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Der biblische Schöpfungsbericht
Ich habe den Bibeltext selbst ins Deutsche übersetzt. Nicht weil ich glaube, es besser zu können als andere, sondern weil ich angesichts des Theaters, das um das Urheberrecht gemacht wird (auch bei Bibeltexten), fürchten muss, selbst für das Zitieren eines läppischen Kapitels rechtlich belangt zu werden. Ich habe versucht, aus der Not eine Tugend zu machen und durch eine sehr schematische wörtliche Übersetzung die syntaktische Struktur des Textes erkennbar zu machen. Meine Übersetzung ist als work in progress zu verstehen und ich empfehle, andere Übersetzungen zum Vergleich heranzuziehen.
Für den hebräischen Urtext habe ich die BHS konsultiert (inzwischen online einsehbar bei Bibelwissenschaft.de: Gen 1). Als Kommentar habe ich hauptsächlich die Stuttgarter Erklärungsbibel und D. Kidners Genesiskommentar verwendet, als hebräisches Wörterbuch das von W. Gesenius in der 17. Aufl.
Der sog. erste Schöpfungsbericht (weil mit Gen 2,4b-25 ein zweiter, mutmaßlich älterer folgt) wird von der modernen Theologie der Priesterschrift zugeschrieben. Dies ist eine hypothetische Quellschrift des Pentateuchs, die in oder bald nach dem Babylonischen Exil (also im 6.Jh.v.Chr.) entstanden sein soll.
Der biblische Schöpfungsbericht wurde nicht geschrieben, um unsere Fragen im Zusammenhang mit der Entstehung des Universums zu beantworten. Man kann ihn daher nicht einfach als Gewährsmann gegen Urknall oder Evolution benutzen. Will man ihn verstehen, muß man ihn mit zeitgenössischen heidnischen Schöpfungserzählungen vergleichen, etwa dem babylonischen Enuma elisch oder dem Anfang der sumerischen Erzählung Gilgamesch, Enkidu und die Unterwelt, um zu sehen, auf welche Fragestellungen er zu antworten und auf welche religiösen Vorstellungen er zu entgegnen versucht. Im Enuma elisch wird berichtet, wie der Gott Marduk die Meeresgöttin Tiamat (ein furchterregendes Ungeheuer) tötet und aus ihrem Leichnam den Kosmos erschafft.
Allerdings darf man dabei der Bibel nicht einfach die mythologischen Vorstellungen der Sumerer und Babylonier unterschieben und im Schöpfungsbericht Überreste von einem Kampf Gottes gegen das Chaoswasser suchen (und natürlich finden).
1 1 Am Anfang hat Gott den Himmel und die Erde erschaffen.
2 Und die Erde ist öd und leer gewesen, und Finsternis über der Urflut, und der Hauch Gottes schwebend über dem Wasser.
Wuchtig hebt die Bibel mit Gen 1,1 an. Während das Enuma elisch mit etlichen Generationen von Gottheiten und allerlei Geschehnissen vor der Erschaffung des Kosmos aufwarten kann, „setzt“ der biblische Schöpfungsbericht diese Erschaffung an den Anfang. Was davor war, darüber gibt es nichts zu sagen (anders Ps 90,2; Joh 1,1). V. 1 ist ein Glaubensbekenntnis: der Kosmos verdankt sein Dasein Gott. Das Universum existiert, weil Gott es so wollte.
Der Schöpfungsbericht ist kein Mythos. Er berichtet kein Geschehen, das sich in einer primordialen Zeit (d.h. in grauer Vorzeit, außerhalb unserer Zeit) ereignet hat. Sondern er berichtet etwas, was innerhalb unserer realen Zeit, nämlich an deren Anfang, passiert ist.
Da Gott die Welt erschaffen hat, ist sie wirklich da. Die Idee, die Wirklichkeit sei nur eine Projektion unseres Bewußtseins (wie sie etwa im Buddhismus aufgetaucht ist), ist der Bibel fremd.
Gott erschafft Himmel und Erde. Die Erde ist zunächst finster, leer und von Wasser bedeckt. Manche Ausleger möchten nicht glauben, dass Gott eine finstere, leere Erde erschafft, und nehmen daher (m.E. unnötigerweise) an, dass übersetzt werden muß: „die Erde wurde öd und leer“. Danach wäre zwischen V. 1 und 2 etwas passiert (etwa ein göttliches Strafgericht), was aber nicht berichtet wird.
