Michael Neuhold Homepage
Startseite >
Biblica >
Die Edelsteine am hohepriesterlichen Brustschild
Meine erste Beschäftigung mit antiken Edelsteinbezeichnungen war im Rahmen von Offb 21,19f (s. jetzt auf meiner Seite Die Grundsteine des neuen Jerusalem). Ich habe mich dabei ein wenig blauäugig ans Bibellexikon und an Wikipedia gehalten. Was ich allerdings übersehen hatte, war, dass die Edelsteinnamen im Laufe der Zeit ihre Bedeutung geändert haben. Durch die Lektüre eines Buches von Wolfgang Zwickel wurde ich dann auf Ex 28,17-21 (Beschreibung des Brustschildes / der Lostasche des Priestergewandes) aufmerksam. Von Zwickel habe ich auch die Idee des tabellarischen Vergleichs verschiedener Übersetzungen.
Der Text, um den es geht, steht in Ex (für Protestanten: 2Mo) 28,17-21 und 39,10-14 (LXX 36,17-21):
Neben dem masoret. Text der BHS werden die wichtigsten antiken Übersetzungen, aber auch die Beschreibungen bei Flavius Josephus und Pseudo-Philon verglichen. Josephus gibt die Liste zweimal wieder. Pseudo-Philon gibt seltsamerweise für fast jeden Stein zwei Gleichsetzungen (ist ein/heißt X, ähnelt Y).
MT | Masoretischer Text, hebräisch | Biblia Hebraica Stuttgartensia (BHS). Hrsg. v. K. Elliger u. W. Rudolph.- Stuttgart: Dt. Bibelges., 1977. Aktuelle Aufl. – Stand Feb. 2015: 5., verb. Aufl. 1997 – online bei Bibelwissenschaft.de. |
---|---|---|
LXX | Septuaginta, griechisch | Septuaginta. Id est Vetus Testam. graece iuxta LXX interpr. Hrsg. v. Alfred Rahlfs.- Verkl. Ausg. i. e. Bd.- Stuttgart: Dt. Bibelges., 1979. Aktuelle Ausg. – Stand Feb. 2015: 2. Aufl. bes. v. Robert Hanhart – online bei Bibelwissenschaft.de. |
Symm. | Symmachus, griechisch | Origenis Hexaplorum quae supersunt sive veterum interpr. Graec. in totum vetus testam. fragm. Hrsg. v. Frederick Field. Bd. 1: Prolegomena. Genesis - Esther.- Oxford: Clarendon Press, 1875. Archive.org. |
Ios. | Flavius Josephus, griechisch | Flavii Iosephi Opera. Hrsg. v. Benedikt Niese.- Berlin: Weidmann. |
Antiquitates Iudaicae 3,7,5 [§168] | Bd. 1: Antiquitatum Iudaicarum libri I-V. 1887. S. 192. Archive.org. | |
De bello Iudaico 5,5,7 [§234] | Bd. 6: De bello Iudaico libros VII. 1894. S. 466. Archive.org. | |
Vulg. | Vulgata, lateinisch | Biblia Sacra iuxta vulgatam versionem. Bearb. u. hrsg. v. Robert Weber, Roger Gryson u.a.- 5., verb. u. aktual. Aufl.- Stuttgart: Dt. Bibelges., 2007. Online bei Bibelwissenschaft.de. |
LAB | Liber Antiquitatum Biblicarum 26,10, lateinisch | Pseudo-Philon [Alexandrinus]: [Liber Antiquitatum Biblicarum] Les Antiquités Bibliques. Bd. 1: Introd. et texte critiques. Hrsg. v. Daniel J. Harrington, übers. v. Jacques Cazeaux.- Paris: Éd. du Cerf, 1976. (Sources Chrétiennes, 229). (im Netz nicht gefunden) |
TgO | Targum Onqelos, aramäisch | Targum Onkelos. Hrsg. u. erl. v. A. Berliner.- 1. Teil: Text.- Berlin: Gorzelanczyk, 1884. S. 91. Archive.org. |
KJV | King James Version, englisch | Holy Bible. King James Version.- Stuttgart: Dt. Bibelges., 2006. Online bei Bibelwissenschaft.de. |
Luther | erste Gesamtausg. von 1534 | Biblia / das ist / die gantze Heilige Schrifft Deudsch. Mart. Luth.- Wittemberg [sic!]: Lufft, 1534. |
revidierte Fassung von 1984 | Stuttgarter Erklärungsbibel. Die Heilige Schrift nach d. Übers. Martin Luthers. M. Einf. u. Erkl.- Stuttgart: Dt. Bibelges., 1992. Bibeltext online bei Bibelwissenschaft.de. | |
