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Einige lateinische Inschriften in der Stadt Salzburg
Auch diese Seite ist ursprünglich aus der Überlegung entstanden, welche lateinischen Inschriften in der Stadt Salzburg man Lateinschülern zeigen sollte. (Daher auch die Erklärung aller Vokabeln, die im alten blauen Klett-Grund- und Aufbauwortschatz nicht im Grundwortschatzteil aufgeführt sind.) Das Angebot ist groß und die Auswahl, die ich hier getroffen habe, eher zufällig: es sind solche Inschriften, die mir ins Auge gefallen sind, weil ich oft an ihnen vorbeigehe, oder die ich inhaltlich interessant finde. Die Beschäftigung mit diesen Inschriften ist auch ein Eintauchen in die Geschichte Salzburgs.
Mein Übersetzungen sind transponierend; ich versuche Zeile pro Zeile wiederzugeben, das wirkt öfter hölzern. „Schöne“ Übersetzungen findet man bei Leitich und Fussl. In vielen Inschriften finden sich transitive Verba wie „hat errichtet, hat aufgestellt, hat gemacht, hat wiederhergestellt“ ohne Objekt im Text. Als Objekt zu ergänzen ist dann das Bauwerk, das die Inschrift trägt.
Soweit das einigermaßen möglich war, habe ich auch typographische Eigenheiten wie Kursivschrift oder größeren Anfangsbuchstaben wiedergegeben. Allgemeinverständliche Ligaturen wie Æ (AE) oder & (ET) habe ich nicht aufgelöst. Soweit möglich, habe ich auch Abkürzungszeichen wie Oberstrich oder Tilde wiedergegeben.
Ich habe (mit einer Ausnahme) jede Inschrift fotografiert und den Text mit den Aufnahmen abgeglichen. Die Fotos sind häufig digital nachbearbeitet, der Kontrast künstlich stark erhöht, damit man auch bei geringer Auflösung noch etwas erkennen kann.
Nicht alle Inschriften habe ich selbst entdeckt. Meine Quellen waren:
Die Informationen zu den Bauwerken sind zusammengetragen hauptsächlich aus:
Da ein Großteil der Bauinschriften aus der Barockzeit stammt, ist es nützlich, die Regierungszeiten der Fürsterzbischöfe der Barockzeit (ca. 1575-1770) zu kennen.
Johann Jakob Khuen von Belasi | 1560?-1586 | |
Georg von Kuenburg | 1586-1587 (seit 1580 Koadjutor) | |
Wolf Dietrich von Raitenau | 1587-1612 | |
Markus Sittikus Graf von Hohenems | 1612-1619 | |
Paris Graf von Lodron | 1619-1653 | |
Guidobald Graf von Thun und Hohenstein | 1654-1668 | |
Max Gandolf von Kuenburg | 1668-1687 | |
Johann Ernst Graf von Thun und Hohenstein | 1687-1709 | |
Franz Anton Fürst von Harrach | 1709-1727 (seit 1705 Koadjutor) | |
Leopold Anton Freiherr von Firmian | 1727-1744 | |
Jakob Ernst Graf von Liechtenstein-Kastelkorn | 1745-1747 | |
Andreas Jakob Graf von Dietrichstein | 1747-1753 | |
Sigismund III. Christoph Graf von Schrattenbach | 1753-1771 | |
Hieronymus Graf von Colloredo | 1772-1803/09 (bis 1803 Landesfürst, ab dann nur noch Erzbischof) |
1570 | 1580 | 1590 | 1600 | 1610 | 1620 | 1630 | 1640 | 1650 | 1660 | 1670 | 1680 | 1690 | 1700 | 1710 | 1720 | 1730 | 1740 | 1750 | 1760 | 1770 | 1780 | 1790 | 1800 | 1810 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) fiel fast zur Gänze in die Regierungszeit
von Paris Lodron, dem es jedoch gelang, Salzburg weitgehend aus diesem Krieg
herauszuhalten.
Hieronymus von Colloredo war der letzte Erzbischof, der auch Landesfürst war.
Die Eroberungszüge Napoleons setzten dieser Ära ein Ende. Mozart (1756-1791)
wurde unter Sigismund von Schrattenbach geboren. Der Landesfürst, mit dem er
sich überwarf, war Colloredo.
Die wenigsten Inschriften führen die volle Titulatur auf. Oft wird sie mit &c. (et cetera) abgebrochen, oder die Wörter werden abgekürzt, im Extremfall zu einer Folge von Anfangsbuchstaben.
Der Dachstuhl des romanischen Doms brannte im Dez. 1598 ab. Dies führte in den folgenden nasskalten Monaten zum Einsturz der Gewölbe. Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau ließ die Ruine abreißen. Unter seinem Nachfolger Markus Sittikus von Hohenems erfolgte 1614 die Grundsteinlegung zum Neubau. Eingeweiht wurde der barocke Dom 1628 von Fürsterzbischof Paris von Lodron. Das Einweihungsfest muss epische Ausmaße gehabt haben.
Über dem mittleren der drei Bögen, durch die man in die Vorhalle gelangt, befindet sich die schlichte Inschrift:
1 Leitich Nr. 1 (S. 11)
HÆC EST DOMVS DEI Dies ist Gottes Haus, IN QVA INVOCABITVR in dem sein Name angerufen werden wird. NOMEN EIVS
in-vocō, -āre: anrufen, sich rufend an jmd. wenden
Das Futur invocabitur erweckt den Eindruck, als sei die Inschrift
schon zu einem Zeitpunkt entstanden, da der neue Dom noch nicht benutzbar
war; als handle es sich um die Ankündigung: „Hier eröffnet demnächst ein
neues Gotteshaus.“
Achtung: dt. der Dom ist mask. und hat langes o, im Lat. ist
domus fem. und hat kurzes o.
Die einstigen Hofstallungen (der sog. Hofmarstall) wurden von Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau 1606/07 erbaut. Anfang des 19. Jh. wurden sie zu einer Kavalleriekaserne umgestaltet. In den Jahren 1956-1960 wurde hier das Große Festspielhaus errichtet. Auf die ursprüngliche Funktion des Gebäudes weist die Inschrift über dem Prunkportal, über der das Wappen Wolf Dietrichs thront.
2 Leitich Nr. 24 (S. 28), Fussl Nr. 5a (S. 5)
RAITNAVIVS PRINCEPS HOC TANTÆ MOLIS EQVILE Der Raitenauer Fürst hat diesen Pferdestall von solcher Größe EXIGVO PRIMVS TEMPORE CONSTITVIT als erster in kurzer Zeit erbaut. ATQ(ue) VT NON DESIT CVM LARGO COPIA CORNV Und damit die Fülle mit dem reichen Horn nicht fehlt, FRVGIBVS OMNIGENIS HORREA PLENA DEDIT gab er Speicher, voll mit allerlei Feldfrüchten. ANNO D̅(omin)N̅I̅ M D C VII Im Jahr des Herrn 1607
Metrisch handelt es sich um zwei Elegische Disticha. Ihnen ist
auch die Wortstellung (cum largo copia cornu) geschuldet.
mōlēs, -is f.: Masse, Last, Größe
equīle, -is n.: Pferdestall
exiguus: klein, gering
Copia ist hier zu verstehen als Göttin der Fülle und des Überflusses,
ihr wird hier das Füllhorn als Attribut zugeeignet.
largus: reich; freigiebig
frūgēs, -um f. Pl.: (Feld-)Früchte
omni-genus: allerlei
horreum, -ī n.: Scheune, Speicher, Magazin
Augenfälliger ist das Spruchband, das einen Großteil der Gebäudebreite einnimmt und das auf seine heutige Bestimmung Bezug nimmt:
3 Leitich Nr. 28 (S. 31), Fussl Nr. 5c (S. 6)
SACRA CAMENAE DOMVS · CONCITIS CARMINE PATET · QVO NOS ATTONITOS · NVMEN AD AVRAS FERAT Das heilige Haus der Muse steht den vom Lied Erregten offen; uns, die durch dieses [scil. das Lied] Verzückten, trage die Gottheit (hoch) in die Lüfte.
Metrisch ist ein hexametrischer Einschlag feststellbar, mehr
aber nicht. Ein Distichon wie Leitich kann ich nicht erkennen.
Camēna, -ae f.: die röm. Version der griech. Muse
con-cieō, -ēre, -cīvī, -citus od. -cītus: zus.bringen, antreiben, erregen
attonitus: (angedonnert=) betäubt, bestürzt, begeistert, verzückt
aura, -ae f.: Luft, Hauch, Wehen
Verfasser war der Benediktiner Thomas Michels, Theologieprofessor an der Universität Salzburg, Gründer des Internationalen Forschungszentrums (IFZ). Nach ihm ist auch ein Studentenheim in Salzburg benannt. Dass der Katholik Michels keine Hemmungen hatte, so nahe beim Haus Gottes ein Haus der Muse, d.h. einer heidnischen Gottheit, auszurufen, erscheint mir bemerkenswert.
Das Neutor ist ein Tunnel durch den Mönchsberg. Er wurde 1764/65 unter
Fürsterzbischof Sigismund (od. Siegmund) von Schrattenbach gegraben und heißt
daher auch Siegmundstor. In den Jahren 1765-67 wurden die Tunnelportale
geschaffen. Am altstadtseitigen Portal befindet sich ein Relief mit einem
Brustbild des Bauherren und darüber die Inschrift:
4 Leitich Nr. 29 (S. 33), Fussl Nr. 7a (S. 8)
TE. SAXA. LOQVVNTVR. Von dir sprechen die Steine.
Zum transitiven Gebrauch von verba loquendi vgl. etwa Vergils arma virumque cano „von Waffen und dem Mann singe ich“ oder Homers ἄνδρα μοι ἔννεπε, Μοῦσα „den Mann sage mir, Muse“. (Im Dt. nur in Wendungen wie Unsinn reden, die Wahrheit sagen.)
Angesprochen ist wohl der abgebildete Fürst, und die Inschrift will sagen: dieses Bauwerk verkündet den Ruhm des Erbauers. Es handelt sich um eine Abwandlung der Redewendung saxa loquuntur „die Steine reden“, ein beliebtes Motto von Lithographen, Epigraphen, Geologen usw.
Die Herkunft der Redewendung konnte ich nicht eruieren. Wikipedia führt sie auf auf Lk 19,40 zurück: dico vobis quia si hii tacuerint lapides clamabunt. „Ich sage euch: wenn diese schweigen, werden die Steine schreien.“
Auf dem 1799 neu gestalteten Stadtbrunnen von Viechtach im Bayerischen Wald steht: vos saxa loquuntur „von euch reden die Steine“ (s. „Den Geheimnissen von Viechtach auf der Spur“, Artikel im Lokalteil des Bayerwald-Boten vom 21.08.2014). Dieselben Worte sind in einen Felsen der Seisenbergklamm (Weißbach bei Lofer, Pinzgauer Saalachtal) unter die Wappen König Ludwigs von Bayern (reg. 1864-1886) und des Kaisers Franz Josef (reg. 1848-1916) gemeißelt. Darunter die Jahreszahl 1831; dies ist das Jahr, in dem erstmals ein Triftweg durch die Klamm errichtet wurde (s. die Homepage der Seisenbergklamm und Geschichte der Seisenbergklamm).
