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Verba


Das Griech. unterscheidet zwei Gruppen von Konjugationen:

Es gibt drei Arten von Personalendungen:

Primäre Sekundäre Imperativ
Aktiv
1.Sg. -ω, -μι
2. -ς, -σι, -εις (< *-ε-σι) -ε, -σον, -θι, -ς
3. -τι > -σι, -ει (< *-ε-τι) - (< *-τ) -τω
1.Pl. -μεν
2. -ς, -σι, -εις (< *-ε-σι) -ε, -σον, -θι, -ς
3. -τι > -σι, -ει (< *-ε-τι) - (< *-τ) -τω
2.Du. -τον
3. -τον -την -των
Mediopassiv
1.Sg. -μαι -μην -
2. -σαι -σο
3. -ται -το -σθω
1.Pl. -μεθα, -μεσθα [1] -
2. -σθε
3. -νται -ντο -σθων
2.Du. -σθον
3. -σθον -σθην -σθων

[1] -μεσθα ist Variation aus metrischem Bedürfnis. In den Konjugationstabellen wird die Form nicht extra angeführt.

Die primären Endungen stehen beim Ind. Präs., Fut. und Perf. und bei allen Konjunktiven, die sekundären beim Ind. Aorist, Impf. und Plusquampf., sowie bei allen Optativen (ausgenommen 1.Sg. Akt.).

Der Dual in der Konjug. ist so selten, dass er in den Konjugationstabellen nicht angeführt ist.

Das Griech. hat drei Genera Verbi: neben Akt. und Pass. gibt es auch ein „Mittleres“, das Medium. Es drückt aus, dass die Handlung vom Subj. ausgeht (wie beim Akt.), aber dass das Subj. zugleich von der Handlung betroffen ist (wie beim Pass.). Seine Bedeutung wird im Dt. teils aktiv, teils reflexiv wiedergegeben, teils muss die genaue Bedeutung aus dem Wörterbuch ersehen werden. Unterschiedliche Formen für Med. und Pass. gibt es nur im Aor. und Fut.

Der Konjunktiv steht in Begehrsätzen (hortativ, prohibitiv, deliberativ, negativ: Befürchtungssätze) und prospektiv (eine zukünftige Handlung bezeichnend) im Eventualis. Sein Kennzeichen ist ein gedehnter Bindevokal. Die Dichtung hat auch Konjunktive mit kurzem Bindevokal. Diese werden in den Konjugationstabellen nicht extra angeführt.

Der Optativ bezeichnet einen Wunsch, eine Möglichkeit (Potentialis) und den Obliquus. Sein Kennzeichen ist ein -ι- vor der Personalendung.

Tempus vs. Aspekt

Bildung des Augments

Die Indikative des Imperf., Aor. und Plusquamperf. haben als Kennzeichen der Vergangenheit ein Augment. Die homerische Dichtung bildet diese Formen häufig auch ohne Augment. Darauf wird in den Konjugationstabellen nicht extra hingewiesen.

Konsonantisch anlautende Verba haben ein Silbenaugment: vor den Stamm tritt ε, anlautendes ρ wird verdoppelt.

λύω lösen -λυ-ον (-λυ-σ-α, -λε-λύ-κ-η)
ῥίπτ-ω werfen, schleudern ἔ-ρριπτ-ον

Vokalisch anlautende Verba haben ein Dehnungsaugment (temporales Augment): kurze Vokale und die meisten Diphthonge (auch ) werden gedehnt, α wird dabei zu η, ι in Diphthongen wird subskribiert.

γω führen γον
δω singen δον
αἰσθάνομαι bemerken, wahrnehmen σθανόμην
αὐξάνω vermehren ηὔξανον
σθίω essen σθιον
εἰκαζω vergleichen, vermuten καζον (neben εἴκαζον)
εὑρίσκω finden ηὕρισκον (neben εὕρισκον)
κετεύω (ῐ) flehen κέτευον (ῑ)
φείλω schulden, sollen φειλον
οἴομαι glauben όμην
γιαίνω (ῠ) gesund sein γίαινον (ῡ)

Lange Vokale und ου bleiben unverändert, oft auch ει und ευ.

