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Wörter auf betontes -ēn


Mit diesem Phänomen bin ich konfrontiert, seit wir für unseren Sohn die Diagnose Zöliakie erhalten haben. Dies ist eine Unverträglichkeit für das Klebereiweiß, das in den meisten Getreidesorten enthalten ist: Gluten. Das ist eigentlich das lat. Wort glūten (Betonung auf dem u), Gen. glūtinis n. „Leim“. Doch laut Duden ist die dt. Betonung Gluten [-ˈ​e​ː​n].

Das zugrundeliegende *gloi-t-en- ist die mit t erweiterte Ablautform zur Wurzel *glei- „kleben, schmieren“ (Pokorny S. 362), dies wahrscheinlich Ableitung von *gel- „(sich) ballen, Kugeliges“. (Die n-stämmige Deklination vielleicht in Analogie zu lat. unguen „Fett“.) Damit verwandt sind gr. γλοιός gloiós „klebrige Feuchtigkeit, Harz“, engl. clay, dt. Kleie, Klei-ster, kleben (*glei-bh-), Klette, klettern (*glei-t-).

Wie kommt es, dass ein lat. Paroxytonon im Dt. Endbetonung annimmt? Diese Betonung kann wohl nur eine Analogie zu anderen Fremdwörtern sein, die diese Betonung auf -ēn haben.

-gen

Von gr. γεννάω gennáō „erzeugen, hervorbringen“, bzw. -γενης -genēs „erzeugt“ (wie in Dio-genes „von Zeus gezeugt“).

Halo-gen
„Salzbildner“, gr. ἅλς, Gen. ἁλός hals, halós „Salz“
7. Hauptgruppe des Periodensystems, d.i. Fluor (F), Chlor (Cl), Brom (Br), Jod (I), Astat (At)
Glyko-gen
„Süßbildner“, gr. γλυκύς glykýs „süß, lieblich“
Vielfachzucker, der vom Körper in Glucose (Traubenzucker) aufgespalten wird
Fibrino-gen
„Faserbildner“, lat. fibra „Faser“, lat. Ableitungssuffix -īnus (lat. fibrīnus allerdings zu fiber „Biber“)
Protein, das bei Blutgerinnung in Fibrin umgewandelt wird
Aller-gen
„Allergieauslöser“, Allergie „unpassende Reaktion“ von gr. ἄλλος állos „anderer, fremd, unpassend“ und ἔργον érgon „Werk, Tat, Handlung“
Substanz, die Überempfindlichkeitsreaktionen des Immunsystems auslösen kann
Anti-gen
„Antikörperbildner“, gr. ἀντί antí „gegen“
Molekül, das eine Immunantwort, insbes. die Bildung von Antikörpern (Immunglobuline) auslöst
foto-gen
„(gute) Fotos erzeugend“, von engl. photogenic, zu photography (gr. φῶς, Gen. φωτ-ός phōs, phōt-ós „Licht“ und γράφω gráphō „schreiben“)
d.h. sich gut fotografieren lassend, auf Fotos gut aussehend
auto-gen
„von selbst, aus eigener Kraft erfolgend“, schon gr. αὐτογενής autogenḗs „von selbst erzeugt“, zu αὐτός „selbst“
Autogenschweißen, autogenes Training
patho-gen
„Krankheit verursachend“, gr. πάθος „Leid(en)“
kanzero-gen, karzino-gen
„krebserregend“, lat. cancer „Krebs“ und lat. carcinōma, gr. καρκίνωμα karkínōma „Krebsgeschwür“, v. καρκίνος karkínos „Krebs“
homo-gen
„gleichartig beschaffen“, schon gr. ὁμογενής homogenḗs ds., zu ὁμός homós „gleich“
hetero-gen
„ungleichartig, uneinheitlich“, schon gr. ἕτερογενής heterogenḗs ds., zu ἕτερος „der andere von zweien, andersartig“

-en

Suffix für chemische Substanzen

Das Suffix -an bezeichnet aliphatische Kohlenwasserstoffe, die nur Einfachbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen haben (Alkane), -en solche mit mindestens einer Doppelbindung (Alkene), -in solche mit mindestens einer Dreifachbindung (Alkine). Ältere Namensformen im Dt. haben oft ä (Äther, Äthanol), fachsprachlich und international jedoch immer mit e (Ether, Ethanol). Ältere Trivialnamen haben jedoch auch -en, ohne zu den Alkenen zu gehören.

Meth-yl-en
Das Suffix -yl von gr. ὕλη hýlē „Holz, Stoff, Materie“. Der Namensbestandteil Meth- vom Methan, dieses vielleicht von gr. Μέθανα Méthana, vulkanische Halbinsel auf der Argolis.
H–C̈–H, kurzlebiges Zwischenprodukt chemischer Reaktionen
Eth-yl-en (Ethen)
Eth- abgeleitet vom Ethylalkohol (Ethanol), dieser Name 1834 ersonnen von Justus Liebig nach dem (Diethyl-)Äther (so zumindest der engl. Wikipediaartikel Ethanol: Etymology). Dieses von gr. αἰθήρ aithḗr, lat. aethēr „obere Luftschicht, Luft(raum), Himmel“ (auf Grund der Flüchtigkeit der Substanz?).
H2C=CH2, farbloses brennbares Gas, Ausgangsprodukt u.a. zur Kunststoffherstellung (PE)
Prop-yl-en (Propen)
Prop- abgeleitet von der Propionsäure H3C–C2–COOH, dieses zusammengesetzt aus gr. πρῶτος prṓtos „erster“ und πίων píōn „fett, harzig“ („weil sie die erste Carbonsäure ist, die ein ähnliches Verhalten wie Fettsäuren zeigt“, so der Wikipedia-Art. Propionsäure: Geschichte und Etymologie).
H3C–CH=CH2, farbloses brennbares Gas, Kältemittel, Ausgangsprodukt zur Kunststoffherstellung (z.B. PP)
Acet-yl-en (Ethin)
von lat. acetum „Essig“
H–C≡C–H, farbloses, brennbares Gas, Ausgangsstoff zur Kunststoffherstellung, Gas zum Autogenschweißen
Poly-eth-yl-en (PE)
gr. πολύς polýs „viel“
Kunststoff, lange Ketten aus –CH2–CH2
Poly-prop-yl-en (PP)
Kunststoff, lange Ketten aus –CH/CH3–CH2
Anthraz-en
gr. ἄνθραξ, Gen. ἄνθρακ-ος ánthrax, ánthrak-os „Kohle“, weil aus Steinkohlenteer isoliert?
C14H10, drei anellierte Benzolringe, farbloser kristalliner Feststoff, Ausgangsstoff zur Herstellung von Farbstoffen
Ind-anthr-en
Kurzwort aus Indigo und Anthrazen, Markenname des Indanthron
licht- und waschechter blauer Textilfarbstoff
Neo-pr-en
Markenname für Poly-chloro-pren, Kunststoff

Suffix in Medikamentennamen

Merfen
Ursprünglich Handelsname für die Quecksilberverbindung Phenylmerkuriborat, ein Antiseptikum (Mittel zur Wunddesinfektion). Der Name wurde beibehalten, auch nachdem andere Wirkstoffe (ohne Quecksilber) verwendet wurden.
Bepanthen
Handelsname einer Wund- und Heilsame mit dem Wirkstoff Dexpanthenol (Provitamin B5)

Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 9. Sep. 2018