Am Portal auf der Riedenburger Seite befindet sich die Inschrift:
5 Leitich Nr. 29 (S. 33), Fussl Nr. 7a (S. 8f)
D(eo). O(ptimo). M(aximo). Dem besten größten Gott; D(ivo). SIGISMVNDO. M(artyri). dem heiligen Märtyrer Sigismund; PVBLICO. BONO. COMMODO. DECORI. zu öffentlichem Nutzen, Annehmlichkeit, Zier; SIGISMVNDI. zu Sigismunds, ARCHIEPISCOPI. SALZBVRGENSIS. des Salzburger Erzbischofs E. S(acri). R(omani). I(mperii). COMITIB(us). DE. SCHRATTENBACH. aus den Grafen des Heiligen Römischen Reichs von Schrattenbach, AETERNAE. MEMORIAE. ewigem Andenken. W(olfgangus). HAGENAVER. ARCHIT(ectus). Architekt Wolfgang Hagenauer
Leitich löst D. in der zweiten Zeile zu divino
auf; doch vgl. Divis MAXIMILIANO & CAIETANO an der Kajetanerkirche
oder DIVO SEBASTIANO im Bürgerspital.
martyr, -yris m.f.: Zeuge (-gin), Märtyrer(in)
Leitich und ich verstehen commodo als Subst. commodum, -ī
n.: Bequemlichkeit, Vorteil, Nutzen; Fussl als Adj. commodus:
angemessen, bequem, günstig.
decus, -ŏris n.: Zierde, Schmuck
Die Inschrift ist ein Chronogramm, d.h. die groß geschriebenen Buchstaben ergeben, als Zahlzeichen gelesen und addiert, eine Jahreszahl: 1767. Wolfgang Hagenauer (1726-1801) war ein Zeitgenosse Mozarts, Architekt und hochfürstlicher Hofbaudirektor.
Der genannte Märtyrer Sigismund, Namenspatron des Erzbischofs, war Burgunderkönig im 6. Jh. Über der Inschrift ist er als König (Krone) und Heerführer (Waffenrock) dargestellt. Zu seinen Füßen liegt allerlei Kriegsgerät, unter ihm das Wappen des erzbischöflichen Erbauers. An der Plinthe steht geschrieben:
6 Leitich Nr. 29 (S. 33)
IOA(nnes):HAGENAUER INV(enit):EXC(cudit):ET EFF(ecit): Johannes Hagenauer hat erfunden, herausgeschlagen und vollendet
ex-cūdō, -ere, -dī, -sus: herausschlagen, gestalten, bilden
Johann Baptist Hagenauer (1732-1810) war der jüngere Bruder des Architekten Wolfgang Hagenauer und ein erfolgreicher Bildhauer.
Ebenfalls auf Fürsterzbischof Sigismund von Schrattenbach geht die Mariensäule auf dem Domplatz zurück. Sie wurde 1766-1771 von Wolfgang und Johann Baptist Hagenauer errichtet.
Wenn man von der Franziskanergasse aus durch die Bögen auf den Domplatz tritt und auf die Marienstatue in der Mitte des Platzes zugeht, hat man den Eindruck, zwei Engel senken langsam eine Krone auf das Haupt Mariens herab. Diese zwei Engel befinden sich an der Fassade des Doms. Diesem optischen Spiel zuliebe wendet Maria dem Dom den Rücken zu.
Maria steht auf einer (Welt-)Kugel, auf der sich folgende Aufschrift befindet:
7 Leitich Nr. 3 (S. 13), Fussl Nr. 3 (S. 4)
IN CONCEPTIONE Bei der Empfängis IMMACULATA PERMANSISTI, bist du unbefleckt geblieben ET NOBIS CHRISTUM und hast uns Christus PEPERISTI. geboren.
conceptiō, -ōnis f.: Empfängnis (con-cipiō, -ere,
-cēpī, -ceptus: [in sich] aufnehmen, empfangen, schwanger werden)
immaculātus: unbefleckt (macula: Fleck, Makel)
pariō, -ere, peperī, partus: gebären, hervorbringen
An den vier Ecken der quadratischen Säule befinden sich vier allegorischen Figuren: vorne Kirche und Engel, hinten Weisheit (oder Menschheit) und Teufel. Eine Inschrift am Sockel auf der Rückseite (also der dem Dom zugewandten Seite) erklärt, welche Bewandtnis es damit hat:
8 Leitich Nr. 3 (S. 12f), Fussl Nr. 3a (S. 3f)
DEO TRINO Dem dreifachen Gott, OMNIPOTENTIÆ, SAPIENTIÆ, AMORIS der Quelle der Allmacht, Weisheit (und) Liebe; FONTI, MARIÆ DEIPARÆ (und) der Gottesgebärerin Maria, VIRGINI SINE LABE CONCEPTÆ der Jungfrau, ohne Schande empfangen SPLENDIDISSIMO durch das glänzendste DIVINÆ POTENTIÆ, SAPIENTIÆ, AMORIS Wunderzeichen göttlicher Macht, Weisheit (und) Liebe: PRODIGIO: IN CUJUS ADSPECTU bei deren Anblick ANGELORUM INTELLECTUS STUPET, das Verstehen der Engel staunt, HOMINUM SAPIENTIA DELIRAT, die Weisheit der Menschen faselt, DEMONUM LIVOR FRENDET, der Neid der Dämonen knirscht, ECCLESIA GLORIATUR & EXULTAT. die Kirche sich rühmt und jubelt. S(igismundus). A(rchiepiscopus). P(rinceps). [S(alisburgensis).] S(anctae). S(edis). A(postolicae). L(egatus). N(atus). G(ermaniae). P(rimas). F(ieri). F(ecit). Sigismund, Fürsterzbischof [von Salzburg], geborener Legat des Heiligen Apostolischen Stuhls, Primas von Deutschland, ließ (es) machen. MDCCLXXI. 1771.
trīnus: je drei, dreifach
omni-potentia, -ae f.: All-macht
deipara, -ae f.: Göttesgebärerin
lābēs, -is f.: Sturz, Fall; Schande, Makel
prōdigium, -ī n: Vorzeichen, Wunder(zeichen); Ungeheuer.
Ich habe prodigio mit Leitich als modal-instrumentalen Abl.,
abhängig von conceptae, aufgefasst. Fussl übersetzt es als
Dativ, in Parallelismus zu Mariae und virgini.
a(d)spectus, -ūs m.: Anblick, Aussehen
angelus, -ī m.: Bote, Engel
stupeō, -ēre, -uī: betäubt, verblüfft sein, (be)staunen
dē-līrō, -āre: verrückt sein, (Unsinn) faseln (delirant isti
Romani: die spinnen, die Römer)
daemōn, -ŏnis m.: (böser) Geist, Dämon
līvor, -ōris m.: blauer Fleck; Neid
frendō, -ere: knirschen; wütend sein
ecclēsia, -ae f.: Versammlung, Gemeinde, Kirche
glōrior, -ārī: sich rühmen
ex-(s)ultō, -āre: frohlocken, jauchzen
In der Titulatur geht mir ein S ab. Leitich hat hier aber offenbar eine ganz
andere Buchstabenfolge gelesen.
Auf dem Kapitelplatz steht eine Pferdeschwemme, also ein Becken zum Tränken und Waschen der Tiere. Die heutige Anlage wurde unter Erzbischof Leopold Anton von Firmian errichtet. Der Meeresgott Neptun steht auf einem Meeresross, unter dem das Wasser über drei Stufen in das Becken flutet. Links und rechts ist je ein Triton. Darüber befindet sich eine Inschrift mit goldenen Lettern, die vom Wappen des Erzbischofs bekrönt wird.
9 Leitich Nr. 77 (S. 69)
LEOPOLDVS PRINCEPS ME EXSTRVXIT Fürst Leopold hat mich errichtet.
ex-struō, -ere, strūxī, -strūctus: auftürmen, errichten
Das Chronogramm ergibt das Errichtungsjahr 1732.
Eine größere Pferdeschwemme befindet sich neben dem Festspielhaus nahe beim Neutor. Sie gehörte zum Hofmarstall und wird daher auch Marstallschwemme genannt. Errichtet wurde sie 1696 unter Fürsterzbischof Johann Ernst von Thun. 1732 wurde sie unter Leopold Anton von Firmian neu gestaltet. Dabei wurde die Statue des Rossebändigers, die bis dahin zum Hofmarstall geblickt hatte, um 90° gedreht und bekam einen neuen Sockel, auf dem sich Fürsterzbischof Firmian inschriftlich verewigte.
10 Leitich Nr. 30 (S. 34f), Fussl Nr. 7b (S. 9)
PVLCHRITVDO ANTIQVA Die alte Schönheit MIRABILI NOVITATE in wunderbarer Neuheit RESTITVTA. wiederhergestellt  von CELSISSIMO, AC REVERENDISSIMO dem allerhöchsten und verehrungswürdigsten DOMINO DOMINO Herrn, Herrn LEOPOLDO Leopold ANTONIO ELEUTHERIO, Anton Eleutherius, ARCHIEPISCOPO Erzbischof et Sac(ri): Rom(ani): Imp(erii): und des Heiligen Römischen Reiches PRINCIPE SALISBURGENSI, Fürst von Salzburg, Sa(n)c(tae): Sedis Apostolicæ Legato Nato, geborener Legat des Heiligen Apostolischen Stuhls, Germaniæ Primate, Primas von Deutschland, EX ANTIQUISS(IMIS): LIBERIS BARONIBUS aus den uralten Freiherren DE FIRMIAN &C(etera). &C(etera). von Firmian usw. usw.
Fussl gibt die Zierhäkchen an den S der vorletzen
Zeile mit S' wieder. Mir scheint es sich aber um bloße typographische
Spielerei zu handeln, ähnlich wie beim Zirkumflex auf dem alleinstehenden
A in der vierten Zeile.
pulchritūdō, -inis f.: Schönheit
mīrābilis, -e: wunderbar, außerordentlich
novitās, -ātis f.: Neuheit, Ungewöhnlichkeit
celsus: hoch, erhaben
reverendus: ehrwürdig (Gerundiv v. re-vereor: sich
scheuen, hochachten)
Auch hier verweist das Chronogramm auf das Jahr 1732. Leitich weist darauf hin, dass 1732 das Jahr war, in dem (beginnend im Spätherbst 1731) die Protestanten aus Salzburg ausgewiesen, ja z.T. deportiert wurden.
