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See Genezareth


Online-Karten schwächeln immer noch sehr, wenn es um vernünftige Beschriftungen geht. Insbes. Berge und Flüsse bleiben häufig außen vor. Daher habe ich für einige schwerer auffindbare Lokalitäten Links auf OpenTopoMap, abgekürzt OTM, beigefügt. Eine große Schwierigkeit für mich ist auch, dass die ältere Literatur (vor 1948) Orte, Berge und Wadis mit ihren arab. Namen bezeichnet. Aber viele arab. Dörfer gibt es nicht mehr, und Berge und Bäche tragen jetzt hebr. Namen.

Name

Der See im Norden Israels heißt im AT יָם־כִּנֶּ֫רֶת jām kinnǽræt[1] „Meer von Kinneret“ (Num 34,11; Jos 13,27) bzw. יָם כִּנְרוֹת jām kinrot (od. כִּנֲרֹות kinarôt) (Jos 12,3), benannt nach der in der Bronzezeit wichtigsten kanaanitischen Siedlung am See, Wikipedia Kinneret (1922 mit den Ruinen am Tel Kin(a)rot / Tell el-ʿOrēme bei Tabgha am Westufer identifiziert). (Der um 1910 gegründete Kibbuz Kinneret am Südufer hat seinen Namen auf Grund einer Fehllokalisierung.) Die Ableitung des Namens von כִּנֹּור kinnôr „Harfe, Zither“ beruht auf Volksetymologie.

Müller hält auf Grund der äg. Schreibung kn-nꜣ-r(ꜣ)-tu das hebr. kinrôt für das Ursprüngliche.[2]

Der Ort oder die fruchtbare Ebene, in der er liegt, wird im AT genannt in Jos 11,2 (kinarôt); 19,20 (kinnæræt, hier in Pausa); 1Kön 15,35 (kinrôt). In nach-atl. Zeit heißt die Ebene גִּנֵּיסַר ginnêsar oder גִּנֹּוסַר ginnôsar, danach z.B. 1Makk 11,67 τὸ ὕδωρ τοῦ Γεννησαρ „das Wasser von Gennēsar“, Ios. bell.Iud. 3,10,7 (§506)[3] λίμνη Γεννησάρ „See (von) Gennēsár“ und 3,10,7 (§515). 8 (§516) ἡ Γεννησάρ „der Gennēsár“, neben Ios. ant.Iud. 8,2,1 (§28)[4] λίμνη Γεννησαρῖτις „See Gennēsarítis“. Nach Gesenius16 und Buhl[5] heißt die Ebene in der Neuzeit الغُوَيْر al-ġuwair / el-ġuwêr.

Der im Dt. geläufige Name des Sees stammt aus Lk 5,1 λίμνη Γεννησαρέτ „See von Gennēsarét“ (Vermischung aus Gennēsar und Kinneret?). (Die Gegend oder die Ebene gennēsarét wird genannt Mt 14,34; Mk 6,53.) Andere Bezeichnungen im NT sind θάλασσα τῆς Γαλιλαίας „Meer von Galiläa“ (Mt 4,18; Mk 1,16) oder θάλασσα τῆς Τιβεριάδος „Meer von Tiberias“ (Joh 21,1) und θάλασσα τῆς Γαλιλαίας τῆς Τιβεριάδος „Meer von Galiläa (bzw.) von Tiberias“ (Joh 6,1).

Woher Luther das z in Genezareth nahm, ist mir unklar. Tischendorf verzeichnet in seiner Editio critica maior zwar orthograph. Varianten wie -ενη-, -εθ, -εδ, aber eine dem griech. ζ entsprechende Schreibung sehe ich nur für das Kopt. verzeichnet (boh. ⲅⲉⲛⲛⲏⲍⲁⲣⲉⲑ). Da wird Luther es nicht herhaben. Eher könnte Nazareth Pate gestanden haben. Aber warum?

Die Bezeichnung „Meer von Galiläa“ ist die im Engl. und Span. üblich gewordene (sea of Galilee, mar de Galilea). Das Frz. und It. haben hingegen „See von Tiberias“ (lac de Tibériade, lago di Tiberiade). Den Namen „Meer von Tiberias“ findet man auch im Talmud (יַמָּה של טבריא jammâ šæl ṭiberijâ Bāḇâ Batrâ 74b, S. 1138 Z. 22 und S. 1139 Z. 7 in Goldmanns Ausg.[6]) und im heutigen Arab. (بَحْر طَبَرِيّة baḥr ṭabarijja „Meer von Tiberias“ oder بُحَيْرة طَبَرِيّا buḥairat ṭabarijjā „See von Tiberias“). Auf ʿIvrit heißt er יַמַּת הַכִּנֶּרֶת jammat hak-kinnæræt „See von Kinneret“ (bei Wikipedia nur hak-kinnæræt).

