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Koloss


Bevor ich 2009 das erste Mal in Rhodos urlaubte, beschäftigte ich mich auch ein wenig mit den antiken Nachrichten zum berühmten Koloss von Rhodos, der eines der sieben antiken Weltwunder war. Dabei verließ ich mich vor allem auf zwei Netzresourcen: 1. Kai Brodersen, Die sieben Weltwunder (C.H. Beck). Seine Liste der Quellen zum Koloss war damals über die Buchvorschau bei Google Books einsehbar. 2. Die Webpräsenz von Matthias Bothe, damals humanistischer Schüler in Bayern, der die meisten antiken Quellen im Original und in Übersetzung zitierte (erfrischend unbekümmert um Urheberrechte, wie mir scheint).

Bei Google Books werden die betreffenden Seiten in Brodersens Buch (meist) nicht mehr angezeigt. Bothe hatte seine Seiten bei Arcor gehostet; das wurde 2008 von Vodafone übernommen, das Ende war absehbar. Die PDF-Version war offenbar eine Zeitlang bei scribd eingestellt. Dort gibt es aber nur noch eine Deletion notice. Letzte Station Wayback Machine, aber wie lange noch?

Daher habe ich die Texte, soweit sie mir bekannt sind, hier zusammengetragen und, so gut ich es vermochte, selbst übersetzt. Den Herren Brodersen und Bothe sei für ihre Arbeit ausdrücklich gedankt.

Das griech. Wort κολοσσός (auch attisch so, die Form κολοττός bei Diodorus Siculus scheint mir ein irrtümlicher Attizismus zu sein) „Riesenstatue“ ist belegt seit Herodot. Seine Herkunft ist unklar, das Suffix -σσ- legt nichtindogerman. Ursprung nahe.

Strabon

Strabon aus Amaseia im Pontischen Gebirge war Historiker und Geograph der augusteischen Zeit (ca. 63 v.-24 n.Chr.). Erhalten sind einzig seine Geographica, eine umfassende geographische Beschreibung der damals bekannten Welt. Über Rhodos-Stadt weiß er etwa folgendes zu berichten:

Ἡ δὲ τῶν Ῥοδίων πόλις κεῖται μὲν ἐπὶ τοῦ ἑωθινοῦ ἀκρωτηρίου, λιμέσι δὲ καὶ ὁδοῖς καὶ τείχεσι καὶ τῇ ἄλλῃ κατασκευῇ τοσοῦτον διαφέρει τῶν ἄλλων ὥστ’ οὐκ ἔχομεν εἰπεῖν ἑτέραν ἀλλ’ οὐδὲ πάρισον, μή τί γε κρείττω ταύτης τῆς πόλεως. Die Stadt der Rhodier liegt auf dem östlichen Vorgebirge, an Häfen aber und Straßen und Mauern und der sonstigen Einrichtung unterscheidet sie sich so sehr von den anderen, dass ich eine andere nicht einmal fast gleich nennen kann, geschweige denn besser als diese Stadt.
θαυμαστὴ δὲ καὶ ἡ εὐνομία καὶ ἡ ἐπιμέλεια πρός τε τὴν ἄλλην πολιτείαν καὶ τὴν περὶ τὰ ναυτικά, ἀφ’ ἧς ἐθαλαττοκράτησε πολὺν χρόνον καὶ τὰ λῃστήρια καθεῖλε καὶ Ῥωμαίοις ἐγένετο φίλη καὶ τῶν βασιλέων τοῖς φιλορωμαίοις τε καὶ φιλέλλησιν· Bewundernswert ist auch die gute Verfassung und die Sorgfalt sowohl in Bezug auf die übrige Staatsverwaltung als auch auf die Belange des Seewesens, auf Grund derer sie lange Zeit das Meer beherrschte und die Piraterie beseitigte und mit den Römern befreundet wurde und den römerfreundlichen und griechenfreundlichen der Könige.
ἀφ’ ὧν αὐτόνομός τε διετέλεσε καὶ πολλοῖς ἀναθήμασιν ἐκοσμήθη, ἃ κεῖται τὰ μὲν πλεῖστα ἐν τῷ Διονυσίῳ καὶ τῷ γυμνασίῳ, ἄλλα δ’ ἐν ἄλλοις τόποις. Weshalb sie unabhängig blieb und mit vielen Weihegeschenken geschmückt wurde, von denen die meisten im Dionysion liegen und im Gymnasion, andere aber an anderen Orten.
ἄριστα δὲ ὅ τε τοῦ Ἡλίου κολοσσός, ὅν φησιν ὁ ποιήσας τὸ ἰαμβεῖον ὅτι „ἑπτάκις δέκα Χάρης ἐποίει πηχέων ὁ Λίνδιος.“ κεῖται δὲ νῦν ὑπὸ σεισμοῦ πεσὼν περικλασθεὶς ἀπὸ τῶν γονάτων· οὐκ ἀνέστησαν δ’ αὐτὸν κατά τι λόγιον. τοῦτό τε δὴ τῶν ἀναθημάτων κράτιστον (τῶν γοῦν ἑπτὰ θεαμάτων ὁμολογεῖται) […] Die besten sind: der Koloss des Helios, von dem der, der den jambischen Vers gedichtet hat, sagt, dass ihn „von siebenmal zehn Ellen Chares aus Lindos gemacht hat“. Er liegt aber jetzt von einem Erdbeben hingestürzt, von den Knien an abgebrochen; sie haben ihn aber nicht wieder aufgerichtet gemäß einem Orakelspruch. Dies nun ist das gewaltigste (oder: vorzüglichste) der Weihegeschenke (es herrscht jedenfalls Übereinstimmung, dass es zu den sieben Sehenswürdigkeiten gehört) […]

Plinius der Ältere

C. Plinius Secundus der Ältere war römischer Ritter und Gelehrter der frühen Kaiserzeit (ca. 24 v.-79 n.Chr., beim Vesuvausbruch ums Leben gekommen). Seine „Naturgeschichte“ ist eine umfangreiche enzyklopädische Naturkunde. Im 34. Buch geht es um Metalle, zuvörderst um Bronze und was man so alles daraus gemacht hat.

ante omnes autem in admiratione fuit Solis colossus Rhodi, quem fecerat Chares Lindius, Lysippi supra dicti discipulus. Vor allen aber in Bewunderung stand der Koloss des Sonnengottes von Rhodos, den Chares aus Lindos gemacht hatte, ein Schüler des oben erwähnten Lysipp.
LXX cubitorum altitudinis fuit hoc simulacrum, post LXVI (v.l. LVI) annum terrae motu prostratum, sed iacens quoque miraculo est. Eine Höhe von 70 Ellen hatte dieses (Stand-)Bild, das nach 66 (v.l. 56) Jahren durch ein Erdbeben zu Boden geworfen wurde, aber auch liegend ist es ein Wunder.
pauci pollicem eius amplectuntur, maiores sunt digiti quam pleraeque statuae. Wenige umfassen seinen Daumen, die Finger sind größer als die meisten Statuen.
vasti specus hiant defractis membris; spectantur intus magnae molis saxa, quorum pondere stabiliverat eum constituens. Riesige Höhlen klaffen, wo die Glieder abgebrochen sind; drinnen sieht man Steine von großer Masse, durch deren Gewicht er ihn gesichert hatte, als er ihn errichtete.
duodecim annis tradunt effectum CCC talentis, quae contigerant ex apparatu regis Demetrii relicto morae taedio obsessa Rhodo. Man berichtet, dass er in zwölf Jahren hergestellt wurde aus 300 Talenten, welche sie aus dem (Kriegs-)Gerät des Königs Demetrius erlangt hatten, das er im Überdruss über die lange Dauer nach der Belagerung von Rhodos zurückgelassen hatte.