Schlachter | Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments. Unter Berücksicht. d. besten Übers. n. d. Urtext übers. v. Franz Eugen Schlachter.- Neu bearb. u. hrsg. durch d. Genfer Bibelges. Genf: 1975. | |
Elberf. | Elberfelder, revidierte Fassung | Die Bibel. Elberfelder Übersetzung.- 8. Aufl.- Wuppertal: Brockhaus, 2001. |
Zürcher | Zürcher Bibel, Fassung v. 2007 | Zürcher Bibel 2007.- 4. Aufl. Zürich: Theolog. Verl., 2012. |
Einh. | Einheitsübersetzung | Die Bibel. Einheitsübersetzung d. Heiligen Schrift. Gesamtausgabe.- Stuttgart: Kathol. Bibelwerk, 2006. Online bei Bibelwerk.de. |
Gute N. | Gute Nachricht | [Gute Nachricht.] Die Bibel in heutigem Deutsch. Die Gute Nachricht d. Alten u. Neuen Testaments ohne d. Spätschriften des A. T.- 2., durchges. Aufl.- Stuttgart: Dt. Bibelges., 1992. Online bei Bibelwissenschaft.de. |
Zwickel | Zwickel, Wolfgang: Leben und Arbeit in biblischer Zeit. Eine Kulturgeschichte.- Stuttgart: Calwer, Dt. Bibelges., 2013. S. 154. |
Zu den Wörterbüchern, zitiert als Frisk, Ges. (= Gesenius), Klein, Erman/Grapow, Faulkner, LSJ (= Liddell/Scott/Jones), CDA (= A Concise Dictionary of Akkadian), CAD (= Chicago Assyrian Dictionary), Levy, Del. (= Delitzsch), CAL (= Comprehensive Aramaic Lexicon Project), Barth. (= Bartholomae), Hinz, Kent, Monier-Williams, s. auf der Indexseite Etymologica Selecta. Ich habe mir erlaubt, die engl. Angaben bei LSJ und CDA mitunter etwas verkürzt ins Dt. zu übersetzen; auch die Angaben Lüschens habe ich ohne Kennzeichnung mitunter gekürzt.
Edelsteine kommen im AT an nicht allzuvielen Stellen und meist im Rahmen von Aufzählungen vor: neben Ex 28,17-21 und 39,10-14 vor allem noch Hes 27,16 (wo die LXX einen tw. anderen hebr. Text hatte); Hes. 28,13 (wo leider die Namensliste aus Ex 28 in den LXX-Text gerutscht ist, der genau die 12 Steine des Brustschildes auflistet, während der MT nur neun Edelsteine nennt); Hi 28,6.15-19. Daher können wir über die genaue Bedeutung der Bezeichnungen in den meisten Fällen nur raten. Ähnliches gilt leider auch von den aram. Namen im Targum Onqelos.
Besser ist es um die Namen in der griech. Übersetzung (LXX) bestellt. Doch sind diese bei manchen Steinen offenbar nur Spekulation, wie Fletcher an Hand der Wiedergabe des hebr. שֹׁ֫הַם šoham zeigt:
Ähnlich die Übersetzung des תַּרְשִׁישׁ taršîš:
Konsistent ist hingegen (weil etymologisch naheliegend) die Übersetzung des hebr. סַפִּיר sappîr mit σάπφειρος sáppheiros.
Die lat. Vulgata hat für den šoham in Hi 28,16 lapis sardonicus, sonst immer (lapis) onychinus; für den taršîš in Hld 5,14 hyacinthus, sonst (lapis) chrysolitus (in Hes 1,16 offenbar anderer hebr. Text: quasi visio maris „wie der Anblick des Meeres“). Ansonsten gewinnt man aber den Eindruck, dass die Vulgata nur die griech. Namen übersetzt. Sie liefert also wenig zusätzliche Information.
Daher halte ich es für problematisch, aus der lat. Übersetzung und den Angaben Plinius' über das Aussehen der Steine (im 37. Buch seiner Naturalis historia) auf die Bedeutung des Hebr. zurückzuschließen. Die modernen Übersetzungen beruhen bei der Wiedergabe wohl zumeist auf den Ergebnissen solcher Schlussfolgerungen.