Gegenüber der Franziskanerkirche befindet sich ein Portal (ehemals Hauptportal des Franziskanerklosters), darüber ein Relief, das den Hl. Franziskus darstellt. Der Sockel auf dem er steht, trägt die Inschrift:
11 Leitich Nr. 17 (S. 22), Fussl Nr. 4b (S. 5)
WOLFGANGVS THEO Wolf(gang) Die- DORICVS RAITTENNAVI trich von Raitenau, VS ARCHIEPISCOPVS. F(ecit) Erzbischof, hat (es) gemacht.
Theodoricus ist die latinisierte Form von Theoderich, dies nur eine andere Form des Namens Dietrich (s. Altdeutsche Vornamen unter diet-).
Über dem Franziskusrelief sind zwei Wappen, das linke gehört Fürsterzbischof Max Gandolf von Kuenburg, das rechte seinem Nachfolger Fürsterzbischof Johann Ernst von Thun. Unter den Wappen läuft ein Schriftband. Leitich datiert die Inschrift auf „nach 1687“.
12 Leitich Nr. 16 (S. 22), Fussl Nr. 4b (S. 5)
Hic Opus Incepit Cæpto Dedit Iste Coronam Dieser hat das Werk begonnen, dem Begonnenen hat der da die Krone gegeben.
corōna, -ae f.: Kranz, Diadem, Krone
Metrisch ein Hexameter, hic wird hier, wie öfters in der
Versdichtung, lang gemessen (als ob hicc).
Beide Inschriften beziehen sich wohl auf Baumaßnahmen am Franziskanerkloster.
Wenn man die Franziskanergasse Richtung Dom geht, sieht man unmittelbar, bevor man den Domplatz betritt, auf der linken Seite eine eiserne Tür in der Mauer der Residenz. Das dahinterliegende Treppenhaus führte in meinen Studententagen zum sog. Athenäum, einer großen Dachkammer, in der sich die Gipsabgusssammlung des Archäologischen Instituts befand. (Heute ist diese ja im ehemaligen Bierkeller der Residenz untergebracht.) Darüber ist ein Stein mit Inschrift in die Mauer eingelassen.
13 Leitich Nr. 7 (S. 15f), Fussl Nr. 4a (S.4f)
HAC IN AULA PRINCIPUM An diesem Fürstenhof VIXIT COMPOSUIT lebte (und) komponierte ANNIS MDCLXXVIII-MDCXC in den Jahren 1678-1690, ORGANA MIRIFICE PULSANS die Orgeln auf wunderbare Weise spielend, MUSIS PERDILECTUS ATQUE HOMINIBUS von den Musen sehr geliebt und von den Menschen, GEORGIUS MUFFAT Georg Muffat, GENTE SCOTUS NATU ALSATA SLETSTADIENSIS dem Volk nach ein Schotte, von Geburt Elsässer aus Schlettstadt, DEFUNCTUS IN CASTRIS BATAVIS ANNO MDCCIV verschieden in Passau im Jahr 1704. ARGENTORATUM LAPIDE PATRIO HONORAT CONCIVEM Straßburg ehrt mit heimatlichem Stein seinen Mitbürger ANNO MCMXXXVII. im Jahr 1937.
aula, -ae f.: Hof, Residenz
organum, -ī n.: Werkzeug; Musikinstrument, Orgel
mīrificus: wunderbar, außerordentlich
pulsō, -āre: stoßen, schlagen; an-, vertreiben
Mūsa, -ae f.: Muse (Göttin der Dichtkunst und Musik)
per-dī-ligō, -ere, -lēxī, -lēctus: sehr hochachten, schätzen, lieben
Scōtus, -ī m.: Schotte
nātus, -ūs m.: Geburt, Alter
Alsata, -ae m.f.: Elsässer(in), Einwohner(in) von Alsatia
Elsass (Adj. Alsaticus)
dē-fungor, -fungī, -fūnctus sum: zu Ende bringen, überstehen, sterben
Castra Batāva: Passau (die Batāvī waren ein germ. Volk an der
Rheinmündung, der röm. Name Passaus nach einer hier stationierten Kohorte
batavischer Hilfstruppen)
Argentoratum: Straßburg (im Elsass)
lapis, -idis m.: Stein
honōrō, -āre: ehren
Ein Künstlerleben in der Barockzeit: der Organist und Komponist Muffat wurde laut Wikipedia 1653 in den französischen Alpen in Megève geboren. Väterlicherseits hatte er schottische Vorfahren, von Mutterseite her französische. Er hatte Musikunterricht in Paris, sein musikalische Karriere begann er im Elsass. Ingolstadt, Wien, Prag, Salzburg, Passau waren die Stationen seines bewegten Lebens. In Salzburg war er Domorganist bei Erzbischof Max Gandolf von Kuenburg.
Die (alte) Residenz war der Palast der Fürsterzbischöfe. Es gab sie spätestens seit dem Spätmittelalter und sie wurde vor allem im Barockzeitalter immer wieder um- und ausgebaut. Davon zeugen auch die Inschriften. Eine befindet sich über dem Portal zum Residenzplatz: zwei Löwen stehen aufgerichtet an Harrachs Wappen (das hauptsächlich aus drei Federn besteht). Am Sockel, auf dem sie stehen, befindet sich ein Schild mit der Aufschrift:
14 Leitich Nr. 48 (S. 45), Fussl Nr. 1a (S. 2)
FRANCISCUS ANTONIUS ARCHIEP(iscopu)S Franz Anton, Erzbischof ET PRINCEPS SALLISBURG(ensis) S(anctae). S(edis). A(postolicae). L(egatus). DE HARRACH und Fürst von Salzburg, Legat des Heiligen Apostolischen Stuhls, von Harrach HOC PALATIUM INTUS ET FORIS ORNATIUS hat diesen Palast innen und außen geschmückter COMMODIUSQUE REDEGIT und zweckmäßiger gemacht, ANNO D(omi)ÑI MDCCX im Jahr des Herrn 1710.
Palātium, -ī n.: Palatin (Hügel in Rom); Palast
intus: (dr)innen, hinein
forīs: hinaus, draußen
red-igō, -ere, -ēgī, -āctus: zurücktreiben; in einen Zustand versetzen,
machen zu
Im Tordurchgang, wo sich heute an den Wänden an Salzteig erinnernde Gebilde befinden, ist rechts oben ein dunkler Stein mit einer kaum lesbaren Inschrift.
15 Leitich Nr. 49 (S. 46), Fussl Nr. 1b (S. 2)
ISTHANC PALATII Diese Front und die Seiten(flügel) des Palastes, FRONTEM LATERAQVE, LATE RVINAM MINITA̅(n)TIA, die weithin mit Einsturz drohten, NOVIS E QVADRATO LAPIDE hat mit neuen Fundamenten aus Quaderstein FVNDAMENTIS, ALTE SVF= hoch (hinauf) ver- FVLSIT ET STABILIVIT. stärkt und befestigt GVIDOBALDVS Guidobald ARCHIEP(iscop)VS Erzbischof ET PRINCEPS. und Fürst, A(nn)o. D(omini). im Jahr des Herrn M. DC. LX IIII. 1664.
Leitich und Fussl fassen isthanc als ist(ius)
hanc. Ich halte es für eine hyperkorrekte Schreibung für istanc
(von istic = iste + enklit. -ce).
frōns, -ontis f.: Stirn, Vorderseite
minitor, -ārī: drohen
quadrātus: viereckig
fundāmentum, -ī n.: Grund(lage) (fundō, -āre: den Grund
legen, gründen, befestigen)
suf-fulciō, -īre, -fulsī, -fultus: unterstützen, stärken
stabiliō, -īre: (be)festigen, festmachen
Im Innenhof befindet sich über jedem Bogen der Arkade eine Tafel. Die mittlere zeigt (wie am Portal des Franziskanerklosters) die Wappen der beiden Fürsterzbischöfe Max Gandolf von Kuenburg und Johann Ernst von Thun. Darunter wieder ein Schriftband:
16 Leitich Nr. 50 (S. 47), Fussl Nr. 1c (S. 2)
HOC PALATIUM SPLENDIDI{us} REDDIDERUNT & COMMODIUS Diesen Palast haben (sie) glänzender und zweckmäßiger wiederhergestellt.
Am Ende des Wortes splendidi befindet sich das tironische
Kürzel für us –
–
das wie ein hochgestellter Neuner mit Bogen nach rechts aussieht. Ich habe
den Umstand, dass es sich nicht um Abkürzung durch Auslassung, sondern durch
Kurzschrift handelt, durch geschwungene Klammern angedeutet.
splendidus: glänzend
Das Subjekt von reddiderunt steckt in den beiden anderen Tafeln, die die Titulatur der beiden Fürsterzbischöfe, deren Wappen dargestellt sind, enthalten:
17
MAXIMILIAN{us} GANDOLPH{us} Max(imilian) Gandolf EX COMIT(ibus): DE KUNBURG D(ei). G(ratia). aus den Grafen von Kuenburg, durch Gottes Gnade ARCHIEP̃(iscop)US ET P(ri)Ñ(ce)PS SALISB(urgensis): Erzbischof und Fürst von Salzburg, S(anctae). SEDIS APOST(olicae): LEGAT(us): &C(etera). Legat des Heiligen Apostolischen Stuhls usw. M. DC. LXX. 1670. 18
IOANNES ERNESTUS Johann Ernst EX COMIT(ibus): DE THUN D(ei). G(ratia). aus den Grafen von Thun, durch Gottes Gnade ARCHIEP̃(iscop)US ET P(ri)Ñ(ce)PS SALISB(urgensis): Erzbischof und Fürst von Salzburg, S(anctae). SEDIS APOST(olicae): LEGAT(us) &C(etera). Legat des Heiligen Apostolischen Stuhls usw. M. DC. LXXXIX. 1689.
Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau begann bald nach seinem Amtsantritt mit dem Abriss von Häusern und an ihrer Stelle mit dem Bau der sog. Neuen Residenz. An der Westfassade (zum Residenzplatz hin) wurde ein fünfstöckiger Turm vorgesetzt. Erzbischof Johann Ernst von Thun ließ 1701 dem Turm einen achteckigen Aufbau mit Haubendach aufsetzen. Darin ließ er ein Glockenspiel aus 35 Glocken installieren, die von einem Antwerpener Glockengießer gefertigt worden waren. Über dem Portikus des Glockenspielturms, wo sich heute der Eingang zum Salzburger Heimatwerk befindet, ist eine umfangreiche Inschrift dazu angebracht. Das Wappen links davon ist wohl das des Erzbistums Salzburg, das Wappen rechts gehört Johann Ernst von Thun.