(Pseudo-)Philon von Byzanz

Philon von Byzanz (nicht zu verwechseln mit seinem berühmten Namensvetter Philon von Alexandrien, auch Philo Iudaeus genannt) war ein Ingenieur und Technikschriftsteller des 3. Jh.v.Chr. Die kleine Schrift De septem orbis spectaculis „Über die sieben Weltwunder“ ist zwar unter seinem Namen überliefert, stammt aber wohl aus der Spätantike. Das Kap. 4 handelt vom Koloss.

1 Ῥόδος ἐστὶ πελαγία νῆσος, ἣν τὸ παλαιὸν ἐν βυθῷ κρυπτομένην Ἥλιος ἀνέδειξεν αἰτησάμενος παρὰ θεῶν ἰδίαν γενέσθαι τὴν ἀναφανεῖσαν. Rhodos ist eine Insel im offenen Meer, welche einst in der Tiefe verborgen war und die Helios offenbarte, der von den Göttern für sich forderte, dass sie sein eigen sei, nachdem sie erschienen war.
ἐν ταύτῃ κολοσσὸς ἔστη πήχεων ἑβδομήκοντα διεσκευασμένος εἰς Ἥλιον· ἡ γὰρ εἰκὼν τοῦ θεοῦ συμβόλοις ἐγινώσκετο τοῖς ἐξ ἐκείνου. Auf dieser stand ein Koloss von 70 Ellen, zugerichtet zu Helios (d.h. sodass er wie Helios aussah); denn das Bild des Gottes wird an den Symbolen, die ihm gehören, erkannt.
τοσοῦτον δ’ ὁ τεχνίτης ἐδαπάνησεν χαλκόν, ὅσος σπανίζειν ἔμελλεν τὰ μέταλλα· τὸ γὰρ χώνευμα τοῦ κατασκευάσματος ἐγένετο χαλκούργημα τοῦ κόσμου. Soviel Bronze hat der Künstler aufgewendet, dass die Bergwerke im Begriff waren, erschöpft zu sein (oder: dass er im Begriff war, die Bergwerke zu erschöpfen); denn das Schmelzwerk der Konstruktion wurde eine Bronzearbeit der Welt.
2 Μήποτε δὲ διὰ τοῦτο ὁ Ζεὺς Ῥοδίοις θεσπέσιον κατέχευε πλοῦτον, ἵνα τοῦτον εἰς τὴν Ἡλίου δαπανήσωσι τιμήν, τὴν εἰκόνα τοῦ θεοῦ ταῖς ἐπιβολαῖς ἀπὸ γῆς εἰς τὸν οὐρανὸν ἀναβιβάζοντες; Hat Zeus etwa deswegen den Rhodiern gewaltigen Reichtum ausgegossen, damit sie diesen zur Ehre des Helios aufwenden, indem sie das Bild des Gottes in den Plänen von der Erde zum Himmel hinaufführten?
τοῦτον ὁ τεχνίτης ἔσωθεν μὲν σχεδίαις σιδηραῖς καὶ τετραπέδοις διησφαλίσατο λίθοις, ὧν οἱ διάπηγες μοχλοὶ Κυκλώπειον ἐμφαίνουσι ῥαιστηροκοπίαν, καὶ τὸ κεκρυμμένον τοῦ πόνου τῶν βλεπομένων μεῖζόν ἐστιν· Diesen sicherte der Künstler innen mit eisernen Brücken und mit Quadersteinen, deren Querstangen kyklopische Hammerarbeit zeigen, und das Verborgene der Arbeit ist größer als das, was gesehen wird.
ἐπαπορεῖ γὰρ ὁ θαυμαστὴς τῶν θεωρούντων ποίαις πυράγραις ἢ πηλίκαις ὑποστάσεσιν ἀκμόνων ἢ ποταπαῖς ὑπηρετῶν ῥώμαις τὰ τηλικαῦτα βάρη τῶν ὀβελίσκων ἐχαλκεύθη. Denn der Bewunderer unter den Betrachtern stellt dazu die Frage, mit welchen Feuerzangen oder mit wie großen Fundamenten von Ambossen oder mit was für Kräften von Gehilfen die so großen Lasten der Spießchen (?) geschmiedet wurden.
3 Ὑποθεὶς δὲ βάσιν ἐκ λευκῆς καὶ μαρμαρίτιδος πέτρας ἐπ’ αὐτῆς μέχρι τῶν ἀστραγάλων πρώτους ἤρεισε τοὺς πόδας τοῦ κολοσσοῦ, νοῶν τὴν συμμετρίαν ἐφ’ ὧν ἔμελλε θεὸς ἑβδομηκοντάπηχυς ἐγείρεσθαι· Nachdem er eine Basis aus weißem, marmornem Stein daruntergestellt hatte, stützte er auf sie als erstes die Füße des Kolosses bis zu den Knöcheln, wobei er die Proportion im Sinn hatte, worauf (oder wonach) der siebzigellige Gott errichtet werden sollte.
τὸ γὰρ ἴχνος τῆς βάσεως ἤδη τοὺς ἄλλους ἀνδριάντας ὐπερέκυπτεν. τοιγαροῦν οὐκ ἐνῆν ἐπιθεῖναι βαστάσαντα τὸ λοιπόν· ἐπιχωνεύειν δ’ ἔδει τὰ σφυρά, καὶ καθάπερ ἐπὶ τῶν οἰκοδομουμένων ἀναβῆναι τὸ πᾶν ἔργον ἐφ’ αὑτοῦ. Die Sohle (d.h. die Krepis?) der Basis überragte nämlich schon die anderen Statuen. Daher war es nicht möglich, das Übrige zu tragen und daraufzusetzen. (wörtl.: es war nicht möglich, dass (AcI) ein das Übrige getragen habender (Akk.Sg.Mask.) (es) daraufsetzt). Es war nötig, die Knöchel daraufzuschmelzen, und dass wie beim Hausbau (wörtl.: bei dem gebaut werdenden) das ganze Werk auf sich selbst hinaufsteigt.
4 Καὶ διὰ τοῦτο τοὺς μὲν ἄλλους ἀνδριάντας οἱ τεχνῖται πλάσσουσι πρῶτον, εἶτα κατὰ μέλη διελόντες χωνεύουσιν καὶ τέλος ὅλους συνθέντες ἔστησαν· Und deshalb ersinnen die Künstler die anderen Statuen zuerst, dann gießen sie, (sie) gliederweise einteilend, und zuletzt setzen sie sie zur Gänze zusammen und stellen sie auf.
οὗτος δὲ τῷ πρώτῳ χωνεύματι τὸ δεύτερον μέρος ἐπιπέπλασται καὶ τούτῳ χαλκουργηθέντι τὸ τρίτον ἐπιδεδόμηται, καὶ τὸ μετὰ τοῦτο πάλιν τὴν αὐτὴν τῆς ἐργασίας ἔσχηκεν ἐπίνοιαν· οὐ γὰρ ἐνῆν τὰ μέλη τῶν μετάλλων κινῆσαι. Dieser aber, wurde der ersten Gussarbeit der zweite Teil dazugeformt, und (auf) dieser Bronzearbeit wurde der dritte daraufgebaut, und der danach hatte wieder denselben Arbeitsplan. Denn es war nicht möglich, die Glieder aus Metall (?) zu bewegen.
5 Τῆς χωνείας δὲ γενομένης ἐπὶ τῶν προτετελεσμένων ἔργων αἵ τε διαιρέσεις τῶν μοχλῶν καὶ τὸ πῆγμα τῆς σχεδίας ἐτηρεῖτο καὶ τῶν ἐντιθεμένων πετρῶν ἠσφαλίζετο τὸ σήκωμα, Während der Guss auf die vorher vollendeten Werke geschah, wurden die Verteilungen der Stangen und das Gerüst der Brücke beachtet und das Gewicht der hineingesetzten Steine gesichert.
ἵνα διὰ τῆς ἐργασίας τηρήσῃ τὴν ἐπίνοιαν ἀσάλευτον, ἀεὶ τοῖς συντελεσθεῖσιν μέλεσι τοῦ κολοσσοῦ χοῦν γῆς ἄπλατον περιχέων, κρύπτων τὸ πεπονημένον ἤδη, κατάγειον τὴν τῶν ἐχομένων ἐπιπέδον ἐποιεῖτο χωνείαν. Damit er während der Arbeit den Plan unerschütterlich beachtet, schüttete er immer rings um die vollendeten Glieder des Kolosses unermessliche Erde auf, verbarg das bereits Verfertigte, und machte den Guß des sich Anschließenden auf der Ebene am Boden (?).
6 Ἐκ δὲ τοῦ κατ’ ὀλίγον ἀναβὰς ἐπὶ τὸ τέρμα τῆς ἐλπίδος καὶ πεντακόσια μὲν χαλκοῦ τάλαντα δαπανήσας, τριακόσια δὲ σιδήρου τῷ θεῷ τὸν θεὸν ἴσον ἐποίησεν, μέγα τῇ τόλμῃ βαστάσας ἔργον· Ἥλιον γὰρ δεύτερον ἀντέθηκεν τῷ κόσμῳ. Indem er vom Allmählichen zum Ziel der Hoffnung hinaufstieg und 500 Talente Bronze aufwendete und 300 (Talente) Eisen, machte er einen Gott, der dem Gott gleich war, wobei er der Kühnheit ein großes Werk hervorbrachte (?): Er stellte nämlich der Welt einen zweiten Helios gegenüber.