Andere finden hierin altorientalische Vorstellungen von der Schöpfung als Überwindung lebensfeindlicher Mächte und bestreiten, dass der Schöpfungsbericht eine creatio ex nihilo (Schöpfung aus dem Nichts) lehrt. Solche Vorstellungen mögen hier und da anklingen, wirklich tönen tun sie nicht! Der Anklang besteht weniger im Wort tehôm als vielmehr in der Vorstellung, dass Meer die Abwesenheit von Land ist (so wie Finsternis die Abwesenheit von Licht ist), also ein urtümlicher, „ungeschaffener“ Zustand.
V. 2b ist dunkel. Wenn nicht einfach gesagt werden soll, dass ein heftiger Sturm („Wind Gottes“, vgl. auch „Atem des Herrn“ Jes 40,7) über das Wasser brauste, bedeutet es vielleicht, dass auch dieser finstere Anfang bereits von der „in der Welt waltenden Macht des Lebens, die die Existenz wie den Fortbestand der Welt bedingt“ (so die Erklärung zu rûaḥ ʾælohîm „Geist Gottes“ in Gesenius' Hebr. Wörterbuch) beherrscht wurde.
Auf V. 1 gibt es auch innerbiblische Bezugnahmen, z.B. Jes 65,17; Offb 21,1.
3 Da sprach Gott: Es werde Licht! Da wurde es Licht.
4 Da sah Gott, dass das Licht gut war. Da trennte Gott das Licht von der Finsternis.
5 Da nannte Gott das Licht Tag, die Finsternis aber nannte er Nacht.
Da wurde es Abend, da wurde es Morgen: der erste Tag.
In V. 1f stehen Formen der Suffixkonjugation (Perfekt) bzw. Nominalsätze. Erst mit V. 3 hebt die Erzählung mit dem Narrativ (Imperfectum consecutivum) „da sprach“ an. Es ist daher unklar, ob die ersten beiden Verse zum ersten Schöpfungstag dazugehören oder als vorausliegend zu verstehen sind.
Während heidnische Götter bei ihrem Schöpfungwerk gewaltige Anstrengungen aufbieten müssen (bildlich gesprochen: ins Schwitzen geraten), erschafft der biblische Gott souverän durch eine simple Willensäußerung. Er „ruft“ ins Dasein.
Gott erschafft als erstes das Licht und den Wechsel von Tag und Nacht. Das Wort „trennen, scheiden“ kommt im Schöpfungsbericht öfter vor. Gottes Handeln bei der Schöpfung zielt vor allem auf „Grenzsetzung und Scheidung, als Stiftung einer Leben ermöglichenden Ordnung“ (Stuttg. Erkl.bibel).
Durch die Trennung von Licht und Finsternis und den rhythmischen Wechsel von Tag und Nacht erschafft Gott die Zeit (so E. Strecker). (Lichter) Tag - Nacht und Abend - Morgen sind Paarformeln für den Voll- oder 24-Stunden-Tag.
Auch nach der herrschenden wissenschaftlichen Theorie zur Entstehung des Kosmos (Urknall) gab es Licht schon lange, bevor die Sterne entstanden. Die kosmische Hintergrundstrahlung ist ein Rest dieses „Ur-Lichts“. Die Trennung von Licht und Finsternis erfolgte, als das Universum auf 3000 K abgekühlt war und so die elektromagnetische Wechselwirkung stärker war als die thermische Energie der Elementarteilchen. Es entstanden die H- und He-Atome; das Plasma aus Elementarteilchen wurde zu Gas: das Universum „klarte auf“.
Eine beliebte theologische Streitfrage ist, ob die Schöpfungstage wirklich als 24-Stunden-Einheiten zu verstehen sind. Gegen dieses Verständnis mag man als Mensch des 21. Jahrhunderts einwenden: Was soll „es ward Abend“ bedeuten, wenn es noch keine Sonne gibt, die untergehen könnte? Soll es bedeuten, dass es 18 Uhr wurde? In welcher Zeitzone? Aber so konnte der antike Autor nicht denken. Er teilt seinen Bericht in Einheiten, die er nach den Einheiten, die er selber kennt, Tage nennt. Wie lange er sich diese gedacht hat, ist schwer zu sagen und im Grunde auch unerheblich. Es geht um das Was, nicht um das Wie der Schöpfung. Es geht um die theologische Wahrheit, nicht um den physikalischen Sachverhalt.