19 Leitich Nr. 57 (S. 53), Fussl Nr. 2b (S. 3)
HUC OCULOS, HUC AURES PIE SIMUL AC CURIOSE VIATOR. Hierher (richte) die Augen, hierher die Ohren, fromm und zugleich neugierig, Wanderer! Habes in hoc harmonico campanularum concentu quamdam Archimedis Syracusani Du hast in diesem harmonischen Zusammenklang der Glöckchen gleichsam eine von Archimedes von Syracus ideatam Machinam. erfundene Vorrichtung. Magnis illam impensis comparavit Mit großen Kosten hat jene erworben IOANNES ERNESTUS EX COMIT(ibus): DE THUN, ARCHIEP(iscopus): & Johann Ernst von den Grafen von Thun, Erzbischof und PRINC(eps): SALISB(urgensis) S(anctae) SED(is): APOSTOL(icae) LEGAT(us): NAT(us): GERM(aniae): PRIM(as): &C(etera) &C(etera) Fürst von Salzburg, geborener Legat des Heiligen Apostolischen Stuhls, Primas von Deutschland usw. usw. Anno MDCCI. Sui Memoria, Tuo Bono im Jahr 1701. Zur Erinnerung an ihn, zu deinem Nutzen Est hic, quod delectet, est quod terreat. ist hier, was erfreuen soll, ist, was erschrecken soll. Omne fert punctum: quia miscet utile dulci. Es findet allgemeinen Beifall, weil es das Nützliche mit dem Angenehmen mischt. Excitaris per illam suaviter ad cantum, utiliter concitaris ad planctum. Du wirst durch jene lieblich aufgeweckt zum Gesang, du wirst nützlich angetrieben zum Wehklagen. Tam ut scias quid tibi bene viventi inter immortales Superum choros sit sperandum. Sowohl damit du weißt, was du, wenn du gut lebst, unter den unsterblichen Chören der Himmlischen zu hoffen hast; Quam ut noveris quoque, quanta tibi cura inter mortales, ne male moriare, sit vigilandum als auch damit du auch weißt, mit wie großer Sorgfalt du unter den Sterblichen, damit du nicht übel stirbst, wachen musst. Et ne ultimæ tibi Tubæ sonus e memoria effluat. Und damit dir nicht der Klang der letzten Posaune aus dem Gedächtnis entschwindet, Hæc te tintinnabula per distinctas diei noctisque horularum morulas excitant: wecken dich diese Schellen durch die verschiedenen Weilchen der Tag- und Nachtstündchen, Ut amba(e)’ tibi aures tinniant; caveasque, damit dir beide Ohren klingen, und du dich (davor) hütest, ne quondam meritorum vacuo obiiciatur. dass einst dem, der ohne Verdienste ist, vorgeworfen wird: TINNIT : INANE EST. kling(el)t, (aber) ist leer.
pius: fromm
cūriōsus: sorgfältig, aufmerksam, neugierig (engl. curious)
viātor, -ōris m.: Wanderer, Reisender
campāna, -ae f.: Glocke (hier Dem. -ula)
(vgl. it. campanile)
con-centus, -ūs m.: Zusammensingen, -klingen (cantus, -ūs m.:
Singen, Gesang, Klang)
quamdam = quandam
Archimedes ist hier als Inbegriff des Erfinders verstanden, ähnlich wie wir
heute den Lyderkönig Krösus als Inbegriff des steinreichen Menschen oder
den Römer Mäzen(as) als Inbegriff des Kunstförderers (sog. Vossianische
Antonomasie, s. Produkt- oder Firmenname
als Gattungsbegriff)...
ideatam von it. (!) ideare: sich ausdenken, erfinden
māchina, -ae f.: Gerüst, Vorrichtung, Maschine
impensa, -ae f.: Aufwand, Kosten
Sowohl Leitich als auch Fussl lesen (oder emendieren zu)
sui memoriae, aber die Inschrift hat
memoria. Ein Lapsus des Steinmetzen? Ein Nominativ
statt eines Dativus finalis bei esse (selten, aber kommt vor, s.
Menge, Lat. Syntax u. Stilistik, §66 Anm.)? Ein Ablativus modi in Analogie
zu Wendungen wie alicuius commodo aliquid facere „etwas zu jemandes
Vorteil machen“ (s. Menge, Lat. Syntax u. Stilistik, §104 Anm. 1)?
omne fert punctum: ein leicht umformuliertes Zitat aus Hor. ars 343;
punctum ferre: eine (Wahl-)Stimme bekommen
excitō, -āre: aufjagen, aufwecken
suāvis, -e: angenehm, lieblich
concitō, -āre: antreiben, erregen
planctus, -ūs m.: Schlagen (auf Brust und Arme), Trauern, Wehklagen
superī, -ōrum/-um: die Oberen = die Götter des Himmels
vigilō, -āre: wachen, wach bleiben, wachsam sein
sonus, -ī m.: Schall, Ton, Klang
tuba, -ae f.: Röhre, (Kriegs-)Trompete. Die Übersetzung „Posaune“
verdankt sich Luthers Wiedergabe von griech. σάλπιγξ sálpinx
„Trompete“ an Stellen wie Mt 24, 31: „und er wird senden seine Engel mit
hellen Posaunen“ (Vulg. et mittet angelos suos cum tuba et voce
magna), oder Offb. 8,6.7 usw. bis 11,15: „und die sieben Engel mit den
sieben Posaunen“ (Vulg. et septem angeli qui habebant septem tubas).
ef-fluō, -ere, -flūxī: herausfließen, entgleiten, entschwinden
tintinnābulum, ī n.: Klingel, Schelle, Glöckchen (tinniō, -īre:
klingeln, klimpern; vgl. Tinnitus: dauerndes Klingen in den Ohren)
dīstīnctus: unterschieden (dī-stinguō, -ere, -stīnxī, -stīnctus:
trennen, unterscheiden, auszeichnen [engl. distinguish])
mora, -ae f.: Aufenthalt; Verzögerung, Hindernis; Zeit(raum) (hier Dem.
-ula)
Die Schreibung amba’ sieht nicht nach einer Abkürzung aus, sondern
nach einer Verlegenheitslösung des Steinmetzen, nachdem er bemerkt hat, dass
er ein e ausgelassen hat.
meritum, -ī n.: Verdienst (d.h. verdienstvolle Tat), Verschulden
vacuus: frei (von), ohne
obiiciatur: wohl zu verstehen als ob-jiciatur,
klass. ob-iciō, -ere, -iēcī, -iectus: entgegenwerfen, vorwerfen
inānis, -e: leer, nichtig
Zur letzten Zeile vgl. 1Kor 13,1: si [...] caritatem autem non habeam
factus sum velut aes sonans aut cymbalum tinniens. „Wenn ich [...] aber
die Liebe nicht hätte, bin ich (geworden) wie ein tönendes Erz oder eine
klingende Schelle“.
Das Glockenspiel soll einerseits die Erinnerung an den großzügigen Stifter (magnis impensis) wachhalten. Und andererseits soll es die Bürger (nicht nur den angesprochenen Wanderer) sowohl zu erfreulichen Anlässen (quod delectet, ad cantum) als auch zu traurigen (quod terreat, ad planctum) herausläuten. Beides soll die Bürger zu sittlichem Ernst anleiten (bene viventi, curā vigilandum).
Die Gründung der Universität Salzburg geht auf Fürsterzbischof Paris Lodron zurück (1622). 1810 wurde die Universität nach der Angliederung Salzburgs an Bayern aufgelöst und erst 1962 wiedererrichtet. An der Südseite des alten Universitätsgebäudes (in dem sich heute die Universitätsbibliothek befindet) ist ein 1936 geschaffenes Sonnenuhrfresko: Maria sitzt auf einer Wolke mit dem nackten Jesusknaben auf dem Arm. Rechts von ihr eine schematische Darstellung Salzburgs (Festung), links vermutl. von Maria Plain. Maria schwebt über den Allegorien der vier klassischen Fakultäten.
20 Leitich Nr. 22 (S. 26)
UNIVERSITAS SALISBURGENSIS 1623 Universität von Salzburg 1623 THEOLOGIA Theologie PHILOSOPHIA Philosophie JURISPRUDENTIA Rechtsgelehrsamkeit M E D I C I N A Medizin
ūniversitās, -ātis f.: Gesamtheit; (der Wissenschaften=)
Universität
prūdentia, -ae f.: Klugheit, Umsicht; Kenntnis, Wissen
Die Universität hatte anfangs nur die Aula academica, um Gottesdienste abzuhalten. Fürsterzbischof Johann Ernst von Thun ließ durch den Barockbaumeister Johann Bernhard Fischer von Erlach eine eigene Universitätskirche bauen. Sie wurde 1707 eingeweiht und ist eine der bedeutendsten Barockkirchen Österreichs. Über dem Eingang befindet sich folgende Aufschrift:
21 Leitich Nr. 44 (S. 42)
DEO TER OPT(imo). MAX(imo). Dem dreimal besten, größten Gott IN HONOREM B(eatissi)mæ. V(irginis). MARIÆ SINE MACULA CONCEPTÆ hat zur Ehre der ohne Makel empfangenen seligsten Jungfrau Maria EREXIT ET DICAVIT IOAN(nes). ERNESTUS ARCHĨEP(iscopu)S ET P(ri)Ñ(ce)PS SALISB(urgensis). MDCCVII. errichtet und geweiht Johannes Ernst, Erzbischof und Fürst von Salzburg. 1707.
ter: dreimal
macula s.o. immaculatus
dicō, -āre: weihen, widmen
con-cipiō: s.o. conceptiō
dĭcō, -āre: weihen, widmen
Das Gstättentor (auch Schleiferbogen genannt) war ein Tor in der Stadtmauer Salzburgs. Die durch dieses Tor verlaufende Gstättengasse lag an einer Kaimauer der noch unregulierten Salzach. (Daher vermutl. der Name: Gstätten = Gestade = Küste, Ufer.) Nach einem Brand ließ Fürsterzbischof Markus Sittikus das Tor neu errichten. Deshalb findet man auf beiden Seiten sein Wappen und eine Inschrift, die auf diesen Neubau hinweist.
