Michael Neuhold Homepage
Startseite >
Biblica >
Nachforschungen zu Gen 14
Die Abrahamserzählung Gen 12-25 lässt nicht erkennen, wann genau Abraham gelebt haben soll. Es wird zwar von einer Begegnung mit dem ägyptischen Pharao berichtet (Gen 12,10-20), doch wird, wie in der Geschichte von Mose und dem Exodus, sein Name nicht genannt.
In Gen 14 bricht politische Geschichte in die Erzählung ein: ein Feldzug mesopotamischer Potentaten zur Rückeroberung von Gebieten Südpalästinas betrifft auch Abraham (der zu dieser Zeit noch Abram heißt), weil sein Neffe Lot dadurch in Kriegsgefangenschaft gerät. Und hier werden Namen genannt. Daher war die Textpassage lange Zeit Zankapfel der theologischen Lager.
Schlaumeier aller Couleurs haben dazu ihre Meinung geäußert. Hier die Verfechter der historischen Zuverlässigkeit atl. Überlieferung, dort die Skeptiker, die die Abrahamserzählung für reine Legende ohne jeden historischen Wert hielten. Hier die gut gemeinten, aber m.E. verfehlten Konjekturen Hommels, wie der ursprüngliche Text ausgesehen habe, dort die von Hommel angegriffene Pentateuchkritik.
Leider kann ich nur frei verfügbare und d.h. steinalte Kommentare und Aufsätze referieren. Aber es scheint, dass das erstere Lager inzwischen weitgehend verstummt ist. Eines noch vorweg: den sich dauernd ändernden Theorien von J, E oder P, Südreichstradition versus Nordreichstradition, ältere Überlieferung versus jüngere Redaktion usw. bin ich nicht nähergetreten. Da sich ein wirklicher Konsens bei den Details der Quellenscheidung nicht einzustellen scheint, halte ich es für sinnlos, auf mutmaßlichen älteren Textstufen, die nichts als – oft an den Haaren herbeigezogene – Spekulation sind, folgenreiche Theorien aufzubauen. Ich bin der Ansicht, wir sollten den Text interpretieren, den wir haben. Natürlich ist es reizvoll zu spekulieren, wie er zustandegekommen ist, wie seine Quellen ausgesehen haben mögen, usw. Aber man sollte sich der Grenzen solcher Überlegungen bewusst sein und sie nicht im Brustton der Überzeugung zu unumstößlichen Erkenntnissen erklären.
Gen 14 berichtet von einer Koalition von vier mesopotamischen Herrschern, die sich zu einem gemeinsamen Feldzug gegen eine Pentapolis im südlichen Jordangraben, welche sich ihrer Tributpflicht entschlagen hatte, aufmacht. Die vier Könige heißen in der Reihenfolge der ersten Nennung:
Bei der zweiten Aufzählung der Könige in V. 9 erscheinen sie in anderer Reihenfolge: Kedor-Laomer von Elam, Tidal von Gojim, Amrafel von Schinar, Arjoch von Ellasar. Kedor-Laomer ist der König, dem die Pentapolis tributpflichtig war (V. 4f).
Unabhängig davon, ob man dem Text eine auf tatsächlichen historischen Ereignissen beruhende Überlieferung zubilligt, kann, ja muss man fragen, ob die Namen auf historische Persönlichkeiten verweisen oder ob es sich um reine Phantasienamen handelt.
Šinʿār ist unzweideutig Babylonien (s. Gen 10,10; 11,1-9). Die Herkunft des Namens ist im Dunkeln. Ob er mit dem Amarna 35,49 genannten Šanḫar identisch ist, ist umstritten. Šanḫar wird von Otto Weber (Bd.2 von Knudtzons El-Amarna-Tafeln, S. 1082f) auf Mitanni gedeutet. Winckler dachte an eine Region in Kilikien, Knudtzon an den Fluss Sagur (heute Sāǧūr, ein westlicher Nebenfluss des Euphrat). Dann hat Šanḫar aber wohl nichts mit Šinʿār zu tun. Ein anderer Kandidat für die Herkunft des Namens ist äg. ś(ꜣ)ngr o.ä., meist mit „Babylonien“ wiedergegeben. Dieses wird meist gleichgesetzt mit griech. Σίγγαρα, lat. Singara. Doch liegt Singara (heute arab. Sinǧār, nordkurd. Şingal) im Nordirak und damit m.E. zu weit nördlich, um die Quelle für Šinʿār zu sein.