  1. Wilhelm Gesenius' Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament. Bearb. v. Frants Buhl.– 16. Aufl. Leipzig: Vogl, 1915. s.v. כִּנֶּ֫רֶת, Archive.org S. 354a-b
  2. Müller, W[ilhelm] Max: Asien und Europa nach altägyptischen Denkmälern.– Leipzig: Engelmann, 1893. Archive.org S. 84, Anm. 1
  3. Josephus. W. an Engl. transl. Hrsg. v. H[enry] St. J[ohn] Thackeray. Bd. 2.– London: Heinemann, Cambridge: Harvard Univ. Pr., 1956. (The Loeb Classical Libr.) Archive.org S. 718-723
  4. Josephus. W. an Engl. transl. Hrsgv. v. Louis H. Feldman. Bd. 9.– London: Heinemann, Cambridge: Harvard Univ. Pr., 1965. (The Loeb Classical Libr.) Archive.org S. 24f
  5. Buhl, Frants: Geographie des alten Palästina.– Freiburg, Leipzig: 1896. Archive.org S. 113f
  6. Der Babylonische Talmud. Mit Einschluss der vollstaendigen Mišnah. Hrsg. v. Lazarus Goldschmidt. Bd. 6.– Leipzig: Harrasswitz, 1906. Archive.org S. 1138f

Lage und Größe


See Genezareth von seinem süd­lichen Ufer aus. Das Nord­ende ist nicht zu sehen. Rechts im Dunst die Golan­höhen. Aug. 2018

Der See liegt in der Jordansenke, seine Seehöhe beträgt (je nach Wasserstand) um die -210 m, er liegt also unter dem Meeresspiegel. Er ist ca. 20 km lang, ca. 12 km breit und ist mit einer Fläche von ca. 165 km² mehr als 3½ so groß wie der Attersee, der größte See Österreichs, der zur Gänze auf österr. Boden liegt. Er enthält ca. genauso viel Wasser wie der Attersee. Denn letzterer ist nicht ganz 170 m tief, während der See Genezareth nur (je nach Wasserstand) um die 45 m tief ist.

Seit Israel 1964 begonnen hat, mit dem Wikipedia National Water Carrier in großem Maßstab Wasser aus dem See zu entnehmen, um damit Tel Aviv, aber auch den Negev mit Wasser zu versorgen, ist der Wikipedia Wasserstand des Sees großen Schwankungen unterworfen. Zwischen seinem neuzeitlichen Höchststand von 1969 und dem Tiefststand von 2001 liegen 6,67 m!

Der See wird vom Jordan durchflossen. Der Jordan mündet im Norden bei Beth Saida in den See ein und fließt im Süden beim Kibbuz Degania Alef und der Taufstelle Jardenit wieder heraus.

In der Antike bildete der Jordan im Norden die Grenze zwischen den Tetrarchien des Herodes Antipas (Galiläa) und des Philippus (Gaulanitis). Das Westufer des Sees gehörte zur Gänze zu Galiläa, das Ostufer hingegen gehörte in seinem südlichen Teil zur heidnischen Dekapolis (vgl. die Perikope vom besessenen Gerasener und der Schweineherde, in die die Dämonen fahren, Mk 5,1-13).

Fischerei


Petrusfisch am Teller

Schon Josephus spricht bell.Iud. 3,10,7 (§508)[3] von den Fischen des Sees („Die Fischarten in ihm sind sowohl an Geschmack als auch an Aussehen anders als die anderswo“). Und die Erzählungen des NT verweisen auf die wirtschaftliche Bedeutung der Fischerei in dieser Zeit. Welche Bedeutung der Fischfang heute noch hat, ist schwer auszumachen. Wikipedia spricht zur Wikipedia wirtschaftlichen Bedeutung des Sees von Fischern „aus Tiberias, Migdal sowie den Kibbuzim En Gev und Ginnossar“. Eine Youtube Dokumentation der ARD behauptet, der Fischer Menachem Lev aus dem Kibbuz Ein Gev sei der letzte Berufsfischer auf dem See, weil der See dafür nicht mehr genug hergibt.

Besagter Menachem Lev fischt in der Doku (aus welchem Jahr?) an einem Tag 4 t sardînîm aus dem See. Da es sich doch um Süßwasserfische handeln muss (?), wird es die im Netz öfters genannte Wikipedia Kinneret-Sardine (Acanthobrama / Mirogrex terraesanctae) aus der Familie der Karpfenfische sein.