Auf der stadtauswärtigen Seite steht:
22 Leitich Nr. 41 (S. 41)
MARCVS SITTICVS Markus Sittikus EX ALTA EMBSIIS COMITIBVS aus den Grafen von Hohenems, ARCHIEPIS(copus): ET PRINCEPS. Erzbischof und Fürst INDECORAM PRIVS ET ANGVSTAM hat das zuvor unschöne und enge PORTAM IN HANC AMPLITVDINEM Tor zu dieser Weite APERVIT ET ORNAVIT. ANNO DN̄I. geöffnet und geschmückt. Im Jahr des Herrn M.DC.XVIII. 1618.
alta Embs: Hohenems (in Vorarlberg)
in-decōrus: unschön, häßlich
amplitūdō, -inis f.: Weite, Größe; Ansehen
Auf der Altstadtseite heißt es etwas schlichter:
23 Leitich Nr. 41 (S. 40)
PVBLICO DECORO Zur öffentlichen Zierde MARCVS SITTICVS hat Markus Sittikus, SALISBVRGENSIVM PRÆSVL Oberster der Salzburger, EREXIT. A(nno). D(omini). M.DC.XVIII. errichtet. Im Jahr des Herrn 1618.
decōrum, -ī n.: Schicklichkeit; Schönheit, Zierde
praesul, -ulis m.: Vorsteher, Oberster
Wenn man die Gstättengasse stadtauswärts geht, passiert man 350 m hinter dem Gstättentor ein weiteres Stadttor, das Klausentor (Klause hier „Sperre, Schlucht, Talenge“, aus dem Part. Perf. Passiv von lat. claudō „(ver)schließen“). Das 1603 (oder 1605?) abgebrannte Torgebäude wurde auf Anordnung von Fürsterzbischof Wolf Dietrich auf Kosten der Stadtgemeinde neu errichtet. Der Bau wurde erst unter Fürsterzbischof Markus Sittikus vollendet, daher findet sich auf der stadtauswärtigen Seite über der Inschrift das Wappen der Stadt Salzburg (von zwei Wassermännern gehalten) und darüber das Wappen des Markus Sittikus.
Leitich Nr. 42 (S. 41f), Fussl Nr. 101 (S. 257)
MARCO SITTICO ARCHI Unter Markus Sittikus, Erz- EPISCOPO ET PRINCIPE· bischof und Fürst, SENATVS SALISBVR(gensis) PVBLICÆ hat der Gemeinderat von Salzburg für die öffentliche SECVRITATI CONFECIT· A(nno) Sicherheit angefertigt, im Jahr M · DC XII · 1612
sēcūritās, -ātis f.: Sicherheit, Gefahrlosigkeit
Fürsterzbischof Max Gandolf von Kuenburg holte 1685 den Theatinerorden (auch Kajetaner genannt) nach Salzburg und ließ für sie ein Kloster samt Kirche errichten. Die Theatiner sollten ursprl. ein Priesterseminar leiten. Doch Max Gandolf starb 1687, sein Nachfolger Johann Ernst von Thun ließ die Bauarbeiten einstellen. Erst nach einer Intervention des Papstes wurden sie fortgeführt und der Bau 1696 vollendet. Die Ordensniederlassung wurde 1809 aufgelöst. Kirche und Kloster wurden 1923 dem Orden der Barmherzigen Brüder übergeben, die ein inzwischen hier eingerichtetes Spital weiterführten. Die Flügel links und rechts der Kirche bilden heute den Altbautrakt des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder.
24 Leitich Nr. 64 (S. 58f)
D(eo). O(ptimo). M(aximo). Dem besten größten Gott, Divis MAXIMILIANO & CAIETANO Patronis, den heiligen Schirmherren Maximilian und Kajetan MAX(imilianus). GANDOLPHUS EX S(acri). R(omani). I(mperii). COM(itibus). DE KÜENBURG, hat Max Gandolf aus des Heiligen Römischen Reiches Grafen von Kuenburg, S(anctae). R(omanae). E(cclesiae). CARD(inalis). ACHIEP(iscop)ŨS & PRINC(eps). SALISB(urgensis). Kardinal der Heiligen Römischen Kirche, Erzbischof und Fürst von Salzburg, S(anctae). SED(is). AP(ostolicae). LEG(atus). GERMANIÆ PRIMAS. &c. &c. Legat des Heiligen Apostolischen Stuhls, Primas von Deutschland usw. usw., Ædes has Sacras. dieses heilige Haus, E Fundamentis ad culmen perductas das von den Grundmauern bis zum Giebel hin(auf)geführt worden ist, Domumqùe contiguam Clericis Regularibus constituit. und das angrenzende Haus den Regularklerikern (d.h. den Theatinern) gestiftet. Quas Sublato per immaturam mortem. Diese (das heilige und das angrenzende Haus) hat, nachdem durch einen vorzeitigen Tod hinweggenommen worden war PIISSIMO FUNDATORE der hochfromme Gründer, DIVINA PROVIDENTIA göttliche Vorsehung Occulta Beneficorum manu hanc in Formam redegit. durch die verborgene Hand von Wohltätern in diese Gestalt gebracht.
patrōnus, -ī m.: Schutzherr, Anwalt
culmen, -inis n.: Gipfel, Scheitel, Giebel
per-dūcō, -ere, -dūxī, -ductus: hinführen, -bringen; anlegen, errichten
-qùe: oder ist der Gravis über dem u nur eine Beschädigung im Stein?
contiguus: angrenzend, benachbart
quas: relativer Anschluss, bezogen auf aedes has sacras und
domum contiguam
im-mātūrus: unreif; vorzeitig, zu früh
fundātor, -ōris m.: Gründer, Stifter (fundō, -āre, s.o.
fundāmentum)
prōvidentia, -ae f.: Voraussicht; Vorsorge, Vorsehung
beneficus: wohltätig
Die Dative deo und patronis sind wohl commodi („zu ihrer
Ehre“), clericis ist eher Objektsdativ.
Der Theatinerorden heißt auf Latein Ordo clericorum regularium „Orden der Regularkleriker“. Regularkleriker sind Priester, die sich einer Ordensregel unterwerfen, aber nicht zurückgezogen in einem Kloster leben, sondern in der Welt seelsorglich, missionarisch und sozial tätig sind. Die Theatiner waren die erste derartige Kongregation. Gegründet wurde sie 1524 u.a. von Gian Pietro Carafa (dazumals Bischof von Theatinum = Chieti in den Abruzzen, später Papst Paul IV.) und Gaetano (Kajetan) di Tiene. Der bekannteste Orden von Regularklerikern sind heute die Jesuiten.
In der Sigmund-Haffner-Gasse (benannt nach einem erfolgreichen Großhändler und Bürgermeister des 18. Jh.), im Haus Nr. 10, dem sog. Ritzerbogenhaus, befindet sich die traditionsreiche Buchhandlung Höllrigl. Zwischen dem zweiten und dritten Stock ist ein Familienwappen aufgemalt. Im Schild sind ein sich aufbäumender weißer Pegasus und ein roter Krebs auf blauem Grund. Die Helmzier ist eine Eule, die einen Hermesstab hält. Der Wahlspruch des Wappens lautet:
25 Leitich Nr. 45 (S. 43)
HABENT SUA FATA LIBELLI Büchlein haben ihre eigenen Schicksale.
Dieser Satz stammt von Terentianus Maurus, einem römischen Grammatiker des 2. Jh. n.Chr., aus dem Lehrgedicht De litteris, syllabis, metris, V. 1286.
Für den Interessierten hier der Zusammenhang. Text nach:
Grammatici Latini. Hrsg. v. Heinrich Keil.- Bd. 6. Leipzig: Teubner, 1923
(als Buchscan
bei Archive.org.)
Ein lat. Komm. in:
Hephaestionis Alexandrini enchiridion. Hrsg. v. Thomas Gaisford.- Bd. 2.
Oxford: Univ. Press, 1855. S. 517ff
(als Buchscan
bei Archive.org).
Forsitan hunc aliquis verbosum dicere librum Vielleicht wird einer nicht zögern, dieses Buch weitschweifig zu nennen; non dubitet; forsan multo praestantior alter vielleicht wird ein anderer, um vieles Vortrefflicherer, pauca reperta putet, cum plura invenerit ipse; glauben, dass wenig gefunden wurde, weil er selbst mehr gefunden hat; 1285 deses et impatiens nimis haec obscura putabit: ein Träger und Ungeduldiger wird dies für allzu unklar halten: pro captu lectoris habent sua fata libelli. entsprechend der Auffassung des Lesers haben Büchlein ihre eigenen Schicksale.
D.h. der eine Leser findet die Darstellung zu ausführlich; einem anderen ist sie nicht ausführlich genug; ein dritter findet sie unverständlich. Das Schicksal eines Buches hängt von der Beurteilung durch den Leser ab.
Das Haus Sigmund-Haffner-Gasse 16 wurde um 1670 von Fürsterzbischof Max Gandolf für seine Familienangehörigen erbaut. Es steht an der Stelle dreier früherer Wohnbauten, von denen eines dem Fürsterzbischof Matthäus Lang von Wellenburg gehört hatte. Daher heißt das Haus heute noch Langenhof. In der Hofzufahrt steht rechter Hand ein marmorner Löwe, der eine Tafel mit Inschrift in den Pranken hält. Diese Skulptur stammt möglicherweise aus dem 1598 abgebrannten romanischen Dom.
26 Leitich Nr. 19 (S. 24)
HAC·CELATURA Durch dieses Relief [B]ẸṚTRAM(m)I·P̣(ro)VIDA ist Bertrams vorsorgliche Bemühung CVRA+EST·EX PRESSA·SATIS hinreichend ausgedrückt worden. DEVS·HVNC·CON Gott, diesen ver- [I]ỤNGE·BEATIS einige mit den Seligen!
Ein Distichon mit dem Reimschema a-a, b-b.
Die Ligaturen sind kaum wiederzugeben. Einige Buchstaben sind nur unsicher zu
lesen (durch Punkt unter dem Buchstaben kenntlich gemacht), einige sind gar
nicht mehr zu lesen und müssen vermutungsweise ergänzt werden (in eckigen
Klammern eingeschlossen). Ich gestehe, dass ich mich auf Leitichs Lesung
verlasse. Er datiert den Löwen auf um 1200.
caelātūra, -ae f.: Ziselier-, Reliefkunst
prōvidus: vorsorgend, vorsorglich
ex-primō, -ere, -pressī, -pressus: herauspressen, erzwingen; ausdrücken, darstellen
Vermutlich hat sich in dieser Inschrift der Stifter verewigen lassen. Sein Name ist nicht sicher zu lesen.
Die Gebäude auf Ostseite des Mozartplatzes haben eine einheitliche Fassade, die sich über drei Portale (Nr. 8, 9 und 10) erstreckt. Sie stammen aus dem 17. Jh. und waren Wohnhäuser von Domherren. Am nördlichen Portal (Nr. 8) befindet sich eine Inschrift, die besagt, dass in diesem Haus 1842 Mozarts Witwe Konstanze Nissen gestorben ist. Genau darüber ist das Wappen des Fürsterzbischofs Max Gandolf und eine Inschrift:
27 Leitich Nr. 60 (S. 56)
MAX(imilianus): GAND(olphus): ARCHIEP(iscopus): SA Max Gandolf, Erzbischof von Sa- LISB(urgensis): S(anctae): SED(is): APOST(olicae): LEG(atus): NAT(us): lzburg, geborener Legat des Heiligen Apostolischen Stuhls, E COMIT(ibus): DE KÜENBURG: aus den Grafen von Kuenburg, Habitationem hanc comparauit, Capi hat diese Wohnung erworben und seinem tuloque suo Metropolit(ano) Dono dedit Metropolitankapitel zum Geschenk gegeben, ANNO M. DC. LXX. im Jahr 1670.
habitātio, -ōnis f.: Wohnen; Wohnung
capitulum, -ī n.: Leitungskörperschaft, Versammlung der Domherren
mētropolītānus: die Metropole (bischöfliche Hauptstadt) betreffend.