Albright setzt Šinʿār = Śngr = Šanḫar = Singara und identifiziert dieses mit Ḫana, einem kleinen mesopotamischen Reich, dessen Hauptstadt Tirqa ein wenig südlich der Mündung des Chabur in den Euphrat gelegen hat (heute in Syrien).
Der Name Amrafel (ʾmrpl) ist ebenfalls schwer zu deuten. Namen wie akkad. *Amurru-apalu „(Gott) Amurru tritt (für mich) ein” (s. Ziemer, Art. Amrafel), *Amurru-âpil „Amurru belohnt“ (so Albright) o.ä. wären lautlich passende Kandidaten, sind aber inschriftlich nicht belegt. Geht man davon aus, dass der Autor von Gen 14 einen realen König Babyloniens namhaft machen wollte, ist trotz aller lautlichen Schwierigkeiten Hammurapi der geeignetste Kandidat.
Die häufigste babyl. Schreibung von Hammurapis Namen ist Ḫa-am-mu-ra-bi.
Bereits Frd. Delitzsch hält den Namen für babylonisch und sieht im Vorderglied
babyl. ḫammu „Familie“, im Hinterglied babyl. rabî „groß“.
Ungnad denk beim Vorderglied an einen theophoren Namen „der Gott ʿAmm“ und
will sich beim Hinterglied nicht festlegen. Er betont aber, dass die gelegentliche
Schreibung mit -pi zeige, dass man von einem Wort mit /p/ ausgehen
müsse; die Schreibung -bi-iḫ wiederum zeige, dass am Wortende wohl
noch ein Kehllaut gestanden habe.
Prince denkt beim Hinterglied an ein Partizip vom Stamm rapû „heilen“
(vgl. hebr. רפא rpʾ „heilen“): „Ammu
is the healer“ .
Luckenbill meint, bi/pi sei Wiedergabe eines westsemit. wi;
rawiḫ ~ רוח heißt „weit, geräumig sein“.
Beim Vorderglied denkt er an westsemit. עם „Leute,
Familie“.
Albright behauptet, dass in Eigennamen ʿamm nirgends „göttlicher
Onkel“ bedeute, sondern „Leute, Volk“, eine Hypostasierung des Volksgeistes.
Die Bedeutung ʿamm „Vatersbruder“ sei eine Bedeutungsverschiebung
im Arab. Albright nimmt damit offenbar auf Stimmen Bezug, die beim Vorderglied
auf arab. عَمّ ʿamm „Vatersbruder, Onkel“ (vgl. hebr.
עַם ʿam[m] „Stammesgenosse, Verwandter“)
verweisen.
Die engl. Wikipedia behauptet (ohne Quellenangabe), der Name sei amurrit.
ʿAmmu-rāpi „der Vatersbruder ist Heiler“, zusammengesetzt aus amurrit.
ʿammu „Vatersbruder, väterlicher Verwandter“ und rāpi
„Heiler“.
Albright hält (entsprechend seiner Deutung von Šinʿār) Amrafel für einen König von Ḫana, den er ins 17. Jh. datiert.
Ziemer sieht in dem Namen Arjoch ein hurrit. Arriwuk, das keilschriftlich u.a. als Name des Sohns von König Zimri-Lim von Mari (ein Zeitgenosse Hammurapis) belegt sei. Aber wo liegt Ellasar? Laut Ziemer wurde es traditionell in Kleinasien (Kappadozien, Pontus) verortet. Das kommt für eine Koalition mesopotamischer Herrscher aber wohl kaum in Frage.
Hommel sieht in dem König den Eri-Aku (Schrader Iʾri(m)-Aku), d.i. „Diener des Mondgottes“, von Larsa, einen weiteren Zeitgenossen Hammurapis. Doch ist diese sumerische Lesung (akkad. Arad-Sin) von Frd. Delitzsch und Jensen für mehr oder weniger falsch erklärt worden. Andernorts hält Delitzsch die Identifikation von ʾlsr mit Larsa für plausibel.
