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Höhepunkte Griechenlands (2017)
Spät, aber doch: ein kurzer Bericht über die Studienreise Höhepunkte Griechenlands des Kieler Veranstalters Gebeco, organisiert von meinem Studienkollegen Prof. A., der als Griechischlehrer am Petrinum in Linz tätig ist. Die Reise fand in der Karwoche 2017 statt. Da noch Plätze frei waren, hat mich Prof. A. eingeladen mitzufahren. Ich habe mit Freuden zugesagt. Mir ist bewusst, dass sich mein Bericht wie ein ziemlich unbeholfener Schüleraufsatz zum Thema „Was ich in den Ferien erlebt habe“ liest. Ein Poet ist an mir wahrlich nicht verlorengegangen.
Die Eintritte sind im Reisepreis inkludiert. Der Standardpreis für die archäologischen Sehenswürdigkeiten ist offenbar 12 € (Delphi, Epidauros, Mistras, Mykene, Olympia). Die Akropolis ist mit 20 € deutlich teurer, das Nationalmuseum kostet 10 €. Deutlich billiger sind die Meteora-Klöster: Varlaam und Agios Nikolaos kosteten je 3 €. Ein Ticket über 4 € kann ich nicht mehr sicher zuordnen, vermutlich das Kloster Osios Lukas.
Anfang April ist es in Griechenland frühlingshaft. Alles grünt und blüht (z.B. der Flieder), aber morgens kann es, besonders in den Bergen Arkadiens, noch recht frisch sein. Andererseits hat die Quecksilbersäule am Nachmittag in Sparta schon die 25° überschritten. Insgesamt sind die Temperaturen zum Draußen-Sitzen aber nur bedingt geeignet, vor allem am Abend. Auch muss man mit spürbarem Wind rechnen. Und wer nicht aufpasst oder empfindlich ist, kann sich ordentlich verkühlen. Das ist natürlich mir passiert. Genau in der Mitte der Reise bekam ich Hals- und Zahnschmerzen und leichtes Fieber, sodass ich die restliche Reise nur mit Paracetamol durchgestanden habe.
Die übrigen Teilnehmer sind Lehrer aus Oberösterreich bzw. deren Familienangehörige. Daher erfolgt die Anreise per Bus von Linz zum Flughafen München. Da die Reise von Salzburg nach Linz für mich ein großer Umweg wäre, beschließe ich, direkt mit dem Zug von Salzburg nach München zu fahren. Als ich am Freitagmorgen am Bahnhof Salzburg eintreffe, ist dort ziemlich viel los. Die Monitore informieren, dass die Zugverbindung nach Wien unterbrochen ist und dass man für einen Teil der Strecke auf einen Schienenersatzverkehr umsteigen muss. Große Verspätungen sind die Folge. Mit Warnweste gekennzeichnete ÖBB-Mitarbeiter stehen bereit, um Auskunft zu erteilen und zu erklären, was in bestimmten Fällen zu tun ist, um ans Ziel zu kommen. Ich frage, ob mit der Verbindung nach München alles paletti ist, und bekomme positive Auskunft. Ich steige in den Zug und gelange ohne Ereignisse (Umsteigen in München-Ost) um halb zwölf zum Flughafen München.
Dort begebe ich mich auf die Suche nach meiner Reisegruppe. Ich finde sie nicht. Vielleicht ist sie ja noch gar nicht eingetroffen. Ich gehe einen Happen essen. Ich warte. Da ich einer der wenigen verbliebenen Österreicher bin, die noch kein tragbares Fernsprechgerät besitzen, kann ich auch nicht anrufen. Inzwischen ist es Viertel nach eins und ich habe den Verdacht, dass meine Gruppe vielleicht längst am Gate sitzt. Also drucke ich mir am Automaten meinen Boardingpass aus und checke mein Gepäck ein. Auch das muss man inzwischen selbst machen: Koffer auf die Waage stellen, man bekommt einen Aufkleber ausgedruckt, den man am Koffer befestigt, bestätigen, fertig. Na hoffentlich hat das wirklich funktioniert.