Ich bin kein Mineraloge und beziehe meine Informationen aus den diversen Wikipedia-Artikeln.
Mineralogie ist eine Wissenschaft; mit fortschreitender wissenschaftlicher Erkenntnis ändert sich die Bedeutung mancher Begriffe bzw. werden diese genauer definiert. U.a. hat man durch die Entdeckung des Mogánit (einer Modifikation von Quarz) Ende des 20. Jh. Chalcedon und Jaspis neu bestimmt. Daher muss man öfters zwischen landläufiger und mineralogischer Wortbedeutung unterscheiden. Im folgenden werden sehr vereinfachte Erklärungen gegeben.
Quarz, genauer α-Quarz, ist kristallines Siliciumdioxid (SiO2) und kommt in großen Kristallen als durchsichtiger Bergkristall, als violetter Amethyst, als rosaroter Rosenquarz, als hellgelber Citrin (auch Goldtopas genannt) und in anderen Formen vor. Quarz hat eine Härte von 7.
Der Chalcedon ist die mikrokristalline faserige Varietät des Quarzes. Er ist weiß bis blaugrau, kommt aber selten einfärbig, sondern zumeist mehrfärbig geschichtet vor: als grüner Chrysopras, als schwarz-weißer Onyx, als braun-weißer Sardonyx, als oranger bis roter (oder rot-weißer) Karneol. Mehrfarbig gebändert nennt man ihn Achat. Als grüner Stein mit roten Einschlüssen heißt er Heliotrop (auch Blutjaspis, Oriental. Jaspis). In der Mineralogie werden Karneol, Onyx, Achat usw. nicht mehr als Minerale betrachtet, sondern als Gesteine (Gemenge hauptsächlich aus α-Quarz und Mogánit). Chalcedon hat eine Mohshärte von 6,5.
Der Jaspis ist die mikrokristalline körnige Varietät des Quarzes. Er kommt gebändert, gesprenkelt und mit allen möglichen Mustern vor. Seine Hauptfarben sind rot, gelb, braun, grün. sein Härte ist 6,5 bis 7. Früher wurde Jaspis als eine Form des Chalcedons betrachtet.
Opal ist ein amorphes (d.h. nicht-kristallines) hydratisiertes Kieselgel (amorphes Siliciumdioxid). Viele Opale haben ein eigentümliches farbiges Schillern (sie opalisieren), was sie als Edelsteine begehrt macht. Der Opal hat eine Härte von 5,5 bis 6,5.
Feuerstein ist ein mikrokristallines Sedimentgestein aus verschiedenen Siliciumdioxid-Modifikationen (Opal, Mogánit, Chalzedon/Achat) und hat meist dunkelgraue, schwarze, grüne, braune oder (außen meist) weiße Farbe.
Olivin ist ein (zumeist olivgrünes opakes) Inselsilikat. Es kann aber auch durchsichtige hellgrüne Kristalle ausbilden, die man Chrysolith oder Peridot nennt. Olivin hat eine Härte von 6,5 bis 7.
Der Beryll ist ein Aluminium-Beryllium-Silikat. Es tritt häufig in Form durchsichtiger säulenartiger Kristalle unterschiedlicher Farbe auf: als grüner Smaragd, als hellblauer Aquamarin, als goldgelber Heliodor, als rosafarbener Morganit. Beryll hat eine Mohshärte von 7,5 bis 8.
Topas ist ein Aluminiumsilikat, das in reiner Form farblos ist und öfters mit dem Diamanten verwechselt wurde. Er kommt aber auch gelb, braun, rot, grün, blau, violett vor. In der alten Literatur ist damit aber ein gelber Stein gemeint. Topas hat eine Mohshärte von 8.
Korund ist ein Aluminiumoxid (Al2O3) und mit der Härte 9 nach dem Diamanten das härteste Mineral. Am bekanntesten ist es als roter Rubin und als nicht-roter Saphir. Im engeren Sinn meint man mit Saphir den blauen Korund.
Diamant ist reiner Kohlenstoff und mit einer Härte von 10 das härteste natürlich vorkommende Mineral. Er ist zumeist (annähernd) farblos, tritt aber gelegentlich auch gelb, grün, blau oder (sehr selten) rot auf.
Malachit ist ein Kupferkarbonat, das in verschiedenen Grüntönen vorkommt, häufig gebändert wie der Achat. Seine Härte beträgt 3,5 bis 4.
