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Texte: Theater


In der Renaissance haben die Italiener die antiken Theaterautoren wiederentdeckt, ihre Werke neu ediert und sie auch zu ihren literarischen Vorbildern gemacht. Doch vom ital. Renaissancetheater ist wenig in der allgemeinen Erinnerung geblieben. Wer weiß, dass Niccolò Machiavelli (1469-1527) auch Komödien schrieb?

Die bekannteste Hervorbringung ital. Bühnenschaffens ist die Commedia dell’ arte, eine Form von Stegreifkomödie ohne feste Handlung, aber mit vorgegebenen stereotypen Charakteren, die an Maske und Kostüm schon äußerlich erkennbar sind. Sie zerfallen in zwei Gruppen: die Vecchi Alte, Angehörige der reichen Oberschicht, und die Zanni (von Gianni, Dem. v. Giovanni) Hansln, besitzlose, oft vom Land stammende Bedienstete. Die wichtigsten Vecchi sind der Dottore, ein pedantischer Klugschwätzer, und Pantalone, ein alter wohlhabender venezianischer Kaufmann. Zu den Zanni zählen Brighella, ein verschlagener Bediensteter, der seine Intrigen aber meist von Arlecchino ausführen lässt; Arlecchino, ein einfältiger, verfressener, bauernschlauer Bediensteter, er trägt ein aus verschiedenfarbigen Stoffen zusammengenähtes Gewand und eine schwarze Halbmaske; Colombina, eine selbstsichere, verführerische Magd oder Köchin. Diese Kunstform florierte zwischen dem 16. und 18. Jh. Ihr kongenialster Vertreter und gleichzeitig Überwinder war der Venezianer Carlo Goldoni (1707-1793).

Ein Kritiker Goldonis war der Venezianier Carlo Gozzi (1720-1806), der in den 1760er Jahren mehrere Märchendramen schrieb, denen zu Lebzeiten des Autors nur kurzfristiger Erfolg beschieden war.

Ebenfalls eine Form der Bühnenkunst ist die Oper, obwohl für unser Gefühl dabei weniger Handlung und szenische Darstellung als vielmehr die Musik im Mittelpunkt stehen. (Das zeigt sich auch daran, dass der von mir zumeist gehörte Radiosender viel Opernmusik überträgt, aber praktisch keine Theateraufführungen.) Einen ersten Höhepunkt erreichte diese Kunstform mit dem Musiker und Priester Claudio Monteverdi (1567-1643) in seinen Opern L’Orfeo (1607) und den beiden Spätwerken Il ritorno d’Ulisse in patria (1640) und L’incoronazione di Poppea (1643). Auch Goldoni schrieb Opernlibretti.

Vittorio Alfieri (1749-1803) schrieb rund 20 Tragödien, die auf klassischen Stoffen beruhen und sich thematisch um den Kampf gegen die Tyrannei drehen. Damit wurde er zu einem literarischen Wegbereiter des Risorgimento.

Der Sizilianer Giovanni Verga (1840-1922) ist vor allem für seine veristischen Romane und Novellensammlungen bekannt. In der 1880 veröffentlichten Sammlung Vita dei campi war die Geschichte Cavalleria rusticana enthalten. 1884 machte Verga daraus ein Theaterstück. Aus diesem wurde schließlich die gleichnamige einaktige Oper mit der Musik von Pietro Mascagni, die 1890 in Rom uraufgeführt wurde.

Gabriele d’Annunzio (1863-1938) schrieb auch Theaterstücke. Doch deren Titel sagen mir sowenig wie auch seine übrigen Werktitel. Sein Roman L’innocente (1892) wurde 1976 von Luchino Visconti verfilmt (dt. Filmtitel: Die Unschuld).

Bekannte ital. Theaterautoren des 20. Jh. sind Luigi Pirandello (1867-1936, Literaturnobelpreis 1934) – sein bekanntestes Stück heißt Sei personaggi in cerca d'autore (dt. Sechs Personen suchen einen Autor), 1921 in Rom uraufgeführt ­– und Dario Fo (1926-2016, Literaturnobelpreis 1997) – sein bekanntestes Stück ist Non si paga! Non si paga! (dt. Bezahlt wird nicht!), 1974 in Mailand uraufgeführt.

Carlo Goldoni: Il servitore di due padroni

Es gab mehrere Auslöser dafür, dass ich mich mit diesem Stück beschäftigt habe. Einerseits eine Venedigreise, bei der ich immer wieder mal mit venezianischen Ausdrücken und Wortformen konfrontiert wurde: ca’ = casa, calle = via, ruga = vicolo u.ä. Dann die Sizilianismen des Camilleri, angesichts derer ich mir die Frage gestellt habe, ob es bekannte ital. Dichtung gibt, die andere Dialekte zu Wort kommen lässt. Und zuletzt das bekannte Wort Jesu, niemand könne zwei Herren dienen (Mt 6,24).

Carlo Goldoni (1707-1793) stammte aus Venedig und war gelernter Jurist. Er lebte und arbeitete in verschiedenen Städten Oberitaliens, die letzten dreißig Jahre seines Lebens dann in Paris, wo er auch starb. Er ist Autor etlicher Theaterstücke und Opernlibretti. Das 1745 entstandene Stück Il servitore di due padroni (dt. Der Diener zweier Herren) ist ein Höhepunkt der zu Ende gehenden ital. Commedia dell’arte. Die Individualisierung der Akteure des neuen Theaters ist bereits deutlich vorgezeichnet.


Kupferstich von Pietro Antonio Novelli und Antonio Baratti (beides Kupferstecher des 18. Jh.) zu Goldonis Stück: Truffaldino als Harlekin mit schwarzer Halbmaske, links vielleicht Beatrice (in Männerkleidern), rechts vielleicht Pantalone.– Quelle: Delle commedie di Carlo Goldoni, Bd. 5 (1761), Tafel zw. S. 182 u. 183.– Lizenz: gemeinfrei.– Bearbeitung: verkleinerter Bildausschnitt.

Der Inhalt: Der Turiner Federigo Rasponi ist bei einem Raufhandel ums Leben gekommen. Der Tat verdächtigt wird Florindo Aretusi, der Geliebte seiner Schwester Beatrice, da bekannt ist, dass sich die beiden nicht leiden konnten. Florindo flüchtet aus Turin, ohne sich vorher mit Beatrice verständigt zu haben. Federigo war verlobt mit Clarice, der Tochter des venezianischen Kaufmanns Pantalone dei Bisognosi, der Federigo außerdem Geld schuldete. Beatrice kommt als Mann verkleidet nach Venedig, gibt sich als ihr Bruder aus und versucht so, die Außenstände einzutreiben, um an Geld zu kommen. Sie wird begleitet von ihrem neuen Diener Truffaldino (Schwindler, Gauner), dem Arlecchino des Stücks. Dieser fühlt sich schlecht bezahlt und hat Hunger (die Kost ist Teil der Entlohnung). Da kommt der flüchtige Florindo nach Venedig, trifft auf Truffaldino und bietet ihm an, ihn als Diener anzustellen. Truffaldino willigt ein, ohne vorher bei „Federigo“ (also in Wahrheit Beatrice) seine Stelle gekündigt zu haben. Er ist jetzt Diener zweier Herren. Die sich daraus ergebenden Konflikte und Verwicklungen machen das komische Potential der Stückes aus. („Sag deinem Herrn…!“ ­– Welchem?) Am Schluss treffen sich endlich Beatrice und Florindo und es kommt zum Happyend.