Ich gehe durch die Sicherheitskontrolle. Meine analoge Spiegelreflexkamera erregt Verdacht: Was ist das? Bitte öffnen. Endlich am Gate stelle ich fest, dass meine Reisegruppe nicht hier ist. Warten. Ich werde immer nervöser. Was tue ich, wenn meine Gruppe nicht auftaucht? Alleine fliegen? Auch eine Viertelstunde vor Beginn des Boardings ist von meiner Gruppe noch immer nichts zu sehen. Dann endlich trifft sie ein, mir fällt ein Stein vom Herzen. Grund für die Verzögerung: im Bereich des Linzer Bahnhofs gab es bei der ÖBB einen großflächigen Stromausfall (daher auch die Unterbrechung der Verbindung Salzburg-Wien, s.o.). Viele der Teilnehmer sind aber mit dem Zug nach Linz angereist und daher erst mit großer Verspätung dort angekommen. Daher konnte der Bus nach München erst mit entsprechender Verspätung abfahren. Ich beschließe, dass dies meine letzte Reise ohne Mobiltelefon sein wird.
In Athen angekommen der nächste Schreck. Während die übrigen Mitglieder der Gruppe längst ihre Koffer haben, stehe ich immer noch am Förderband und warte und warte. Hat das mit der Aufgabe meines Gepäcks vielleicht wirklich nicht geklappt? Aber das läuft offenbar nach dem Prinzip des Stapelspeichers: last in, first out, bzw. in meinem Fall first in, last out. Mein Koffer ist einer der letzten. Schließlich verlassen wir das Flughafengebäude und treffen unseren Reiseleiter: Efstrátios („Stratos“) Kassarás, unser unermüdlicher Begleiter und Führer für eine Woche. Stratos versteht sein Metier, ist engagiert und spricht ganz ausgezeichnet Deutsch (wenn ich richtig verstanden habe, ist er in Deutschland aufgewachsen). Durch ihn erfahren wir im Lauf der Woche auch ein bisschen, wie die Griechen die nunmehr seit sieben Jahren währende wirtschaftliche Krise ihres Landes erleben.
Wir fahren mit dem Reisebus, mit dem wir jetzt eine Woche unterwegs sein werden, nach Mάτι Máti („Auge“) an der Ostküste Attikas, zum Hotel Aquamarina. Meinem Empfinden nach ist das ein Drei-Sterne-Etablissement, aber es erfüllt seinen Zweck, wir wollen ja nur zu Abend essen und übernachten. Und vom Balkon meines Hotelzimmers sehe ich aufs Meer und schaue zu, wie sich die Dämmerung über Attikas Küste legt.
Wir fahren mit dem Bus quer durch Attika und die Megaris und über den Isthmus von Korinth. Dort halten wir, um ein wenig zu fotografieren. Eine 2009 errichtete große dreisprachige (griechisch, ungarisch, englisch) Tafel aus rotem Stein (Granit?) informiert über die Eckdaten des Kanals: er ist über 6 km lang, 8 m tief und auf Meeresniveau 24,6 m breit. Die Eröffnungszeremonie 1893 fand im Beisein des österreichischen Kaisers Franz Joseph I. statt, denn es waren ungarische Ingenieure, die den Kanal planten und den Bau leiteten.
Dann geht es in die Argolis. Vorbei am Ort Alt-Epidaurus (Παλαιά Επίδαυρος) an der Ostküste der Argolis, wo wohl auch das antike Epidaurus gelegen hat (und wo wir eine kurze Fotopause einlegen), geht es zum antiken Asklepios-Heiligtum von Epidaurus, das Luftlinie 8,5 km landeinwärts liegt.