Laut Philon war es auf Grund der Größe der Statue nicht möglich, die Statue in Teilen zu gießen, diese Teile dann an den Aufstellungsort zu bringen und zur Gesamtstatue zu montieren. Daher wurde sie gleich am Standort (in situ) etagenweise gegossen. Ob das stimmt, ist allerdings umstritten. 500 Talente Bronze sind, je nachdem welches Talent man zugrundelegt, zwischen 13 und 18 Tonnen. Das ist gar nicht so viel, bedenkt man, dass die Kupferhaut der Freiheitsstatue, die eine Scheitelhöhe von knapp unter 34 m hat, gut 28 Tonnen wiegt.

Theophanes Confessor

Theophanes „der Bekenner“ war ein byzantinischer Geistlicher (ca. 760-818), der eine annalistische (d.h. jahrweise geordnete) Chronik der Jahre 284/285 bis 813 schrieb. Sie ist vor allem für die Geschichte von Byzanz ab dem 7. Jh. eine wichtige Quelle. Über das Jahr 6145 A.M. (anno mundi „im Jahr der Welt“, ~ 650 n.Chr.?) vermerkt er:

Τούτῳ τῷ ἔτει Μαυΐας τὴν Ῥόδον καταλαβὼν καθεῖλε τὸν κολοσσὸν Ῥόδου μετὰ ͵ατξʹ ἔτη τῆς αὐτοῦ ἱδρύσεως, ὃν Ἰουδαῖός τις ὠνησάμενος ἔμπορος Ἐδεσηνὸς ἐννακοσίας καµήλους ἐφόρτωσεν αὐτοῦ τὸν χαλκόν. In diesem Jahr nahm Mauias (Muʿāwiya) Rhodos ein und riss den Koloss von Rhodos nieder, nach 1360 Jahren (seit) seiner Aufstellung, welchen ein Jude kaufte, ein Kaufmann aus Edessa, und seine Bronze auf 900 Kamele lud.

Nach Theophanes verdanken wir das Verschwinden des Kolosses also dem arabischen General und späteren Kalifen Muʿāwiya.

Konstantinos Porphyrogennetos

Konstantin VII. mit dem Beinamen Porphyrogennetos „Purpurgeborener“ war ein byzantinischer Kaiser des 10. Jh. (reg. 913-959). Für seinen Sohn schrieb er eine politische Anleitung, der der Erstherausgeber im 17. Jh. den lat. Titel De administrando imperio „Über die Reichsverwaltung“ gab. In Kap. 20 und 21 erzählt er über das Schicksal des Kolosses.