Lapislazuli ist ein dunkelblaues, glänzendes Gestein (aus Lazurit, Calcit, Sodalit u.a.), das häufig auch goldglänzende Pyriteinschlüsse aufweist. Es wurde früher auch zur Herstellung von blauen Farbpigmenten (Ultramarinblau) verwendet.
Zirkon ist ein Zirkoniumsilikat (ZrSiO4). Es kann farblos sein, tritt aber häufig in gelber, roter oder brauner Farbe auf, dann nennt man ihn Hyazinth. Zirkon hat eine Mohshärte von 6,5 bis 7,5.
Türkis ist ein wasserhaltiges Kupfer-Aluminium-Phosphat, das meist Knollen von charakteristischer blaugrüner Farbe ausbildet. Er hat eine Härte von 5 bis 6.
Als Granate bezeichnet man eine Gruppe von Inselsilikaten, die aus ganz unterschiedlichen Elementen bestehen können. Dazu gehören der rote Pyrop, der meist dunkelrote Almandin, der orangegelbe Spessartin (alle drei Härte 7 bis 7,5), der smaragdgrüne Uwarowit, der gelbgrüne Grossular (beide Härte 6,5 bis 7), der orangegelbe bis rotbraune Calderit (Härte 7) u.a.m. Im engeren Sinn meint man mit Granat die roten Exemplare.
Spinell ist ein Magnesiumaluminat (MgAl2O4). Er kann in ganz verschiedenen Farben auftreten (rot, grün, blau, schwarz), doch verstand man früher darunter die mehr oder weniger roten Exemplare. Spinell hat eine Mohshärte 7,5 bis 8.
Obsidian ist vulkanisches Glas, das meist (annähernd) schwarz ist. Es hat eine Härte von 6 bis 7.
Bernstein ist fossiles (versteinertes) Harz. Es hat eine geringe Härte von 2 bis 2,5.
Die Bedeutung antiker Edelsteinnamen ist meist nicht klar zu bestimmen. Da die Menschen der Antike noch keine chemische Analysen machen konnten und über keine Röntgenkristallographie verfügten, haben sie die Steine nach ihrem Aussehen, d.h. ihrer Farbe, ihrem Glanz, ihrer Oberfläche und evt. ihrer Herkunft kategorisiert. Man darf also davon ausgehen, dass Steine mit ähnlichem Aussehen mit demselben Begriff bezeichnet wurden, auch wenn es sich chemisch um ganz unterschiedliche Mineralien handelte. (So stellten sich manche Diamanten als Topas, manche Rubine als Spinell heraus.) Leider gibt es keine bildlichen Darstellungen, die uns etwas über die Farbe sagen könnten, so sind wir auf Beschreibungen angewiesen. Hierbei stellt sich aber das Problem, dass antike Farbbezeichnungen mit modernen nicht deckungsgleich sind (man denke an Homers weinfarbenes Meer oder grünen Honig). Die Bedeutung der Namen hat sich im Laufe der Zeit gewandelt.
Nach V. 21 soll in jeden Stein der Name eines der zwölf Stämme Israels geschnitten werden. Riehm nimmt an, dass das die ganz harten Steine (Diamant, Korund und wohl auch Spinell) ausschließt.
|
|
Der Sarder Luthers ist nach dem hebr. Namen ein rötlicher Stein.
Theoretisch in Frage kämen Rubin, Granat, Karneol, roter Spinell. Das griech.
Wort der LXX bezeichnet nach LSJ den Karneol (durchscheinend-roter carnelian
oder durchscheinend-brauner sardine). Sarder, Sardi[u]s ist
nach Grimm „ein rötlicher oder fleischfarbener achat“, also wohl ein anderes
Wort für (oder eine bestimmte Varietät von) Karneol.
Meine Einschätzung: Karneol war in der Antike sehr beliebt und erscheint mir
als der plausibelste Kandidat.
|
|
Bei Luthers Topas lässt das Hebr. nicht erkennen, um welchen
Stein es sich handelt. Das griech. Wort bezeichnet einen grünlichen Stein,
nach LSJ Chrysolith oder Peridot (das ist im Dt. offenbar dasselbe). Dieses
Wort kommt vom Namen einer heute zu Ägypten gehörenden Insel, die wohl eine
der ersten Fund- oder Abbaustätten für diesen Stein war. Dazu würde auch die
im Hiobbuch genannte Herkunft aus Kusch passen, ebenso wie die vermutete
Etymologie des hebr. Wortes.