Albright schlägt ein (hurrit.) *Ari-Aku „Geschenk des (Mondgottes) Aku“ von Alsî vor – Alsî war ein zeitweise selbständiger Teil des Mitanni-Reiches – oder von Akarsallu (wobei eine Umstellung der Konsonanten zu ʾklsr und dann Ausfall des k angenommen werden müsste) – ebenfalls im Mitanni-Gebiet.
Elam (ass. elamtu „Hochland“) ist die östlich des Tigris gelegene Region am Nordostende des Persischen Golfs, der sich in der Antike viel weiter nach Nordwesten erstreckte als heute.
Kedor-Laomer ist wohl elam. Kudur-Lagamar „Hirte, Führer ist Lagamar“ (so das Wörterbuch von Hinz/Koch), andere verstehen Kuter- „Heger, Pfleger“ oder Kutur-, Kutir- „Träger, Schützer, Fürst“. Andere Quellen übersetzen den Namen mit „Diener der Lagamar“ (z.B. das alte Bibellexikon von Rienecker).
Gegen die von Ziemer (Art. Kedor-Laomer) referierte Konstruktion des Namens nach dem Atbasch-Prinzip spricht, dass er gut elamisch ist. Das Ajin ist offenbar Wiedergabe eines /ġ/ (daher LXX Χοδολλογομορ), die Vokalisation wie bei מֹלֶךְ Mólæk oder עַשְׁתֹּרֶת ʿAštóræt nach hebr. בֹּשֶׁת bóšæt „Schande, Götze“ geändert.
Scheil glaubt, in einem Brief Hammurabis an Sin-idina die keilschriftliche Schreibung Ku-dur-nu-úḫ-ga-mar (~ Kutur-nuggamar?) als Kudur-luggamar verstehen zu dürfen. Hommel schließt sich dem an, dagegen allerdings Knudtzon/Delitzsch. King liest stattdessen Inuḫsamar.
Es ist schwer zu beurteilen, wer hier recht hat. Ich kann nicht Keilschrift lesen und habe auch keine Abbildungen des fraglichen Täfelchens gesehen. King spricht von „emendations“, aber was hat er hier emendiert: die Fehllesungen Scheils oder den Keilschrifttext selber?
In den Fragmenten der Sammlung Spartoli finden sich die Namen Kudur-luggamal und Kudur-dugmal, die Hommel ebenfalls als Varianten von Kudur-Lagamar versteht. Albright hat diesen Lesungen noch zugestimmt. Doch sagt das Wörterbuch von Hinz/Koch, der Name sei inschriftlich nicht belegt. Die scientific community hat sich also offenbar Hommel nicht angeschlossen.
Ein „König von Völkern“ (so wörtlich, wenn man wie die LXX gôjim als Appellativum versteht) ergibt wenig Sinn. Gôjim dürfte ein (vielleicht entstellter) Völker- oder Landesname sein, möglicherweise Gutium/ Gutäer (גּוּתיִם Gûtîm?). Die Gutäer waren ein iranisches Volk, das gegen Ende des 3. Jt. sogar die Herrschaft über Akkad übernommen hat. Dieses Gojim ist wohl kaum identisch mit dem unter Josua eroberten Gojim zu Gilgal (LXX: in Galiläa) (Jos 12,23). Sayce interpretiert Gôjim als Wiedergabe des babyl. ummân-manda „Völkerhorden, feindliche Heere“ aus einem der Spartoli-Fragmente (das British Museum schreibt auf seiner Homepage Spartali).
Ass. ummân-mandu „Völkerhorde, Gesamtbezeichnung der zeitweise unter Mediens Vorherrschaft stehenden, Assyrien feindlichen nordischen Völker, der Gimirräer, Mannäer, Skythen u.a.m.“ (Delitzsch S. 87b), „enemy horde“ (CAD Bd. 20, S. 102). Zusammengesetzt aus ummânu „Volk, Heer“ und maddu, maʾadu „viel, zahlreich“.