Goldoni lässt einen Teil der Personen Venezianisch reden: die Venezianer Brighella und Pantalone (nicht jedoch Pantalones Tochter, nicht den Dottore und seinen Sohn), den Bergamasker Truffaldino (Bergamo wurde seit dem 15. Jh. von den Venezianern regiert). Die meisten anderen reden Toskanisch (d.h. Standardital.). Wörterbücher und Grammatiken des Venezian. sind im Netz kaum zu finden. Deshalb die vielen Fragezeichen in den folgenden Textausschnitten.

ital. Text:
in: Delle commedia di Carlo Goldoni avvocato Veneto. Bd. 5.– Venedig: Pasquali, 1761. S. 183-264 (Buchscan bei Archive.org)
in: Commedie buffe in prosa del Sig. Carlo Goldoni. Bd. 10.– Venedig: Zatta, 1791. S. 3-106 (qualitativ schwacher Buchscan bei Archive.org)
in: Opere di Carlo Goldoni. Bd. 3.– Mailand: Bettoni, 1831. S. 194-218 (Buchscan bei Google Books)
in: Opere di Carlo Goldoni. Hrsg. v. Gianfranco Folena.– Mailand: Mursia, 1969.
PDF bei Einaudi
Digitalisat bei IntraText
dt. Übertragung:
Der Diener zweier Herren. Übers. v. Friedrich Ludwig Schröder.– Halle a.d. Saale: Hendel, o.J. (eher freie Bearbeitung, bei Zeno.org)
Il Servitore di due Padroni. Commedia di tre atti in prosa. Der Diener zweier Herren. Prosakomödie in drei Akten. Ital./Deutsch. Übers. u. Nachw. v. Heinz Riedt.– Stuttgart: Reclam, 2020 (1979). (Die relativ genaue Übers. erschien 1965 im Winkler-Verl.)
engl. Übersetzung:
The Servant of Two Masters. Übers. v. Edward J. Dent.- Cambridge: Univ. Press, 1928 (einigermaßen texttreue Übers., bei Project Gutenberg)
Sonstiges:
Wikipedia-Art. Der Diener zweier Herren

Ein wenig Grammatik

unbetonte Pronomina

Subjekts-
pronomen
direktes
Objekts-
pronomen
indirektes
Objekts-
pronomen
Sg. 1. miich mimich memir
2. du dich dir
3. m. eler loihn gheihm
f. lasie sie ihr
Pl. 1. wir neuns neuns
2. vuihr veeuch veeuch
3. m. isie i?sie ihnen
f. lesie sie ihnen

Im Gegensatz zum Standardital. wird im Venezian. auch pronominales Subj. häufig ausgedrückt: mi parlo, el/la parla; nu parlemo, vu parlè, i/le parla. mi son ich bin, l’è / el xè; vu sè, i/le son. Dies oft selbst dann, wenn ein nominales Subjekt vorhanden ist: che sto matrimonio el sia stà destinà dal cielo dass diese Ehe (sie) ist bestimmt worden vom Himmel. Von dieser Eigenheit scheinen auch die Sprecher des Standardital. beeinflusst. Silvio etwa gebraucht häufig pronominales Subj: io non desidero altro, io posso dire, io gli voglio parlare usw.

Bei Fragen wird das Subj.-Pron. an das Verb angehängt, so entstehen Formen wie vedeu = vedè-vu (=vedete), diseu = disè-vu (=dite), seu = sè-vu (=siete), vorla = vol-la (=lei vuole) usw.

betonte Pronomina

Subjekts-
pronomen
Objekts-
pronomen
Sg. 1. mi
2.
3. m. lu ello
f. ella
Pl. 1. nu
2. vu
3. m.
f.

da mi bei mir, von mir, co mi mit mir, de mi über mich; lu er, a ello ihm, con ella mit Ihnen; a nu zu uns, tra de nu unter uns; anca vu auch ihr.

Verbalformem

Das Part. Perf. ist häufig um die Endung -to verkürzt und daher endbetont und undekliniert: stà = stato, destinà = destinato, trovà = trovato, dà = dato, mazzà = ammazzato, restà = restato, innamorà = innamorato, vegnù = venuto. Daneben kommen Bildungen auf -(e)sto vor: volesto = voluto.
Ähnlich wird auch die Endung -(a)te der 2. Pers. Pl. gekappt: diletè = dilettate, sè = siete, volè = volete, podè = potete, savè = sapete, sarè = sarete (Fut. v. essere). Das gilt auch für den formengleichen Imptv. Pl.: parlè co mi (= parlate con me), vegnì (= venite) qua, stè (= state) qua, andè (= andate) all’ospeal, vedè (= vedete), dèghe (= gli date), aspettè (= aspettate).

Im Ind. Präs. wird meist die 3. P. Sg. auch für die 3. P. Pl. verwendet.

Rechtschreibung

x ist offenbar Wiedergabe einer Art von [s]/[z] oder [tʃ]/[dʒ]. Die Textausgaben schwanken hier auch gelegentlich. xè = è (mit dem es wechselt) bzw. Pl. sono, xelo = (lui) è, dixe = dice bzw. dicono.
ss, wo im Standardital. nur s geschrieben wird, zeigt stimmlose Aussprache [s] an: cossa [​ˈ​kɔ​ː​sa] = cosa. Dagegen weist s nach Vokal auf stimmhafte Aussprache [z]: piase [​ˈ​pia​ː​ze] = piace.

Text

Der Text beruht im Wesentlichen auf der Ausg. Venedig 1761, doch habe ich mich bei Groß-/Kleinschreibung, der Setzung von Akzenten und Apostrophen und in einigen die Rechtschreibung betreffenden Fällen an der modernisierten Orthographie der Ausg. Mailand 1969 orientiert. Ich habe die ersten beiden Akte schon vor längerer Zeit übersetzt und bin nicht sicher, ob die Formulierungen alle von mir stammen. Aber ich habe im Netz keine dt. Übersetzung gefunden, von der ich geklaut haben könnte.

