʃlɛ̃], und nicht [ˈmɪçəlin] (Michelin).
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 29. Juli 2022