κʹ. τέταρτος ἀρχηγὸς Ἀράβων Οὐθμάν. 20. Viertes Oberhaupt (Kalif) der Araber ʿUthmān (Osman).
Οὗτος λαμβάνει τὴν Ἀφρικὴν πολέμῳ, καὶ στοιχήσας φόρους μετὰ τῶν Ἄφρων ὑπέστρεψεν. Dieser nahm Afrika mit Krieg ein, und nachdem er den Tribut mit den Afrikanern vereinbart hatte, kehrte er zurück.
τούτου στρατηγὸς χρηματίζει Μαβίας ὁ παραλύσας τὸν κολοσσὸν Ῥόδου καὶ πορθήσας Κύπρον τὴν νῆσον καὶ πάσας τὰς πόλεις αὐτῆς. Dessen Heerführer hieß Mabias (Muʿāwiya), der den Koloss von Rhodos entfernt und die Insel Zypern und alle ihre Städte zerstört hat.
οὗτος παραλαμβάνει καὶ νῆσον τὴν Ἄραδον, καὶ τὴν πόλιν αὐτῆς ἐνέπρησεν, καὶ τὴν νῆσον ἀοίκητον κατέστησεν ἕως τοῦ νῦν. Dieser eroberte auch die Insel Arados (Arwād), und er zündete ihre Stadt an, und er machte die Insel unbewohnt bis jetzt.
οὗτος τὴν νῆσον Ῥόδον καταλαβὼν καθεῖλε τὸν αὐτῆς κολοσσὸν μετὰ χίλια τξʹ ἔτη τῆς αὐτοῦ ἱδρύσεως, ὃν Ἰουδαῖός τις ἔμπορος ὠνησάμενος Ἐδεσηνὸς ἐννακοσίας καμήλους ἐφόρτωσεν αὐτοῦ τὸν χαλκόν. […] Dieser nahm die Insel Rhodos ein und riss ihren Koloss nieder, nach 1360 Jahren (seit) seiner Errichtung, welchen ein jüdischer Kaufmann aus Edessa kaufte und seine Bronze auf 900 Kamele lud. […]
καʹ. […] καὶ ἀπεστάλη κατὰ τῆς Ῥωμαίων πολιτείας μετὰ χειρὸς ἰσχυρᾶς καὶ καταφράκτων νηῶν ͵ασʹ, καὶ εἰσῆλθεν ἕως τῆς Ῥόδου, κἀκεῖθεν ἐξοπλισάμενος ἀνῆλθεν ἕως Κωνσταντινούπολιν, καὶ διατρίψας χρόνον ἱκανόν, ἤτοι ἔτη ζʹ, λεηλατήσας τε τὰ ἔξω τοῦ Βυζαντίου ὑπέστρεψεν ἄπρακτος. 21. […] Und er wurde geschickt gegen den Staat der Römer (d.h. Byzantiner) mit einer starken Mannschaft und 1200 gepanzerten Schiffen, und er drang vor bis Rhodos, und von dort kam er vollständig gerüstet hinauf bis Konstantinopel, und nachdem er reichlich Zeit verbracht hatte, nämlich 7 Jahre, und die Umgebung von Byzanz geplündert hatte, kehrte er unverrichteter Dinge zurück.
ἐλθὼν δὲ ἐν τῇ Ῥόδῳ καθεῖλε τὸν κολοσσὸν τὸν ἐν αὐτῇ ἱστάμενον. ἄγαλμα δὲ ἦν τοῦ ἡλίου χαλκοῦν κεχρυσωμένον ἀπὸ κεφαλῆς ἕως ποδῶν, ἔχον ὕψος πήχεις πʹ καὶ πλάτος ἀναλόγως τοῦ ὕψους, καθὼς μαρτυρεῖ τὸ ἐπίγραμμα τὸ πρὸς τὴν βάσιν τῶν ποδῶν αὐτοῦ γεγραμμένον, ἔχον οὕτως· Als er aber nach Rhodos gekommen war, riss er den Koloss, der dort stand, nieder. Er war ein bronzenes Standbild des Sonnengottes, vergoldet von Kopf bis Fuß und hatte eine Höhe von 80 Ellen und eine der Höhe entsprechende Breite, wie die Inschrift bezeugt, die auf die Basis der Füße geschrieben war, so lautend:
   τὸν ἐν Ῥόδῳ κολοσσὸν ὀκτάκις δέκα
   Λάχης ἐποίει πηχέων ὁ Λίνδιος.
   Den Koloss in Rhodos von achtmal zehn
   Ellen machte Laches aus Lindos.
ἔλαβε δὲ τὸν χαλκὸν αὐτοῦ καὶ διεπέρασεν αὐτὸν ἐν Συρίᾳ, καὶ ἔστησεν αὐτὸν εἰς ἀγορὰν παντὶ τῷ βουλομένῳ· Er nahm aber seine (= des Kolosses) Bronze und brachte sie hinüber nach Syrien, und er stellte sie auf den Markt für jeden, der (sie haben) wollte.
ὠνήσατο δὲ αὐτὸν Ἑβραῖος ὁ Ἐμεσηνός, ἐπιφορτώσας αὐτὸν ἀπὸ θαλάσσης καμήλους ἐννακοσίας καὶ ὀγδοήκοντα. Es kaufte sie aber der Hebräer aus Emesa und lud sie vom Meer auf 980 Kamele (d.h. brachte sie zunächst mit dem Schiff weg und lud sie dann auf Kamele um?).

Konstantin nimmt einen Satz fast wörtlich aus Theophanes' Chronik. Der Käufer der Bronze stammt aber einmal aus Edessa (Urfa), dann aus Emesa (Homs). Hier gibt es offenbar ein Problem mit dem Text. 80 Ellen sind gut 35 m, das dürfte übertrieben sein. Der Name des Schöpfers ist falsch erinnert, er heißt Chares.


Ein Bild mit Folgen: der Colossus Solis auf einem Stich von Maarten van Heemskerck (1498-1574).– Quelle: Wikimedia.– Urheber: Nuno Tavares.– Lizenz: gemeinfrei.– Bearbeitung: verkleinerter Bildausschnitt.

Standarddarstellung in Rhodos, hier auf einer Ansichtskarte.

Als Metallstatuette (ohne Sockel ca. 16 cm hoch).

Überlebensgroß vor dem Hotel Dimitra in Faliraki. Man beachte die Stange im Rücken der Statue (weißer Pfeil), damit sie nicht umfällt. Aufgenommen 2009.

Nicola de Martoni

Nicola de Martoni war ein neapolitanischer Notar, der 1394 eine Reise ins heilige Land unternahm und darüber einen lat. Reisebericht verfasste. Dieser wurde im Bd. 3 der Revue de l'Orient Latin 1895 publiziert.

De ecclesia Sancti Nicolai et de quodam ydolo. – In capite moli, est quedam ecclesia vocabuli Sancti Nicolai, et dictum ac certificatum fuit michi quoddam magnum mirabile quod, antiquo tempore, fuit quidam magnus ydolus, sic mirabiliter formatus quod unum pedem tenebat in capite dicti moli ubi est ecclesia Sancti Nicolai et alium pedem tenebat in capite alterius moli ubi sunt molendina, que mola distant unum ab alio per medium mileare; Über die Kirche des Heiligen Nikolaus und über ein Götzenbild. – Am Ende der Mole ist eine Kirche des Namens des Heiligen Nikolaus, und mir wurde ein großes Wunder gesagt und bestätigt, dass es in antiker Zeit ein großes Götzenbild gab, so wunderbar gestaltet, dass es einen Fuß auf dem Ende besagter Mole hielt, wo die Kirche des Heiligen Nikolaus ist, und den anderen Fuß auf dem Ende der anderen Mole hielt, wo Mühlen sind; diese Molen sind eine von der anderen in der Mitte eine Meile entfernt.
super quibus stabat squarratus et rectus, et est corpus dicti ydoli tante altitudinis quod naves et alia navilia, in quantumcumque fuissent magne altitudinis, cum volebant intrare portum Rodi, transiebant cum arboribus et velis subtus inter tibias et crura dicti ydoli, et quisquis ascendebat ad capud (sic!) dicti ydoli videbat centum milearia longe, tante erat altitudinis. Deinde destructus fuit. Über ihnen stand es rechtwinkelig und aufrecht, und der Körper des besagten Götzenbildes ist von solcher Höhe, dass Schiffe und andere Wasserfahrzeuge, so hoch sie auch waren, wenn sie in den Hafen von Rhodos einfahren wollten, mit Mastbäumen und Segeln unten zwischen den Schienbeinen und Schenkeln (Stützen?) des besagten Götzenbildes hindurchfuhren. Und wer zum Kopf des besagten Götzenbildes hinaufstieg, sah hundert Meilen weit, von solcher Höhe war es. Nachher wurde es zerstört.
De nomine ydoli. – Qui ydolus vocatus fuit Coliseus et ideo homines dicte insule, quibus beatus Paulus tot epistolas emisit ad convertendos eos ad fidem sanctam catholicam, vocabantur Colescenses a dicto ydolo Coliseo vere invocato. Über den Namen des Götzenbildes. – Dieses Götzenbild wurde Coliseus (Koloss?) genannt und deswegen wurden die Menschen der besagten Insel, denen der selige Paulus so viele Briefe schickte, um sie zum heiligen katholischen Glauben zu bekehren, Coloscenser (Kolosser?) genannt, nach dem besagten Götzenbild, das zu Recht Coliseus benannt wurde.

