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Tempora des Indikativs


1. Präsens

a. Wie im Deutschen zum Ausdruck der Gegenwart.

b. In der Erzählung als sog. historisches Präsens zum Ausdruck der Vergangenheit.

2. Futur und Futur exakt

a. Für die Zukunft verwendet das Lat. fast immer Futur:
Crās avum vīsitābō. Morgen werde ich den Großvater besuchen.

b. Das Futur exakt wird zum Ausdruck der Vorzeitigkeit gegenüber einer zukünftigen Handlung verwendet. Sind die Handlung des Hauptsatzes und eines indikativischen Gliedsatzes zukünfig, so steht im Gliedsatz bei Gleichzeitigkeit das Futur (sog. Parallelfutur, im Dt. meist Präsens), bei Vorzeitigkeit das Futur exakt (im Dt. Präsens oder Perfekt):

Gleichzeitig Gaudēbō, cum mē vīsitābis. Ich werde mich freuen, wenn du mich besuchst.
Vorzeitig Veniam, sī mē invītāveris. Ich werde kommen, wenn du mich einlädst.

3. Umschreibendes Futur

Bezeichnet eine unmittelbar bevorstehende, beabsichtigte oder zu erwartende Handlung:
laudātūrus sum ich werde (gleich) loben, will loben, bin im Begriff zu loben (vgl. engl. I am going to praise)

4. Imperfekt

Bezeichnet als "lineares Präteritum":

a. eine wiederholte Handlung oder einen dauernden Zustand:

Saepe avum vīsitābam. Ich besuchte (oft / gewöhnlich) meinen Großvater.
habitābam ich wohnte (lange), war ansässig

Im Deutschen muß man öfters ein Adverb (oft, gewöhnlich, (noch) immer, lange) hinzusetzen.

b. eine zum Zeitpunkt einer anderen Handlung gleichzeitig andauernde, noch nicht abgeschlossene Handlung:
Cantābāmus; subitō magister intrāvit. Wir sangen (gerade); plötzlich trat der Lehrer ein. (vgl. engl. We were singing; suddenly the teachter entered.)

c. eine nur versuchte, nicht zur Ausführung gekommene Handlung (sog. Imperfectum dē cōnātū):
Respondēbāmus, sed īra magistrī nōs dēterruit. Wir wollten (versuchten zu) antworten, aber der Zorn des Lehrers hielt uns (davon) ab.

5. Perfekt

Wird als „punktuelles Präteritum“ verwendet für:

a. Erzählung abgeschlossener Handlungen; das Perfekt ist somit die Erzählzeit des Lat. (im Dt. Präteritum).

b. Feststellung vergangener Tatsachen, unabhängig von ihrer Dauer (im Dt. Perfekt oder Präteritum):
Carnuntum oppidum Rōmānum fuit. Carnuntum war eine römische Stadt. (C. ist ... gewesen.) (vgl. engl. C. was a Roman town.)

c. Vollendungszustand, d.h. ein gegenwärtiger Zustand ist Ergebnis eines Vorganges in der Vergangenheit (sog. präsentisches Perfekt). Vergangenheit dazu ist Plusquamperfekt, Zukunft ist Futur exakt.

Cēna parāta est. Das Essen ist bereitet, ist fertig.
Forum templīs ornātum est. Das Forum ist mit Tempeln geschmückt.
mihi persuāsum est ich bin überzeugt
nōvī (ich habe kennengelernt=) ich kenne, weiß
nōveram (Plupf.) (ich hatte kennengelernt=) ich kannte, wußte
nōverō (Futur exakt) (ich werde kennengelernt haben=) ich werde kennen, wissen
cōnsuēvī (ich habe mich daran gewöhnt=) ich bin gewohnt, ich pflege

6. Plusquamperfekt

Dient wie im Dt. zum Ausdruck der Vorzeitigkeit gegenüber einer vergangenen Handlung (Vorvergangenheit):
Nūper in amphitheātrō sēdimus, ubi ōlim virī pūgnāverant. Wir saßen neulich im Amphitheater, wo einst Männer gekämpft hatten.


Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Änderung: 16. Juli 2016