Wir besichtigen das Museum mit den Votivgaben und -inschriften von Menschen, die hier Heilung suchten und fanden, und den immer noch beeindruckenden Gesimsen und Deckenkassetten des Asklepiostempels. An einem schönen korinthischen Kapitell (möglicherweise ein Musterstück des Polykletos) demonstriert Stratos, dass der Marmor tatsächlich durchscheinend ist. Dann spazieren wir durch die baulichen Überreste des heiligen Bezirks: das Stadion, die Tholos (Rundbau), die gerade rekonstruiert wird, die Fundamente des Asklepiostempels, die Säulen des Abaton, das monumentale Propylon (Eingang) und die Fundamente des Hestiatorion (Festhalle, Speisesaal). Krönender Abschluss ist das berühmte Theater.
Wir folgen weiter der Straße nach Westen und gelangen nach Ναύπλιο
Náfplio (oder Naúplia wie wir Altertumswissenschaftler
gerne sagen). Wir wandern durch die König-Konstantin-Straße (Βασιλέως
Κωνσταντίνου), die nafpliotische Entsprechung zur Salzburger Getreidegasse,
vorbei an der Moschee, die nach der Befreiung von der Osmanenherrschaft als
erstes Parlamentsgebäude Griechenlands gedient hat, zum Meer. Am Straßenrand
blühen Orangenbäume.
Anschließend haben wir Zeit zur freien Verfügung. Prof. A. ist
ortskundig und bietet uns an, ihn auf einem Spaziergang entlang der Küste um
den Burgfelsen von Akronafplía herum (auf dem γύρος της Αρβανιτιάς
„Albanerrundweg“) zu begleiten. So spazieren wir, den mit Feigenkakteen dicht
bewachsenen Felsen zur Linken, das Meer (in dem einige besonders Mutige
bereits schwimmen) zur Rechten, und schließlich die Palamidi-Festung halbrechts
vor uns, bis wir wieder auf die König-Konstantin-Straße stoßen.
Ngr. Αρβανίτης „Albaner“, αρβανιτιά „Albanertum, -land“.
Der Wikipedia-Artikel
Αρβανιτιά erklärt dazu:
„Arvanitiá ist eine historische Stätte in Náfplio zwischen dem Palamídi-Felsen
[südwestl. Burgfelsen] und den südlichen Ausläufern von Akronafplía [nordöstl.
Burgfelsen]. Als 1775 Scharen von Albanern die Peloponnes überschwemmten,
wurden 5000 von ihnen von Kapetan Pascha Gazi Hassan mit Hinterlist zu den
Bastionen von Palamídi geführt, und in der Nacht wurden sie auf der Klippe
abgeschossen, wobei sie einen schrecklichen Tod fanden. Die Bucht unter dem
Palamídi wurde rot vom Blut der Albaner. Seitdem heißt dieser Ort
Arvanitiá. Heute bildet es einen der romantischsten Spaziergänge von
Náfplio.“
Weiter geht es, vorbei an der mykenischen Burg von Tiryns, (durch Argos? hier lässt mich die Erinnerung im Stich) nach Mykene. Zunächst besichtigen wir das sog. Schatzhaus des Atreus, eine hohe Grabkammer mit Kraggewölbe und breitem Aufgang. Dann die eigentliche Burg, deren bekannteste Besonderheiten das aus riesigen Felsblöcken bestehende sog. zyklopische Mauerwerk und das große Tor mit dem Löwenrelief, das dem Entlastungsdreieck über dem Torsturz vorgeblendet ist, sind. Wir sehen die Steinplatten des Gräberkreises (die darin gefundenen Grabbeigaben werden wir später im Nationalmuseum in Athen besichtigen) und schließlich die Palastvorhalle (zwei Säulenbasen) und dahinter das Megaron (der Herd ist mit einem Dach abgedeckt). Von hier sieht man weit in die argivische Ebene bis zum Meer. Auf den Stufen in die unterirdische Zisterne komme ich nicht weit, denn rasch wird die Finsternis undurchdringlich. Unser Weg führt weiter vorbei am Nordtor, vorbei an üppig aus dem Gestein wuchernden und blühenden Blumen und an Feigenbäumen, zurück zum Löwentor.
