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Pfifferling und Pappenstiel
Pfifferling und Pappenstiel
Die bildhaften Wörter und Wendungen, mit denen im Dt. etwas von geringem
Wert oder minderer Bedeutung bezeichnet wird, kommen entweder aus dem
planzlichen Bereich oder es handelt sich um Münzen.
Wenn etwas keinen Pfifferling wert ist, dann ist
es (fast) gar nichts wert. Mit dem Pfifferling ist laut
Duden-Art.
Pfifferling der gleichnamige Pilz (in Österreich
Eierschwamm[erl] genannt) gemeint, der nach seinem pfefferartigen
Geschmack benannt ist und früher wohl in so großen Mengen verfügbar war,
dass er nur geringen Wert hatte.
Vgl. dazu:
- die it. Wendung non valere un fico secco „keine
getrocknete Feige wert sein“, die voraussetzt, dass Dörrfeigen billig waren;
- engl. not worth a rush, a straw
„keine Binse, kein Stroh wert“.
- den auch im Dt. gebräuchlich gewordenen Ausdruck peanuts
„Erdnüsse“.
Der Wikipedia-Art.
Echter Pfifferling hingegen vermutet dahinter eine dialektale
Variante des Fünferleins, also des Fünfpfennigstücks. Das Wort
fiele dann in dieselbe Kategorie wie:
- keinen Deut besser (niederl. duit
eigtl. „abgehauenes [Stück]“, eine Kupfermünze),
- keinen (roten) Heller besitzen (eigtl. Haller
Pfennig nach dem ursprl. Ausgabeort Hall, rot wohl wegen der Farbe des
Kupfers).
- Vgl. frz. pas pour un sou „nicht für einen Sou“,
n'avoir pas un sou (vaillant) „keinen (wackeren) Sou haben“ (v. lat.
solidus „fest, gediegen“, seit der Einführung des Franc Bezeichnung
des 5-Centime-Stücks, vorher Kupfermünze);
- älter auch n'avoir pas un (rouge) liard „keinen
(roten) Liard haben“ (Kleinmünze bis Mitte 19. Jh.).
- Engl. not worth a brass farthing „keinen
kupfernen (od. bronzenen) Farthing wert“ (ein Viertelpenny, v. aengl.
feorða „vierter“),
- not to have a penny to one's name „keinen Penny
an seinem Namen haben“ (d.h. keinen Heller besitzen).
Wenn dagegen etwas kein Pappenstiel ist (oder
keinen solchen kostet), geht es um keine Kleinigkeit.
Laut Duden-Art.
Pappenstiel handelt es sich dabei um den Stengel der niederdt.
Pāpenblōme, v. lat. pappus < griech. πάππος
„Großvater“, auch Bezeichnung der Samenkrone im allgemeinen (viell. weil sie
wie ein Kopf mit weißen Haaren aussieht) und Name des Gemeinen Kreuzkrauts
(oder Greiskrauts, Senecio vulgaris L.) im besonderen (s. die Einträge bei
Georges, s.v. pappus und
Pape, s.v. πάππος).
Mit der Pappenblume ist wohl der Löwenzahn gemeint, welcher
massenweise auf frühsommerlichen Wiesen wächst und dessen Samenschirmchen
leicht vom Wind davongetragen werden (daher auch Pusteblume genannt;
wegen der harntreibenden Wirkung heißt er auch Pissblume, frz.
le pissenlit „pinkel ins Bett“).
- Mit einem frz. Fremdwort spricht man auch von einer Bagatelle,
frz. la bagatelle „Kleinigkeit, Lappalie“, v. it. la bagatella
dass., Demin. v. bacca < lat. baca „Beere“.
- Die Lappalie ist eine scherzhafte Bildung der
Studentensprache aus dem Wort Lappen und einer lat. Endung (wie
Viktualien, Personalien u.ä.).
- Im Engl. sagt man not chicken feed „kein
Hühnerfutter“ für kein Pappenstiel.
Für das Gegenteil – eine Menge, einen Haufen – gibt es
ebenfalls einige bildhafte Ausdrücke.
- Im Wienerischen sagt man, etwas kostet eine Lawine
(eine große Menge Schnee, die den Hang hinabrutscht, ladin. lavina
< mlat. *labina „Gleiten“).
- Auf It. sagt man allgemein un sacco „ein Sack
(voll)“, z.B. un sacco di baci „ganz viele Küsse“, un sacco di
botte „eine Tracht Prügel“ (Tracht „Aufgetragenes“, Prügel als
Speise, vgl. Ohrfeige, Kopfnuss u.ä.), un sacco di soldi „ein
Haufen Geld“.
- Wenn es um Geld geht, sagt man auch costare un occhio della
testa wörtl. „ein Auge des Kopfes kosten“, wir sagen „ein
Heidengeld“.
- Der Heidenlärm wird von Büchmann zurückgeführt
auf Ps. 2,1 (Luther: „Warum toben die Heiden und murren die Völker so
vergeblich?“). Danach sei der Heide generalisiert worden für etwas
Riesenhaftes: Heidenangst, Heidenspaß, Heidengeld, Heidenspektakel.