Man mag zurecht einwenden, dass die Unterscheidung zwischen dem Was und dem Wie eine moderne ist, die dem Autor fremd war. Aber auch dem Autor dürfte klar gewesen sein, dass das, was er hier erzählt, nur in einem poetischen oder theologischen Sinn wahr ist.
6 Da sprach Gott: Es werde eine Feste inmitten des Wassers, und sie trenne Wasser von Wasser!
7 Da machte Gott die Feste. Da trennte er das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Da geschah es so.
8 Da nannte Gott die Feste Himmel.
Da wurde es Abend, da wurde es Morgen: der zweite Tag.
Gott trennt das Wasser in zwei Bereiche, die Trennwand ist der Himmel. Nach der gängigen Erklärung ist die zugrundeliegende Vorstellung dahinter die, dass es über dem Himmel eine Art Ozean gibt, der das Wasser für die Regenwolken liefert („Fenster des Himmels“ Gen 7,11; Mal 3,10). Die Psalmendichtung lokalisiert Gottes Palast über diesem Himmelsozean (Ps 29,10; 104,3; Am 9,6). Eine ähnliche Vorstellung findet man offenbar auch im Enuma elisch IV,137-140.
9 Da sprach Gott: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an einem Ort, und es zeige sich das Trockene! Da geschah es so.
10 Da nannte Gott das Trockene Land, die Sammlung des Wassers aber nannte er Meere. Da sah Gott, dass es gut war.
11 Da sprach Gott: Die Erde lasse grünen junges Grün, Kraut, das Samen hervorbringt, Fruchtbäume, die Frucht erzeugen nach ihrer Art, in welcher ihr Same ist auf der Erde! Da geschah es so.
12 Da ließ die Erde hervorgehen junges Grün, Kraut, das Samen hervorbringt nach seiner Art, und Bäume, welche Frucht erzeugen, in welcher ihr Same ist nach ihrer Art. Da sah Gott, dass es gut war.
13 Da wurde es Abend, da wurde es Morgen: der dritte Tag.
Gott schafft das trockene Land und gibt der Erde den Auftrag, verschiedene Pflanzen hervorzubringen, die die Fähigkeit zur Reproduktion aufweisen („das Samen hervorbringt nach seiner Art“). Man bemerke, dass die Sonne noch nicht erschaffen wurde. Pflanzen ohne Sonnenlicht, das ist naturwissenschaftlich nicht möglich. Jeder Versuch, den biblischen Schöpfungsbericht mit naturwissenschaftlicher Kosmogenese zu harmonisieren, wird daher schnell an Grenzen stoßen. Es geht hier darum, was Gott getan hat, nicht, wie er es getan hat.
Das Meer ist besonders im Enuma elisch eine uralte Gottheit, die erst überwunden werden muß, bevor die Welt erschaffen werden kann. Auch in der ugarit. Erzählung vom Konflikt zwischen den Göttern Baal und Jam („Meer“) ist der Meeresgott Sinnbild einer die Ordnung bedrohenden Macht. Solche Vorstellungen klingen auch im AT gelegentlich an (etwa im Leviatan z.B. Ps 74,13f). Doch hier soll vor allem betont werden, dass auch das Meer nur von Gott geschaffen ist.
Hier und im folgenden noch öfters sieht Gott, dass das, was er geschaffen hat, gut ist. Die Schöpfung ist nicht das Werk eines bösen Demiurgen, kein Fall des Geistes in die dunklen Niederungen der Materie (wie in der Gnosis angenommen wurde). Auch wenn man manchmal an der Welt verzweifeln möchte: sie ist (zumindest ursprünglich) gut.
14 Da sprach Gott: Es werden Lichter an der Himmelsfeste, um zu trennen zwischen dem Tag und der Nacht und damit sie seien Zeichen und Festzeiten und Tage und Jahre,
15 und damit sie seien Lichter an der Himmelsfeste, um auf die Erde zu leuchten! Da geschah es so.
16 Da machte Gott die zwei großen Lichter - das größere Licht zur Beherrschung des Tages und das kleinere Licht zur Beherrschung der Nacht - und die Sterne.
17 Da gab Gott sie auf die Himmelsfeste, um auf die Erde zu leuchten
18 und zu herrschen über den Tag und über die Nacht und um zu trennen zwischem dem Licht und der Finsternis. Da sah Gott, dass es gut war.