Salzburg war ja Erzbistum, d.h. Hauptdiözese eines Verbandes von Diözesen.
Das Salzburger Domkapitel, die Gruppe von Klerikern, denen die Wahl des
Erzbischofs oblag, war daher ein Metropolitankapitel.
Leitich weist darauf hin, dass so manche erzbischöfliche Schenkung an die
Domherren Voraussetzung für das Gewähltwerden war.
Das Eckhaus Residenzplatz/Goldgasse hat am Dachgesims eine zweifarbige Aufschrift, deren einer Teil zum Residenzplatz blickt, der andere zur Goldgasse.
28 Leitich Nr. 47 (S. 44), Fussl Nr. 2a (S. 2)
IACOBI ERNESTI PRINCIPIS IVVAVIENSIS IVSSV RENOVATA DOMVS Auf Befehl des Jakob Ernst, des Salzburger Fürsten, erneuertes Haus. VT QVIPPE LAPSVRA IVVARETVR EREXIT IACOB LAPIDEM Damit allerdings dem vom Einsturz bedrohten (Haus) geholfen wird, „errichtete Jakob den Stein“.
Iuvāv(i)ensis, -e: = Salisburgensis;
Iuvavum war der antike Name der Stadt
re-novō, -āre: erneuern, wiederherstellen
quippe: freilich, allerdings
lābor, lābī, lāpsus sum: gleiten, sinken, fallen
Leitich gibt lapidem mit „Gemäuer“ wieder, Fussl mit „Steinbau“.
Vermutlich ist die etwas eigenartige Wortwahl eine Anspielung an die in der
römisch-katholischen Liturgie (etwa bei der Kirchweihe) verwendete Antiphon
Erexit Iacob lapidem in titulum fundens oleum desuper. „Jakob
richtete den Stein zum Mal auf und goß Öl darüber.“ (Verkürzung von Gen.
28,18: Surgens ergo Jacob mane tulit lapidem quem supposuerat capiti
suo et erexit in titulum fundens oleum desuper. „Als Jakob am Morgen
[nach dem Traum von der Himmelsleiter] aufstand, brachte er den Stein, den
er unter seinen Kopf gelegt hatte, und richtete ihn zum Mal auf und goß Öl
darüber.“) So wörtlich auch auf
einem
Mosaik im Dom von Monreale.
Vgl. ganz ähnlich Gen 31,45.
Zwei Chronogramme, die beide die Jahreszahl 1745 ergeben. Dies war das Jahr, in dem Fürsterzbischof Jakob Ernst von Liechtenstein-Kastelkorn sein Amt antrat.
Es gab wohl bereits zu Lebzeiten des Hl. Severin (5. Jh.) in Salzburg eine Mönchsgemeinschaft mit Kirche (vgl. Eug. vita S. Severini, 13). Der fränkische Missionar Rupert von Worms erneuerte diese um 700 und gründete das Kloster St. Peter. (Dessen Äbte waren bis 987 zugleich auch die Bischöfe bzw. Erzbischöfe; noch bis 1110 war St. Peter auch die Residenz des Erzbischofs.) Es ist das älteste noch bestehende Kloster im deutschsprachigen Raum. Nach einem Brand im Jahr 1127 ließ Abt Balderich 1130-1143 einen romanischen Neubau errichten.
Dieses Abtes wird mit einer Inschrift auf dem Fußboden des Mittelgangs der Kirche gedacht: BALDERICUS / ABBAS S(ancti). PETRI / HUIUS ECCLESIAE / RESTAURATOR / OBIIT A(nno).D(omini). 1147: „Balderich, Abt von St. Peter, Wiederhersteller dieser Kirche, starb im Jahr des Herrn 1147“. (Die Inschrift wirkt relativ neu; und die in arabischen Ziffern geschriebene Jahreszahl legt nahe, dass die Inschrift modern ist.)
Abt Beda Seeauer ließ Mitte der 1750er Jahre die Kirche neu gestalten und schließlich den barocken Zwiebelturm errichten. Am Turm befindet sich in luftiger Höhe diese Inschrift:
29 Leitich Nr. 10 (S. 18)
AD DECOREM DOMUS DEI ANTIQUAM Zur Zierde des Hauses Gottes hat den alten TURRIM ALTIUS ERIGI, ET CUPRO Turm höher aufrichten und mit Kupfer ORNARI FECIT. BEDA ABBAS. ET schmücken lassen: Abt Beda und CONVENTUS S(ancti). PETRI. A(nno)Õ D(omi)ÑI die Klostergemeinschaft des Heiligen Petrus, im Jahr des Herrn M. DCC. LV.I 1756.
decor, -ōris m.: Schmuck, Anmut, Zierde
cyprum od. cuprum, -ī n.: Kupfer
abbās, -ātis m.: Abt
conventus, -ūs m: Zusammenkunft, Versammlung; Kloster(gemeinschaft)
Über dem Hauptportal der Kirche ist in der Lünette ein Fries, der den thronenden Christus zwischen den knienden Aposteln Petrus (Schlüssel) und Paulus (Buchrolle?) zeigt. Darüber läuft im Halbkreis eine Inschrift, die im Zenit durch den Heiligenschein Christi unterbrochen ist:
30 Leitich Nr. 13 (S. 20)
IANVA·SVM·VITE·SALVANDI·QVIQ(ue)·VENITE· Ich bin die Tür des Lebens. Alle, die gerettet werden müssen, kommt, ·Ꝑ(er)·ME·TRANSITE·VIA·NON·EST· ALTERA·VITE geht durch mich hindurch. Einen anderen Weg des Lebens gibt es nicht.
TE ist immer als Ligatur geschrieben. Eigenartig ist
das Schwanken zwischen gerundeten und eckigen Buchstabenformen bei V, E, L
und N.
iānua, -ae f.: Tür
salvō, -āre: retten, erlösen
Vgl. Joh 10,9: ego sum ostium. per me si quis introierit, salvabitur.
„Ich bin die Tür. Wenn jemand durch mich hineingeht, wird er gerettet werden.“
Joh 14,6: ego sum via et veritas et vita. „Ich bin der Weg und die
Wahrheit und das Leben.“
Metellus, Quirinalia, Ecloga 7, drittletzter V.: Ad lignum Vitae salvandi
quique venite. „Zum Holz des Lebens kommt alle, die gerettet werden
müssen.“ (Metellus war ein Mönch des Klosters Tegernsee Mitte des 11. Jh.,
der lat. Gedichte geschrieben hat. Text im Thesaurus monumentorum
ecclesiasticorum et historicorum, hrsg. v. Heinrich Canisius, bearb. v.
Jacques Basnage, Bd. 3, Antwerpen 1725, S. 191; als
Buchscan
bei Google Books.)
Die folgende Inschrift ist die einzige der hier versammelten, die ich nicht selbst zu Gesicht bekommen habe. Ich verlasse mich hier auf meine Quellen.
Inmitten des Petersfriedhofs steht die 1485-1491 errichtete gotische Margarethenkapelle. Vorher stand hier die noch von Rupert errichtete vorromanische Amanduskapelle. In der heutigen Kapelle (die nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist) befindet sich dem Vernehmen nach eine römische Aschenkiste, die (soweit ich verstanden habe) 1966 unter dem Fußboden der Stiftskirche gefunden wurde. Sie ist aus Untersberger Marmor, stammt ca. aus 200 n.Chr. und trägt eine fünfzeilige Inschrift. Eigenartigerweise ist auf der linke Seite der letzten zwei Zeilen der Stein ganz glatt. Leitich sagt, dass an dieser Stelle der Text offenbar nur aufgemalt war. Die Farbe ist natürlich längst verschwunden, weshalb für uns die Inschrift unvollständig ist. Der Text enthält keine oder kaum erkennbare Wortzwischenräume.
31 Leitich Nr. 12 (S. 19f), damals befand sich die Aschenkiste in der Vorhalle der Stiftskirche St. Peter.
Weitere Informationen bei: Ubi erat lupa
PROFVTVRO VEST Dem Profuturus, dem Fährten- IGIATORI LOL(lii) HONO leser des Lollius Hono- RATI OB(ito) ANN(orum) XXX BARB ratus, gestorben mit 30 Jahren, haben Barb- [... ET ...]RINA PA [... und ...]rina, die El- [RENTES ET ...] CON(iux) VIVI POS(uerunt) [tern, und ...,] die Gattin, zu Lebzeiten aufgestellt
vestīg(i)ātor, -ōris m.: Fährtenleser, Spurensucher; Aufspürer, Spion
ob-eō, -īre, -iī, -itus: entgegengehen, besuchen, übernehmen;
(erg. mortem od. diem supremum:) sterben
Der Verstorbene war vermutlich Sklave des Lollius Honoratus. Mit 30 Jahren ist er auch für antike Verhältnisse nicht sonderlich alt geworden. Seine Eltern und seine Gattin (deren Namen wir nicht mehr lesen können) haben ihn bzw. seine Urne in dieser Kiste bestattet. Interessant ist sein Beruf; die der Aschenkiste gewidmete Seite auf Iuvavum. Römersteine im bayer.-österr. Grenzraum vermutet, dass Lollius Honoratus ein Unternehmer war, der für die Tierhetzen in den Amphitheatern wilde Tiere (Bären) lieferte. Profuturus' Aufgabe war es daher wohl, solche Tiere aufzuspüren und lebend einzufangen.
Vom Friedhof des Stiftes St. Peter aus gelangt man (gegen einen Obulus) in die sog. Katakomben. Trotz des Namens sind sie weder unterirdisch, noch handelt es sich um Begräbnisstätten. Vielmehr sind es oberirdisch in den Mönchsberg gehauene Höhlen, Gänge und Treppen. Vielleicht handelt es sich ursprünglich um Stollen, mit denen Wasser, das aus dem Berg kam, kanalisiert und gespeichert werden sollte. Lange Zeit wurden sie dann als Einsiedelei des Klosters St. Peter genutzt. In den Katakomben befinden sich zwei kleine Höhlenkapellen. Die obere ist dem Hl. Maximus geweiht. Hier befindet sich eine Tafel, die unter Abt Kilian Püttricher (1525-1535) angebracht wurde.