Mehrere Seiten verweisen auf das 2010 angekündigte zweijährige Fischmoratorium, das nötig erschien, weil der Fischbestand rapide zurückgegangen war, und das dann 2011 durch eine jährliche viermonatige Schonzeit (15. Apr. - 15. Aug.) ersetzt wurde.[7]

Als Tourist kommt man hier kaum umhin, einmal einen Petrusfisch zu verspeisen. Es handelt sich dabei um einen von den arab. Fischern مشط mušṭ „Kamm, Rechen“, genannten Typ von Fischen: Wikipedia Sarotherodon galilaeus („Galiläische Tilapia“) oder Wikipedia Blaue Tilapia (Oreochromis aureus) oder Wikipedia Zilles Buntbarsch (engl. „Rotbauchtilapia“, Coptodon / Tilapia zillii), alle aus der Familie der Buntbarsche. Ob der Fisch wirklich aus dem See stammt, ist heutzutage nicht mehr unbedingt sicher. Einfach in Fett frittiert, wie ich ihn serviert bekam, ist er keine Geschmacksexplosion; und billig ist das Vergnügen auch nicht. Seinen Namen hat der Fisch von der Episode Mt 17,24-27: Jesus schickt Petrus angeln, im Maul des ersten Fisches werde er eine Tetradrachme finden; damit solle er die Tempelsteuer für Jesus und für sich bezahlen.

Dieser Petrusfisch ist nicht zu verwechseln mit dem Wikipedia (Sankt-)Petersfisch (Heringskönig, Saint-Pierre, Zeus faber), einem Meeresfisch.

Andere Fische sind arab. بني binî: Luciobarbus longiceps (Jordanbarbe) und Carasobarbus canis (engl. Jordan himri); Afrikanischer Raubwels (Clarias gariepinus, schuppenlos, daher nicht koscher); Tristramella simonis, eine weitere Buntbarschart; s. Fishing in the Sea of Galilee (Israel Inside Out), Fish of the Sea of Galilee (Ferrell's Travel Blog) oder Wikipedia Sea of Galilee#Ecology.

  1. Two-year Fishing Ban Cut Down to Four-month Annual Break. Haaretz, 16. Feb 2011 (Bezahlschranke)

Wind


Modell des sog. Jesusboots im Yigal-Allon-Centre in Ginnosar

Die bekannte Perikope von der Stillung des Sturms (Mt 8,23-27; Mk 4,35-41; Lk 8,22-25) wirft die Frage nach den Windverhältnissen auf dem See auf. Mk 4,37 beschreibt das Ereignis mit γίνεται λαῖλαψ μεγάλη ἀνέμου „es (geschah=) erhob sich ein großer Sturmwind“ (oder „Wirbelsturm, Orkan“), Lk 8,23 hat κατέβη λαῖλαψ ἀνέμου εἰς τὴν λίμνην „ein Sturmwind kam herab auf den See“.

Mt 8,24 sagt hingegen σεισμὸς μέγας ἐγένετο ἐν τῇ θαλάσσῃ „eine große Erschütterung geschah auf/in dem Meer“, was Luther 2017 mit „da geschah ein großes Beben im Meer“ wiedergibt – möglich, aber im Vergleich zu den Parallelstellen fraglich. Seismós kann „(Erd-/See-)Beben“ bedeuten; aber ist das hier wirklich gemeint? Das Wörterbuch von Bauer erklärt (5. Aufl.): „σεισμός, οῦ, ὁ d. Erschütterung, auf dem Wasser, hervorgerufen durch einen Sturm […] Mt 8, 24 (vgl. V. 26f., wo neb. die θάλ. [Meer] die ἄνεμοι [Winde] treten. […])“

In Kommentaren liest man öfters von gefürchteten Fallwinden, die es am See gebe (und wozu Lk' „kam herab“ gut passen würde, vgl. Klostermann: „κατέβη […]: d. h. von den Höhen, kaum = ein Sturmengel“[8]). Ein des Biblizismus so unverdächtiger Autor wie Zwickel sagt: „Da sich die Wasserfläche langsamer erwärmt und auch wieder langsamer abkühlt als die sie umgebende Landmasse, kommt es bei großen Temperaturunterschieden zwischen Wasser und Land fast täglich am frühen Nachmittag, aber auch nachts zu kleinen Wirbelstürmen bzw. heftigen Winden.“[9]

Pfarrer Frei berichtet über seinen Aufenthalt am See im Mai (S. 100)[10]:

Westwinde waren häufig. Regelmässig erhoben sie sich etwas nach Mittag, nahmen gegen Abend an Stärke zu und hörten erst nachts 10 Uhr auf. Doch spürte man sie in Tiberias nur in unbedeutendem Grade, dagegen stürmten sie mit Wucht die nach der Gennesarebene auslaufenden Thäler hinunter und brachten den See in nicht geringe Bewegung. Auf seiner breiten Fläche können sie sich ungehemmt entfalten und je weiter sie ostwärts dringen, desto tiefer wühlen sie ihn auf. Hohe, schaumgekrönte Wogen prallen dort an's Gestade. Stets musste mein Fährmann das Boot in die schützende Bucht des Semakthals [bei Kursi] steuern und für den Rest des Tages war der See nicht mehr fahrbar.