Meine Einschätzung: Chrysolith/Peridot besitzen noch ein gewisses Maß an
Plausibilität.
|
|
Auch der Smaragd ist dem hebr. Wort sachlich nicht sicher zuzuordnen
(vermutlich aber etymologisch). Das griech. Wort der LXX bezeichnet einen
grünen Stein, wofür der Smaragd (grüner Beryll) eine Möglichkeit ist.
Zwickel optiert für den Malachit, der in Ägypten sehr beliebt war; andere für
ein verschiedenfarbig gebändertes Mineral wie Onyx oder Achat. Riehm zieht
den Dioptas (ein kupferhaltiges Silikat) mit in Betracht, Schiller auch
Türkis, grünen Jaspis und grünen Porphyr.
Symmachus' Wiedergabe klingt nach einer etymolog. Übersetzung, aber Heliotrop
ist ebenfalls grün und würde mit seinen roten Flecken zum hebr. Namen passen.
Meine Einschätzung: Wenn die Übers. der LXX korrekt ist, ist wohl Schillers
Einschätzung zutreffend: ein grüner Stein unterschiedlicher chemischer
Zusammensetzung. Aber wie das zum hebr. Blitzstein passt, sehe ich
nicht.
|
|
Auch der Rubin ist dem hebr. Wort nicht sicher zuzuordnen. Wenn die
vermutete Etymologie stimmt, wäre es ein (blau)grüner Stein.
Das griech. Wort bezeichnet (nach Theophrast, lapid. 18) einen Stein,
der, wenn er ins Licht gehalten wird, die Farbe rotglühender Kohle hat.
Nach LSJ umschließt das Karfunkel, Rubin und Granat. (Karfunkel,
engl. carbuncle, ist eine veraltete Bezeichnung für rote Edelsteine
wie Granat, Rubin, Spinell.) Nach Riehm ist es daher der Granat (der Rubin
war zu hart zum Gravieren).
Schiller versteht das griech. Wort im Sinne der kalten Kohle, sieht darin
also einen (annähernd) schwarzen Stein, z.B. Serpentin, Feuerstein, schwarze
Jade oder dunklen Kalkstein.
Meine Einschätzung: Schiller und Zwickel liegen m.E. falsch. Aber ob es sich
um einen grünen oder roten Stein handelt, ist nicht zu entscheiden.
|
|
Der Saphir ist im Dt. ein zumeist blauer Korund, hier ist nach allgemeiner
Übereinstimmung der in der Antike sehr geschätzte Lasurstein oder Lapislazuli
gemeint. Hi 28,6 könnte so verstanden werden, dass in dem Stein kleine
Goldeinschlüsse sind. So sagt auch Theophrast (lapid. 23), dass der
sappheiros „wie mit Gold bestreut“ sei, Plin. (nat. 37,119 [Kap. 39]),
dass in den sappiri „Gold in Punkten glänzt“. Auch das würde zum
Lapislazuli passen, der nicht selten Einschlüsse von golden glänzendem Pyrit
enthält.
Meine Einschätzung: Lapislazuli dürfte mit einiger Wahrscheinlichkeit das
Richtige treffen.
|
|
Diamant (so Luther und KJV) war wahrscheinlich keiner unter den Steinen des
Brustschildes. Denn vor der röm. Zeit konnte man den Diamanten nicht schneiden.
Als Diamant wird von Ges. der שָׁמִיר šamîr
(z.B. Jer 17,1) übersetzt. Das griech. Wort bezeichnet vermutlich den Jaspis.
Nach Rienecker und Riehm muss man hier auch an den Opal denken.
Meine Einschätzung: Wir können nur raten. Der Opal wurde in der Antike sehr
geschätzt und einer der Steine dürfte ein solcher gewesen sein. Aber ob
dieser?
|
|
Lynkurer ist wohl Bernstein (v. griech. λυγγούριον/ λυγκούριον/
λιγκούριον lyngoúrion/ lynk-/ link-, dieses nach LSJ Suppl. aber
viell. gelber oder brauner Turmalin). Weder das hebr. Wort (nach Klein
üblicherweise mit Opal oder Hyanzinth identifiziert), noch das griech.