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ANNO DOMINI CCCC LXXVII ODOACER Im Jahr des Herrn 477 haben Odoaker, REX RHVTENORVM GEPPIDI GOTHI König der Rhutenen, die Gepiden, die Goten, VNGARI ET HERVLI CONTRA ECCLE= die Ungarn und die Heruler, die gegen die Kir- SIAM DEI SEVIENTES BEATVM MAXIMV̅(m) che Gottes wüteten, den seligen Maximus CVM SOCIIS SVIS QVINQVAGINTA mit seinen fünfzig Gefährten, IN HOC SPELEO LATITANTIBVS OB die sich in dieser Höhle versteckt hielten, wegen CONFESSIONEM FIDEI TRVCIDATOS des Bekenntnisses des Glaubens abgeschlachtet, PRECIPITARVNT NORICORVM hinabgestürzt. Der Noriker QVOQVE PROVINCIAM FERRO Provinz haben sie auch mit Eisen ET IGNE DEMOLITI SVNT und Feuer zerstört.
saeviō, -īre: wüten, toben, rasen
spēlaeum, -ī n.: Höhle
latitō, -āre: sich versteckt halten
cōnfessiō, -ōnis f.: Bekenntnis, Geständnis
fidēs, -eī f.: Vertrauen, Glaube
trucīdō, -āre: abschlachten, niedermetzeln
praecipitō, -āre: kopfüber hinabstürzen
dē-mōlior, -īrī: niederreißen, zerstören
Der Text ist eine abenteuerliche Geschichtsklitterung: Odoaker war ein Germane, der im römischen Heer diente und als Anführer meuternder Hilfstruppen 476 den letzten weströmischen Kaiser Romulus (der von den Soldaten spöttisch Augustulus „Kaiserlein“ genannt wurde) absetzte und sich selbst zum König von Italien ernannte. Er wütete nicht gegen die Kirche, er war selber Christ – wenn auch nicht Katholik, sondern Arianer. Die Germanen haben auch Norikum nicht mit Feuer und Schwert zerstört. Zwar unternahmen Rugier (die nördlich der Donau ein kleines Reich gegründet hatten) und Heruler immer wieder Plünderungszüge auf norisches Gebiet. Doch Odoaker zerstörte 487/88 das Reich der Rugier. Anschließend ließ er die romanische Bevölkerung Ufernorikums nach Italien (zwangs-)evakuieren. Gepiden, Gothen und Heruler waren germanische Stämme. Wer mit Rhuteni und Ungari gemeint sein soll, ist unklar. Als Ruthenen (R-th) bezeichnete man seit dem Spätmittelalter verschiedene slawische Völkerschaften. Vielleicht sind die Hunnen oder die Awaren gemeint. Die Geschichte vom Hl. Maximus und seinen Gefährten ist eine Legende, die wohl auf Verwechslung mit Maximianus, Presbyter in Ioviacum, beruht. Dieser wurde bei einem Angriff der Heruler hingerichtet (Eug. vita S. Severini, 24). Ioviacum wird heute in Schlögen, OÖ, verortet, wurde aber in der frühen Neuzeit gern mit Iuvavum gleichgesetzt.
Der Almkanal ist ein künstliches Gerinne, das Wasser aus dem Süden der Stadt in die Stadt bringt. Zunächst aus Bächen des Leopoldskroner Moores, seit 1160 aus dem Rosittenbach (vom Untersberg), seit 1286 hauptsächlich aus der Königsseeache (die auch Alm heißt, woher der Almkanal seinen Namen hat). Der Almkanal teilt sich vor und in der Stadt in mehrere Arme. Der Stiftsarm führt durch einen ca. 400 m langen Stollen, der bereits 1136-1143 gegraben wurde, durch den Mönchsberg. Der Stiftsarm tritt heute links unterhalb des Hans-Sedlmayr-Wegs in den Berg und beim Eingang des Petersfriedhofs wieder aus. Im Hof der Stiftsbäckerei kommt er wieder ans Tageslicht und treibt dort seit 1160 eine Mühle an. 1923 wurde an Stelle des Mühlrades eine Wasserturbine eingebaut, die Strom erzeugte. Davon berichtet eine Inschrift an der Hausmauer der Stiftsbäckerei.
33 Leitich Nr. 80 (S. 71)
HAS AQVAS PER VIII SÆCVLA MOLAM AGENTES Dass diese Wasser, die durch acht Jahrhunderte einen Mühlstein antrieben, PRÆTEREA LVCEM DIF̃(f)VNDERE überdies Licht verbreiten, CVRAVERVNT dafür sorgten WILLIBALDVS & PETRVS AA (=abbates) S(ancti). PETRI Willibald und Petrus, Äbte von St. Peter. A(nno) D(omini) MCMXXIIII Im Jahr des Herrn 1924
mola, -ae f.: Mühlstein; (Opfer-)Schrot
dif-fundō, -ere, -fūdī, -fūsus: ausgießen, auseinanderfließen lassen,
aus-, verbreiten, zerstreuen
1966 wurde diese Turbine mangels Rentabilität entfernt. Seit 2007 treibt
der Stiftsarm wieder ein großes, hölzernes Mühlrad an.
Die im Text genannten Äbte sind nach Leitich: Willibald Hauthaler (1901-1922)
und Petrus II. Klotz (1922-1931). Nach beiden ist in Salzburg eine Straße
benannt (Willibald-Hauthaler-Str. und Erzabt-Klotz-Str.).
Die Stiftsbäckerei (s. deren Homepage)
ist übrigens Salzburgs älteste Bäckerei.
Zwischen der Kaigasse auf Höhe der Einmündung der Kapitelgasse und der Krotachgasse befand sich in spätantiker Zeit ein großer (45,4 x 29,6 m) Tempel, der wohl einer oder mehreren Heilgottheiten (Asclepius, Hygieia, Sarapis) geweiht war. In diesem Bereich, genauer im Haus Kaigasse 21, fand man 1957 eine Dankinschrift aus dem 2. Jh. n.Chr. Sie ist heute im Stiegenhaus des Hauses Kaigasse 23 eingemauert.
34 Leitich Nr. 72 (S. 66f)
Weitere Informationen bei: Ubi erat lupa (hier gibt es auch gute Fotos), Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby
M(arco)·HATERIO Dem Marcus Haterius, LVCI(i)·FIL(io) Sohn des Lucius, CLAVD(ia tribu)·SUMMO aus dem claudischen Wahlbezirk, Summus, DEC(urioni)·MVNICIPI(i) dem Ratsherren des Munizipiums IVAVI I(u)vavum, I̅I̅VIRO·IVR(e)·D(icundo) dem Bürgermeister, PLEBES·OPPIDAN(a) die städtische Bevölkerung OPTIMO·CIVI dem besten Bürger OB ANNONAM für die gelinderte Teuerung RELEVATAM
tribus, -ūs f.(!): (Stimm-)Bezirk
decuriō, -ōnis m.: (mil.) Dekurio; Mitglied des Stadtrates, Ratsherr
mūnicipium, -ī n.: (Klein-)Stadt mit eigener Verwaltung
duumvir iūre dīcundō (auch iūri dīcundō, iūris dīcundī):
Angehöriger eines Zweimännerkollegiums zur Rechtsprechung, Bürgermeister
plēbēs = plēbs
oppidānus: städtisch
annōna, -ae f.: Jahresertrag; Getreide, Lebensmittel; Getreide-,
Lebensmittelpreis; hoher Preis, Teuerung, Not
re-levō, -āre: erleichtern, lindern, mildern
Marcus Haterius Summus war einer von jeweils zwei für die Verwaltung und die Rechtsprechung verantwortlichen Magistraten. Er hat in dieser Funktion durch irgendeine Maßnahme (Artur Betz vermutet durch Getreidekauf auf private Kosten) für die Linderung einer Lebensmittelknappheit bzw. wohl für die Herabsetzung der Preise gesorgt.
Der Salzburger Dom wurde am 16. Okt. 1944 von einer amerikanischen Bombe getroffen und geriet in Brand. Als man im Zuge der Renovierungsarbeiten in den 1950er Jahren unter dem Dom- und Residenzplatz grub, entdeckte man u.a. sehenswerte Reste eines römischen Peristylhauses mit Mosaiken, Hypokaustenheizung und Entwässerungskanälen. Und man fand einen römischen Grabaltar aus dem 2./3. Jh.n.Chr. mit einer Inschrift. (Diese Überreste und der Grabaltar sind im Juli und August im Domgrabungsmuseum zu besichtigen.)
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VINDICIO Vindicio, VERECVNDI (filius) des Verecundus Sohn, V(ivus) F(ecit) SIBI ET machte zu Lebzeiten für sich und SECVNDAE Secunda, CON(iugi) ET SVIS die Gattin, und die Seinen
Vindicio hat diesen Grabaltar also für sich, seine Gattin und seine Familienangehörigen (d.h. wohl die Kinder) anfertigen lassen. Ein ähnlicher Grabaltar (eines Pacilius Privatus und seiner Familie) steht in einer Nische außen an der Friedhofskapelle der Kirche von Siezenheim. Hingegen ist der in einer Nische an der Friedhofsmauer der Kirche von Grödig aufgestellte Stein kein Grabaltar, sondern ein Weihe- oder Dankstein eines [T]urbonius Fuscinus.
Die Festungsgasse (ursprünglich Nonnbergweg oder -gasse genannt) führt vom Kapitelplatz auf den Festungsberg bzw. zum Kloster Nonnberg. An der Stützmauer, über dem der Gastgarten des Restaurants Stiegl-Keller liegt, befindet sich eine Inschrift, die vom Neubau der Straße unter Max Gandolf berichtet.
36 Leitich Nr. 84 (S. 74)
HANC VIAM PENITUS Diese Straße, die völlig COLLAPSAM zusammengesunken war, RESTAURAVIT ET LAPIDEIS FUN hat wiederhergestellt und mit steinernen Fun- DAMENTIS ROBORAVIT damenten verstärkt MAX(imilianus) GAND(olphus) EX CO Max Gandolf aus den Gra- MIT(ibus) DE KUENBURG, D(ei) G(ratia) ARCHI fen von Kuenburg, durch Gottes Gnade Erz- EPISCOPUS ET PRINCEPS SALIS bischof und Fürst von Salz- BURGENSIS burg. ANNO DOMINI M DC LXX Im Jahr des Herrn 1670
Die Inschrift hat in der sechsten Zeile MIT DL
KIIENBURG (L statt E,
II statt U). Vielleicht
das Ergebnis einer fehlerhaften Restaurierung der Inschrift?
penitus: bis ins Innerste, durch und durch, völlig
col-lābor, -lābī, -lāpsus sum: zusammensinken, zusammenfallen
re-staurō, -āre: wiederherstellen
lapideus: steinern
rōborō, -āre: stärken, kräftigen
1841 stieß man bei den Fundierungsarbieten für das geplante Mozartdenkmal am heutigen Mozartplatz auf zwei übereinanderliegende römische Mosaikfußböden. Vom älteren (d.h unteren), dem sog. Acheloosmosaik aus der Mitte des 3. Jh., sind noch einige Bildfelder im Salzburg-Museum zu besichtigen. Der jüngere, das sog. Felicitasmosaik aus dem späten 3. oder frühen 4. Jh., enthält eine Inschrift. Diese befindet sich heute am Fuße des Mozartdenkmals.