Hier in Mykene fallen uns auch Bäume auf, die mit seltsamen weißen Gespinsten behängt sind. Stratos erklärt uns, dass es sich um das Werk des Pinienprozessionsspinners handelt. Da die Raupen in diesen Gespinsten die Nadeln der Bäume fressen, bedeutet ein starker Befall für den Baum das Todesurteil. (Übrigens sollten sich auch Menschen vor den Raupen in Acht nehmen, denn die Berührung ihrer Brennhaare kann zu erheblichen allergischen Reaktionen führen.)
Schließlich geht es weiter westlich durch das abendliche Arkadien zum Bergdorf Λαγκάδια La(n)gádia, das malerisch an einem Berghang 950 m ü.N. liegt. Dort beziehen wir unsere Zimmer im Hotel Lagadia Resort. Das Essen ist hier köstlich und besonderer Erwähnung wert. Das WLAN funktioniert bei mir leider nicht.
Wir fahren zunächst nach Osten, dann nach Süden. Ich dachte bisher, Arkadien sei ein verkarsteter Landstrich, doch der Teil, durch den wir jetzt fahren, ist grün und teilweise bewaldet. Mag sein, dass es im Hochsommer anders aussieht. Wir machen eine Fotopause, um aus der Ferne die schneebedeckten Gipfel des Taýgetos-Gebirges zu betrachten. Eine halbe Stunde später sind wir im heutigen Μυστράς Mistrás (oder Mýstras), trinken einen Kaffee und lassen uns dann vom Bus auf den Berg bringen. Von dort wandern wir an den Ruinen und Kirchen des byzantinischen Mystras vorbei den Berg hinunter: Agia Sophia, Agios Nikolaos, Monemvasia-Tor, Despotenpalast, Agios Dimitrios, Führung durch das Kloster Παντάνασσα Pandánassa („Allherrscherin“) mit seinen Fresken. Die Bäume und Büsche stehen in grünem Laub, zwischen den Gemäuern blühen Frühlingsblumen.
Wir fahren zurück, nach Σπάρτη Spárti, dem antiken Sparta (das die antiken Griechen übrigens Λακεδαίμων Lakedaímōn nannten). Von der einstigen großen Konkurrentin Athens sind nur noch vergleichsweise bescheidene Baureste erhalten. Das hat verschiedene Gründe: erstens hat Sparta, anders als Athen, seinen Ehrgeiz wenig in repräsentative Großbauten gesetzt (Thuk. 1,10,2); zweitens haben (wenn ich richtig verstanden habe) die Bewohner Spartas, die im 13. Jh. nach Mystras übersiedelt sind, auch einen Teil des Baumaterials aus Sparta mitgenommen. Am ehesten noch etwas vorstellen kann ich mir bei dem unter Kaiser Augustus errichteten römischen Theater. Und natürlich darf ein neuzeitliches (1968) Denkmal für den Spartaner Leonidas und seinen berühmten Ausspruch nicht fehlen: μολὼν λαβέ „(nachdem du) gekommen (bist), nimm = komm und hol (sie dir)“. So lakonisch soll der Lakonier auf die Aufforderung des Perserkönig Xerxes, ihm die Waffen auszuliefern, geantwortet haben.
Unsere letzte Station für heute ist das organische Weingut des Γεώργιος Ν. Θεοδωρακάκος Jórjos N. Theodorakákos an der Straße von Sparti nach Gythio. Der Besitzer erklärt uns, nach welchen Regeln sein Wein hergestellt wird, zeigt uns seine Gärkessel und Abfüllanlage und den Keller, in dem Flaschen und Fässer lagern. Natürlich dürfen wir seine Köstlichkeiten auch verkosten. Da ich von Wein nichts verstehe (was man schon daran sieht, dass ich süßen bevorzuge, während für den heutigen Connaisseur gilt: je trockener, umso besser), kann ich zu seiner Qualität nichts sagen.
Aus dem Eurotastal geht es zurück nach Arkadien, wo wir eine weitere Nacht in La(n)gadia verbringen.