19 Da wurde es Abend, da wurde es Morgen: der vierte Tag.
Gott schafft die Himmelskörper, Sonne, Mond (die nicht genannt, nur umschrieben werden) und Sterne. Während diese besonders im mesopotamischen Raum als Gottheiten verehrt wurden, sind sie in der Bibel nur von Gott geschaffene „Lichter“, die zwei Funktionen haben: sie spenden Licht (V. 15 und 17) und sie strukturieren die Zeit in Tage, Monate, Jahre (V. 14). Sie repräsentieren nichts, spiegeln nichts wieder, beeinflussen nichts: Astrologie wird hier gegenstandslos gemacht.
Die Scheidung von Licht und Finsternis (V. 18) ist eigentlich bereits am ersten Tag (V. 3-5) erfolgt. Doch ist dort die Erschaffung des Lichtes prinzipieller Natur, während hier „Leuchtkörper“ erschaffen werden.
20 Da sprach Gott: Es wimmle das Wasser von Gewürm, von lebendigen Wesen, und Vögel sollen umherfliegen über die Erde an der Himmelsfeste!
21 Da erschuf Gott die großen Meerestiere und alle kriechenden Lebewesen, von denen das Wasser wimmelt, nach ihrer Art, alle geflügelten Vögel nach ihrer Art. Da sah Gott, dass es gut war.
22 Da segnete Gott sie, indem er sprach: Seid fruchtbar und vermehrt euch und füllt das Wasser in den Meeren, und die Vögel sollen sich vermehren auf der Erde!
23 Da wurde es Abend, da wurde es Morgen: der fünfte Tag.
Nun beginnt Gott den Lebensraum Erde mit Tieren zu Füllen: zunächst das Wasser und die Luft. Auch die großen, furchterregenden Tiere des Meeres (die die meisten Orientalen ja nur vom Hörensagen kannten) - Luther übersetzt mit „Walfische“ - hat Gott geschaffen. „Alles, was da lebt und webt“ (so Schlachters Übersetzung in V. 21), ist Gottes Schöpfung. Auch die Artenvielfalt ist von Gott so gewollt.
Die Fähigkeit zur Fortpflanzung ist zugleich Gottes Segnung und Auftrag.
24 Da sprach Gott: Die Erde lasse hervorgehen Lebewesen nach ihrer Art, Vieh und Gewürm und Landtiere nach ihrer Art! Da geschah es so.
25 Da machte Gott die Landtiere nach ihrer Art und das Vieh nach seiner Art und alle Kriechtiere des Erdbodens nach ihrer Art. Da sah Gott, dass es gut war.
Nach Wasser und Luft bevölkert Gott jetzt den Erdboden mit Tieren. Eigenartig ist, dass hier dieselbe Wendung wie bei den Pflanzen V. 12 gebraucht wird, dass nämlich die Erde die Tiere hervorbringt. Steckt dahinter die Vorstellung von einer Spontanzeugung, wie man sie in der Antike für Fliegen, Bienen usw. annahm? (Z.B. Ov.met. 1,416-440.)
26 Da sprach Gott: Machen wir Menschen (Adam) nach unserem Bild wie ein Abbild von uns! Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde und über alle Kriechtiere, die auf der Erde kriechen.
27 Da erschuf Gott den Menschen (Adam) nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes erschuf er ihn, männlich und weiblich erschuf er sie.
28 Da segnete Gott sie. Da sagte Gott zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch und füllt die Erde und unterwerft sie und herrscht über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!
Zuletzt erschafft Gott den Menschen. Er soll über die Erde herrschen. Man hat dieser Stelle oft den Vorwurf gemacht, dass sie die ideologische Rechtfertigung für rücksichtslose Ausbeutung und Umweltzerstörung liefere. Dagegen wurde eingewendet, dass Herrschen nicht Zerstören bedeute, sondern Bewahren, Schützen, für Wohlergehen Sorgen. Wie jeder Herrscher nach atl. Sicht in der Verantwortung vor Gott stehe, so auch der Mensch hinsichtlich seiner Herrschaft über die Erde. Doch ist beides zu modern gedacht. Der Text ist in einer Zeit entstanden, als Natur noch nicht als schön oder fragil und bedroht gesehen wurde, sondern als bedrohlich und nicht selten lebensfeindlich (s.a. Macht euch die Erde untertan). Diese Stelle ist sicher kein Freibrief zur gedankenlosen Zerstörung der Erde. Aber der Mensch darf und soll sich ihrer bemeistern. Er soll den Ackerboden bearbeiten, Bewässerungskanäle bauen, Tiere domestizieren, Häuser errichten, das Meer befahren usw. (Das Problem der Übernutzung von Resourcen war damals noch außerhalb des Denkmöglichen.) Es gibt keine Tabus, keine heiligen Kühe, keine unbetretbaren Berge, keine unantastbaren Bäume. Der „Bruder Baum“ oder die „Mutter Erde“ sind keine biblischen Konzepte.