ATTO PRIMO

ERSTER AKT

SCENA PRIMA

ERSTE SZENE

Camera in casa di Pantalone Zimmer im Haus des Pantalone
Pantalone, il Dottore, Clarice, Silvio, Brighella, Smeraldina; un altro Servitore di Pantalone. Pantalone, der Doktor, Clarice, Silvio, Brighella, Smeraldina; ein weiterer Diener des Pantalone
Silvio  Eccovi la mia destra, e con questa vi dono tutto il mio cuore. (a Clarice, porgendole la mano.) Silvio (zu Clarice, reicht ihr die Hand)  Hier meine Rechte, und mit ihr schenke ich Euch mein ganzes Herz.
Pantalone  Via, no ve vergognè; dèghe la man anca vu. Cusì sarè promessi, e presto presto sarè maridai. (a Clarice.) Pantalone (zu Clarice)  Los, geniert Euch nicht; gebt auch Ihr ihm die Hand. So werdet ihr verlobt sein, und ruck-zuck werdet ihr verheiratet sein. no = non; ve = vi; dè = date; ghe ~ gli; anca = anche; vu = voi; sarè = sarete; maridaio ~ maritato, v. maritare verheiraten?
Clarice  Sì caro Silvio, eccovi la mia destra. Prometto di essere vostra sposa. Clarice  Ja, lieber Silvio, hier meine Rechte. Ich verspreche, Eure Braut zu sein.
Silvio  Ed io prometto esser vostro. (Si danno la mano.) Silvio  Und ich verspreche, Euer Bräutigam zu sein. (Sie geben sich die Hand.)
Dottore  Bravissimi, anche questa è fatta. Ora non si torna più indietro. Doktor Lombardi  Sehr gut, auch dies ist geschafft. Nun gibt es kein Zurück mehr.
Smeraldina  (Oh bella cosa! Propriamente anch’io me ne struggo di voglia). Smeraldina  (Oh, wie schön! Eigentlich verschmachte auch ich vor Verlangen.) struggersi vergehen, verschmachten
Pantalone  Vu altri sarè testimoni de sta promission, seguida tra Clarice mia fia e el sior Silvio, fio degnissimo del nostro sior dottor Lombardi. (a Brighella, ed al Servitore.) Pantalone (zu Brighella und dem Diener)  Seid ihr anderen Zeugen dieser Verlobung, geschlossen zwischen meiner Tochter Clarice und dem Herrn Silvio, dem werten Sohn unseres Herrn Doktor Lombardi! sta = questa; promission = promessa; fia = figlia; el = il (best. Art.); sior = signore
Brighella  Sior sì, sior compare, e la ringrazio de sto onor che la se degna (de) farme. (a Pantalone.) Brighella (zu Pantalone)  Herr, ja, Herr Trauzeuge, und ich danke Ihnen für diese Ehre, die mir zu erweisen Sie sich herablassen.
Pantalone  Vedeu? Mi son stà compare alle vostre nozze, e vu sè testimonio alle nozze de mia fia. Non ho volesto chiamar compari, invidar parenti, perché anca sior Dottor el xè del mio temperamento; ne piase far le cosse senza strepito, senza grandezze. Magneremo insieme; se goderemo tra de nu, e nissun ne disturberà. Cossa diseu, putti, faremio pulito? (a Clarice e Silvio.) Pantalone  Seht Ihr? Ich bin Trauzeuge gewesen auf Eurer Hochzeit, und Ihr seid Zeuge bei der Hochzeit meiner Tochter. Ich wollte nicht Trauzeugen rufen, Verwandte einladen, denn auch der Herr Doktor ist von meinem Temperament; wir haben beschlossen, die Dinge ohne Lärm zu machen, ohne Großtun. Wir werden zusammen essen, werden uns unter uns freuen, und niemand wird uns stören.
(zu Clarice und Silvio) Was sagt ihr, Kinder, werden wir es fein (?) machen?
vedeu < vedè vu = vedete (voi); mi = Subj.-Pron.; stà = stato, -a; sè = siete; testimonio = testimone; volesto = voluto; el = Subj.-Pron.; xè [zɛ] ~ è od. sono (Pl.); ne = ci; piase [​ˈ​pia​ː​ze] = piace; cossa [​ˈ​kɔ​ː​sa] = cosa; diseu < disè vu = dite (voi); put(t)o ~ ragazzo (vgl. lat. putus Knabe)
Silvio  Io non desidero altro, che essere vicino alla mia cara sposa. Silvio  Ich begehre nichts weiter, als meiner lieben Braut nahe zu sein.
Smeraldina  (Certo, che questa è la migliore vivanda). Smeraldina  (Sicher ist das die beste Speise.)
Dottore  Mio figlio non è amante della vanità. Egli è un giovane di buon cuore. Ama la vostra figliuola, e non pensa ad altro. Doktor Lombardi  Mein Sohn ist kein Liebhaber von Nichtigkeiten. Er ist ein Jüngling mit gutem Herzen. Er liebt Euer Töchterlein und denkt an nichts anderes.
Pantalone  Bisogna dir veramente, che sto matrimonio el sia stà destinà dal cielo, perché se a Turin no moriva sior Federigo Rasponi, mio corrispondente, savè, che mia fia ghe l’aveva promessa a elo, e no la podeva toccar al mio caro sior zenero. (verso Silvio.) Pantalone  Man muss wirklich sagen, dass diese Ehe vom Himmel bestimmt worden ist, denn wäre nicht in Turin Herr Federigo Rasponi gestorben, mein Geschäftspartner, ihr wisst, dass ich ihm meine Tochter versprochen hatte, (zu Silvio gewandt) und sie hätte nicht meinem lieben Herrn Schwiegersohn zuteil werden können. savè = sapete; zenero = gènero Schwiegersohn
Silvio  Certamente io posso dire di essere fortunato. Non so, se dirà così la signora Clarice. Silvio  Sicherlich kann ich sagen, dass ich Glück habe. Ich weiß nicht, ob auch die Frau Clarice so sprechen wird.
Clarice  Caro Silvio, mi fate torto. Sapete pur, se vi amo; per obbedire il signor padre, avrei sposato quel Torinese; ma il [mio] cuore è sempre stato per voi. Clarice  Lieber Silvio, Ihr tut mir Unrecht. Ihr wisst doch, ob ich Euch liebe; um dem Herrn Vater zu gehorchen, hätte ich jenen Turiner geheiratet, aber mein Herz ist immer für Euch gewesen.
Dottore  Eppur è vero; il cielo quando ha decretato una cosa, la fa nascere per vie non prevedute. Come è succeduta la morte di Federigo Rasponi? (a Pantalone.) Doktor Lombardi (zu Pantalone)  Und doch ist es wahr; wenn der Himmel eine Sache verordnet hat, lässt er sie auf unvorhergesehenen Wegen entstehen. Wie ist der Tod des Federigo Rasponi passiert?
Pantalone  Poverazzo! L’è stà mazzà de notte per causa de una sorella… No so gnente. I gh’ha dà una ferìa, e el xè restà sulla botta. Pantalone  Armer Kerl! Er ist des nachts getötet worden wegen einer Schwester… Ich weiß nichts. Man hat ihm eine Verletzung zugefügt und er ist unter dem Hieb (liegen)geblieben. poverazzo = poveraccio; mazzà = ammazzato; i ~ loro, aber unbetont; gh’ha dà = gli hanno dato
Brighella  Elo successo a Turin sto fatto? (a Pantalone.) Brighella (zu Pantalone)  Ist diese Tat in Turin geschehen? elo hier ~ el xè (= è)?
Pantalone  A Turin. Pantalone  In Turin.
Brighella  Oh povero signor! Me despiase infinitamente. Brighella  Oh, der arme Herr! Er tut mir unendlich leid. me = mi
Pantalone  Lo conossevi sior Federigo Rasponi? (a Brighella.) Pantalone (zu Brighella)  Hast du Herrn Federigo Rasponi gekannt?
Brighella  Siguro, che lo conosseva. So stà a Turin tre anni, e ho conossudo anca so sorella. Una zovene de spirito, de corazzo; la se vestiva da omo, l’andava a cavallo, e lu el giera innamorà de sta so sorella. Oh! chi l’avesse mai dito! Brighella  Sicher habe ich ihn gekannt. Ich bin drei Jahre in Turin gewesen und habe auch seine Schwester kennengelernt. Eine junge Frau mit Witz, mit Mut; sie hat sich als Mann gekleidet, ritt zu Pferde, und er war vernarrt in diese seine Schwester. Oh! Wer hätte das jemals gedacht! conosseva (lat. -bam) = conoscevo; so = sono und suo/sua; la, l’ = lei, aber unbetont; lu = lui (betont)?; giera ~ era?
Pantalone  Ma! Le disgrazie le xè sempre pronte. Orsù, no parlemo de malinconie. Saveu cossa, che v’ho da dir, missier Brighella caro? So, che ve diletè de laorar ben in cusina. Vorrave, che ne fessi un per de piatti a vostro gusto. Pantalone  Na ja! Unglücke sind immer rasch. Wohlan, reden wir nicht über Traurigkeiten. Wisst Ihr, was ich Euch zu sagen habe, lieber Meister Brighella? Ich weiß, dass Ihr euch daran erfreut, gut in der Küche zu arbeiten. Ich möchte, dass du ein paar Gänge nach Eurem Geschmack zubereitest. ve diletè = vi dilettate; fessi = facessi (Konj. Impf.)? un per de = un paio di?
Brighella  La servirò volentiera. No fazzo per dir, ma alla mia locanda tutti se contenta. I dis cusì, che in nissun logo i magna, come che se magna da mi. La sentirà qualcossa de gusto. Brighella  Ich werde Sie gerne bedienen. Ich sollte das nicht sagen, aber in meinem Gasthaus werden alle zufriedengestellt. Man sagt, dass man an keinem Ort isst, wie man bei mir isst. Sie werden etwas von Geschmack probieren. fazzo = faccio; magna = mangia;
Pantalone  Bravo. Robba brodosa, vedè, che se possa bagnarghe drento delle molene de pan.
(si sente picchiare.) Oh! i batte. Varda chi è, Smeraldina.
Pantalone  Bravo. Dünnflüssiges (od. suppiges) Zeug, seht, worin man Brotstücke eintunken kann.
(Man hört es klopfen.) Oh! Man klopft. Sieh nach, wer es ist, Smeraldina.
drento = dentro; mollena ~ mollica Brotkrume?; varda = guarda
Smeraldina  Subito. (parte, e poi ritorna.) Smeraldina  Sofort. (geht und kommt dann zurück)
Clarice  Signor padre, con vostra buona licenza. Clarice  Herr Vater, mit eurer geschätzten Erlaubnis.
Pantalone  Aspettè; vegnimo tutti. Sentimo chi xè. Pantalone  Wartet; wir kommen alle. Hören wir, wer es ist. aspettè = aspettate
Smeraldina (Torna.)  Signore, è un servitore di un forestiere, che vorrebbe farvi un’imbasciata. A me non ha voluto dir nulla. Dice, che vuol parlar col padrone. Smeraldina (kommt zurück)  Herr, es ist ein Diener eines Fremden, der euch etwas ausrichten möchte. Mir wollte er nichts sagen. Er sagt, dass er mit dem (Haus)Herren sprechen will.
Pantalone  Diseghe, che el vegna avanti. Sentiremo cossa, che el vol. Pantalone  Sag ihm, dass er nähertreten soll. Wir werden hören, was er will.
Smeraldina  Lo farò venire. (parte.) Smeraldina  Ich werde ihn (her)bringen. (geht)
Clarice  Ma io me ne anderei, signor padre. Clarice  Aber ich werde gehen, Herr Vater.
Pantalone  Dove? Pantalone  Wohin?
Clarice  Che so io? Nella mia camera. Clarice  Was weiß ich? Auf mein Zimmer.
Pantalone  Siora no, siora no; stè qua.
(Sti novizzi non voi gnancora, che i lassemo soli.) (piano al Dottore.)
Pantalone  Gnä’Frau nein, gnä’Frau nein; bleibt hier.
(leise zum Doktor:) Diese Frischverlobten will ich noch nicht, dass wir sie allein lassen.)
stè = state
Dottore  (Saviamente, con prudenza.) (piano a Pantalone.) Doktor Lombardi (leise zu Pantalone)  (Weise mit Umsicht.)