In besagtem Spartoli-Fragment ist ein Tudḫula, Sohn des Gazza, belegt, ohne dass wir ihn geographisch (vermutlich Elam) oder historisch klar einzuordnen vermögen. Sayce sieht im bibl. Tidal den hethit. Tudḫaliya (und setzt ihn auch noch gleich mit dem griech. Tantalos). Doch der früheste Hethiterkönig dieses Namens stammt aus dem 15. Jh., einer Zeit also, zu der nach atl. Tradition die Nachkommen Jakobs längst als Sklaven in Ägypten dienten. Ganz unmöglich ist Tuthaliya von Karkemiš aus dem 11. oder 10. Jh. v. Chr.
Schinar (= Babylonien) und Elam sind klar, Ellasar und Gojim jedoch nicht. Amrafel könnte eine Erinnerung an den bedeutenden Hammurapi sein, bei Arjoch hängt alles an der Lesung. Die beiden anderen Namen kennen wir nicht wirklich. Vielleicht also ist die Geschichte ins 18. Jh. v.Chr. zu denken. Vielleicht! Die vorherrschende akademische Ansicht ist, dass die Israeliten keine echten Kenntnisse der Geschichte des 2. Jt. v.Chr. gehabt hätten. Das ist natürlich ebenso weltanschaulich motiviert wie die gegenteilige Ansicht. Ich sehe keine unwiderlegbaren Beweise weder in die eine noch in die andere Richtung.
Die fünf Könige, gegen die der Feldzug gerichtet ist, sind:
Die Namen der Könige sind für uns nur Namen. Auffällig ist, dass der Name des Königs von Sodom nach רַע raʿ „böse; Böses, Übel“ klingt, der des Königs von Gomorra nach רֶשַׁע rǽšaʿ „Gottlosigkeit, Unrecht“. Da hat mancher Ausleger sprechende, aber frei erfundene Namen vermutet. Dillmann wendet ein, dass die LXX etwas abweichende Namensformen überliefert hat, nämlich Βαλλα, Βαρσα, Σεννααρ (das für den Samarit. behauptete שנאר weder bei Petermann, noch bei Gall), Συμοβορ (Peschitta ܫܡܐܝܪ Šmʾjr, Samarit. ࠔࠌࠀࠁࠃ, d.i. שמאבד Šmʾbd): „Bei solcher Unsicherheit der Überlieferung ist eine Deutung der Namen nach dem Hebr. zum mindesten bedenklich.“ (S. 234)
Die Städte der Pentapolis lagen wohl im כִּכַּר הַיַּרְדֵּן kikkar haj-Jarden „Umkreis des Jordan“ (Gen 13,10). Die Bezeichnung lässt eigentlich auf den Bereich nördlich des Toten Meeres schließen. Nach 14,3.8.10 kann man vermuten, dass die Städte im oder in der Nähe des Tals der Siddim, עֵמֶק הַשִׂדִּים ʿémæq haś-Śiddîm, lagen. Siddim steht immer mit Artikel, das Wort ist aber unerklärt. Die LXX gibt es mit (ἡ) φάραγξ (ἡ) ἁλυκή (V. 3) bzw. (ἡ) κοιλὰς (ἡ) ἁλυκή (V. 8.10) „salzige Schlucht“ wieder (vgl. arab. شذام šaḏām „Salz“). Theodotion übersetzte nach dem Zeugnis des Hieronymus τῶν ἀλσῶν „der Haine“, Aquila τῶν περιπεδίνων „des ringsum ebenen Landes“ od. dgl. Renan konjiziert שֵׁדִים šedîm „der Dämonen“. Dillmann schreibt: „Siddimthal d.i. Thal der ebenen Felder“, er denkt offenbar an einen Zusammenhang mit hebr. שָׂדֶה śādæ̂ „Feld“. Die Glosse V. 3 sagt: „das ist (jetzt) das Salzmeer“. Wegen der V. 10 genannten Asphaltgruben und des Umstandes, dass es am Südende des Toten Meeres natürliche Asphaltvorkommen gibt, nimmt man an, dass hier an das flache südliche Becken des Toten Meeres gedacht ist. Die einst wassereiche, fruchtbare Gegend (so Gen 13,10) ist um der Menschen Schlechtigkeit willen durch Gottes Strafgericht in eine menschenleere, lebensfeindliche Ödnis verwandelt worden.