Die Gottebenbildlichkeit des Menschen besteht wohl darin, dass der Mensch in unvergleichlicher Weise zur Kommunikation fähig ist. Als einziges Lebewesen kann der Mensch auf Gottes Anrede antworten. „So wie das Bild eines Gottes oder auch Herrschers den Abgebildeten vertritt, so steht der Mensch als Gottes »Stellvertreter« inmitten der Schöpfung.“ (Stuttg. Erkl.bibel) Die anthropomorphe Redeweise der Bibel über Gott hat ihre Berechtigung darin, dass der Mensch theomorph ist. Nicht der Mann allein ist Gottes Ebenbild, sondern Mann und Frau zusammen.
29 Da sagte Gott: Siehe, ich gebe euch alles Kraut, das Samen hervorbringt, das auf der ganzen Erdoberfläche ist, und alle Bäume, auf denen die Frucht des Baumes ist, die Samen hervorbringt – euch soll sie als Speise dienen –
30 aber allen Landtieren und allen Vögeln des Himmels und allem Gewürm auf der Erde, in dem Lebenshauch ist, [gebe ich] alles grüne Kraut als Speise. Da geschah es so.
31 Da sah Gott alles, was er gemacht hatte, und siehe: [es war] sehr gut.
Da wurde es Abend, da wurde es Morgen: der sechste Tag.
Diese Passage wird gern so interpretiert, dass Gott den Menschen ursprünglich als Vegetarier gewollt hat. Erst nach der Sintflut hat Gott dem Menschen erlaubt, auch Tiere zu essen (Gen 9,2f) – als Zugeständnis an seine gefallene Natur. Der ursprüngliche Schöpfungszustand wäre dann ein paradiesischer, in dem es noch kein Töten um der Nahrung willen gab.
2 1 Da wurden der Himmel und die Erde und ihr ganzes Heer vollendet.
2 Da vollendete Gott am siebenten Tag sein Werk, das er gemacht hatte. Da ruhte er am siebenten Tag von all seinem Werk, das er gemacht hatte.
3 Da segnete Gott den siebenten Tag. Da heiligte er ihn, denn an ihm ruhte er von all seinem Werk, das Gott erschaffen hatte, um es zu machen.
Mit der Erschaffung des Menschen ist die Schöpfung fertig, abgeschlossen, vollendet. Es gibt keine creatio continua, die Schöpfung geht nicht weiter. Indem Gott am siebenten Tag ruht, wird das Ruhen am siebenten Tag (der Sabbat) mit der Schöpfungsordnung begründet.
4a Dies ist die Entstehung des Himmels und der Erde, als sie erschaffen wurden.
Nach J. P. Wiseman ist dies ein Kolophon, d.h. ein überschriftenartiger Schluß, der der Tradition des Schreibens auf Tontäfelchen entstammt. Andere solche Kolophone in der Gen sind: 5,1; 6,9; 10,1; 11,10; 11,27; 25,12; 25,19; 36,1; 36,9; 37,2.
Ziel der Naturwissenschaft ist es, die sichtbare Welt mit immanenten (d.h. dieser Welt innewohnenden) Kräften und Gesetzen zu erklären. Damit wird Gott a priori als Erklärungshypothese ausgeschlossen. Sie hat dieses Prinzip auch auf die Kosmogonie angewendet. Das führte zu Theorien wie Urknall und Evolution. Diese Theorien haben einige eklatante Schwächen (s.u.), aber innerhalb der selbstgewählten Prinzipien gibt es derzeit keine brauchbaren Alternativen.