Wir brechen unsere Zelte in Arkadien ab und fahren nach Westen, bis an den Zusammenfluss von Alpheiós und Kládeos. In der Altis von Olympia blühen die Judasbäume. Wir besichtigen Gymnasium und Palästra, Philippeion und Leonidaion, den Zeustempel, in dessen Cella einst die von Phidias geschaffene Goldelfenbeinstatue des Zeus stand, den Heratempel, das Nymphäum des Herodes Atticus, das Stadion. Im Museum sehen wir die Giebelfiguren des Zeustempels, die Nike des Paionios, den Hermes des Praxiteles.
Nach fast vier Stunden Besichtigung und nachdem wir zu Mittag gegessen haben, fahren wir weiter, nach Norden, nach Ρίο Río, wo seit 2004 eine fast 3 km lange Brücke die Meerenge überspannt, die die Grenze zwischen dem Golf von Patras und dem Golf von Korinth bildet. Offiziell heißt die Brücke nach einem langjährigen Ministerpräsidenten des 19. Jh. Charilaos-Trikoupis-Brücke. Wir nehmen allerdings nicht die Brücke (viel zu teuer), sondern warten am Ufer neben der Brücke auf die Fähre, die nach wie vor zwischen Ρίο und Αντίρριο Andírrio verkehrt. Hier weht eine steife Brise, die sich auf der Fähre noch verstärkt.
Von Andirrio geht es weiter ins etwa 10 km entfernte Ναύπακτος Náfpaktos (oder Naúpaktos). Auf Italienisch hieß die Stadt Lepanto. Im Meer vor der Meerenge fand 1571 die Seeschlacht von Lepanto statt, bei der die Flotte der sog. Heiligen Liga einen blutigen Sieg über die Flotte des Osmanischen Reiches erlangte. (Beide Seiten kämpften mit Galeeren, also mit geruderten Schiffen!) Damit war der Mythos von der Unbesiegbarkeit der Osmanen gebrochen, die zwar die verlorenen Schiffe bald wieder ersetzt hatten, den Verlust vieler erfahrener Kapitäne und Seeleute aber nicht so rasch wieder wettmachen konnten. Die Heilige Liga allerdings zerbrach schon 1572 wieder, sodass der Sieg für die christliche Seite eher nur symbolischen Wert hatte. Bei dieser Schlacht kämpfte auch der Spanier Miguel de Cervantes, der dabei seine linke Hand verlor.
In Nafpaktos beziehen wir Zimmer im NAFS Hotel, direkt am Meer. Nafpaktos ist ein kleines, nettes Städtchen, das, wie uns Stratos belehrt, in den letzten Jahren bei jungen Griechen ein beliebtes Ferienziel geworden ist. Nach dem Abendessen führt uns Stratos zum malerischen Hafen. Wir spazieren an der Hafenmauer entlang, vorbei am Denkmal für Cervantes. Wir setzen uns vor ein Kafenion, trinken und unterhalten uns. Obwohl am Abend die Temperatur aufgefrischt hat, sitzen wir im Freien. Ich hätte es bleiben lassen sollen.
Als ich aufwache, habe ich Halsschmerzen, erhöhte Temperatur und später auch noch Zahnschmerzen. Für den Rest der Reise wird Paracetamol mein unerlässlicher Begleiter.
Von Nafpaktos geht es die Küste der Ozolischen Lokris entlang nach Osten bis Itéa, von dort ins bergige Landesinnere nach Delphi. Delphi ist schon landschaftlich eine Sehenswürdigkeit. Wir beginnen mit dem Besuch des Museums: die Sphinx der Naxier, der Fries vom Schatzhaus der Siphnier, die beiden argivischen Marmor-Kouroi, die Reste des Giebels vom archaischen Apollotempels, die Statue des Antinoos, aber vor allem: die lebensgroße Bronzestatue des Wagenlenkers.