SCENA SECONDA

ZWEITE SZENE

Truffaldino, Smeraldina e detti. Truffaldino, Smeraldina und die Genannten.
Truffaldino  Fazz’ umilissima reverenza a tutti lor siori. Oh, che bella compagnia! Oh, che bella conversazion! Truffaldino  Ich erweise meine ergebenste Reverenz allen Herrschaften. Oh, welch schöne Gesellschaft! Oh, welch schöne Unterhaltung!
Pantalone  Chi seu, amigo? Cossa comandeu? (a Truffaldino.) Pantalone (zu Truffaldino)  Wer seid Ihr, Freund? Was wünscht Ihr?
Truffaldino  Chi ela sta garbata signora? (a Pantalone, accennando Clarice.) Truffaldino (zu Pantalone, auf Clarice zeigend)  Wer ist diese gefällige Dame?
Pantalone  La xè mia fia. Pantalone  Sie ist meine Tochter.
Truffaldino  Me ne ralegher. Truffaldino  Das freut mich. me ralegher = mi rallegro?
Smeraldina  E di più è sposa. (a Truffaldino.) Smeraldina (zu Truffaldino)  Und überdies ist sie verlobt.
Pantalone  Me ne consolo. E ella chi èla? (a Smeraldina.) Pantalone (zu Smeraldina)  Darüber bin ich erfreut. Und Sie, wer sind Sie?
Smeraldina  Sono la sua cameriera, signore. Smeraldina  Ich bin ihr Dienstmädchen, Herr.
Truffaldino  Me ne congratulo. Truffaldino  Dazu gratuliere ich.
Pantalone  Oh via, sior, a monte le cerimonie. Cossa voleu da mi? Chi seu? Chi ve manda? Pantalone  Oh fort, Herr, zum Gipfel die Förmlichkeiten. Was wollt Ihr von mir? Wer seid Ihr? Wer schickt Euch?
Truffaldino  Adasio, adasio, colle bone. Tre interrogazion in t’una volta l’è troppo per un pover omo. Truffaldino  Gemach, gemach, auf gütlichem Weg (?). Drei Fragen auf einmal sind zu viel für einen armen Mann. adasio = adagio; colle bone = con le buone im Guten, auf gütlichem Weg, mit Milde o.ä.
Pantalone  (Mi credo che el sia un sempio costù.) (piano al Dottore.) Pantalone (leise zum Doktor)  (Ich glaube, dass der ein Dummkopf ist.) sempio = scempio; costù = costui, questo
Dottore  (Mi par piuttosto un uomo burlevole.) (piano a Pantalone.) Doktor Lombardi (leise zu Pantalone)  (Mir scheint er eher ein Scherzbold.)
Truffaldino  V. S. è la sposa? (a Smeraldina.) Truffaldino (zu Smeraldina)  Eure Durchlaucht sind die Verlobte? V. S. = vostra signoria
Smeraldina  Oh! (sospirando.) Signor no. Smeraldina (seufzend)  Oh! Herr, nein.
Pantalone  Voleu dir chi sè, o voleu andar a far i fatti vostri? Pantalone  Wollt Ihr sagen, wer Ihr seid, oder wollt Ihr gehen, um Eure Erledigungen zu erledigen? sè = siete
Truffaldino  Co no la vol altro, che saver chi son, in do parole me sbrigo. Son servitor del me padron. (a Pantalone.)
E cusì, tornando al nostro proposito… (voltandosi a Smeraldina)
Truffaldino (zu Pantalone)  Wenn Sie nichts anderes wollen, als zu wissen, wer ich bin, erledige ich es in zwei Worten. Ich bin ein Diener meines Herren.
(sich zu Smeraldina umwendend) Und so, zurückkehrend zu unserem Vorhaben…
co = con, hier: se wenn; vol = vuole; me = mio
Pantalone  Mo chi xelo el vostro padron? Pantalone  Aber wer ist euer Herr?
Truffaldino  L’è un forestier, che vorave vegnir a farghe una visita. (a Pantalone.)
Sul proposito de’sposi discorreremo. (a Smeraldina come sopra.)
Truffaldino (zu Pantalone)  Er ist ein Fremder, der zu Euch kommen möchte, um Ihm einen Besuch abzustatten.
(zu Smeraldina wie zuvor) Über das Vorhaben der Verlobten werden wir uns (noch) unterhalten.
vorave = vol a ve?; de’ = dei (so auch bei Folena)
Pantalone  Sto forestier chi xelo? Come se chiamelo? Pantalone  Wer ist dieser Fremde? Wie heißt er?
Truffaldino  Oh, l’è longa. L’è el sior Federigo Rasponi Torinese, el me padron, che la reverisse, che l’è vegnù a posta, che l’è da basso, che el manda l’ambassada, che el vorrìa passar, che el me aspetta colla risposta. Ela contenta? Vorla saver altro? (a Pantalone. Tutti fanno degli atti di ammirazione)
(a Smeraldina, come sopra) Tornemo a nu…
Truffaldino (zu Pantalone)  Oh, die (Geschichte) ist lang. Es ist der Herr Federigo Rasponi aus Turin, er ist mein Herr, der Sie verehrt, der zur Post gekommen ist, der unten ist, der die Botschaft schickt, dass er vorbeikommen will, dass er auf mich wartet mit der Antwort. Sind Sie zufrieden? Wollen Sie noch etwas wissen? (Alle zeigen sich verwundert.)
(zu Smeraldina wie zuvor) Kehren wir zu uns zurück…
vegnù = venuto; vorla = dissimiliert aus vol-la? (also = lei vuole)
Pantalone  Mo vegnì qua, parlè co mi. Cossa diavolo diseu? Pantalone  Aber kommt her, sprecht mit mir. Was zum Teufel sagt Ihr?
Truffaldino  E se la vol saver chi son mi, mi son Truffaldin Batocchio, dalle vallade de Bergamo. Truffaldino  Und wenn Sie wissen wollen, wer ich bin, ich bin Truffaldino Batocchio, aus den Tälern von Bergamo.
Pantalone  No m’importa de saver chi siè vu. Vorrìa, che me tornessi a dir chi xè sto vostro padron. Ho paura de aver strainteso. Pantalone  Es kümmert mich nicht zu wissen, wer Ihr seid. Ich möchte, dass ihr mir noch einmal sagt, wer dieser Euer Herr ist. Ich fürchte, falsch verstanden zu haben. fraintendere missverstehen, falsch verstehen
Truffaldino  Povero vecchio! El sarà duro de recchie. El me padron l’è el sior Federigo Rasponi da Turin. Truffaldino  Armer Alter! Er wird schon schwerhörig sein. Mein Herr ist der Herr Federigo Rasponi aus Turin. duro d'orecchio schwerhörig
Pantalone  Andè via, che sè un pezzo de matto. Sior Federigo Rasponi da Turin el xè morto. Pantalone  Geht weg, denn Ihr seid ein verrückter Kerl. Herr Federigo Rasponi aus Turin ist tot.
Truffaldino  L’è morto? Truffaldino  Er ist tot?
Pantalone  L’è morto seguro. Pur troppo per elo. Pantalone  Er ist mausetot. Schade für ihn.
Truffaldino  (Diavol! Che el me padron sia morto? L’ho pur lassà vivo da basso!) Disì da bon, che l’è morto? Truffaldino  (Teufel! Dass mein Herr Tod ist? Ich habe ihn doch lebendig unten gelassen!) Sagt Ihr im Ernst, dass er tot ist?
Pantalone  Ve digo assolutamente che el xè morto. Pantalone  Ich sage euch absolut, dass er tot ist.
Dottore  Sì, è la verità; è morto; non occorre metterlo in dubbio. Doktor Lombardi  Ja, es ist die Wahrheit; er ist tot; es ist nicht nötig, es in Zweifel zu ziehen.
Truffaldino  (Oh, povero el me padron! Ghe sarà vegnù un accidente). Con so bona grazia. (si licenzia.) Truffaldino  (Oh, mein armer Herr! Ihm wird ein Unfall passiert sein.) Mit Ihrem geschätzten Wohlwollen. (verabschiedet sich)
