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Seltsame Wörter
Seltsame Wörter
- balbieren
- Über den Löffel balbieren bedeutet „übers Ohr hauen, hereinlegen,
betrügen“. Balbieren ist eine mundartl. Variante zu barbieren
„rasieren“, abgeleitet von Barbier, dieses über it. barbiere
und frz. barbier aus mlat. barbarius (alle bedeuten
„Bartscherer, Friseur“) zu lat. barba „Bart“. Die Redensart kommt
angeblich daher, dass Barbiere alten Männern mit eingefallenen Wangen einen
Löffel in den Mund steckten und nach außen drückten, um so leichter rasieren
zu können (so beschrieben z.B. auf
Etymologie.info).
Diese unfeine und rücksichtslose Behandlung erfuhr dann eine Bedeutungsverschiebung
und wurde zum Sinnbild für Betrug.
- Tapet
- Aufs Tapet bringen bedeutet „zur Sprache bringen“. Das
Tapet „Teppich, Tischdecke (insbes. des Konferenztisches)“ ist ein
lat. Fremdwort (tapetum „Teppich, Decke“ < griech. τάπης, -ητος
dass., wohl iran. Fremdwort). Die Redewendung ist Lehnübersetzung des frz.
mettre sur le tapis.
- einbleuen, einbläuen
- Einbleuen bedeutet „einhämmern, eintrichtern, unter Prügel
beibringen“. Die neue Schreibung einbläuen ist Angleichung an die
Volksetymologie, die dieses Wort mit blau (vgl. mit einem blauen
Auge davonkommen, jmd. grün und blau schlagen) in Verbindung bringt.
Tatsächl. liegt zugrunde ein germ. Verb, mhd. bliuwen
(MWB),
got. bliggwan „schlagen, prügeln“
(Mk 5,5;
10,34
et passim). Davon abgeleitet ist auch Pleuel „Kolbenstange“.
- Quentchen, Quäntchen
- Ein Quentchen (älter Quentlein) ist „eine geringe Menge,
ein bisschen“. Es ist Dim. von Quent, mhd. quintîn
(MVW), einer
alten Gewichtseinheit, näml. ein Viertel (ursprl. wohl ein Fünftel) Lot
(ein Lot wog um die 16 g). Es ist entlehnt aus mlat. *quintinus,
zu lat. quintus „fünfter“. Die neue Schreibung Quäntchen
schließt es volksetymolog. an lat. quantum an, mit dem es aber
nichts zu tun hat. Hingegen ist es verwandt mit der Quint(e)
(Intervall von fünf Tonstufen) und dem Quintett (Musikgruppe von
fünf Musikern oder ein Musikstück für eine solche Gruppe).
- Scherflein
- Sein Scherflein beitragen heißt soviel wie „einen kleinen
finanziellen Beitrag leisten“. Der Scherf war eine kleine, seit
dem 12. Jh. bezeugte Scheidemünze (s. Kurze
Geschichte des Münzgeldes). Der Etymologie-Duden stellt es zu mhd.
scharben (MWV),
ahd. scarbôn „(in kleine Stücke) schneiden“ (daher kommt auch die
Scherbe). Vermutl. bezeichnet das Wort ursprl. eine Münze mit
eingeschnittenem oder gezacktem Rand. Hierher gehört viell. auch
verscherbeln „billig verkaufen“ (um ein paar Scherf).
- Inhaltlich verwandt ist die Redewendung, einen Obolus entrichten.
Obolus (Betonung auf dem ersten o) ist der lat. Name der athen.
Scheidemünze ὀβολός, einer lautl. Variante zu ὀβελός „Bratspieß“ (der
Obolos war also ursprl. wohl ein Metallstift).
- Kabale
- Schillers bürgerliches Trauerspiel Kabale und Liebe steht
vermutl. als Reclam-Ausgabe in Tausenden Haushalten, als Reminiszenz an
selige Gymnasiastentage. Kabale bedeutet „Intrige, Ränkespiel“, es
kommt vom frz. cabale „Intrige, Clique“, es bedeutet ursprl.
„Kabbala“, die mystische Strömung des mittelalterl. Judentums (hebr.
קַבָּלָה qabbalâ „Aufnahme, Empfang“, s.
Judentum), die von Außenstehenden als
esoterische Geheimlehre empfunden wurde.
- bass
- Bass bedeutet „sehr“ (bass erstaunt sein), fürbass
„vorwärts, weiter“ (fürbass schreiten). Bass ist Adv. zum
komparativischen Adj. besser (dieses umgelautet, jenes nicht).
