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Ist Gott ein Mann?


Vor kurzem (7. März 2025) war Weltgebetstag der Frauen. Der ökumenische Gottesdienst, der dazu in unserer evangelischen Kirche stattgefunden hat, war aus meiner Sicht von zwei Dingen geprägt: einem deutlichen Fehlen spezifisch christlicher Elemente (ausgenommen das Vaterunser); und einer feministischen Sprache: Von Gott wurde überwiegend in femininen Nomina („Lebendige“, „Schöpferin“, „Geistkraft“, nicht jedoch „Göttin“) gesprochen, der Ps 139 wurde in der Wiedergabe der (m.E. problematischen) Bibel in gerechter Sprache gebetet. Ich war zwar als Mann nicht das Zielpublikum dieses Gottesdienstes, habe mich aber gefragt, warum mich diese Art, von Gott zu reden, befremdet. Ist sie nur ungewohnt? Oder ist sie auch theologisch fragwürdig?

Grammatik

Die geschlechtliche Binarität des Menschen ist (allen anderslautenden Behauptungen zum Trotz, s. Wieviele Geschlechter gibt es?) eine so grundlegende menschliche Daseinserfahrung, dass sie sich auch in der Grammatik aller Sprachen, von denen ich eine rudimentäre Ahnung habe, im Pronominalsystem materialisiert hat: er/sie, sein/ihr usw. Viele Sprachen unterscheiden in der Nominalflexion das (grammatikalische) Geschlecht: πιστὸς ὁ θεός „treu [mask. Adj.] (ist) der [mask. Art.] Gott [mask. Subst.]“ (1Kor 10,13). Im Hebr. gibt es auch beim Verbum in der 2. und 3. Person unterschiedliche Flexionsformen, je nachdem das Subjekt grammatikalisch maskulin oder feminin ist.

Das grammatikalische Geschlecht (Genus) muss nicht unbedingt mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmen. Gegenstände oder Abstrakta haben ein grammatikalisches, aber kein biologisches Geschlecht. Bei Personen stimmt das Genus aber normalerweise mit dem biologischen Geschlecht überein: der Mann, der Vater, der Bruder sind grammatikalisch maskulin, die Frau, die Mutter, die Schwester sind feminin. (Eine Ausnahme gibt es z.B. im Deutschen bei Deminutiva: das Mädchen, es ist hübsch. Aber auch hier ist wohl constructio ad sensumsie ist hübsch – das Üblichere.)

In vielen Sprachen wird, wenn weibliche und männliche Personen gemeinsam genannt werden, der maskuline Plural verwendet. Nicht, weil Frauen nicht zählen, sondern weil das Maskulinum eher generische Bedeutung hat als das Femininum. So kann griech. mask. adelphoí „Brüder“ heißen oder „Geschwister“ (also Brüder und Schwestern inkludieren), fem. adelphaí hingegen heißt immer nur „Schwestern“. Ein „Gott“ muss also nicht zwangsläufig männlich sein, so wie im Deutschen ein Arzt oder ein Lehrer eine Frau sein konnte (zumindest bis zur feministisch verordneten Abschaffung des Generischen Maskulinums durch den Duden). Die movierten Formen hingegen (Göttin, Ärztin, Lehrerin) bezeichnen, zumindest im Deutschen, ausnahmslos weibliche Personen.

Wenn über Personen gesprochen wird, muss man sich also in aller Regel entscheiden, ob man die Person als männlich oder weiblich ansieht. Glaubt man an einen personalen Gott, muss man sich entscheiden, welches Pronomen eher das eigene Gottesbild zum Ausdruck bringt. Wobei das Maskulinum das Geschlecht m.E. weniger deutlich festlegt als das Femininum.

Kultur

Reden über Gott geschieht nie im kulturell luftleeren Raum, sondern immer in einem bestimmten kulturellen und geschichtlichen Kontext und unter Rückgriff auf oder Ablehnung von bereits vorhandenen Gottesvorstellungen und unter Verwendung vorgeprägter sprachlicher Elemente. In der Antike gab es auch weibliche Gottheiten. Sie wurden aber hauptsächlich mit Sexualität, Fruchtbarkeit und Mutterschaft in Verbindung gebracht.