(unklar, ob identisch mit λυγγούριον) geben näheren Aufschluss. Die von
Plin. nat. 37,52f [Kap.13] berichtete Anziehungskraft des Steines könnte die
Reibungselektrizität beim Bernstein oder die Pyroelektrizität des Turmalins
beschreiben (oder einfach Humbug sein, wie Plin. vermutet).
Meine Einschätzung: Wie wissen nicht sicher, was das griech. Wort bedeutet,
wir haben keine Ahnung, was das hebr. bezeichnet. Geschliffener Feuerstein
sieht übrigens dem Achat manchmal zum Verwechseln ähnlich.
|
|
Achat beruht auf der griech. Übersetzung, die Bedeutung des hebr.
Wortes ist nicht mehr festzustellen. Friedrich Delitzsch, Prolegomena e.
neuen hebr.-aram. Wb. zum AT, S. 84-86 bestimmt den hebr.
šeḇô, resp. sein ass. Pendant šubû
(weil im Assyr. Edelstein par excellence) als Diamanten. Doch beruht das auf
der meines Erachtens irrigen Annahme, die Antike hätte die heutige Wertschätzung
für den Diamanten geteilt. Tatsächlich will mir scheinen, die Alten hätten
Steine von kräftiger, leuchtender Farbe bevorzugt. Und dass es fraglich ist,
ob unter den Steinen auf dem Brustschild überhaupt ein so harter und schwer
zu bearbeitender Stein war, wurde oben bereits gesagt. Das CAD sagt denn auch
zum šubû lapidar (Wortspiel!): „ein Stein, vielleicht Achat“.
Meine Einschätzung: Alles nur geraten. Wir wissen es nicht.
|
|
Amethyst wieder nach der griech. Übers., auch hier bleibt das
hebr. Wort unerklärt. Doch wenn die vermutete äg. Etymologie stimmt, stünde
sie zumindest nicht im Widerspruch zur griech. Übers.
Der griech. Name angeblich „nach der lila-violetten Farbe des in so hohem
Grade mit Wasser verdünnten Rotweins, daß er nicht mehr trunken machen kann“
(Adolf Clausing, „Der Amethyst“, in: Glotta 20 (1932) S. 292,
bei JSTOR). Aber das ist
wohl eine Beschönigung, denn die Antike schrieb den Edelsteinen allerhand
magische Wirkungen zu (vgl. etwa die orphischen Lithika oder was Plin. über
den Achat schreibt).
Meine Einschätzung: Der Amethyst steht auf mehr als wackeligen Beinen. In
Wirklichkeit kann das hebr. Wort alles mögliche bezeichnen.
|
|
Türkis (so Luther) passt nicht zum griech. Wort der LXX, das einen
gelben Stein (oder einen mit goldglänzenden Einschlüssen?) bezeichnet. Nach
LSJ ist dies Topas bzw. lt. Supplement Peridot. Die Abgrenzung zum topazion
(s. 2) ist unklar. Das hebr. Wort bleibt einmal mehr im
Dunkeln. Selbst wenn die vermutete Etymologie und die Gleichsetzung mit der
Hafenstadt an der span. Küste stimmen sollte, hilft uns das nicht viel, denn
Tartessos war wohl Umschlagplatz für Waren, die von weither kamen (z.B. Zinn
von den brit. Inseln).
Meine Einschätzung: Chrysolith, Citrin sind nur geraten. Wir wissen es nicht.
|
|
Einige Stellen im AT lassen diesen Stein als Edelstein schlechthin (wie bei
uns der Diamant) erscheinen.
Das griech. Wort bezeichnet nach LSJ einen grünen Stein, den Beryll. Heute
verstehen wir unter Beryll ein Aluminium-Beryllium-Silikat, dessen
bekannteste Vertreter Smaragd und Aquamarin sind.
Nach Riehm handelt es sich hier um den Onyx oder den Chrysopras.
(Chryso-pras heißt „Gold-Lauch“ und Riehm denkt an eine Verwandtschaft
von שֹׁהַם šoham mit שׁוּם
šûm „Lauch“ [richtiger: „Knoblauch“].)
Friedrich Delitzsch, Wo lag das Paradies?, kommt S. 18 zum Schluss,
„dass der Schohamstein […] seinem Wesen nach zur Zeit unbestimmt bleiben
muss“. S. 60f setzt er ihn mit ass. šâmtu, šâmdu gleich und zieht
hierfür den Karneol in Betracht (so auch das CAD).