Hier findet sich zum ersten Mal die Mär, dass der Koloss spreizbeinig auf zwei Molenenden gestanden sei und die Schiffe zwischen seinen Beinen hindurchgefahren seien. Lat. colosseus heißt „riesengroß“, die Riesenstatue wurde colossus geheißen. Die Colescenses sind offenbar eine Verwechslung mit den Kolossern (lat. Colossenses), den Bewohnern der Stadt Kolossai in Phrygien (denen Paulus einen im NT enthaltenen Brief geschrieben hat). Diesen Irrtum finden wir auch in der Suda (s.u.).

Mir ist nicht klar, was de Martoni unter einem mileare versteht. Aber wenn es eine röm. Meile von ca. 1,5 km ist: um 150 km weit sehen zu können, braucht man eine Sichthöhe von fast 1500 m! Um aus 30 m Sichthöhe ein 150 km entferntes Objekt sehen zu können, müsste dieses 1075 m hoch sein. Aber ein solches Objekt sähe man auch vom Boden aus noch aus über 130 km Entfernung.

Plutarch

Plutarch aus Chaironeia in Böotien war ein griech. Schriftsteller der Kaiserzeit (45-125 n.Chr.), Zeitgenosse Trajans, der zahlreiche biographische und philosophische Schriften verfasste. In seiner Schrift Ad principem ineruditum „an einen ungebildeten Herrscher“ (gezählt als 53. der Moralia genannten Schriftensammlung) sagt er:

Ἀλλὰ νοῦν οὐκ ἔχοντες οἱ πολλοὶ τῶν βασιλέων καὶ ἀρχόντων μιμοῦνται τοὺς ἀτέχνους ἀνδριαντοποιούς, οἳ νομίζουσι μεγάλους καὶ ἁδροὺς φαίνεσθαι τοὺς κολοσσούς, ἂν διαβεβηκότας σφόδρα καὶ διατεταμένους καὶ κεχηνότας πλάσωσι· Aber die Mehrzahl der Könige und Obersten ahmen, da sie keinen Verstand haben, die ungeschickten Bildhauer nach, die meinen, dass die Kolosse groß und stark erscheinen, wenn sie (sie) sehr breitbeinig und angespannt (od. ausgestreckt) und mit offenem Mund formen.
καὶ γὰρ οὗτοι βαρύτητι φωνῆς καὶ βλέμματος τραχύτητι καὶ δυσκολίᾳ τρόπων καὶ ἀμιξίᾳ διαίτης ὄγκον ἡγεμονίας καὶ σεμνότητα μιμεῖσθαι δοκοῦσιν, οὐδ’ ὁτιοῦν τῶν κολοσσικῶν διαφέροντες ἀνδριάντων, οἳ τὴν ἔξωθεν ἡρωϊκὴν καὶ θεοπρεπῆ μορφὴν ἔχοντες ἐντός εἰσι γῆς μεστοὶ καὶ λίθου καὶ μολίβδου· Denn auch diese scheinen mit Tiefe der Stimme, Strenge des Blicks, Unleidlichkeit des Benehmens und Ungeselligkeit der Lebensweise den Glanz der Herrschaft und Ehrwürdigkeit nachzuahmen; wobei sie sich auch nicht im geringsten unterscheiden von den Kolossalstatuen, die, während sie eine heroische und eines Gottes würdige äußere Gestalt haben, innen voll Erde, Stein und Blei sind.
πλὴν ὅτι τῶν μὲν ἀνδριάντων ταῦτα τὰ βάρη τὴν ὀρθότητα μόνιμον καὶ ἀκλινῆ διαφυλάττει, οἱ δ’ ἀπαίδευτοι στρατηγοὶ καὶ ἡγεμόνες ὑπὸ τῆς ἐντὸς ἀγνωμοσύνης πολλάκις σαλεύονται καὶ περιτρέπονται· Außer dass bei den Statuen dieses Gewicht die dauerhafte und ungeneigte Aufrechtheit bewahrt, die ungebildeten Heerführer und Herrscher aber unter dem Unverstand im Inneren oft schwanken und umkippen.
βάσει γὰρ οὐ κειμένῃ πρὸς ὀρθὰς ἐξουσίαν ἐποικοδομοῦντες ὑψηλὴν συναπονεύουσι. Denn da sie auf einer Basis, die nicht rechtwinkelig angelegt ist, hohe Macht aufbauen, neigen sie sich mit herab.

Hier wird der rhodische Koloss nicht explizit genannt. Aber Ursual Vedder hält es für möglich, dass man zur Zeit der Johanniterherrschaft den Text auf ebendiesen bezogen hat und dass das die Legende vom spreizbeinigen Hafenwächter befeuert hat.

Polybios

Polybios war ein griech. Historiker des 2. Jh.v.Chr., er stammte aus Megalopolis in Arkadien. Seine Historien sind eine Geschichte Roms vom Ersten Punischen Krieg bis zur Zerstörung Karthagos (264-146).