Pantalone  No volè altro da mi? Pantalone  Ihr wollt nichts weiter von mir?
Truffaldino  Co l’è morto, no m’occorre altro.
(Voi ben andar a veder, se l’è la verità.)
(parte, poi ritorna.)
Truffaldino  Wenn er tot ist, brauche ich nichts weiter.
(Ich will nachschauen gehen, ob es die Wahrheit ist.)
(geht weg, kommt dann zurück)
Pantalone  Cossa credemio che el sia costù? Un furbo, o un matto? Pantalone  Was sollen wir glauben, dass der ist? Ein Schlaumeier oder ein Verrückter?
Dottore  Non saprei. Pare, che abbia un poco dell’uno, e un poco dell’altro. Doktor Lombardi  Ich wüsste es nicht. Es scheint, dass er ein bisschen von dem einen und ein bisschen vom anderen hat.
Brighella  A mi el me par piuttosto un semplizotto. L’è Bergamasco, no crederia, che el fuss’ un baron. Brighella  Mir scheint er eher ein Einfaltspinsel. Er ist Bergamasker, ich würde nicht glauben, dass er ein Gauner ist. fuss’ = fosse (Konj. Impf.); barone: briccone, farabutto, furfante (Treccani, s.v. baróne²)
Smeraldina  Anche l’idea l’ha buona. (Non mi dispiace quel morettino). Smeraldina  Auch macht er einen guten Eindruck. (Mir missfällt jener Brünette nicht.) vgl. dare l’idea den Eindruck erwecken, viell. aber auch im Sinne von Ahnung, Auffassung(sgabe)?
Pantalone  Ma cossa se insonielo de sior Federigo? Pantalone  Aber was träumt er über Herrn Federigo?
Clarice  Se fosse vero ch’ei fosse qui, sarebbe per me una nuova troppo cattiva. Clarice  Wenn es wahr sein sollte, dass er hier ist, wäre es für mich eine allzu schlimme Nachricht.
Pantalone  Che spropositi! No aveu visto anca vu le lettere? (a Clarice.) Pantalone (zu Clarice)  Was für Dummheiten! Habe nicht auch Ihr die Briefe gesehen?
Silvio  Se anche fosse egli vivo e fosse qui, sarebbe venuto tardi. Silvio  Wenn er auch lebendig und hier sein sollte, wäre er zu spät gekommen.
Truffaldino (ritorna.)  Me maraveio de lor siori. No se tratta cusì colla povera zente. No se inganna cusì i forestieri. No le son azion da galantomeni. E me ne farò render conto. Truffaldino (kehrt zurück)  Ich wundere mich über euch Herren. So springt man nicht mit den armen Leuten um. So täuscht man nicht die Fremden. Das sind nicht die Taten von Ehrenmännern. Und ich werde darüber Rechenschaft geben lassen.
Pantalone  (Vardemose, che el xè matto). Coss’è stà? Cossa v’(h)ali fatto? Pantalone  (Geben wir acht, denn er ist verrückt.) Was ist passiert? Was hat man Euch getan? vardemose = guardiamoci?
Truffaldino  Andarme a dir, che sior Federigh Rasponi l’è morto? Truffaldino  Mir zu sagen, dass Herr Federigo Rasponi tot ist?
Pantalone  E cusì? Pantalone  Und so?
Truffaldino  E cusì l’è qua, vivo, san, spiritoso e brillante, che el vol reverirla, se la se contenta. Truffaldino  Und so ist er hier, lebendig, gesund, geistvoll und glänzend, der Sie verehren will, wenn Sie damit zufrieden sind.
Pantalone  Sior Federigo? Pantalone  Herr Federigo?
Truffaldino  Sior Federigo. Truffaldino  Herr Federigo.
Pantalone  Rasponi? Pantalone  Rasponi?
Truffaldino  Rasponi. Truffaldino  Rasponi.
Pantalone  Da Turin? Pantalone  Aus Turin?
Truffaldino  Da Turin. Truffaldino  Aus Turin.
Pantalone  Fio mio, andè all’ospeal, che sè matto. Pantalone  Mein Sohn, geht ins Krankenhaus, denn Ihr seid verrückt.
Truffaldino  Corpo del diavolo! Me faressi bestemiar come un zogador. Mo se l’è qua, in casa, in sala, che ve vegna el malanno. Truffaldino  Beim leibhaftigen Teufel! Dass ihr mich fluchen macht wie ein Spieler. Aber wenn er hier ist, im Haus, im Saal, dass auf Euch das Unglück kommt. faressi = facessi? faresti?; zogador = giocatore
Pantalone  Adessadesso ghe rompo el muso. Pantalone  Gleich breche ich ihm die Visage.
Dottore  No, signor Pantalone, fate una cosa; ditegli, che faccia venire innanzi questo tale, ch’egli crede essere Federigo Rasponi. Dottore  Nein, Herr Pantalone, tut (eine Sache=) folgendes: sagt ihm, dass er diesen gewissen, von dem er glaubt, es sei Federigo Rasponi, hereinkommen lassen soll.
Pantalone  Via, felo vegnir avanti sto morto ressuscità. Pantalone  Los, lass ihn hereinkommen, diesen auferstandenen Toten. felo = fallo (fa’-lo)
Truffaldino  Che el sia stà morto, e che el sia ressuscità pol esser, mi no gh’(h)o niente in contrario. Ma adesso l’è vivo, e el vederì coi vostri occhi. Vagh a dirghe che el vegna.
E da qua avanti imparè a trattar coi forestieri, coi omeni della me sorte, coi Bergamaschi onorati. (a Pantalone, con collera.)
Quella giovine, a so tempo se parleremo. (a Smeraldina, e parte.)
Truffaldino  Dass er tot gewesen ist und dass er auferstanden ist, kann sein, ich habe nichts dagegen. Aber jetzt ist er lebendig, und ihr werdet ihn mit euren Augen sehen. Ich gehe, ihm zu sagen, dass er kommen soll.
(zu Pantalone, wütend) Und von jetzt an lernt, mit Fremden umzugehen, mit Männern meiner Art, mit geachteten Bergamaskern.
(zu Smeraldina und geht dann) Jene junge Frau: zu gegebener Zeit werden wir uns sprechen.
pol = può (Analogie zu vol)?; vederì = vedrete?; imparè = imparate; sorte = sorta?; omeni = uomini
Clarice  (Silvio mio, tremo tutta.) (piano a Silvio.) Clarice (leise zu Silvio)  (Mein Silvio, ich zittere als ganzes.)
Silvio  (Non dubitate; in qualunque evento sarete mia.) (piano a Clarice.) Silvio (leise zu Clarice)  (Habt keine Angst; Ihr werdet in jedem Fall die meine sein.)
Dottore  Ora ci chiariremo della verità. Doktor Lombardi  Jetzt werden wir uns über die Wahrheit Klarheit verschaffen.
Pantalone  Pol vegnir qualche baronato a darme da intender delle fandonie. Pantalone  Es kann irgendein Halunke kommen, mir Märchen zu hören zu geben.
Brighella  Mi, come ghe diseva, sior compare, l’ho conossudo el sior Federigo; se el sarà lu, vederemo. Brighella  Wie ich ihm gesagt habe, Herr Trauzeuge, habe ich ihn gekannt, den Herrn Federigo; wir werden sehen, ob er es sein wird.
Smeraldina  (Eppure quel morettino non ha una fisonomia da bugiardo. Voglio veder se mi riesce…). Con buona grazia di lor signori. (parte) Smeraldina  (Doch jener Brünette hat nicht das Aussehen eines Lügners. Ich will sehen, ob es mir gelingt…). Mit der geschätzten Freundlichkeit der Herren. (geht)