Sodom und Gomorra sind bekannt und sprichwörtlich wegen ihrer nur wenig später erfolgten Vernichtung durch Gott (Gen 19,24). Der Name Sodom ist unerklärt. Gesenius vermutet im Thesaurus ein שְׁדֵמָה šedemâ, das ist entweder „Ackerland, Flur“ oder eine Nebenform zu שְׁדֵפָה šedepâ „Versengung, (Getreide-)Brand“. Den Namen Gomorra stellt Lagarde zu arab. غمر ġamr „bedecken“, eine Bezeichnung, die aber erst nach dem Untergang der Stadt gegeben worden sein kann. Zur Lokalisierung s. Die Suche nach Sodom (Folge 10 der 13teiligen Doku-Reihe Die Bibel: Rätsel der Geschichte des ZDF History Channel).
Zoar („klein, gering“) ist die Stadt, in die Lot sich vor der Vernichtung Sodoms retten darf (Gen 19,20-23). Der Ort wird verschont und kann nach Gen 13,10 und Dtn 34,3 (trotz Jericke) am Südende des Toten Meers vermutet werden. In der Königszeit war der Ort wohl (wiederum gegen Jericke) moabitisch (Jes 15,5; Jer 48,34). Auf der Mosaikkarte von Madaba ist am Südostende des Toten Meeres ein von Palmen umstandener Ort Βαλακ ἡ ϗ Σ[ηγωρ ἡ νῦν] Ζοορα Balak, das auch S[egor, das jetzt] Zoora (heißt) verzeichnet (so Jacobys Ergänzung nach Eusebius). Vermutlich dessen Reste wurden auf dem Chirbet eš-Šēch ʿĪsā ergraben. Graham Harris (The Destruction of Sodom, S. 36) vermutet das biblische Zoar in der Grabungsstätte von Bāb eḏ-ḏhrāʿ, östlich des Toten Meeres zwischen Nord- und Südbecken gelegen.
Die Südspitze des Toten Meeres auf der Mosaikkarte befindet sich hinter einem Pfeiler und ist auf den wenigen Fotos, die ich davon im Netz gefunden habe, meist mit einem Läufer abgedeckt. Hier muss man leider mit einer der verkleinerten Reproduktionen Vorlieb nehmen, z.B. jener, die, wie ich annehme, vor der Kirche aufgestellt ist.
Der ursprüngliche Name Bǽlaʿ (LXX: Βαλακ, das Ajin also als Velar wiedergegeben) bedeutet als Appellativum „Verschlungenes, Verderben“. Das ergibt nicht viel Sinn, da die Stadt ja gerade nicht vernichtet wurde. Hommel nimmt daher eine keilschriftliche Vorlage mit Verwechslung von ba und ma an; der ursprüngliche Name soll ass. Malgû, Malagî o.ä. gewesen sein (er ist keilschriftlich belegt), dies wiederum soll auf Melachi (zu hebr. מֶלַךְ mǽlaḥ „Salz“) zurückgehen. Das sind ein bisschen viel Annahmen.
Über Adma und Zebojim wissen wir nichts, außer dass sie in der Gegend von Sodom und Gomorra gelegen haben (Gen 10,19) und mit diesen untergegangen sind (Dtn 29,22; Hos 11,8).
In Gen 14,13 wird gesagt, dass ein Entronnener kommt und das Ereignis Abram, dem Hebräer berichtet. Nun befinden wir ins mitten in der Abrahamserzählung. Warum fühlt sich der Erzähler bemüßigt, dem Abram ein Epithet mitzugeben? Was soll damit erklärt werden? Was bedeutet es überhaupt? Dies ist übrigens die erste Stelle im AT, an der der Begriff Hebräer auftaucht. Die LXX gibt es hier mit περάτης wieder (nach Pape und Liddell/Scott/Jones περατής) „Herübergekommener, Zugewanderter, Immigrant“ (περάω „hinübergehen, hin(durch)kommen“, τὸ πέραν „das jenseitige Ufer“) .