Dann gehen wir zum heiligen Bezirk: von der Stoa des spätantiken römischen Marktes wandern wir die heilige Straße hinauf, vorbei an den Fundamenten von Schatzhäusern und Votivbauten, vorbei am wiedererrichteten Schatzhaus der Athener, der Stoa der Athener und am Apollonaltar von Chios. Vom Apollotempel sind noch von sechs Säulen mehrere Trommeln erhalten. Das Theater darf von der Straße, die an der Orchestra vorbeiführt, nicht fotografiert werden, Gott allein, weiß warum. Von weiter oben ist es kein Problem. Die Straße endet am Stadion, das man aber inzwischen nicht mehr betreten darf, Gott allein weiß, warum. Jedenfalls wacht auch hier ein gestrenger Angestellter darüber. Auch hier in Delphi grünt und blüht alles, und der Blick über das Pleistos-Tal ist überwältigend.
Wir gehen die heilige Straße wieder bergab; an der modernen Straße, vorbei an der Quellfassung der Kastalische Quelle, gelangen wir zum Bezirk der Athena Pronaia. Hier steht die Tholos mit den drei dorischen Säulen und einem kleinen Stück des Metopenfrieses, die gewissermaßen das Wahrzeichen Delphis darstellt.
Unsere Reise führt uns weiter durchs Gebirge, durch den Ort Αράχωβα Aráchova, der auf 963 m ü.d.M. liegt und wegen des nahen Schigebiets am Parnass (wo wir noch Schnee liegen sehen) der größte und mondänste Schiort Griechenlands ist. Hier wohnt die Athener Schickeria, wenn sie Schi fährt.
Nach einer kurzen Fotopause fahren wir weiter, zum im 10. Jh. gegründeten Kloster des Osios Lukas, in dem heute nur noch wenige (aber immerhin) Mönche leben. Das Kloster hat zwei aneinanderstoßende Kirchen, die ältere Panagia und die 1011 geweihte Hauptkirche (Katholikon). Die zahlreichen Mosaike zeigen biblische Szenen und Gestalten. Prof. A. weist uns auf eine Darstellung des auferstandenen Jesus hin, der sich seinen Jüngern (und vor allem dem Thomas) zeigt, die mit einem neutestamentlichen Zitat beschriftet ist, einem Genitivus absolutus: τῶν θυρῶν κεκλεισμένων „als die Türen verschlossen waren“ (Joh 20,26). Stratos wieder weist uns auf die pseudokufische Schrift (Verzierungen, die die kufische Schrift nachahmen, aber kein wirklicher Text sind) an der Außenmauer der Panagia.
Letztes Besichtigungsziel für heute ist Χαιρώνεια Chairóneia (oder Chäronéa). In der Schlacht von Chaironeia 338 v.Chr. besiegten Philipp II. von Makedonien und sein Sohn Alexander die antimakedonische Allianz der Athener und Thebaner. An der Stelle, an der die gefallenen Soldaten der sog. Heiligen Schar (der thebanische Eliteeinheit) begraben sind, wurde ein riesiger marmorner Löwe aufgestellt. Im Lauf der Jahrhunderte ist er (vermutl. durch Erdbeben) umgestürzt. Byron fand ihn 1809 in Trümmern und teilweise begraben. 1879 wurde mit der Ausgrabung der Stätte begonnen (man fand 254 Skelette), 1902 mit der Restaurierung. 1998-2000 wurde das Denkmal gereinigt und konserviert.
Unser letztes Ziel ist das Hotel Galini Wellness Spa & Resort in Καμένα Βούρλα Kaména Voúrla („verbrannte Binsen“), einer Stadt am Golf von Malia, gegenüber der Nordwestspitze Euböas. Das Hotel hat auch einen Wellnessbereich, aber mit meiner Verkühlung kann von Baden natürlich keine Rede sein. Das Essen finde ich vorzüglich – angesichts meiner Zahnschmerzen eine besondere Gemeinheit.
Heute wollen wir zu den Meteora-Klöstern, eine Fahrt, die über drei Stunden dauert. Dort angekommen fahren wir zunächst im Bus eine Runde, vorbei an den Klöstern Αγία Τριάδα Ágia Triáda (ein Teil des James-Bond-Filmes In tödlicher Mission wurde darin gedreht), Μεγάλο Μετέωρο Megálo Metéoro, Βαρλαάμ Varlaám, Άγιος Στέφανος Ágios Stéphanos (um die Namen zu nennen, an die ich mich noch erinnere). Die Klöster kleben an oder auf bizarren Sandstein- und Konglomeratfelsen (Stratos verblüfft uns mit der Kenntnis des deutschen Wortes Nagelfluh) mit steil abfallenden Flanken (μετέωρος metéōros heißt „in der Luft schwebend“). Diese Felsen sind inzwischen, sehr zum Ärgernis der Mönche, zu einem beliebten Ziel für Freeclimber und Basejumper avanciert.