SCENA TERZA

DRITTE SZENE

Beatrice in abito da uomo, sotto nome di Federigo, e detti. Beatrice in Männerkleidung unter dem Namen Federigos und die genannten.
Beatrice  Signor Pantalone, la gentilezza, che io ho ammirato nelle vostre lettere non corrisponde al trattamento che voi mi fate in persona. Vi mando il servo, vi fo passar l’ambasciata, e voi mi fate stare all’aria aperta, senza degnarvi di farmi entrare, che dopo una mezz’ora? Beatrice  Herr Pantalone, die Freundlichkeit, die ich an Euren Briefen bewundert habe, entspricht nicht der Behandlung, die Ihr mir persönlich zuteil werden lasst. Ich schicke Euch den Diener, ich lasse Euch die Botschaft zukommen, und Ihr lasst mich unter freiem Himmel stehen, ohne Euch dazu zu bequemen, mich (eher) eintreten zu lassen, als nach einer halben Stunde? fo = faccio
Pantalone  La compatissa… Ma chi xela ela, patron? Pantalone  Verzeihen Sie… Aber wer sind Sie, Herr?
Beatrice  Federigo Rasponi di Torino per obbedirvi. (Tutti fanno atti d’ammirazione.) Beatrice  Federigo Rasponi aus Turin, Euer gehorsamer Diener. (Alle machen Gesten der Bewunderung.) ob ammirazione hier soviel als meraviglia, stupor Verwunderung?
Brighella  (Cossa vedio? Coss’è sto negozio? Questo no l’è Federigo, l’è la siora Beatrice so sorella. Voi osservar dove tende sto inganno). Brighella  (Was sehe ich? Was ist das für ein Geschäft? Das ist nicht Federigo, das ist Frau Beatrice, seine Schwester. Ich will beobachten, wohin dieser Schwindel hinauswill.) voi = voglio
Pantalone  Mi resto attonito… Me consolo de vederla san e vivo, quando avevimo avudo delle cattive nove.
(Ma gnancora no ghe credo, savè?) (piano al Dottore.)
Pantalone  Ich bin verblüfft. Ich bin erfreut, Sie gesund und lebendig zu sehen, nachdem wir schlimme Neuigkeiten gehört haben.
(leise zu Doktor Lombardi) (Aber noch glaube ich ihm nicht, wisst Ihr?)
Beatrice  Lo so; fu detto, che in una rissa rimasi estinto. Grazie al cielo, fui solamente ferito; e appena risanato, intrapresi il viaggio di Venezia, già da gran tempo con voi concertato. Beatrice  Ich weiß; es wurde gesagt, dass ich in einer Schlägerei tot zurückgeblieben bin. Dem Himmel sei Dank, ich wurde nur verwundet; und kaum genesen unternahm ich die Reise nach Venedig, die schon seit langer Zeit mit Euch verabredet war.
Pantalone  No so cossa dir. La so ciera xè da galantomo: ma mi gh’(h)o riscontri certi e seguri, che sior Federigo sia morto; onde la vede ben… se no la me dà qualche prova in contrario… Pantalone  Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ihr Aussehen ist das eines Ehrenmannes. Aber ich habe gewisse und sichere Bestätigungen, dass Herr Federigo tot ist; daher werden Sie wohl einsehen… wenn Sie mir nicht irgendwelche Beweise für das Gegenteil geben… ciera = cera Gesichtsfarbe, Miene, Aussehen
Beatrice  È giustissimo il vostro dubbio; conosco la necessità di giustificarmi. Eccovi quattro lettere de’vostri amici corrispondenti, una delle quali è del ministro della nostra banca. Riconoscerete le firme, e vi accerterete dell’esser mio. (Dà quattro lettere a Pantalone, il quale le legge da se.) Beatrice  Euer Zweifel ist ist äußerst berechtigt; ich erkenne die Notwendigkeit, mich auszuweisen. Hier sind vier Briefe eurer Geschäftsfreunde, von denen einer vom Leiter unserer Bank ist. Ihr werdet die Unterschriften wiedererkennen, und Ihr werdet Euch meiner Identität vergewissern. (Gibt Pantalone vier Briefe, welcher sie für sich liest.)
Clarice  (Ah Silvio, siamo perduti!) (piano a Silvio.) Clarice (leise zu Silvio)  (Oh Silvio, wir sind verloren!)
Silvio (leise zu Clarice)  (La vita perderò, ma non voi.) (piano a Clarice.) Silvio  (Ich werde das Leben verlieren, aber nicht Euch.)
Beatrice  (Oimè! Qui Brighella? Come diamine qui si ritrova costui? Egli mi conoscerà certamente; non vorrei, che mi discop(r)isse.) (avvedendosi di Brighella.)
Amico, mi par di conoscervi. (forte a Brighella.)
Beatrice (Brighella bemerkend)  (Oje! Brighella hier? Wie, verflixt, befindet sich der hier? Er wird mich sicher erkennen; ich möchte nicht, dass er mich aufdeckt.) (laut zu Brighella) Freund, mir scheint, ich kenne euch.
Brighella  Sì signor, no la s’arrecorda a Turin Brighella Cavicchio? Brighella  Ja, Herr, erinnern Sie sich nicht in Turin an Brighella Cavicchio?
Beatrice  Ah sì, ora vi riconosco. (Si va accostando a Brighella.) Bravo galantuomo, che fate in Venezia? (Per amor del cielo, non mi scoprite.) (piano a Brighella.) Beatrice  Ah ja, jetzt erkenne ich Euch wieder. (geht, sich Brighella nähernd) Braver Mann, was macht Ihr in Venedig? (leise zu Brighella) (Um Himmels willen, deckt mich nicht auf.)
Brighella  (Non gh'è dubbio.) (piano a Beatrice.) Fazzo el locandier, per servirla. (forte alla medesima.) Brighella (leise zu Beatrice)  Seid unbesorgt. [eigentl.: Es besteht kein Zweifel.] (laut zu derselben) Ich bin Gastwirt, zu Ihren Diensten.
Beatrice  Oh, per l'appunto; giacché ho il piacer di conoscervi, verrò ad alloggiare alla vostra locanda. Beatrice  Oh, ja genau; weil ich das Vergnügen habe, Euch zu kennen, werde ich kommen, in Eurem Gasthaus zu logieren.
Brighella  La me farà grazia. (Qualche contrabando siguro). Brighella  Sie werden mir Huld erweisen. (Irgendein Schleichhandel sicherlich.)
Pantalone  Ho sentio tutto. Certo, che ste lettere le me accompagna el sior Federigo Rasponi, e se ella me le presenta, bisognerave creder, che la fosse… come che dixe ste lettere. Pantalone  Ich habe alles aufgenommen. Sicher, diese Briefe bieten mir den Herrn Federigo Rasponi dar, und wenn Sie sie mir vorlegen, wird man Euch glauben müssen, dass Sie sind… wie was diese Briefe sagen. sentio = sentito?; dixe = dice/dicono?
Beatrice  Se qualche dubbio ancor vi restasse, ecco qui messer Brighella; egli mi conosce, egli può assicurarvi dell’esser mio. Beatrice  Wenn Euch noch irgendein Zweifel verblieben ist, hier ist Meister Brighella; er kennt mich, er kann Euch meiner Identität versichern.
Brighella  Senz’altro, sior compare, lo assicuro mi. Brighella  Natürlich, Herr Trauzeuge, ich versichere ihn.