88 Ῥόδιοι δὲ κατὰ τοὺς προειρημένους καιροὺς ἐπειλημμένοι τῆς ἀφορμῆς τῆς κατὰ τὸν σεισμὸν τὸν γενόμενον παρ’ αὐτοῖς βραχεῖ χρόνῳ πρότερον, ἐν ᾧ συνέβη τόν τε κολοσσὸν τὸν μέγαν πεσεῖν καὶ τὰ πλεῖστα τῶν τειχῶν καὶ τῶν νεωρίων, οὕτως ἐχείριζον νουνεχῶς καὶ πραγματικῶς τὸ γεγονὸς ὡς μὴ βλάβης, διορθώσεως δὲ μᾶλλον, αὐτοῖς αἴτιον γενέσθαι τὸ σύμπτωμα. […] Die Rhodier ergriffen aber zu der vorhergenannten Zeit die Möglichkeit hinsichtlich des Erdbebens, das sich bei ihnen kurze Zeit zuvor ereignet hatte, bei dem es geschah, dass sowohl der große Koloss umfiel als auch die meisten der Mauern und der Schiffswerften, und sie behandelten das Geschehene so klug und geschickt, dass ihnen das Unglück nicht Ursache von Schaden, vielmehr von Verbesserung wurde. […]
89 ἐπηγγείλατο δὲ καὶ Πτολεμαῖος αὐτοῖς ἀργυρίου τάλαντα τριακόσια καὶ σίτου μυριάδας ἀρταβῶν ἑκατόν, ξύλα δὲ ναυπηγήσιμα δέκα πεντήρων καὶ δέκα τριήρων, πευκίνων τετραγώνων πήχεις ἐμμέτρους τετρακισμυρίους, καὶ χαλκοῦ νομίσματος τάλαντα χίλια, στυππίου τρισχίλι’, ὀθονίων ἱστοὺς τρισχιλίους, εἰς τὴν τοῦ κολοσσοῦ κατασκευὴν τάλαντα τρισχίλι’, οἰκοδόμους ἑκατόν, ὑπουργοὺς τριακοσίους καὶ πεντήκοντα, καὶ τούτοις καθ᾽ ἕκαστον ἔτος εἰς ὀψώνιον τάλαντα δεκατέτταρα, πρὸς δὲ τούτοις εἰς τοὺς ἀγῶνας καὶ τὰς θυσίας ἀρτάβας σίτου μυρίας δισχιλίας, καὶ μὴν εἰς σιτομετρίαν δέκα τριήρων ἀρτάβας δισμυρίας. Auch Ptolemaios versprach ihnen 300 Talente Silber und eine Million Scheffel Getreide, Schiffsbauholz für zehn Fünfruderer und zehn Dreiruderer, 40.000 angemessene Ellen Fichtenvierkanthölzer (?), und 1000 Talente Münzbronze, 3000 Werg, 3000 Stück Segeltuch, für den Aufbau des Kolosses 3000 Talente, 100 Baumeister, 350 Gehilfen, und für diese jedes Jahr 14 Talente zum Lohn, zusätzlich für die Wettkämpfe und die Opfer 12.000 Scheffel Getreide und ferner zur Getreidezumessung von zehn Dreiruderern 20.000 Scheffel.

Das Erdbeben 226 v.Chr. hat nicht nur den Koloss zu Fall gebracht, sondern die ganze Stadt schwer in Mitleidenschaft gezogen. Aber die Stadtväter haben es nach Polybios geschafft, eine Welle des Mitleids zu entfachen und auf diese Weise viele Spenden und Vergünstigungen zu lukrieren.

Scholion zu Platons Philebos

Der Dialog Philebos gehört zu Platons Spätwerk. Darin sagt einer der Diskutanten: „Es ist vielleicht am besten, den Philebos, der gut liegt, gegenwärtig nicht durch Befragen zu bewegen (d.h. zu stören)“. Ein Scholiast (byzantinischer Kommentator) führt dazu aus:

Μὴ κινεῖν] Μὴ κινεῖν κακὸν εὖ κείμενον, ἐπὶ τῶν ἑαυτοῖς ἐξ ἀγνοίας πράγματα ἐγειρόντων. Nicht zu bewegen: Schlechtes, das gut liegt, nicht bewegen; auf die, welche sich aus Unkenntnis Dinge aufwecken.
ταύτης μέμνηται καὶ Ὑπερίδης ὁ ῥήτωρ ἐν τῷ πρὸς Ἀριστογείτονα· Daran denkt auch der Redner Hyperides in der Rede gegen Aristogeiton.
καὶ οὐδὲ ἐκ τῆς παροιμίας δύνασαι μανθάνειν, τὸ μὴ κινεῖν κακὸν εὖ κείμενον. Und auch aus dem Sprichwort kannst du (es) nicht lernen, das „Schlechtes, das gut liegt, nicht bewegen“.
μετῆκται δὲ ἐκ τοῦ ἐν Ῥόδῳ Κολοσσοῦ, ὃς πεσὼν πολλὰς οἰκίας κατέσεισε. Abgeleitet ist es von dem Koloss in Rhodos, welcher, als er hinstürzte, viele Häuser niederwarf (oder: erschütterte).
βασιλέως δὲ βουλουμένου αὐτὸν ἀναστῆσαι, φοβούμενοι οἱ Ῥόδιοι, μὴ πάλιν καταπέσῃ τὸ προκείμενον ἐπεφθέγξαντο. Als der König ihn wieder aufrichten wollte, riefen die Rhodier, aus Angst, dass er wieder niederstürzt, das Vorliegende aus.

Der Herausgeber der Scholien merkt an, dass der Sturz des Kolosses in eine viel spätere Zeit fällt, die Wendung bei Platon also nicht davon herstammen kann. Wenn die Stelle so zu verstehen ist, dass der Koloss die Häuser unter sich begraben hat, spräche das gegen die Hafenmole als Standort.

Johannes Malalas

Johannes Malalas war ein oström. Historiker des 6. Jh. Seine Chronik gilt, was ihren Wert als historische Quelle betrifft, als unzuverlässig.

Ἐν δὲ τῇ αὐτοῦ βασιλείᾳ ὁ αὐτὸς Ἀδριανὸς ἀνήγειρε καὶ τὸν κολοσσὸν Ῥόδου, πεσόντα ὑπὸ σεισμοῦ θεομηνίας ὅτε καὶ ἡ πόλις Ῥόδος νῆσος ἔπαθεν ἐν τοῖς πρῴην χρόνοις, κείμενον χαμαὶ ἔτη τιβʹ, μὴ ἀπολομένου ἐξ αὐτοῦ τινος, ἀναλώσας εἰς τὸ ἀναστῆσαι αὐτὸν καὶ στῆσαι εἰς τὸν ἴδιον τόπον εἰς μηχανὰς καὶ σχοῖνα καὶ τεχνίτας κεντηνάρια γʹ, ὡς ὑποκάτω ἔγραψε τὸν χρόνον καὶ τὰ δαπανήματα. In seiner Herrschaftsszeit aber richtete derselbe Hadrian auch den Koloss von Rhodos wieder auf, der durch den Gotteszorn eines Erdbebens hingestürzt war, als auch die Stadt Rhodos als Insel (?) litt in den früheren Zeiten, der 312 Jahre auf der Erde lag, ohne dass etwas von ihm verloren ging (oder: zerstört wurde), wobei er (scil. Hadrian), um ihn wieder aufzurichten und aufzustellen an den eigenen (d.h. ursprünglichen?) Ort, für Kräne und Seile und Handwerker 3 Zentner aufwendete, wie er unten darunter (d.h. an der Basis der Statue) die Zeit und die Aufwendungen aufschrieb.

Malalas geht mit Sprache und Fakten gleichermaßen schlampig um. 312 Jahre nach dem Fall des Kolosses wäre etwa 86 n.Chr., Hadrian hat aber 117-138 regiert. Die Behauptung, Kaiser Hadrian habe den Koloss wieder aufrichten lassen, wird aber allgemein als Irrtum oder Verwechslung mit dem Koloss des Nero betrachtet. (Hadrian hat den Koloss des Nero in Rom versetzen lassen.)

Was sind drei kentēnária (ich habe „Zentner“ übersetzt)? Vielleicht 300 Pfund Silber, das waren im 2. Jh. 30.000 Denare. Hebert denkt an 300.000 Sesterzen, das wäre dann zweieinhalb mal soviel, nämlich 75.000 Denare (4 Sesterzen = 1 Denar). Das lässt sich nur näherungweise in Euro umrechnen. Umgelegt auf die Lohnkosten eines einfachen Arbeiters würde ich sagen, 30.000 Denare waren irgendwo um eine Million Euro.