Die Israeliten haben Gott vor allem als starken Helfer und Kämpfer für sein Volk (auch im militärischen Sinn) erfahren. Kämpfer und Soldaten waren ausschließlich männlich. Da lag es nahe, von Gott in maskulinen Termini zu reden. Wenn man Gott als Herrscher der ganzen Welt sieht, dann ist die dem Israeliten nächstliegende Analogie die des Königs. Es gab gelegentlich auch weibliche Herrscher, aber doch so selten, dass ein König männlich gedacht wurde.

Jesus hat uns gelehrt, Gott als Vater zu sehen, sein Mustergebet beginnt mit den Worten „unser Vater im Himmel“ – nicht „unsere Mutter“. Die Antike kannte Muttergottheiten, allen voran die kleinasiatische Kybele, die Magna Mater. Aber wieder steht hier offenbar die Fruchtbarkeit im Vordergrund der Verehrung. Von daher war klar, dass es für Israeliten aller Zeiten undenkbar war, Gott als „Mutter“ anzureden. Wenngleich Gottes Liebe und Fürsorge durchaus mit der einer Mutter verglichen werden konnte (Jes 49,15; 66,13; vielleicht auch Ps 131,2). (Und nebenbei bemerkt: der katholische Marienkult streift mit seiner „Himmelskönigin“ und „Gottesgebärerin“ sehr nahe an heidnische Mutterreligionen an.)

Heutige Sitation

Ist Gott also ein Mann? Natürlich nicht, er ist Gott und hat kein Geschlecht. Aber um diesen Satz sagen zu können, muss ich mich für ein Personalpronomen entscheiden. Würde ich sagen „sie ist Gott“ oder gar „sie ist Göttin“, legte sich der Verdacht nahe, dass ich eine bestimmte, z.B. feministische, Agenda betreibe.

Auch heute können wir nicht im kulturell luftleeren Raum von Gott reden. Unsere jüdisch-christliche Tradition benennt Gott weitgehend als männlich. Wer sich also bewusst dafür entscheidet, entgegen der Tradition mit weiblichen (Pro-)Nomina über Gott zu reden (und auch noch Jesus weglässt), nimmt damit in Kauf, von neuheidnischer Naturreligion (wie z.B. dem Wicca), Ökospiritualismus (Gaia-Hypothese u.ä.) und feministischen Matriarchatsutopien nicht mehr unterscheidbar zu sein. (Aber vielleicht ist das ja der Zweck der chose.)

Warum wird das Reden über Gott in maskulinen Formen überhaupt in Frage gestellt? Weil es falsch ist? Und das Reden über Gott in femininen Begriffen ist richtiger? Machen wir uns nichts vor: es ist der Femininismus, der uns Gott, den Vater, König (Ps 97,1), Richter (Ps 82,1), den Hüter Israels (Ps 121,4), den Turm (מִגְדָּל, Ps 61,4), Fels (צוּר, Ps 62,3), Schutz (מִשְׂגָּב, ebenda), oder welche (auch im Hebr.) männlich konnotierte Metapher sonst verwendet wird, madig machen möchte. Weil Feministinnen Männer nicht mögen; daher mögen sie auch keinen „männlichen“ Gott. Was tritt aber an seine Stelle? Wer nicht Feministin ist und wessen Agenda nicht die höhere Ehre Gottes, sondern die Umbildung der Gesellschaft ist, der wird mit den movierten Surrogaten vermutlich nicht glücklich werden.

Nicht nur unsere (Gottes-)Erkenntnis ist Stückwerk (1Kor 13,9.12), auch unser Reden von Gott ist Gestammel. Wer glaubt, er muss dieses Gestammel auch noch gendern und aus Gott eine Göttin machen, den kann ich nicht hindern. Aber seine/ihre Gottesdienste werde ich meiden. Den Gottesdienst zum Weltgebetstag der Frauen werde ich mir nächstes Jahr schenken. Westlicher Feminismus ist eine Religion, deren Credo von der angeblich auch bei uns immer noch bestehenden systematischen Unterdrückung und Benachteiligung der Frauen den statistisch erhobenen Tatsachen widerspricht (s. Schröder, Martin: Wann sind Frauen wirklich zufrieden? München: Bertelsmann, 2023). Da man daran glauben muss, ist er faktisch eine Religion.


Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 29. März 2025