Pantalone  Co la xè cusì, co me l’attesta, oltre le lettere, anca mio compare Brighella, caro sior Federigo, me ne consolo con el(l)a, e ghe domando scusa, se ho dubità. Pantalone  Wenn das so ist, wenn es mir außer den Briefen auch mein Treuzeuge Brighella bezeugt, lieber Herr Federigo, bin ich mit Ihnen darüber erfreut und bitte Sie um Verzeihung, wenn ich gezweifelt habe.
Clarice  Signor padre, quegli è dunque il signor Federigo Rasponi? Clarice  Herr Vater, jener ist also der Herr Federigo Rasponi?
Pantalone  Mo el xè elo lu. Pantalone  Aber er ist es.
Clarice  (Me infelice, che sarà di noi?) (piano a Silvio.) Clarice (leise zu Silvio)  (Ich Unglückliche, was wird aus uns werden?)
Silvio  (Non dubitate, vi dico; siete mia, e vi difenderò.) (piano a Clarice.) Silvio (leise zu Clarice)  (Zweifelt nicht, sage ich Euch; Ihr seid die meine, und ich werde Euch verteidigen.)
Pantalone  (Cossa diseu, dottor, xelo vegnù a tempo?) (piano al Dottore.) Pantalone (leise zu Doktor Lombardi  Was sagt Ihr, Herr Doktor? Ist er rechtzeitig gekommen?)
DottoreAccidit in puncto, quod non contingit in anno. Doktor Lombardi  (auf Latein) Es geschieht in einem Augenblick, was in einem Jahr nicht gelingt.
Beatrice  Signor Pantalone, chi è quella signora? (accennando Clarice.) Beatrice (auf Clarice zeigend)  Herr Pantalone, wer ist jene Dame?
Pantalone  La xè Clarice mia fia. Pantalone  Das ist meine Tochter Clarice.
Beatrice  Quella a me destinata in isposa? Beatrice  Jene mir zur Braut bestimmte? in isposa ~ a sposa?
Pantalone  Sior sì, giusto quella. (Adesso son in un bell’intrigo). Pantalone  Ja Herr, genau jene. (Jetzt bin ich in einer schönen Zwickmühle.)
Beatrice  Signora, permettetemi, ch’io abbia l’onore di riverirvi. (a Clarice.) Beatrice (zu Clarice)  Meine Dame, gestattet mir, dass ich die Ehre habe, Euch meine Verehrung zu erweisen.
Clarice  Serva divota. (sostenuta.) Clarice (abweisend)  (Eure) ergebene Dienerin.
Beatrice  Molto freddamente m’accoglie. (a Pantalone.) Beatrice (zu Pantalone)  Sehr kalt nimmt sie mich auf.
Pantalone  Cossa vorla far? La xè timida de natura. Pantalone  Was wollen Sie machen? Sie ist von Natur aus schüchtern.
Beatrice  E quel signore è qualche vostro parente? (a Pantalone, accennando Silvio.) Beatrice (zu Pantalone, auf Silvio zeigend)  Und jener Herr ist einer Eurer Verwandten?
Pantalone  Sior sì; el xè un mio nevodo. Pantalone  Ja, Herr; er ist einer meiner Neffen.
Silvio  No signore, non sono suo nipote altrimenti, sono lo sposo della signora Clarice. (a Beatrice.) Silvio (zu Beatrice)  Nein, Herr; ich bin keineswegs sein Neffe, ich bin der Bräutigam der Frau Clarice. altrimenti ~ affatto?
Dottore  (Bravo! Non ti perdere. Di’la tua ragione, ma senza precipitare.) (piano a Silvio.) Doktor Lombardi (leise zu Silvio)  (Bravo! Verlier keine Zeit. Behaupte dein Recht, aber ohne Überstürzung.) perdersi hier im Sinne von sich verzetteln, herumtrödeln? oder verpassen, auslassen? (Dent: „Don't lose your chance!“)
Beatrice  Come! Voi sposo della signora Clarice? Non è ella a me destinata? Beatrice  Wie? Ihr Bräutigam der Frau Clarice? Ist sie nicht mir bestimmt worden?
Pantalone  Via, via. Mi scoverzirò tutto. Caro sior Federigo, se credeva, che fosse vera la vostra disgrazia, che fussi morto, e cusì aveva dà mia fia a sior Silvio; qua no ghe xè un mal al mondo. Finalmente sè arrivà in tempo. Clarice xè vostra, se la volè, e mi son qua a mantegnirve la mia parola. Sior Silvio, no so cossa dir; vedè coi vostri occhi la verità. Savè cossa, che v’ho dito, e de mi no ve podè lamentar. Pantalone  Na, na. Ich werde alles erklären. Lieber Herr Federigo, man glaubte, dass euer Unglück wahr sei, dass Sie tot seien, und so habe ich meine Tochter dem Herrn Silvio gegeben; hier gibt es nichts Schlimmes in der Welt. Schließlich seid Ihr rechtzeitig angekommen. Clarice ist die Eure, wenn Ihr sie wollt, und ich bin hier, Euch mein Wort zu halten. Herr Silvio, Ich weiß nicht, was ich sagen soll; Ihr seht mit Euren (eigenen) Augen die Wahrheit. Ihr wisst, was ich Euch gesagt habe, und Ihr könnt Euch nicht über mich beklagen. scoverzirò = scoperchierò
Silvio  Ma il signor Federigo non si contenterà di prendere una sposa, che porse ad altri la mano. Silvio  Aber der Herr Federigo wird sich nicht damit zufrieden geben, eine Braut zu nehmen, die die Hand einem anderen gereicht hat.
Beatrice  Io poi non sono sì delicato. La prenderò nonostante. (Voglio anche prendermi un poco di divertimento). Beatrice  Ich bin eigentlich nicht so heikel. Ich werde sie trotzdem nehmen. (Ich will mir auch ein bisschen Spaß holen.)
Dottore  (Che buon marito alla moda! Non mi dispiace). Doktor Lombardi  (Was für ein guter, moderner Gatte! Er missfällt mir nicht.)
Beatrice  Spero, che la signora Clarice non ricuserà la mia mano. Beatrice  Ich hoffe, dass die Frau Clarice meine Hand nicht zurückweisen wird.
Silvio  Orsù, signore, tardi siete arrivato. La signora Clarice deve esser mia, né sperate, che io ve la ceda. Se il signor Pantalone mi farà torto, saprò vendicarmene; e chi vorrà Clarice, dovrà contenderla con questa spada (parte.) Silvio  Wohlan, Herr, Ihr seid zu spät gekommen. Die Frau Clarice muss die meine sein; hofft auch nicht, dass ich sie Euch überlasse. Wenn der Herr Pantalone mir Unrecht tun wird, werde ich mich dafür zu rächen wissen; und wer Clarice will, wird mit diesem Degen um sie streiten müssen. (geht)
Dottore  (Bravo, corpo di Bacco!) Doktor Lombardi  (Bravo, Donnerwetter!)
Beatrice  (No, no, per questa via non voglio morire.) Beatrice  (Nein, nein, deswegen will ich nicht sterben.)
Dottore  Padrone mio, V. S. è arrivato un po’tardi. La signora Clarice l’ha da sposare mio figlio. La legge parla chiaro. Prior in tempore, potior in iure. (parte.) Doktor Lombardi  Mein Herr, Eure Durchlaucht sind ein bisschen zu spät gekommen. Die Frau Clarice hat meinen Sohn zu heiraten. Das Gesetz spricht klar. (auf Latein) Zeitlich früher, rechtlich stärker. (geht)
Beatrice  Ma voi, signora sposa, non dite nulla? (a Clarice.) Beatrice (zu Clarice)  Aber Ihr, Frau Braut, sagt gar nichts?
Clarice  Dico, che siete venuto per tormentarmi. (parte.) Clarice  Ich sage, dass Ihr gekommen seid, um mich zu peinigen. (geht)