Auch Dalman berichtet, dass die Seeleute den Westwind fürchten und dass er im Osten am stärksten zu spüren ist.[11] Für die kleinen Nachen, mit denen man damals auf dem See unterwegs war (z.B. das sog. Wikipedia Jesusboot), sind vermutlich bereits Windstärken von Wikipedia 5-6 Beaufort ziemlich unangenehm. Von einem Sturm reden wir erst ab 9 Beaufort, das wird es am See Genezareth eher selten geben.

Ich war Anfang Aug. 2018 zwei Tage am See Genezareth, habe da aber von heftigen Winden nichts bemerkt. Allerdings hat ein Sturm im Frühsommer 2022 die Uferpromenade von Tiberias zerstört. Da scheint der Wellengang am Ufer wegen des hohen Wasserstandes eine zerstörerische Kraft entwickelt zu haben. Jedenfalls wurden etliche der hölzernen Planken herausgerissen und z.T. zerbrochen.[12]

Das Wesen der Fallwinde besteht darin, dass sie bei heiterem Himmel auftreten. Man kann sie also nicht wie ein Gewitter heraufziehen sehen. Aufnahmen von bis zu drei Meter hohen Wellen beweisen nichts, da diese offenbar bei einem Unwetter aufgetreten sind.[13]

  1. Klostermann, Erich: Das Lukasevangelium.– 2., völlig neubearb. Aufl. Tübingen: Mohr, 1929. (Handbuch zum N. T., Bd. 5) Archive.org S. 99
  2. Zwickel, Wolfgang: „See Genezareth“. WiBiLex 2021
  3. Frei, Adolf: „Beobachtungen vom See Genezareth“. Zeitschr. d. Dt. Palästina-Vereins, 9 (1886), Archive.org S. 81-145 (Wind: S. 100, Fischfang: S. 101-103)
  4. Dalman, Gustaf: Orte und Wege Jesu.– 3. erweit. u. verb. Aufl. Gütersloh: Bertelsmann, 1924. (Schriften d. Dt. Palästina-Inst., Bd. 1) Archive.org S. 196-198
  5. Starke Winde und hohe Wellen zerstören Promenade am See Genezareth. Fokus Jerusalem, 18.05.2022.
  6. Monster Storm at the Sea of Galilee where Jesus Walked. Youtube. 12:10: Aufnahme von Moshe Alpert

Orte


Orte am See Genezareth, antike Namen fett, moderne Namen kursiv.
Quelle:Maps-for-Free Relief Map
Urheber:Hans Braxmeier
Lizenz:CC0
Bearb.:Helligkeit erhöht, Farb­sättigung reduziert, Ortsnamen hinzugefügt, skaliert

Kapernaum: Mauerreste aus dunklem Basaltstein, rechts die auf Stelzen stehende kathol. Petruskirche über dem sog. Haus des Petrus; im Hintergrund (zwischen den zwei Zypressen) der See

Das Seeufer und die Ortschaften an ihm waren in den letzten 100 Jahren einem großen Wandel unterworfen. Durch die Einwanderung von Juden entstanden neue Ortschaften, denen oft die Namen von aus AT und/oder Talmud bekannten Orten gegen wurden. Durch den Krieg von 1948 verschwanden viele kleine arabische Dörfer, die in der älteren Reiseliteratur zur Lokalisierung genannt werden[14].

Rund 1 km nördlich des heutigen Ausflusses des Jordan lag zu Jesu Zeit die hellenistische Stadt Sennabris, auf oder an der Ruinenstätte Wikipedia Ḫirbet el-Kerak (OpenTopoMap OTM), wo sich auch das in die Bronzezeit zurückreichende Bêt Jareaḥ befunden hat.

Nicht ganz 6 km nördlich von Ḫirbet el-Kerak sind die Überreste des antiken Ḥammat (Jos 19,35, OpenTopoMap OTM) mit seinen heißen Quellen.