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HIC HABITAT [FELICITAS] Hier wohnt [das Glück], ṆIHIL INTRET MALI nichts Böses trete ein.
intrō, -āre: eintreten, betreten
fēlīcitās, -ātis f.: Glück
Wer hier wohnt, ist nicht erhalten. Die Ergänzung ist wohl einer
Travertinplatte
mit dem Relief eines Phallus geschuldet, in die die Worte hic habitat
felicitas „hier wohnt das Glück“ eingeritzt sind. Diese Platte wurde in
einer Bäckerei in Pompeji gefunden. Sie ist also kein Ladensymbol eines
Rotlichtetablissements, sondern eine Art Glücksbringer, der Phallus hat
apotropäische (unheilabwehrende) Funktion. G. Thüry nennt als weitere mögliche
Ergänzungen: andere personifizierte Begriffe (Fröhlichkeit, Frömmigkeit o.ä.),
Personennamen, und vor allem Schutzgottheiten.
Thüry, Günther E.: „‚HIC HABITAT …‘. Wohnte am Mozartplatz
das Glück? Das römische Mosaik mit der ‚Haussegens-Inschrift‘“,
Das
Kunstwerk des Monats, Blatt 80 (Nov. 1994)
Der vervollständigte Spruch wurde in der Folgezeit auch für neuzeitliche
Aufschriften übernommen. Im Netz gefunden habe ich ihn etwa auf der Schwelle
des Herrenhauses Zvartava
in Lettland (erbaut 1881) und auf zwei Holzbrettern an einem
Baum
in Mendling, NÖ („um das Jahr 1840“).
Fürsterzbischof Wolf Dietrich holte 1594 als gegenreformatorische Maßnahme die Kapuziner, einen franziskanischen Bettelorden, nach Salzburg und ließ an Stelle des Trompeterschlössls das Kapuzinerkloster errichten. (Nach diesem heißt der Stadtberg, auf dem es steht, heute Kapuzinerberg). Von der Linzergasse aus kann man auf dem Stefan-Zweig-Weg zum Kapuzinerkloster hinaufsteigen. Dazu muss man durch ein Portal aus Steinquadern treten, das vom Wappen des Markus Sittikus bekrönt wird. Darüber befindet sich ein Relief, das (ähnlich einem Fresko von Giotto di Bondone in Assisi) zeigt, wie der Hl. Franz von Assisi seine Stigmata (Wundmale Christi) empfängt. Darunter eine Inschrift:
Leitich Nr. 137 (S. 111f)
SANCTE FRANCISCE Heiliger Franziskus, DOMVM TVAM die an dein Haus PIE ACCEDENTES PROTEGE fromm herantreten, beschütze. ANNO D(omi)N̅I M DC X V II. Im Jahr des Herrn 1617.
ac-cēdō, -ere, -cessī, -cessus: herantreten, sich nähern
prō-tegō, -ere, -tēxī, -tēctus: vorne bedecken, (be)schützen
Die Steingasse ist ein alter Fahrweg, der schon zur Römerzeit aus der Stadt in den Süden führte, nach Kuchl, über die Tauern nach Kärnten und weiter an die Adria. Hier befindet sich das Innere Steintor, ein altes Stadttor, das wohl aus dem 13. Jahrhundert stammt. Unter Erzbischof Paris Lodron wurde es neu erbaut und unter das Patrozinium Johannes des Täufers gestellt. Darauf weist die Inschrift auf der stadtauswärtigen Seite des Tores. Der in der Inschrift genannte Graben wurde um 1900 zugeschüttet.
38 Leitich Nr. 135 (S. 110)
Præcvrsori Domini Ioanni Bapt(ist)æ Dass dem Vorläufer des Herrn, Johannes dem Täufer, Hanc Portam Recisa Rvpe Incisa Fossa Astrvcto Vallo Mvnitam dieses Tor, das befestigt wurde, indem Fels abgehauen, ein Graben ausgehoben, ein Wall hinzugefügt wurde, atq{ue} e tenebris angvstiisq{ue} edvctam sacram esse ivbet und das aus Finsternis und Enge herausgeführt wurde, heilig sei, befiehlt Paris e com(itibus) lodroni archiepiscopvs Paris aus den Grafen von Lodron, Erzbischof, anno m. d c. x x x i v. im Jahr 1634.
-que ist abgekürzt mit Q und einer Art Beistrich, der die Cauda des Q kreuzt. Am Ende der ersten Zeile ist am unteren Zeilenrand ein dreieckiges Interpunktionszeichen, das sich evt. als Abkürzungspunkt für baptistae interpretieren lässt. In der dritten Zeile findet sich dasselbe Zeichen am oberen Zeilenrand zwischen e und tenebris, wofür ich keine Erklärung habe.
praecursor, -ōris m.: Vorläufer, Vortrab
baptista, -ae m.: Täufer
re-cīdō, -ere, -cīdī, -cīsus: abhauen, abschneiden; beschneiden, verkürzen
rūpēs, -is f.: Fels, Felswand, Klippe
in-cīdō, -ere, -cīdī, -cīsus: einhauen, -schneiden, -graben
fossa, -ae f.: Graben
a-struō, -ere, -strūxi, -strūctus: anbauen, hinzufügen
vallum, -ī n.: Verschanzung, Wall
tenebrae, -ārum f.: Finsternis, Dunkelheit
angustiae, -ārum f.: Enge, enger Raum
Das Kloster Mülln war im 15./16. Jh. ein Stift von Augustiner-Chorherren (Weltgeistlichen). Es wurde 1605 von Augustiner-Eremiten übernommen, die auch 1621 die Brauerei begründeten. Nach deren Aussterben ging es 1835 an die Benediktiner von Michaelbeuern über. Das heutige Gasthaus wurde 1912 errichtet. An einem Mauervorsprung neben dem Aufgang zum Gastgarten befindet sich eine Steintafel mit der Inschrift:
MAURUS ABBAS Abt Maurus 19 63 1963 UT OMNES UNUM SINT Dass (sie) alle eins seien.
Maurus II. Riha (Taufname Josef) war 1933-1969 Abt des Klosters Michaelbeuern. Sein Wahlspruch stammt aus dem Hohepriesterlichen Gebet Jesu (Joh 17,21).
An den Wänden der Säle des Bräustübels finden sich auch lateinische Inschriften. Ein Beispiel:
TABERNAE CEREVISIAE Die Bierläden AD MOLAS AUGUSTINI an der Mühle des Augustinus SOLAMEN SUNT MISERIAE sind ein Trost im Unglück SODALIBUS GAMBRINI. für die Zechkumpane des Gambrinus.
taberna, -ae f.: Bude, Laden, Wirtshaus, Kneipe
cerevisia, -ae f.: Bier
mola, -ae f.: Mühlstein, Pl. Mühle
sōlāmen, -inis n.: Trost
miseria, -ae f.: Elend, Unglück, Not
sodālis, -is m.: Kamerad, Genosse, (Zech-)Kumpan
Gambrinus, -i: sagenhafter König und Erfinder des Bierbrauens
Die folgende Inschrift hingegen ist ein pseudolateinischer Scherz. Die Bedeutung des Text kann ich nur raten:
NOTA SPIRATE SI SVAS NOBIS No, des Bier, ah, des is was Nobles (?). DA CANAAN AVE ID RENA BIS AREA Da kann ana [einer] weit renna [rennen, laufen], bis er ein SOL CHASTA AC RIGAT. solches da kriegat [kriegte, bekäme].
Ich habe den Text vermutungsweise wie folgt in deutsche Wörter unterteilt: NO TAS PIR A TES IS VAS NOBIS | DA CAN AANA VEID RENA BIS AR EA | SOLCHAS TAA CRIGAT.
Die heutige spätbarocke Gnigler Kirche wurde unter Fürsterzbischof Leopold Anton von Firmian errichtet (1731-1738). Das Portal befindet sich am der Kirche vorangestellten Turm. Darüber ist das Wappen von Fürsterzbischof Johann Ernst von Thun mit der Inschrift .I.E.A.S.F.F. 1696. Das können wir unschwer deuten als Ioannes Ernestus Archiepiscopus Salisburgensis fieri fecit „Johann Ernst, Salzburger Erzbischof, hat machen lassen“ (Leitich Nr. 159 [S. 129]) - vermutlich eine Erweiterung am Vorgängerbau der heutigen Kirche (der Michaelskapelle). Darüber ist ein Sonnenuhrfresko, das Maria mit Krone auf dem Haupt und dem Christusknaben auf dem Schoß umgeben von Putten auf rosafarbenen Wolken thronend zeigt. Am unteren Bildrand findet sich die Aufschrift:
Leitich Nr. 158 (S. 128f)
LVX EX ALTO FVLGENS CORDIS FVGIT CAECITATEM Licht, das aus der Höhe leuchtet, flieht vor der Blindheit des Herzens.
fulgeō, -ēre, fulsī, -: blitzen, glänzen, leuchten
caecitās, -ātis f.: Blindheit
Man würde eine tröstlichere Aussage erwarten, nämlich fugat
„schlägt in die Flucht, vertreibt“ (die Blindheit) oder fuget
„möge/soll vertreiben“.
Das Chronogramm ergibt das Jahr 1988, in welchem eine Renovierung der Kirche abgeschlossen wurde. Eine ältere Version des Chronogramms ergab, bei anscheinend gleichem oder ähnlichem Text, 1854.
Zwischen Mönchsberg und Untersberg lag ein ausgedehntes Moorgebiet, dessen noch verbliebenen Reste heute Leopoldskroner Moos genannt werden. Es wird von der schnurgeraden, über 5 km langen Moosstraße durchschnitten. Diese wurde Anfang des 19. Jh. angelegt und führte zur Besiedelung der Parzellen entlang der Straße. 1853-1858 wurde hier die Pfarrkirche Leopoldskron-Moos (Maria Hilf) gebaut. Über dem Portal befindet sich ein Glasfenster mit großen goldenen Lettern, die etwa folgenden Text ergeben:
PO RTA
MDCCCLVIII I̅M̅A̅R̅ MCMLVIII
CO ELI Himmelstür Maria, 1858, 1958
Der Name Marias ist als Ligatur, die sich in HTML kaum wiedergeben lässt, geschrieben. Himmelstür, -pforte ist einer der zahllosen Titel Marias.
Die folgende Karte zeigt die ungefähren Positionen der beschriebenen Inschriften in der Altstadt zwischen Neutor und Gstättentor im Westen und Kajetanerplatz im Osten (wobei Irrtümer nicht ausgeschlossen sind).
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Letzte Aktualisierung: 7. Nov. 2024