SCENA DECIMA

ZEHNTE SZENE

Truffaldino, poi Silvio. Truffaldino, dann Silvio.
Truffaldino  Oh bella! Ghe n’è tanti, che cerca un padron, e mi ghe n’ho trovà do. Come diavol oia da far? Tutti do no li posso servir. No? E perché no? No la sarìa una bella cossa servirli tutti do, e guadagnar do salari, e magnar el doppio? La sarìa bella, se no i se ne accorzesse. E se i se ne accorze, cossa perdio? Gnente. Se uno me manda via, resto con quell’altro. Da galantomo, che me voi provar. Se la durasse anca un dì solo, me voi provar. Alla fin averò sempre fatto una bella cossa. Animo; andemo alla Posta per tutti do. (incamminandosi.) Truffaldino  Na toll! Es gibt viele, die suchen einen Herrn, und ich habe zwei gefunden. Wie, zum Teufel, soll ich es anstellen? Allen beiden kann ich nicht dienen. Nicht? Und wieso nicht? Wäre das nicht eine schöne Sache, allen beiden zu dienen und zwei Gehälter zu verdienen und das Doppelte zu essen? Das wäre schön, wenn sie es nicht merkten. Und wenn sie es merken, was verliere ich? Nichts. Wenn mich der eine fortschickt, bleibe ich bei dem anderen. Bei meiner Ehre: ich will es versuchen. Wenn es auch nur einen Tag dauert, ich will es versuchen. Am Ende werde ich immer eine schöne Sache gemacht haben. Nur Mut! Gehen wir zur Post für alle beide. (macht sich auf den Weg) ghe = ci?; do = duo; trovà = trovato; oio ~ ho?; saria = sarebbe (Kond. I)?; i se accorze = si accorgono; voi = voglio
Silvio  (Questi è il servo di Federigo Rasponi.) Galantuomo? (a Truffaldino.) Silvio  (Das ist der Diener des Federigo Rasponi.) (zu Truffaldino) Guter Mann!
Truffaldino  Signor. Truffaldino  Gnä’ Herr.
Silvio  Dov’è il vostro padrone? Silvio  Wo ist Eurer Herr?
Truffaldino  El me padron? L’è là in quella locanda. Truffaldino  Mein Herr? Er ist dort in jenem Gasthaus.
Silvio  Andate subito dal vostro padrone, ditegli, ch’io gli voglio parlare; s’è uomo d’onore, venga giù, ch’io l’attendo. Silvio  Geht sofort zu Eurem Herrn, sagt ihm, dass ich mit ihm sprechen will; wenn er ein Mann von Ehre ist, möge er herunterkommen, weil ich auf ihn warte.
Truffaldino  Ma caro signor… Truffaldino  Aber werter Herr…
Silvio  Andate subito. (con voce alta.) Silvio  (mit lauter Stimme) Geht sofort.
Truffaldino  Ma la sappia, che el me padron… Truffaldino  Aber wisst, dass mein Herr…
Silvio  Meno repliche, giuro al cielo. Silvio  Erwidere nichts weiter, ich schwöre beim Himmel.
Truffaldino  Ma qualo ha da vegnir?… Truffaldino  Aber welcher soll kommen?
Silvio  Subito, o ti bastono. Silvio  Sofort, oder ich verprügle dich.
Truffaldino  (No so gnente, manderò el primo, che troverò.) (entra nella locanda.) Truffaldino  (Ich weiß nichts, ich werde den ersten schicken, den ich treffen werde.) (betritt das Gasthaus)

Riedt gibt sior / signor (und die femininen Pendants) unübersetzt wieder, um es als Anrede kenntlich zu machen und so z.B. von padrone Herr, Chef, Eigentümer zu unterscheiden. Der Dottore spricht Beatrice allerdings einmal als padrone mio an; so wie man im Österreichischen gelegentlich auch Personen als Herr Chef anspricht, zu denen man in keinem Arbeitsverhältnis steht, was meist eine leicht ironische Note hat.


Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 12. Juni 2024