Hebr. עִבְרִי ʿIbrî wird einerseits zum Personennamen עֵבֶר ʿEbær gestellt. Doch wie Stade bemerkt (S. 1), handelt es sich dabei doch wohl um eine „Personification des Hebräischen Volkes zu genealogischen Zwecken“ wie bei Aeolus (Äolier), Dorus (Dorer) u.ä. Richtiger gehört das Wort wohl zum gleichlautenden Appellativum „das Jenseitige, Gegenüberliegende“ (von עבר „überschreiten, vorübergehen“). Die עִבְרִים ʿIbrîm „die von drüben, von der anderen Seite (des Flusses)“ war also wohl Fremdbezeichnung im Munde anderer Völker. Dazu stimmt, dass das Wort meist als Bezeichnung von Israeliten im Munde von Nichtisraeliten und als Selbstbezeichnung von Israeliten gegenüber Nichtisraeliten verwendet wird.
Unklar ist, an welchen Fluss gedacht ist. Genannt werden Euphrat oder Jordan. Wie Gesenius richtig sagt (S. 9), ist davon auszugehen, dass der Name „sich auch nach der Überschreitung des betr. Flusses durch die Abrahamiden als ein althergebrachter erhalten und in gewissen Grenzen (s. o.) bei ihnen selbst eingebürgert hätte“. Man denke daran, dass viele sog. Mittagsberge (Zwölferkogel, Mittagspitze usw.), deren Benennung nur im Norden des betreffenden Berges sinnvoll ist, meist auch südlich des jeweiligen Berges so heißen.
Winckler erwägt, ob die Etymologie „Leute vom Jenseits irgendeines Flusses“ nicht eine Volksetymologie ist. Spiegelberg fasst das Wort nach Jer 2,6 vom Verb עבר „hindurchziehen“, im Gegensatz zu ישׁב „wohnen, sesshaft sein“. Hebräer bedeutet demnach „Umherziehender, Nomade“.
Hebräer ist ein umfassenderer Begriff als Israelit, wenngleich die beiden Wörter in der Mehrzahl der Fälle bedeutungsgleich verwendet werden. Eine Ausnahme bildet offenbar 1Sam 14,21 (s. Böhl S. 70f). Diese Stelle ist auch die Schlüsselstelle für Weinheimers Ansicht, die Hebräer seien ein den Israeliten verwandter Stamm, der als erster in Kanaan eingewandert ist, dort aber unter die Herrschaft der Philister geriet. (Die LXX hat an dieser Stelle οἱ δοῦλοι „die Sklaven“, hat also offenbar עבדים statt עברים gelesen.)
Wenn Abram hier als Hebräer bezeichnet wird, soll das wohl irgendeine Begründung für das folgende Geschehen geben. Soll damit auf seine Wehrfähigkeit hingewiesen werden? Soll gesagt werden, dass ihn als Nicht-Ansässigen, als jemand, der keinen Grundbesitz im Land hat, die Sache eigentlich nicht betrifft (wenn man von der Gefangennahme seines Neffen absieht)? Oder dass im Gegenteil von ihm als „Gastarbeiter“ eine Form von Erkenntlichkeit erwartet wurde?
Viel gemutmaßt wurde über den Zusammenhang der Hebräer mit dem äg. ʿpr „Art fremdländischer Arbeiter“ (Pl. ʿpr.w). Die vom Wikipedia-Art. Apiru (Stand Juni 2019) vorgenommene Gleichsetzung mit dem homonymen ʿpr „Schiffsmannschaft; Winzer“, das nach dem Wörterbuch von Erman/Grapow mit dem undeutbaren Zeichen Aa20 als Ideogramm oder Determinativ geschrieben wird, ist für mich nicht nachvollziehbar. Die ʿApiru erscheinen in einigen Texten der Ramessidenzeit als steineschleppende Fronarbeiter.