Meine Einschätzung: Smaragd wäre eine Möglichkeit – mehr aber nicht.
|
|
Vom hebr. Wort stammt wohl das Wort Jaspis (s. 6)
her, aber der Jaspis der Antike entsprach eher unserem Chalcedon oder Onyx.
Wie die Elberfelder Übers. gerade auf den Nephriten (vermutl. gemeint: grüne
Jade) kommt, bleibt ihr Geheimnis. Der Chalcedon Zwickels beruht auf der
Beschreibung des Onyx (so die Wiedergabe in der LXX) bei Plinius. Wieso er
gerade blau sein muss, verstehe ich nicht.
Meine Einschätzung: Achat oder Onyx sind wohl plausible Kandidaten, aber
sicher ist nichts.
Praktisch keiner der Edelsteine des Brustschildes kann vom Hebr. her mit Sicherheit bestimmt werden. Am größten ist die Wahrscheinlichkeit der Zuordnung beim 5. Stein als Lapislazuli. Bei der griech. Übersetzung der LXX ist die Situation zwar besser, aber wie oben gezeigt, dürfte sie größtenteils auf Vermutung beruhen.
In Wolfram von Eschenbachs Versroman Parzival finden sich mehrmals Aufzählungen von Edelsteinen. Ich greife zwei heraus (mhd. Text nach bibliotheca Augustana).
Die Rüstung des Feirefiz (Parzivals Halbbruder) ist mit Edelsteinen besetzt (735,21f), ebenso sein Schild (741,6ff).
735 | rubbîne, calcidône, | Rubine, Chalzedone |
wârn dâ ze swachem lône. | waren da (noch) von niedrigem Wert (d.h. waren im Vergleich zu den anderen Steinen noch die minderwertigsten). | |
… | ||
741 | turkoyse, crisoprassis, | Türkise, Chrysoprase, |
smârâde und rubbîne, | Smaragde und Rubine, | |
vil stein mit sunderschîne | viele Steine mit besonderem Glanz | |
wârn verwiert durch kostlîchen prîs | waren eingelegt um einen kostbaren Preis | |
10 | alumbe ûf diu buckelrîs. | ringsum auf der Schildverzierung. |
ûf dem buckelhûse stuont | Auf dem Schildbuckel saß | |
ein stein, des namn tuon ich iu kuont; | ein Stein, dessen Namen tue ich euch kund: | |
antrax dort genennet, | Anthrax dort (im Orient, woher Feirefiz kommt) genannt, | |
karfunkel hie bekennet. | als Karfunkel hier bekannt. |
Rubin aus gleichlautend afrz. rubin, dieses eine Bildung zu lat. rubeus „rot“. Ursprl. eine weitere Bezeichung für den Karfunkel, also einen (dunkel-)roten Stein, dem man nachsagte, dass er im Dunkeln leuchten könne. Ein Rubin ist die Krone Belacanes (24,12), die Grabplatte Gahmurets (Parzivals und Feirefizens Vater) ist aus Rubin (107,7), ebenso die Schnalle des Gürtels, den Cunneware dem Parzival gibt (307,6).
Karfunkel ist lat. carbunculus „Kohlchen“, Demin. von carbō „Kohle“, nach dem Wort Funke umgebildet. Nach dem Vorbild von gr. ἄνθραξ ánthrax „Kohle“, das auch einen dunkelroten Edelstein bezeichnen konnte, wurde auch lat. carbunculus so verwendet. Bei Albertus Magnus ist die edelste Variante des Karfunkels der Rubin. Wolfram weiß also, dass dieser Stein im Orient einen griechischen, im Okzident einen lateinischen Namen hat. Nach 482,24ff wächst der Karfunkel unter dem Horn des Einhorns.
Smaragd aus lat. smaragdus, gr. σμάραγδος smáragdos, zu hebr. בָּרֶ֫קֶת bāræqæt, akkad. barraqtu (s.o. Nr. 3). Bezeichnung für einen grünen (Halb-)Edelstein. Der berühmte Ring des Polykrates war nach Hdt. 3,41 mit einem smáragdos besetzt.
Türkis, mhd. häufig turkoys, von frz. la turquoise (erg. pierre) „türkischer (Stein)“ (weil die Kreuzfahrer den Stein in der Türkei kennenlernten?).