Wir besichtigen Kloster Varlaam, das in der ersten Hälfte des 16. Jh. errichtet wurde. Wir sehen die Winde, mit der Gegenstände und Menschen in Netzen zum Kloster heraufgezogen wurden. In den Klostergebäuden und in der Kirche ist Fotografieren leider verboten. Aber es gibt einen kleinen Buch- und Andenkenladen, in dem man Bildbände mit Fotos der Klöster erwerben kann. Wir besichtigen ein weiteres Kloster, Άγιος Νικόλαος Αναπαυσάς Ágios Nikólaos Anapafsás, aber meine Krankheit macht mir zu schaffen und hier gibt es einige Stufen zu erklimmen.
Wir fahren vorbei an Löchern im Felsgestein und an Höhlen, von denen manche zeitweise (und strafweise) von Mönchen bewohnt waren, und kommen nach Καστράκι Kastráki, wo wir Mittagsrast machen.
Dann geht es wieder zurück nach Kamena Vourla. Unterwegs halten wir bei den Thermopylen, die nicht ganz 25 km von Kamena Vourla entfernt sind. Der einstige Engpass zwischen dem Kallidromos-Gebirge und dem Golf von Malia ist durch den hier einmündenden Spercheios inzwischen 4,5 km vom Meer entfernt. Heute könnte das Perserheer hier durchmarschieren, selbst wenn die Soldaten nebeneinander gingen. Hier ist direkt an der Straße ein großes Denkmal des Leonidas, ganz ähnlich dem, das wir in Sparti gesehen haben; aber auch ein kleines für die 700 gefallenen Thespieier (die gerne vergessen werden). Am Hügel gegenüber befindet sich eine Terrakottatafel, in die das berühmte Epigramm des Simonides (ὦ ξεῖν', ἀγγέλλειν…, in Schillers Übertragung „Wanderer, kommst du nach Sparta…“) geritzt ist.
Wir verlassen Kamena Vourla und fahren die böotische Küste entlang, vorbei am siebentorigen Theben, wieder nach Attika. Erstes Ziel ist das Archäologische Nationalmuseum. Es ist kaum möglich hier alles aufzuzählen, was der Erwähnung wert wäre. Ich war erst vor einem Dreivierteljahr hier und nenne nur die Dinge, dir mir diesmal besonders ins Auge gefallen sind: etwa der Mechanismus von Antikythera, ein antikes Astrolabium; der Akrotiri-Saal mit Kopien der berühmten Fresken von Ακρωτήρι Akrotíri auf Thera (Santorin); die Sonderaustellung Οδύσσειες Odýssies „Odysseen“, die einen Saal in blaues Licht taucht und mit Texten von Odysseas Elytis beschallt; die mykenische Kriegervase, die zu sehen mir bei meinem letzten Besuch verwehrt war; ganz zu schweigen etwa vom Poseidon (oder Zeus) vom Kap Artemision, dem Jüngling von Antikythera, der Bronzestatue eines jungen Athleten, dem Jockey von Artemision, den vielen Grabstelen mit ihren oft ergreifenden Darstellungen des Abschieds, dem mykenischen Saal, u.v.a.m.