Die Naturwissenschaft kann keine Aussagen zu Gott oder Schöpfung machen. In dem Augenblick, in dem sie es doch tut - etwa indem sie den Schöpfungsglauben als unwissenschaftlichen Humbug abtut oder den Menschen als bloßes Säugetier bezeichnet - überschreitet sie ihre Kompetenzen und wird ideologisch und damit unwissenschaftlich. Auch die Versuche gläubiger Naturwissenschaftler (z.B. Teilhard de Chardin), eine zielgerichtete, von Gott getriebene Evolution plausibel zu machen, sind eine wissenschaftliche Kompetenzüberschreitung. Natürlich darf auch ein Naturwissenschaftler eine Weltanschauung haben. Aber diese ist nicht „wissenschaftlicher“ als die Weltanschauung eines Tischlers.
Der Schöpfungsbericht ist primär ein Glaubensbekenntnis, das aber m.E. in den Begrenzungen des damaligen Wissens über die Welt bleibt. Ich kann nicht erkennen, dass der Autor ein Wissen über die Natur hatte, das nur geoffenbart sein kann. Die Offenbarung besteht vielmehr darin, dass es dem Menschen etwas zusagt, was er sich nicht selbst sagen kann: wir sind nicht Sternenstaub, wir sind Gottes Abbild. Dies bildet ein heilvolles Gegengewicht zur Wissenschaft, die dazu tendiert, den Menschen auf seine Biologie zu reduzieren. Der Schöpfungsbericht kann und will uns nicht sagen, wie die Welt im Detail entstanden ist.
Wegen der großen Bedeutung, die die Naturwissenschaft in den letzten Jahrzehnten erlangt hat, müssen sich auch Schöpfungsgläubige mit ihren Theorien zur Weltentstehung auseinandersetzen. Einige versuchen dabei, den Schöpfungsbericht mit der Naturwissenschaft zu harmonisieren, d.h. sie lesen aus ihm genau das heraus, was die Naturwissenschaft als Hypothese formuliert hat. Wie schon weiter oben gesagt, stößt man dabei allerdings schnell an Grenzen. Im übrigen scheint mir das den Intentionen des Textes zu widersprechen.
Andere lehnen Urknall und Evolution ab, weil sie im Widerspruch zum geoffenbarten Wort Gottes stehen. Zwar ist für einen Christen ein Gott, der das Leben dadurch erschafft, dass sich in einem Jahrmillionen währenden Prozess der Stärkere durchsetzt, schwer verdaulich und inkongruent zu dem, der das geknickte Rohr nicht zerbricht und den glimmenden Docht nicht auslöscht (Jes 42,3). Aber die Frage nach der Stichhaltigkeit der Evolutionstheorie kann nicht auf dem Gebiet der theologischen Diskussion beantwortet werden, sondern nur auf dem Gebiet der Naturwissenschaft. Die Geschichte des Streites der Kirche mit Galileo Galilei sollte uns daran gemahnen, naturwissenschaftliche Fragestellungen nicht von der Bibel her beantworten zu wollen. Das kann nur ins Auge gehen.
Etliche Gläubige bemühen sich natürlich, auch diese Diskussion auf dem Gebiet der Naturwissenschaft zu führen. Kreationismus und Intelligent Design versuchen, die Schwächen der gängigen naturwissenschaftlichen Theorien aufzuzeigen und die Schöpfungslehre mit naturwissenschaftlicher Argumentation plausibel zu machen. Doch wird dies von den maßgeblichen Wissenschaftlern als unwissenschaftlich abgeleht, weil es ja gegen den herrschenden Wissenschaftsbegriff und das Prinzip, die Welt ohne Gott zu erklären, verstößt. Außerdem ist Plausibilität eine subjektive Kategorie.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob dieser Wissenschaftsbegriff der Fragestellung der Kosmogonie angemessen ist oder ob er nicht den Denkhorizont über Gebühr einengt. Geht es doch hier nicht um Naturgesetze, die im Experiment jederzeit wiederholbar nachgewiesen werden können. Es geht um ein einmaliges unwiederholbares Ereignis der Vergangenheit. Gesetzt den Fall, das Universum ist nicht vor 14 Mia Jahren entstanden, sondern wurde vor ein paar Jahr(zehn)tausenden von Gott (auf welche Weise auch immer) geschaffen - wie könnte das die Naturwissenschaft erkennen? Sie ist dazu verdammt, in alle Ewigkeit Erklärungshypothesen zu produzieren, die immer genau das a priori ausschließen. Ich schlage daher stattdessen das Prinzip der intellektuellen Redlichkeit vor.
Hier ein paar Highlights zum Thema Schwachpunkte wissenschaftlicher Entstehungstheorien.
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 25. Juni 2024