κω kommen, da sein κον
οὐτάζω verwunden οὔταζον
φελέω nützen φέλουν
εἰκαζω vergleichen, vermuten εἴκαζον (neben καζον)
εὑρίσκω finden εὕρισκον (neben ηὕρισκον)

Abweichende Augmentbildung: (a) Einige ursprl. konsonantisch anlautende Verben haben ein Silbenaugment, auch nachdem der Konsonant geschwunden ist. (b) Ist der folgende Vokal ein ε, wird das Augment mit dem Anlaut kontrahiert. (c) Einige hatten ein Augment auf , das nach metathesis quantitatum wie Silben- und Dehnungsaugment gleichzeitig aussieht. (d) In Analogie zu (ἐ)θέλω bilden drei sinnverwandte Wörter ein Augment auf .

a ϝωθ ὠθέω stoßen ώθουν < *ἐ-ϝωθε-ον, ωσα (ὦσα)
ϝοσν ὠνέομαι kaufen ωνούμην < *ἐ-ϝωνε-ομην (auch νεόμην), Aor.Pass. ωνήθην
b σεχ ἔχω haben εἶχον < *ἐ-σεχ-ον (Aor. ἔ-σχ-ον)
σελκ(υ) ἕλκω, ἑλκύω ziehen εἷλκον < *ἐ-σελκ-ον, εἵλκυσα
σεπ < sekʷ ἕπομαι folgen εἱπόμην < *ἐ-σεπ-ομην (Aor. ἑ-σπ-όμην)
σϝεθ ἐθίζω gewöhnen εἴθιζον < *ἐ-σϝεθιζ-ον, εἴθισα
ϝεργ ἐργάζομαι arbeiten εἰργαζόμην < * ἐ-ϝεργαζ-ομην neben ργαζόμην, εἰργασάμην neben ργασάμην
ϝεστ ἑστιάω bewirten εἱστίων < *ἐ-ϝεστια-ον, εἱστίᾱσα
? ἐάω zulassen εἴων, εἴᾱσα
ϝιδ (Präs. ὁράω) sehen εἶδον < *ἐ-ϝιδ-ον (Inf. ἰδεῖν)
σελ (Präs. αἱρέω) nehmen, ergreifen εἷλον < *ἐ-σελ-ον (Inf. ἑλεῖν)
c ϝορα ὁράω sehen ἑώρων < *ἠ-ϝορα-ον
οἰγ ἀν-οίγω öffnen ἀν-έῳγον < *ἀν-η-ϝοιγ-ον, ἀν-έῳξα (Inf. ἀν-οῖξαι), ἀν-εῴχθην
ϝαγ κατ-άγνυμι zerbrechen κατ-έαξα (ᾱ) (Inf. κατ-ᾶξαι), κατ-εάγην
ϝαλ(ω) ἁλίσκομαι gefangen werden ἑάλων (ᾱ) neben λων (Inf. ἁλῶναι)
d ἐθέλω neben θέλω wollen θελον neben θελον
βούλομαι wollen βουλόμην neben βουλόμην
μέλλω sollen, wollen μελλον neben μελλον
δύναμαι können δυνάμην neben δυνάμην

Bei Komposita tritt das Augment zwischen Präposition und Stamm, dabei wird vor Silbenaugment der vokalische Auslaut der Präposition elidiert (außer bei περί und πρό), ἐκ wird zu ἐξ, ἐν und σύν erscheinen in unassimilierter Gestalt.

ὑπερ-βάλλω übertreffen, übertreiben ὑπερ--βαλλον
ἀπο-βάλλω wegwerfen, fallen lassen ἀπ_-έ-βαλλον
ἐπι-βάλλω daraufwerfen, auferlegen ἐπ_-έ-βαλλον
δια-βάλλω verleumden δι_-έ-βαλλον
κατα-βάλλω hinabwerfen, niederwerfen κατ_-έ-βαλλον
μετα-βάλλω ändern μετ_-έ-βαλλον
περι-βάλλω herumwerfen, umgeben περι-έ-βαλλον
προ-βάλλω vorwerfen προ-έ-βαλλον (προὔβαλλον)
κ-βάλλω hinauswerfen, vertreiben ξ-έ-βαλλον
μ-βάλλω hineinwerfen, eindringen ν-έ-βαλλον
συμβάλλω zusammenwerfen, vergleichen συν-έ-βαλλον

Ist der erste Wortbestandteil keine Präposition, steht das Augment am Wortbeginn. Das gilt auch für Präfixe wie ἀ-, εὐ-, δυσ- usw.: ἀδικέω: ἠδίκησα.

(a) Einige Komposita werden nicht mehr als Zusammensetzungen empfunden und haben daher das Augment vor der Präp. (b) Einige haben zwei Augmente: vor der Präp. und vor dem Verb.

a καθ-εύδω schlafen -κάθ-ευδον neben καθ-ηῦδον
καθ-ίζω etw. setzen, sich setzen -κάθ-ιζον neben καθ-ζον, -κάθ-ισα neben καθ-σα
καθ-έζομαι sich setzen, sitzen -καθ-εζόμην
ἀμφι-έννυμι anziehen, bekleiden μφί-εσα
ἐν-αντιόομαι sich widersetzen ν-αντιούμην
b ἀν-έχομαι aushalten ν-ειχόμην, ν-εσχόμην
ἐπ-αν-ορθόω wieder aufrichten ἐπ-ην-ρθουν, ἐπ-ην-ρθωσα

Bildung der Reduplikation

Die Formen des Perfektstammes (Perfekt, Plusquamperfekt, Futur Exakt) haben einen reduplizierten Stamm.