Anthologia Graeca 6,171

Die Anthologia Graeca ist eine Gedichtsammlung, in der Werke aus klassischer bis byzantinischer Zeit enthalten sind. Sie ist in zwei Versionen auf uns gekommen: der Anthologia Palatina (aus der Biblotheca Palatina, d.h. der Pfälzischen Bibliothek von Heidelberg) und der kürzeren Anthologia Planudea (nach ihrem Kompilator Maximos Planudes). Das folgende Achtzeilengedicht in elegischen Distichen könnte die Widmungsinschrift des Kolosses gewesen sein.

Αὐτῷ σοὶ πρὸς Ὄλυμπον ἐμακύναντο κολοσσὸν Dir selbst haben bis zum Olymp erhöht diesen Koloss
  τόνδε Ῥόδου ναέται Δωρίδος, Ἀέλιε,   die Bewohner des dorischen Rhodos, o Helios,
χάλκεον, ἁνίκα κῦμα κατευνάσαντες Ἐνυοῦς den bronzenen, als sie die Woge der Enyo (d.h. des Krieges) beruhigt hatten
  ἔστεψαν πάτραν δυσμενέων ἐνάροις.   und die Vaterstadt mit der Kriegsbeute der Feinde bekränzten.
οὐ γὰρ ὑπὲρ πελάγους μόνον ἔκτισαν (v.l. ἄνθεσαν), ἀλλὰ καὶ ἐν γᾷ Denn nicht allein über das Meer errichteten sie (v.l. stellten sie auf), sondern auch zu Land
  ἁβρὸν ἀδουλώτου φέγγος ἐλευθερίας·   ein schönes Licht nicht unterjochter Freiheit;
τοῖς γὰρ ἀφ’ Ἡρακλῆος ἀεξηθεῖσι γενέθλας denn den von des Herakles Geschlecht Gewachsenen
  πάτριος ἐν πόντῳ κἠν χθονὶ κοιρανία.   (ist) angestammt auf dem Meer und auf dem Land Herrschaft.

Da die Rhodier dorischen Stammes waren, enthält das Gedicht dorische Dialektelemente. Einige dorische Stämme betrachteten sich augenscheinlich als Nachkommen des Herakles, als Herakliden, was wie hier benutzt wurde, um Herrschaftsansprüche zu legitimieren. Die „Woge der Enyo“ ist natürlich die Belagerung durch Demetrios Poliorketes.

Anthologia Graeca 16,82

Die Gedichte des 16. Buches sind nur in der Planudea enthalten. Der jambische Zweizeiler (einem Simonides zugeschrieben) wird unvollständig auch bei Strabon (s.o.) zitiert, und vollständig, aber mit falschem Namen bei Konstantinos Porphyrogennetos (s.o.). In der Textfassung der Anthologie ist der Koloss 80 Ellen hoch.

Τὸν ἐν Ῥόδῳ κολοσσὸν ὀκτάκις δέκα Den Koloss in Rhodos hat von achtmal zehn
Χάρης ἐποίει πήχεων ὁ Λίνδιος. Ellen gemacht Chares aus Lindos.

Einige Herausgeber, wie Meineke oder Bekker, akzentuieren den Gen. Pl. von πῆχυς auf der Pänultima (πηχέων), andere, wie Hercher oder Dübner, auf der Antepänultima (πήχεων), wie es auch die Schulgrammatik fordert. Woher diese Diskrepanz rührt, vermag ich nicht zu sagen.

Sextus Empiricus

Sextus Empiricus war Arzt und Philosoph des 2. Jh. n.Chr. Er vertrat in seinen Schriften (u.a. „Gegen die Wissenschaftler“) den Skeptizismus Pyrrhons.

Ῥόδιοι γοῦν, ὡς φασίν, ἐπύθοντο Χάρητος τοῦ ἀρχιτέκτονος πόσον δαπανηθήσεται χρῆμα πρὸς κατασκευὴν τοῦ κολοσσοῦ. Die Rhodier zum Beispiel fragten, wie man sagt, den Baumeister Chares, wieviel Geld aufgewendet werden wird für die Herstellung des Kolosses.
ὁρίσαντος δὲ αὐτοῦ τι, πάλιν ἐπηρώτων πόσον δέ, εἰ θέλοιεν διπλασίονα κατὰ μέγεθος αὐτὸν κατασκευάσαι. Nachdem er etwas festgesetzt hatte, fragten sie wieder an, wieviel aber, wenn sie wollten, dass er ihn doppelt so groß verfertige.
τοῦ δὲ τὸ διπλάσιον αἰτήσαντος οἱ μὲν ἔδοσαν, ὁ δ’ εἰς τὰς ἀρχὰς καὶ τὰ προκεντήματα δαπανήσας τὸ δοθὲν ἑαυτὸν ἀνεῖλεν. Als er aber das Doppelte forderte, gaben sie es, er aber tötete sich selbst, nachdem er das Gegebene für die Anfänge und Absteckungen (oder: Zurüstungen) aufgewendet hatte.
θανόντος δὲ αὐτοῦ συνεῖδον οἱ τεχνῖται ὡς οὐ διπλάσιον ἐχρῆν ἀλλ’ ὀκταπλάσιον αἰτῆσαι· Nachdem er gestorben war, erkannten die Handwerker, dass es nötig gewesen wäre, nicht das Doppelte, sondern das Achtfache zu fordern.
οὐ γὰρ μῆκος μόνον ἀλλὰ καὶ πᾶσαν διάστασιν ὤφειλε μεγεθοποιεῖν τοῦ δημιουργήματος. Denn nicht nur die Länge, sondern die ganze Ausdehnung (d.h. den Rauminhalt) des Werkes hätte er erhöhen müssen.

Eine Anekdote über eine Milchmädchenrechnung. Denn bekanntlich erhöht sich die Oberfläche mit dem Quadrat der Größe, der Rauminhalt mit dem Kubik. Bei doppelter Höhe war also mit vierfacher Oberfläche und achtfachem Rauminhalt zu rechnen.