Eerdmans ist sich sicher, dass die ʿApriw (so seine Wiedergabe) die Hebräer des Exodus-Buches sind: „Zeitlich, inhaltlich und sprachlich paßt alles vorzüglich!“ (S. 54). Auch Kittel sieht das mehr oder weniger so. Böhl urteilt ganz gegenteilig: „Sprachlich unwahrscheinlich, sachlich verlockend, chronologisch unmöglich ist die Gleichsetzung der ʿpr-Leute mit den Hebräern aufzugeben.“ (S. 83) Mir erscheint die Gleichsetzung nicht so unmöglich wie Böhl. Aber das Quellenmaterial ist zu dürftig, um ein fundiertes Urteil fällen zu können.
Dieselbe Frage erhebt sich beim babyl. Ḫabiru (oder Ḫapiru) der Amarnabriefe. Phonetisch geschrieben kommt es nur in den Briefen des Stadtfürsten von Jerusalem vor. Doch gilt es inzwischen als ausgemacht, dass die ideographische Schreibung (SA.)GAZ anderer Briefe dieselben Leute bezeichnet. (Ob auch dasselbe Wort, ist nicht 100%ig sicher.) Es handelt sich um eine ausgedehnte Bevölkerungsgruppe, die die Macht Ägyptens von Südpalästina bis nach Syrien bedroht.
Sayces Vermutung, dass es sich um eine appellativische Bezeichnung „Verbündete“ (~ hebr. חָבֵר ḥāber „Freund, Kamerad“) handelt, wird ziemlich unisono für unwahrscheinlich gehalten. Jastrow denkt an den Clan חֶבְרִי Ḥæbrî (Stammvater חֶבֶר Ḥæbær aus dem Stamm Asser) (Gen 46,17; Num 26,45; 1Chr 7,31). E. Meyer, Steuernagel, Böhl, Knudtzon, Winckler, Kittel halten es für möglich, über wahrscheinlich bis ziemlich sicher, dass Ḫabiru die Hebräer bezeichnet. Sie sind aber zumeist der Ansicht, dass der Begriff eine größere Bevölkerungsgruppe bezeichnet als Israeliten. Israeliten sind Hebräer, bei weitem nicht alle Hebräer sind Israeliten.
In Apg 6,1 bezeichnet Hebräer die aramäischsprachigen, aus Palästina stammenden Juden, im Gegensatz zu den Hellenisten, den griechischsprachigen, aus der Diaspora stammenden. Ebenso will Paulus mit seiner Selbstbezeichnung als Hebräer von Hebräern (Phil 3,5, s.a. 2.Kor 11,22) vermutlich sagen, dass er aus Palästina stammt.
Ist es denkbar, dass ein Viehzüchternomade mit 318 eigenen Kämpfern und mit der Hilfe einiger Verbündeter (Mamre, Aner und Eschkol, und wohl mit deren Männern) das Heer von vier mächtigen mesopotamischen Königen, wenn auch in einem nächtlichen Überraschungsangriff, schlägt? Das gesamte Heer gewiss nicht. Aber vielleicht die mit dem Abtransport der Beute betraute Nachhut. Zumal wenn die Kriegsgefangenen sich tatkräftig gegen ihre Verschlepper zu wehren beginnen. Denkbar auf jeden Fall, aber wohl nicht sehr wahrscheinlich. Die Erzählung will uns aber sagen, dass mit Hilfe des höchsten Gottes auch das Unwahrscheinliche gelingen kann (V. 20). Und wer kann auschließen, dass das wirklich passiert ist?
Für mich stellt sich vor allem die Frage, welchen Zweck dieses Kapitel im Ganzen der Abrahamsüberlieferung hat. Leider habe ich dazu keine erhellenden Vorschläge gefunden. Soll uns Abram als wehrhafter Hebräer vor Augen gestellt werden? Soll also gezeigt werden, dass schon der Stammvater der Israeliten, mit einer vergleichsweise geringen Streitkraft, einmal mächtige Könige aus dem Zweistromland besiegt hat? Sozusagen ein literarischer Stinkefinger für Sanherib, Nebukadnezar & Co.?
Inzwischen habe ich zu dieser Episode eine eigene Seite gemacht.
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 11. Feb. 2023