Verba, die mit einfachem Konsonanten (außer ρ) oder Verschlusslaut + Liquida (λ, μ, ν, ρ) anlauten, bilden die Reduplikation mit Anlautkonsonant + ε.

παιδεύω erziehen πε-παίδευκα
φιλέω lieben πε-φίληκα
δράω tun, handeln δέ-δρακα
χρίω salben κέ-χρικα

Verba, die mit ρ oder zwei oder mehr Konsonanten (dazu zählen auch ζ, ξ, ψ, aber nicht Verschlusslaut + Liquida) anlauten, bilden die Reduplikation wie das Silbenaugment.

ίπτω werfen, schleudern ἔρριφα
στρατεύω e. Kriegszug unternehmen -στράτευκα
ζημιόω bestrafen -ζημίωκα

Tatsächlich oder scheinbar abweichend von dieser Regel reduplizieren u.a.:

γνω γι-γνώ-σκ-ω erkennen ἔ-γνωκα
μνη μι-μνῄ-σκ-ομαι sich erinnern μέ-μνημαι
πετ(ε)/πτ(ω) πί-πτ-ω fallen πέ-πτωκα
κτη κτάομαι erwerben κέ-κτημαι (neben ἔ-κτημαι)

Mit Vokal anlautende Verba bilden die Reduplikation wie das Dehnungsaugment.

γω führen χα
αἱρέω nehmen, ergreifen ρηκα

Im Plusquamperfekt tritt vor die Reduplikation noch ein Augment: παιδεύω: ἐ-πε-παιδεύκη. In den Fällen, wo die Reduplikation wie das Augment gebildet wird, tritt aber kein Augment hinzu: στρατεύω: -στρατεύκη, ἀδικέω: δικήκη.

Bei Komposita tritt die Reduplikation (wie das Augment) zwischen Präposition und Stamm.

συμ-βάλλω zusammenwerfen, vergleichen συμ-βέ-βληκα
ἀπο-στερέω berauben ἀπ-ε-στέρηκα

In den Fällen, wo das Augment wie die Reduplikation gebildet wird, treffen die Unregelmäßigkeiten bei der Augmentbildung meist auch auf die Bildung der Reduplikation zu: (a) „Silbenaugmentreduplikation“ bei (nach Schwund des Anlautkonsonsanten) vokalisch anlautenden Verba. (b) Reduplikation εἰ durch Kontraktion oder Ersatzdehnung.

a ϝωθ ὠθέω stoßen -ωσμαι
ϝοσν ὠνέομαι kaufen -ώνημαι
ϝορα ὁράω sehen -όρακα < *ϝε-ϝορακα, jünger ἑ-ώρακα (Analogie zum Imperf. ἑώρων)
ϝεικ kein Präs., Perf. hat Präs.-Bedeutung gleichen, scheinen -οικα < *ϝε-ϝοικα, Plqpf. ἐ-ῴκη
ϝαγ κατ-άγνυμι zerbrechen κατ--αγε
ϝαλ(ω) ἁλίσκομαι gefangen werden ἑ-άλωκα (ᾰ) < *ϝε-ϝᾰλωκα neben λωκα
οἰγ ἀν-οίγω öffnen ἀν-έῳχα, Pass. ἀν-εῷγμαι
b σελκ(υ) ἕλκω, ἑλκύω ziehen εἵλκυκα
σϝεθ ἐθίζω gewöhnen εἴθικα
σϝηθ kein Präs., Perf. mit Präs.-Bedeutung gewohnt sein, pflegen εἴ-ωθα < *σε-σϝωθα
ϝεργ ἐργάζομαι arbeiten εἴργασμαι
ϝεστ ἑστιάω bewirten εἱστίακα
? ἐάω zulassen εἴᾱκα
ϝερ/ϝρ-η (Präs. λέγω, ἀγορεύω, φημί) sagen εἴρηκα < *ϝε-ϝρηκα
σμαρ kein Präs. es ist bestimmt εἵμαρται < *σε-σμαρται
λαβ/ληβ λαμβ-άν-ω nehmen, bekommen εἴληφα
λαχ/ληχ λαγχ-άν-ω erlangen εἴληχα
λεγ συλ-λέγω versammeln συν-εί-λοχα
λεγ δια-λέγομαι sich unterreden δι-εί-λεγμαι

Einige vokalisch anlautende Verba haben die sog. attische Reduplikation, bei der der anlautende Vokal + folgender Konsonant vor den gedehnten Anlautvokal gesetzt werden. Das Plqpf. der mit α, ο anlautenden Verba hat ein Dehnungsaugment.