Suda

Die Suda ist ein byzantinisches Lexikon. Unter dem Stichwort Kolossaeís (Pl. von Kolossaeús) ist vermerkt:

Κολασσαεῖς οἱ Ῥόδιοι, οἵτινες ἀνέστησαν ἐν τῇ νήσῳ χαλκοῦν ἀνδριάντα τοῦ ἡλίου, ὃν διὰ τὸ μέγεθος ἐκάλεσαν κολοσσόν, ἐπὶ Σελεύκου τοῦ Νικάνορος υἱοῦ, διαδόχου Ἀλεξάνδρου τοῦ Μακεδόνος. Kolosser: die Rhodier, die auf der Insel ein bronzenes Standbild der Sonne aufstellten, welches sie wegen der Größe Koloss nannten, zur Zeit des Seleukos, des Sohnes des Nikanor, des Nachfolgers Alexanders des Makedoniers.
ἐν ἐπιγράμματι „αὐτῷ σοι πρὸς Ὄλυμπον ἐμακύναντο κολοσσὸν τόνδε Ῥόδου ναέται δωρίδος, ἀέλιε, χάλκεον, ἡνίκα κῦμα κατευνάσαντες Ἐνυοῦς ἔστεψαν πάτραν δυσμενέων ἐνάροις.“ In einer Inschrift: „dir selbst haben die dorischen Bewohner von Rhodos diesen bronzenen Koloss bis zum Olymp erhöht, o Sonne, als sie, nachdem sie die Woge der Enyo beruhigt hatten, die Vaterstadt mit der Kriegsbeute der Feinde bekränzten.“

Πρὸς Κολασσαεῖς „an die Kolosser“ ist in vielen Handschriften der Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Kolossai in Phrygien überschrieben. Dass auch die Rhodier so genannt wurden, ist m.W. sonst nirgends belegt und vermutlich ein Irrtum. Ebenfalls ein Irrtum (oder ein Textfehler): Seleukos I. war ein Sohn des Antiochos, sein Beiname war Nikator „Sieger“.

Anthologia Graeca 9,58

Das einem Antipatros (vermutlich A. von Sidon, 2./1. Jh. v.Chr.) zugeschriebene Gedicht in elegischen Distichen zählt die sieben Weltwunder auf.

Καὶ κραναᾶς Βαβυλῶνος ἐπίδρομον ἅρμασι τεῖχος Sowohl die mit Wagen befahrbare Mauer des felsigen Babylon
  καὶ τὸν ἐπ’ Ἀλφειῷ Ζᾶνα κατηυγασάμην,   als auch den Zeus am Alpheios (d.h. die Zeusstatue in Olympia) habe ich beschaut,
κάπων τ’ αἰώρημα, καὶ Ἠελίοιο κολοσσόν, und das Schweben der Gärten (d.h. die sog. hängenden Gärten der Semiramis) und den Koloss des Helios
  καὶ μέγαν αἰπεινᾶν πυραμίδων κάματον,   und die große Mühsal der steilen Pyramiden
μνᾶμά τε Μαυσωλοῖο πελώριον· ἀλλ’ ὅτ’ ἐσεῖδον und das gewaltige Grabmal des Mausolos; aber als ich erblickte
  Ἀρτέμιδος νεφέων ἄχρι θέοντα δόμον,   das bis zu den Wolken laufende Haus der Artemis,
κεῖνα μὲν ἠμαύρωσ’ ὅδε, κἠνίδε νόσφιν Ὀλύμπου stellte dieses jene in den Schatten, und siehe da: außer dem Olymp
  Ἅλιος οὐδέν πω τοῖον ἐπηυγάσατο.   hat Helios nichts derartiges je betrachtet.

Die vorletzte Zeile ist verderbt, die Handschriften haben ἠμαυρωτο τε (oder δε) κην ιδε. Es gibt verschiedene Verbesserungsversuche, Stadtmüller macht daraus: κεῖνα μὲν ἠμαύρωτο· τί κεῖνα δέ; „wurden jene in den Schatten gestellt; was (sind) aber jene?“. Harberton schlägt vor: καὶ ἦν, ἴδε „und ich sagte: siehe“.

Statt der Mauern Babylons wird in den meisten Listen der Leuchtturm (Pharos) von Alexandria angeführt. Bemerkenswert ist, dass der Autor den Artemistempel von Ephesos für das bedeutendste Bauwerk hält (von dem aber nur kümmerliche Reste erhalten geblieben sind). Tatsächlich steht von den antiken Weltwundern nur noch eines ziemlich vollständig, und zwar das älteste: die Pyramiden von Gizeh.


Andere Kolosse

In der Geschichte von den drei Männern im Feuerofen im Buch Daniel wird erzählt (Dan 3,1), König Nebukadnezar (reg. 605-562 v.Chr.) habe in der Ebene Dûrâ eine 60 Ellen hohe (Götter-)Statue aus Gold (צְלֵם דִּי־דְהַב רוּמֵהּ אַמִּין שִׁתִּין) errichten lassen. Damit war diese Statue nur unwesentlich kleiner als später der rhodische Sonnengott. Welchen Gott sie darstellte, wird nicht gesagt, nur dass es ein Gott war, den anzubeten sich die drei jüdischen Männer weigerten (V. 12.14.18). Naheliegend ist die Annahme, dass es eine Marduk-Statue war. Üblicherweise waren diese Statuen wohl aus Holz, das mit Blech überzogen war (vgl. Jes 44,12f). Wie man sich das in diesem Fall vorzustellen hat, bleibt angesichts der Größe der Statue unklar. Auch was im weiteren Verlauf der Geschichte aus dem Standbild geworden ist, bleibt ungesagt. Dass wir von dieser Monumentalstatue aus anderen Quellen nichts erfahren, macht – vorsichtig ausgedrückt – skeptisch hinsichtlich der Historizität der Erzählung. Eine Statue dieser Größe rund 300 Jahre vor dem Koloss wäre eine Sensation gewesen, die doch wohl irgendeinem Autor eine Notiz wert gewesen sein müsste.

Kaiser Nero, der ja immer lieber klotzte als kleckerte, ließ von sich eine Bronzestatue mit einer Höhe von, je nach Quelle, 30 bis 36 m anfertigen und sie in der Eingangshalle seines neu erbauten Palastes, der ebenfalls nicht kleinen Domus Aurea, aufstellen. Bald nach Neros Tod ließ Vespasian den Colossus Neronis in eine Statue des röm. Sonnengottes Sol umgestalten. Hadrian ließ den Koloss dann weiter nach Westen versetzen, neben das Amphitheatrum Flavianum (das später wohl genau nach dieser Statue Kolosseum genannt wurde). Nach einer Erwähnung Mitte des 4. Jh. (und einer fraglichen bei Beda Venerabilis, 7./8. Jh.) verschwindet die Statue aus unserem Gesichtskreis. Die hadrianische Basis ließ Mussolini 1936 für den Bau seiner Paradestraße Via dei Fori Imperiali abtragen. Da hatte Nero endlich seinen Meister gefunden.

Wohl ebenfalls vom Koloss von Rhodos inspiriert ist die Statue der Libertas, engl. Lady Liberty, zu deutsch Freiheitsstatue. Sie war ein Geschenk Frankreichs an die USA und wurde 1886 eingeweiht. Sie hat eine Scheitelhöhe von nicht ganz 34 m, bis zur Spitze der Fackel sind es 46 m, der Sockel ist noch einmal 47 m hoch, gesamt also 93 m.

Natürlich mussten bestimmte Länder zeigen, dass sie noch viel höher können. Vor allem asiatische Länder sind da offenbar anfällig. Momentan (2023) hat Indien die Nase vorn, die sog. Statue der Einheit stellt den indischen Politiker Vallabhbhai Patel (1875-1950) dar und ist 182 m groß, mit dem 58 m hohen Sockel kommt das auf 240 m. Na ja, wer's braucht. Die meisten anderen asiatischen Kolossalstatuen sind Buddhastatuen.


Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 15. Mai 2023