Der Tetrarch Herodes Antipas ließ ab dem Jahr 17 n.Chr. Tiberias als hellenistisch-römische Stadt (Forum, Theater, Thermen usw.) erbauen und machte es im Jahr 19 zu seiner Hauptstadt. Er benannte sie zu Ehren des Kaisers Tiberius. Jesus scheint den Ort gemieden zu haben, er wird in den Evangelien nie erwähnt (abgesehen von Joh 6,23: Boote kommen von Tiberias). Nach der Zerstörung Jerusalems 70 n.Chr. entwickelte sich Tiberias zu einem geistigen Zentrum des Judentums. Hier entstanden die Mischna und der sog. Jerusalemer Talmud. Auch heute ist Tiberias (hebr. טְבֶרְיָה eḇærjâ, arab. طبرية Ṭabarijja oder طبريا ) der wichtigste und größte Ort am See.

Magdala (aram. מַגְדְּלָא magde, hebr. מִגְדָּל migdāl „Turm“) ist Christen bekannt durch Maria Magdalena = von Magdala. Es liegt einige Kilometer nördlich von Tiberias, am Südende der Ebene von Kinneret/Ginnesar. Umstritten ist, ob Magadan (Mt 15,39) nur ein Schreibfehler für oder eine lautliche Variante von Magdala oder eine weitere Ortschaft in derselben Gegend am Westufer des Sees ist. Und wie sich Magadan zum in der Parallelperikope (Mk 8,10) genannten Dalmanutha verhält.

In Mt 15,39 lesen Sinaiticus und Vaticanus Μαγαδαν, die Vulg. Magedan, der Mehrheitstext Μαγδαλα, Ephraemi u.a. Μαγδαλαν. In Mk 8,10 hat die überwiegende Zahl der Hss. von Vaticanus bis zum Mehrheitstext Δαλμανουθα (so auch Peschitta ‫ܕܰܠܡܳܢܽܘܬܐ‬), daneben hat ein Textzeuge Δαλμουναι. Der Ephraemi hat urspl. Μελεγαδα, das wurde in Μαγαδα verbessert; die Vetus Lat. hat Mageda, der syr. Sinaiticus ܡܓܕܢ = Magedan. Eine Handvoll Textzeugen liest Μαγδαλα. Ausführlich dazu Eb. Nestles Lexikonartikel[15], ansonsten wird das Thema hauptsächlich in Miszellen[16] abgehandelt.

Das antike Magdala[17] (OpenTopoMap OTM) war im 19. und frühen 20. Jh. ein kleines arab. Dorf namens el-Meǧdel. 1910 begann die jüd. Besiedlung des Ortes durch Einwanderer aus Russland, die es hebr. Migdal nannten.[18] Das arab. Dorf wurde 1948 von seinen Einwohnern verlassen.[19] Die Reste des antiken Magdala werden am Südende der heutigen Ortschaft ausgegraben.

Eine lang diskutierte Frage ist, ob die von Josephus genannte Ortschaft Ταριχαία Tarichaía (lat. Wikipedia Tarichaea) mit dem antiken Magdala gleichzusetzen ist oder ob es nicht mit Plinius dem Älteren (Plin. nat. 5,15 (§71)[20]) südlich von Tiberias lokalisiert werden muss.

Tabgha, arab. عين) الطابغة) (ʿain) aṭ-Ṭābiġa, ist eine christliche Pilgerstätte. Der Name ist Verballhornung von griech. Ἑπτάπηγον Heptápēgon „Siebenquell“, weil es dort mehrere Quellen gibt. In Tabgha befinden sich einige moderne Kirchen, die aber tw. auf spätantiken Vorgängerbauten basieren: die Brotvermehrungskirche (OpenTopoMap OTM) enthält Mosaike aus dem 4./5. Jh. und will die Speisung der 5000 lokalisieren; die Primatskapelle (OpenTopoMap OTM) will der Ort sein, an dem Jesus nach der Auferstehung mit den Jüngern Mahl gehalten und Petrus den Auftrag gegeben hat: „weide meine Lämmer/Schafe!“ (Joh 21,9-13.15-17).

Auf dem Hügel steht 1 km nordöstl. der Brotvermehrungskirche die Kirche der Seligpreisungen (OpenTopoMap OTM, kein Vorgängerbau an dieser Stelle), weil dort der Ort gewesen sein soll, wo Jesus die Bergpredigt (die mit den Seligpreisungen beginnt) gehalten hat. Ungefähr 1 km westsüdwestl. der Brotvermehrungskirche ist der Tell mit den Ruinen des antiken Kinneret (OpenTopoMap OTM). Noch einmal 600 m weiter südwestl. liegen die Reste des Omajjadenpalastes und des mittelalterlichen Chans von el-Minje (OpenTopoMap OTM), das bis ins frühe 20. Jh. als möglicher Standort für Kapernaum diskutiert wurde.