ἀκοϝ ἀκούω hören ἀκ-ήκοα, Plqpf. κ-ηκόη
ἐλεγχ ἐλέγχω überführen ἐλ-ήλεγμαι, Plqpf. ἐλ-ηλέγμην
ὀρυχ ὀρύττω graben ὀρ-ώρυχα, Plqpf. ρ-ωρύχη
ἐλα ἐλαύνω reisen, marschieren ἐλ-ήλακα, Plqpf. ἐλ-ηλάκη
ἐδ (Präs. ἐσθίω) essen ἐδ-ήδοκα, Plqpf. ἐδ-ηδόκη
ἐλευθ/ἐλυθ (Präs. ἔρχομαι) gehen, kommen ἐλ-ήλυθα, Plqpf. ἐλ-ηλύθη
ἐνε(γ)κ (Präs. φέρω) tragen, bringen ἐν-ήνοχα, Plqpf. ἐν-ηνόχη
ὀλ(ε) ὄλ-λυ-μι zugrunderichten ὀλ-ώλεκα, Plqpf. λ-ωλέκη
ὀμ(ο) ὄμ-νυ-μι schwören ὀμ-ώμοκα, Plqpf. μ-ωμόκη neben μ-ωμόκη
ἐγερ ἐγείρω wecken ἐγρ-ήγορα, Plqpf. ἐγρ-ηγόρη

Auch einige starke Aoriste werden (insbes. bei Homer) von einem reduplizierten Stamm gebildet.

ἀγ ἄγω führen ἤγ-αγ-ον
φραδ φράζω zeigen ἐ-πέ-φραδ-ον
φεν (Präs. θείνω) töten ἔ-πε-φν-ον
κλυ κλύω hören κέ-κλυ-ον
πειθ πείθω überreden ἐ-πέ-πιθ-ον

Wie beim Augment haben (a) einige Komposita die Reduplikation vor der Präp., (b) einige haben zwei „Augmentreduplikationen“.

a ἀμφι-έννυμι anziehen, bekleiden μφί-εσμαι
ἐν-αντιόομαι sich widersetzen ν-αντίωμαι
b ἀν-έχομαι aushalten ν--σχημαι
ἐπ-αν-ορθόω wieder aufrichten ἐπ-ην-ρθωκα

Tempus und Aspekt

Die Zeiten griech. Verbalformen drücken - mit Ausnahme des Fut. - die Art einer Handlung (Aktionsart) bzw. wie der Sprecher diese Handlung gesehen wissen möchte (Aspekt) aus. Nur der Ind. hat auch Zeitbedeutung. Beim Fut. hingegen haben alle Formen Zeitbedeutung und bezeichnen keine bestimmte Aktionsart. Das Zeitverhältnis drückt das Griech. nicht aus, jedoch werden die Formen des Präs.-Stammes häufig gleichzeitig, die des Aor. vorzeitig verwendet.

Der Präs.-Stamm hat linearen Aspekt. Die Handlung wird als gerade im Verlauf befindlich betrachtet, als länger dauernd (durativ) als wiederholt (iterativ) oder (nur im Ind.) als versucht (konativ).
βάλλειν bewerfen
ἀποθνῄσκειν im Sterben liegen
βασιλεύειν König sein
ἐβιάζετο er wollte zwingen, versuchte zu zwingen
ἀεὶ τἀληθῆ λέγε sag immer die Wahrheit
Der Aor.-Stamm hat punktuellen Aspekt. Die Handlung wird als abgeschlossen betrachtet, entweder als solche festgestellt (konstatierend), gleichsam in einem Punkt konzentriert gedacht (komplexiv), oder es kann das Augenmerk auf dem Anfangspunkt der Handlung (ingressiv) oder ihrem Endpunkt (effektiv) liegen.
βαλεῖν werfen (konstatierend), abwerfen (ingressiv), treffen (effektiv)
ἀποθανεῖν sterben (konstatierend), verscheiden (effektiv)
βασιλεῦσαι herrschen (konstatierend), König werden (effektiv)
νῦν τἀληθῆ εἰπέ sag jetzt die Wahrheit
Der Perf.-Stamm hat resultativen Aspekt. Die Handlung wird als gegenwärtiges Resultat einer vergangenen Handlung betrachtet.
βεβλῆσθαι getroffen sein
τεθνηκέναι tot sein
ἑστάναι stehen

Der Ind. Präs. wird (weitergehend als im Dt.) in lebendiger Vergegenwärtigung oder in chronikartiger Nennung auch für Handlungen der Vgh. verwendet (historisches Präs.).

Das Impf. bezeichnet häufig... (wird fortgesetzt).


Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Änderung: 1. Apr. 2021