Lat. chalcēdōn von gr. χαλκηδών khalkēdṓn (nur Offb 21,19, Vulg. carcēdonius oder calcēdonius). Benannt wohl nach der Stadt Chalkedon (besser Kalchedon) am Bosporos und vielleicht eine Vermischung aus dem (smaragdus) Calchedonius (Plin. nat. 37,72) und dem (carbunculus) Carchedonius (Plin. nat. 37,92ff, Carchedon = Karthago). In der Antike nach Lüschen ein roter Stein, im Mittelalter erfolgte der Bedeutungswandel zu einem eher grauen, blassen Stein.
Chrysopras von gr. χρυσόπρασος khrysóprasos, dies zusammengesetzt aus χρυσός khrysós „Gold“ und πράσον práson „Lauch“. In der Antike ein gelbgrüner Stein.
Die wohl längste Aufzählung von Edelsteinen im Parzival ist 791, die Edelsteine an der Bettstatt des Amfortas:
791 | Karfunkl unt silenîtes, | Karfunkel und Selenit (Mondstein), |
balax unt gagâtromes, | Balasrubin (=Spinell?) und Gagatrom, | |
ônix unt calcidôn, | Onyx und Chalzedon, | |
coralîs unt bestîôn, | Koralle und Asbestos, | |
5 | unjô unt optallîes, | Perle und Opal, |
cerâuns unt epistîtes, | Keraunia (Donnerstein) und Hephästit, | |
jerachîtes unt eljotrôpîâ, | Jerachit und Heliotrop, | |
panthers unt antrodrâgmâ, | Pantherus (=Panchrus?) und Andródamas, | |
prasem unde saddâ, | Prasem und Sagda, | |
10 | emathîtes unt djonisîâ, | Hämatit und Dionysias, |
achâtes unt celidôn, | Achat und Chelidon (Schwalbenstein), | |
sardonîs unt calcofôn, | Sardonys und Chalzophon, | |
cornîol unt jaspîs, | Karneol und Jaspis, | |
echîtes unt îrîs, | Aetitis (Adlerstein) und Iris (=Bergkristall?), | |
15 | gagâtes unt ligûrîus, | Gagat und Lynkurer, |
abestô unt cegôlitus, | Asbestos und Tekolith (Judenstein), | |
galactîdâ unt jacinctus, | Galaktit und Hyazinth, | |
orîtes unt enîdrus, | Oritis und Enhydros (Wasserstein), | |
absist unt alabandâ, | Apsyktos und Almandin, | |
20 | crisolecter unt hîennîâ, | Chryselektrum (Goldbernstein) und Hyänenstein, |
smârât unt magnes, | Smaragd und Magnet, | |
sapfîr unt pirrîtes. | Saphir und Pyrit. | |
ouch stuont her unde dâ | Auch standen hier und da | |
turkoyse unt lipparêâ, | Türkise und Liparäa (=Obsidian?), | |
25 | crisolte, rubîne, | Chrysolithe, Rubine, |
paleise unt sardîne, | Balasrubine und Sarder, | |
adamas unt crisoprassîs, | Diamant und Chrysopras, | |
melochîtes unt dîadochîs, | Malachit und Diadochos, | |
pêanîtes unt mêdus, | Päanit und Medus, | |
30 | berillus unt topazîus. | Beryll und Topas. |
In dieser Aufzählung breitet Wolfram sein gelahrtes Wissen aus und nennt viele klingende und exotische Namen. Viele dieser Bezeichnungen sind für uns nichts als Namen, die wir nicht weiter zuordnen können. Darin ähnelt die Aufzählung der obigen des AT. Ich bezweifle aber, dass Wolfram selbst in jedem einzelnen Fall wusste, wie der Stein aussah. Man hat den Eindruck, dass der Dichter ein Mineralogielexikon geplündert hat. Daher wohl auch die gelegentlichen Zweifachnennungen (bestîôn = abestô, balax = paleis). Manche Bezeichnungen gehen von einer tatsächlichen oder im Mittelalter vermuteten Eigenschaft oder (oft wunderbaren) Wirkung der Steine aus: Adamas (=Diamant) „unbezwingbar“ (wohl wegen der Härte), Asbestos „unauslöschlich“, Androdamas „Männerbezwinger“, Apsyktos „unkühlbar“; vom nach dem antiken Weingott benannten Dionysias glaubte man, er schütze gegen Trunkenheit; vom nach dem Feuergott benannten Hephästit, dass er Feuer sprühen könne. Vieles davon ist märchenhaft, sodass die reale Existenz manchen Steines bezweifelt wird.
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 15. Juli 2023