Kapernaum (so die von Luther, basierend auf dem Textus receptus, gewählte Wiedergabe) oder (nach den besseren Handschriften) Kapharnaum ist der Ort (OpenTopoMap OTM), an den Jesus zu Beginn seiner Wirksamkeit von Nazareth aus übersiedelt ist (Mt 4,13). Der Name ist hebr. כְּפַר נָחוּם kep̱ar naḥûm „Dorf Nachums“. Seit frühislam. Zeit hieß der Ort Talḥūm, was von Reisenden des 19. Jh. als Tell Ḥūm missverstanden wurde.

Wir erfahren von einer Synagoge (Mk 1,21). Wir hören von einem Zenturio (Mt 8,5; Lk 7,2) – waren in der Gegend auch röm. Soldaten stationiert? Auch eine Zollstation gab es hier, an der der Zöllner Matthäus / Levi saß (Mt 9,1.9); angesichts der nur 4 km entfernten Landesgrenze ist eine Zollstation in Kapernaum plausibel.

Etwa 3,5 km vom Seeufer bei Kapernaum entfernt lag das antike Chorazin (OpenTopoMap OTM), das in Jesu Weheruf über unbußfertige Orte (Mt 11,21; Lk 10,13) an erster Stelle genannt wird. (An zweiter Stelle folgt Bethsaida.) Einen guten Kilometer westlich der Grabungsstätte liegt heute der moderne Ort Korazim.

Auf der anderen Seite der Grenze, bereits in der Tetrarchie des Philippus, lag Bethsaida, hebr. בֵּית צַיְדָה bêt ṣajdâ „Haus des (Fisch-)Fangens“? Die Wörterbücher verzeichnen das Wort allerdings in der Form צֵיְדָה / צֵיְדָא ṣêdâ. Die Encyclopaedia Judaica schreibt[21] בֵּית צַיָּדָא bêt ṣajjādâ „Haus des Jägers/Fischers“. Es wird seit langem auf dem 2 km landeinwärts gelegenen et-Tell (OpenTopoMap OTM) lokalisiert. Seit kurzem wird aber wieder das unmittelbar am Seeufer gelegene Wikipedia el-ʿAraǧ (so schreibt es Dalman, wohl kaum الأعرج el-ʾAʿraǧ, wie der Wikipedia-Art. hat) (OpenTopoMap OTM, heute nach einer Gebäuderuine auch Beit ha-Beq „Haus des Bey“ genannt) ins Spiel gebracht.

Aus Bethsaida stammen nach Joh 1,44 die Apostel Petrus, Andreas und Philippus. Nach Josephus erhob der Tetrarch Philippus Bethsaida zur Stadt und benannte sie zu Ehren der Tochter des Kaisers (Augustus) um in Julias.[4]

Auf manchen älteren Karten (z.B. auf diesem Wikimedia Scan aus einem Geographiebuch von 1858) findet man ein zweites Bethsaida am Westufer des Sees. Denn nach der Speisung der 5000, die in einer Gegend mit (viel/grünem) Gras stattfindet (Mt 14,19; Mk 6,39; Joh 6,10), lässt Jesus seine Jünger nach Mk „vorausfahren an das jenseitige (Ufer) nach Bethsaida“ (Mk 6,45), nach Joh aber fahren die Jünger „über das Meer nach Kapernaum“ (Joh 6,17), und bei Mt heißt es, „sie fuhren hinüber und kamen ans Land nach Gennesaret“ (Mt 14,34).

Nach der Stillung des Sturms landet Jesus mit seinen Jüngern im Gebiet der Gerasener, wo er einen Besessenen befreit und die Dämonen in eine Schweineherde fahren. Hier gibt es allerdings ein Problem mit dem Text: neben „Gerasener“ gibt es die Lesarten „Gadarener“, „Gergesener“ und „Gazarener“ (Details s. Ziemlich viele Schweine). Gerasa (OpenTopoMap OTM, heute Ǧaraš) liegt 55 km vom Seeufer entfernt. Gadara (heute bei Umm Qais) ist nur 9 km vom See entfernt (OpenTopoMap OTM), sein Gebiet könnte sich bis zum Seeufer erstreckt haben. Allerdings gibt es soweit im Südosten am Ufer keinen Abhang, von dem aus die Schweine in den See stürzen konnten. Die Lage von Gergesa ist unbekannt. Das hat manche zu der Annahme verleitet, es habe ein zweites Gerasa, direkt am Seeufer gelegen, gegeben, und lokalisieren es beim heutigen Kursi (OpenTopoMap OTM) an der Mündung des Naḥal Samach. Doch scheint Kursi eine jüdische Siedlung gewesen zu sein (also keine Schweine). Wohlenberg optiert beim Mk- und Lk-Text für die Lesart „Gergesener“ und lokalisiert es mit Zahn bei Wikipedia as-Samrā[22] (OpenTopoMap OTM, 1948 verlassen, heute befindet sich dort der Kibbutz Ha-ʾOn „die Kraft“).