Wir steigen wieder in den Bus und machen eine Stadtrundfahrt. Zunächst zum Kallimármaro-Stadion, wo wir kurz aussteigen und die Dimensionen des Stadionrunds auf uns wirken lassen. Dann weiter zum Parlament, wo wir einer Wachablöse zusehen (die Evzones in dunkelblauen Röcken statt des vom Sommer her gewohnten Weiß). Dann weiter, vorbei an den neoklassizistischen Bauten (Akademie der Wissenschaften, Universität, Nationalbibliothek) jener Straße, deren offiziellen Namen ich nicht herausfinde – Elefthérios-Venizélos-Boulevard? Universitätsstraße (Ο. Πανεπιστημίου)? –, zur Akropolis. Propyläen, Niketempel, Erechtheion und Parthenon sind jedes Mal wieder ein Erlebnis. Dazu der Ausblick auf Athen, auf das Dionysostheater und das Herodes-Atticus-Theater am Fuß des Akropolisfelsens, die Lysikrates-Straße, an deren Ende der Hadriansbogen steht, und dahinter das Olympieion; auf der anderen Seite auf die Pnyx, den Areopag, die Agora und das Theseion. Stratos erklärt uns die Bewandtnis der Löcher im Architrav des Parthenon: die großen rechteckigen unter den Metopen zur Befestigung von (von den Persern erbeuteten?) Schilden, die vielen kleinen unter den Triglyphen vermutlich zur Anbringung bronzener oder goldener Buchstaben (durch Kaiser Nero?).
Stratos bringt uns von der Akropolis hinunter zum Mitropolis-Platz vor der gleichnamigen Kirche am Rand der Plaka. Hier sind die Vorbereitungen für das nahende Osterfest zu erkennen, hier ist unser Treffpunkt, dann haben wir Zeit zur freien Verfügung. Da ich die Geographie von meinem letzen Besuch her noch halbwegs kenne, marschiere ich an der Gorgoepikoos-Kirche vorbei zum römischen Form mit dem Turm der Winde, dann vorbei an den korinthischen Säulen der Hadriansbibliothek, zur Tzistarakis-Moschee (die heute ein Museum für griechische Volkskunst beherbergt) am Monastiraki-Platz. Von dort dann eine der Querstraßen (Pandrosos- oder Mitropolis-Straße) zur Kapnikarea-Kirche. Ein wenig nutze ich die Zeit auch, um Mitbringsel einzukaufen, Geschäfte dafür gibt es hier genug. Zurück am Mitropolis-Platz heißt es dann Zusammenwarten auf die, die sich verlaufen oder mit der Zeit verschätzt haben.
Dann geht es wieder nach Mati, zum uns bereits bekannten Hotel Aquamarina. Nur dass wir diesmal anscheinend in einem anderen Trakt untergebracht sind, der extra für uns nach der Winterpause geöffnet wurde. Und das beschert ein paar Überraschungen. Eine der Reiseteilnehmerinnen findet in ihrem Zimmer eine tote Kakerlake; zwar besser als eine lebendige, aber dennoch für sie ein Grund, ein anderes Zimmer zu verlangen. In meinem Zimmer stinkt es erbärmlich nach Zigarettenrauch. Dessen Herkunft ist jedoch nicht zu eruieren: weder die dicken Vorhänge, noch das Bettzeug riechen nach Rauch. Dies scheint tatsächlich ein Nichtraucherzimmer zu sein. Keine Ahnung, woher der Gestank kommt, aber für eine Nacht kann ich es aushalten.
Am morgen finde ich auch das Hotel österlich geschmückt, heute ist Karfreitag. Stratos fährt mit uns zum Flughafen, von wo ein paar Stunden nach uns auch er heimfliegen wird (nach Saloniki). Wir verabschieden uns gebührend, es gibt Gruppenfotos. Dann Rückflug nach München, noch einmal Verabschiedung von allen, denn ich muss zur S-Bahn und mit dem Zug nach Salzburg. Ich bin noch immer verkühlt und freue mich darauf, drei Tage das Bett hüten zu dürfen.
Eine Woche Sightseeing vom Feinsten, unter kundiger Führung, in Gesellschaft von interessierten Gleichgesinnten. Dazu die blühende Frühlingsvegetation, die ich in Griechenland noch nie zuvor erlebt habe. Das war, trotz meiner Erkrankung, eine meiner beeindruckendsten Griechenlandreisen seit langem.
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 2. Mai 2024