Die Dekapolis-Stadt Hippos[23] (Ἵππος „Pferd“, daher aram. סוּסִיתָא sûsîtâ v. סוּסְיָא sûsjâ ds.) liegt gut 2 km vom Seeufer entfernt (OpenTopoMap OTM). Seine Hafenanlage war wohl im Bereich des heutigen Kibbuz ʿEin Gev. Dort wurde die Ruine Chirbet el-ʿĀšeq ergraben. Das Wadi, an dessen Mündung der Kibbuz liegt, heißt bei Dalman Wādi en-nḳēb (heute Naḥal ʿEin Gev).

  1. z.B. Furrer, K.: „Die Ortschaften am See Genezareth“. Zeitschr. d. Dt. Palästina-Vereins, 2 (1879), Archive.org S. 52-74
  2. Nestle, Eb[erhard]: Dalmanutha. In: A Dictionary of Christ and the Gospels. Hrsg. v. James Hastings. Bd. 1.– New York: Scribner's sons, 1917. Archive.org S. 406f
  3. Zapata Meza, Marcela: „Neue mexikanische Ausgrabungen in Magdala – Das «Magdala Archaeological Project»“. In: Bauern, Fischer und Propheten. Galiläa zur Zeit Jesu. Hrsg. v. Jürgen K. Zangenberg u. Jens Schröter.– Darmstadt, Mainz: Zabern, 2012. (Zaberns Bildbände zur Archäologie) S. 85-98
  4. Vilaroig, Cristobal: The inhabitants of el Mejdel and Migdal. 2023. Magdala.org
  5. Vilaroig, Cristobal: The last dwellers of el-Mejdel. 2024. Magdala.org
  6. C. Plini Secundi Naturalis historiae libri XXXVII. Hrsg. v. Karl Mayhoff. Bd. 1: Libri I-VI.– Leipzig: Teubner, 1906. Archive.org S. 391:
    ergo ubi prima convallium fuit occasio, in lacum se fundit, quem plures Genesaram vocant, XVI p. longitudinis, VI latitudinis, amoenis circumsaeptum oppidis, ab oriente Iuliade et Hippo, a meridie Tarichea, quo nomine aliqui et lacum appellant, ab occidente Tiberiade, aquis calidis salubri.
    „Wo daher eine erste Gelegenheit von Talkesseln war, ergießt er [der Jordan] sich in einen See, den mehrere Genesara nennen, 16 Meilen lang, 6 breit, von lieblichen Städten umgeben, im Osten von Julias und Hippos, im Süden von Tarichaea, mit welchem Namen einige auch den See benennen, im Osten von Tiberias, (das) durch warme Wasser gesund (ist).“
  7. Avi-Yonah, Michael; Gibson, Shimon: „Bethsaida“. Encycolopaedia Judaica. 2. Aufl. Hrsv. v. Fred Skolnik u. Michael Berenbaum. Bd. 3: Ba-Blo.– Detroit u.a.: Thomson Gale, Jerusalem: Keter, 2007. Archive.org S. 536
  8. Wohlenberg, Gustav: Das Evangelium des Markus.– 3. Aufl. Leipzig: Deichert, 1930. (Komm. zum N. T., Bd. 2) Archive.org S. 148f
  9. Segal, Arthur: „Hippos-Sussita – Eine Stadt der Dekapolis am See Genezareth in der hellenistischen und römischen Periode“. In: Bauern, Fischer und Propheten (s. Fußn. 17). S. 113-128

Berge


Rechts Arbel, links Nitai, dazwi­schen der seeseitige Ausgang des Wadi Hamam. Die kleine Ortschaft vorne ist das arab. Dorf Hamam, weiter hinten (am linken Bildrand) ist Migdal, am Seeufer (nahe dem oberen Bildrand) der Kibbuz Ginnosar.
Quelle:Wikimedia
Urheber:Avraham Graicer, 2013
Lizenz:CC BY-SA 4.0
Bearb.:verkleinert, nachgeschärft

„Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.“ sagt Jesus in der Bergpredigt (Mt 5,14). (Hippos wäre so eine Stadt auf einem Berge.) Auf welchen Berg Jesus für seine Bergpredigt gestiegen ist (Mt 5,1); auf welchen Berg Jesus vor der Berufung der zwölf Apostel stieg, um zu beten (Mk 3,13; Lk 6,12); auf welchen nach der Speisung der 5000 (Mt 14,23; Mk 6,46; Joh 6,15), um allein zu beten; auf welchen Berg Jesus vor der Speisung der 4000 ging (Mt 15,29); auf welchem hohen Berg seine Verklärung geschah (Mt 17,1-9; Mk 9,2-10; Lk 9,28-36); auf welchen Berg Jesus seine Jünger bestellte (Mt 28,16), um ihnen dort den Missionsbefehl zu erteilen – wir wissen es nicht. Keiner der Berge ist namentlich genannt. Nicht alle diese Berge müssen im Bereich des Sees Genezareth gelegen haben, schließlich hat Jesus „in ganz Galiläa“ (Mk 1,39) gewirkt. Aber welche Berge gab es denn um den See herum?

Zwischen Tiberias und Migdal liegt der Arbel (in der älteren jüd. Literatur ʾarbeʾel), dessen Höhe auf OpenTopoMap OTM mit 181 m angegeben wird. (Die 282 m laut dem dt. Wikipedia-Artikel sind wohl ein Versehen.) Damit liegt der Gipfel rund 400 m über dem See. Seine Nordseite ragt steil, stellenweise senkrecht auf. Das Gipfelplateau war zeitweise bewohnt. Die steilen Bergflanken sind mit schwer zugänglichen Höhlen übersät, die immer wieder als Rückzugsort gedient haben.[24]

Westlich des Arbel liegt der Nitai (OpenTopoMap OTM). Dazwischen ist ein Flusstal, hebr. Naḥal Arbel, arab. Wadi Ḥamām. Durch dieses Wadi verlief auch eine Straße vom westlichen Bergland an den See.

Nördlich an den Arbel schließt sich eine Schwemmlandebene an, die Ebene von Ginnesar, die ihr Wasser durch zwei Flüsse erhält, Naḥal Ṣalmon (bei Dalman wādi er-rabaḍīje[25]) und Naḥal ʿAmmud (Dalman a.a.O. wādi el-ʿamūd). In ihr liegen Migdal und der Kibbuz Ginnosar.

Westlich von Tiberias, schon 6 km vom Seeufer entfernt, liegen die Hörner von Ḥiṭṭîn (OpenTopoMap OTM, auch Hittim, d.i. hebr. חִטִּים „Weizen(körner)“), arab. auch Ḥaṭṭīn. Die Schlacht bei (den Hörnern von) Hattin 1187 endete für das Heer der Kreuzritter mit einer vernichtenden Niederlage.

Der Berg der Seligpreisungen (OpenTopoMap OTM), auf dem traditionell die Bergpredigt verortet wird (was gut zu Mt 8,1.5 passen würde), ist eine Erhebung bei Tabgha, schwach 200 m über dem Seeniveau. Er wurde angeblich auch als Heremus (= griech. Erēmos „einsam, öde“?) bezeichnet.[26]

Der Berg, auf dem die Schweineherde war und dessen Abhang sie hinunter in den See stürmte (Mk 5,11; Lk 8,32), wird von Dalman 2 km südlich von Kursi verortet[27], also zwischen Kursi Beach und Gofra Beach, etwa auf Höhe des Aussichtspunkts Nuqeib (OpenTopoMap OTM), wobei eine Gleichsetzung von Gergesa mit Kursi vorausgesetzt ist. (Das genannte mōḳaʿ ʿedlo konnte ich nicht lokalisieren.) Dort soll sich auch das Speisungswunder ereignet haben.

  1. Shivtiʼel, Yinon: „Versteckt in Höhlen und Schluchten – Rebellen und Zeloten am See Gennesaret“. In: Bauern, Fischer und Propheten (s. Fußn. 17). S. 65-82, insbes. S. 67-71 u. die Bilder auf S. 64, 66 u. 72f.
  2. Orte und Wege Jesu (s. Fußn. 11), Archive.org S. 133
  3. Wikipedia Valerio von Bierzo (7. Jh.), Laus Egeriae, Kap. 3: aliumque valde excelsum, in quo Dominus discipulos beatitudines docuit, qui appellatur Heremus. „und einen anderen sehr hohen [Berg], auf dem der Herr die Jünger die Seligpreisungen lehrte, der Heremus genannt wird.“ Bibliotheca Augustana Valerii Bergidensis Laus Egeriae. Bibliotheca Augustana
  4. Orte und Wege Jesu (s. Fußn. 11), Archive.org S. 192f

Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 6. März 2025