- Hechtsuppe
- Wenn es wie Hechtsuppe zieht, ist meist von starker Zugluft in
Räumen die Rede. Die Herkunft der Redewendung ist unklar. Gegen die häufig
genannte (z.B. bei
Duden und
Wiktionary)
Verballhornung des jidd. hech soppa/supha (hebr. הֵיךְ
hêḵ „wie?“, סוּפָה sûp̱a „Sturm“) spricht, dass
hech ein Fragewort ist und die Wendung im Jidd. anscheinend nicht
belegt ist. Viell. bezeichnet ziehen ursprl. nicht Zugluft, sondern
einen schneidenden Schmerz, wie ihn eine mit Pfeffer und Kren (Meerrettich)
scharf gewürzte preußische Fischsuppe verursachte (so z.B. der Blog
Stephans Leuchtfeuer
oder redensarten.net).
(Ob man aus einem hochwertigen Fisch wie dem Hecht tatsächlich Suppe machte,
sei dahingestellt.)
- Bockshorn
- Wenn man sich nicht ins Bockshorn jagen lässt, bedeutet dies,
dass man sich nicht verwirren, verunsichern, einschüchtern, aufs Glatteis
führen lässt. Die Wendung mit jagen ist spätestens seit Luther
geläufig, sie kommt aber auch mit treiben, stoßen, zwingen vor,
auch ins Bockshorn kriechen ist belegt (Belegstellen bei
DWB s.v.
Bockshorn). Was ist ein Bockshorn?
- Das Horn eines Bocks, d.i. wohl das Horn des Teufels. Die Wendung würde
dann etwa bedeuten: dem Teufel in die Arme (oder eben aufs Horn) treiben.
Das schlägt schon das Grimmsche DWB vor.
- Die Schote des Johannesbrotbaums, die aber anders, als es der
Wikipedia-Art.
Bockshorn (Redensart) behauptet, keinen sehr unangenehmen
Geruch hat. Viell. liegt hier Verwechslung mit dem Bockshornklee vor.
- Bockshornklee, der einen bockzenden Geruch haben soll.
- Der Bockshame (mhd. ham(e) „Haut, Hülle, Kleid“,
s. MWV s.v. ham),
d.i. das Ziegenfell, in das der Delinquent beim Haberfeldtreiben (Rügegericht in
Bayern und Tirol) gesteckt wurde. Das ist der Erklärungsvorschlag des
Etymologie-Dudens (s.a. Duden
s.v. Bockshorn).
- Font
- Das engl. Wort bedeutet „Schriftart“ und ist im Computer-Techsprech auch
im Dt. geläufig („einen Font installieren“). Das seit dem 17. Jh. bezeugte
engl. fount, font bedeutet „Schriftsatz“ aus gegossenen Bleilettern.
Es kommt von frz. fonte, nach dem Online
Etymology Dictionary soll es sich dabei um das substantivierte Part.
Perf. Fem. von fondre „schmelzen, (Metall) gießen“ handeln. (Das
lautet heute aber fondue und bezeichnet bekanntlich ein Gericht aus
geschmolzenem Käse, bei dem man sein Brotstückchen nicht verlieren sollte.)
Vielleicht ist aber das frz. la fonte „Schmelze(n), Guss“ gemeint,
das auf splat. *fundita, Fem. des PPP *funditus von lat.
fundere „(aus-, ver-)gießen, schmelzen“, zurückgeht (klass. lautet
das PPP fūsus).
- Die Fontäne („mächtiger (aufsteigender) Wasserstrahl“,
inbes. eines Springbrunnens) kommt hingegen von frz. la fontaine
„Quelle; Springbrunnen“ (so auch engl. fountain ds.), dies von vlat.
fontāna (aqua) „Quellwasser, Quelle“, Fem. zu fontānus
„Quell-“, Adj. zu fōns, fontis m. „Quelle“ (auch im übertragenen
Sinn: „Ursprung, Ursache“). Man beachte, dass das engl. und frz. Wort auch
die Quelle bedeuten können. So bezeichnet Lawrence Durrell (in Sicilian
Carousel) die Quelle der Arethusa in Syrakus als fountain of
Arethusa. Diese Quelle ist aber keine Fontäne!
- Hals- und Beinbruch
- Das sagt man, um viel Glück zu wünschen. Es ist vermutl. eine
Verballhornung des Jidd. הצלחה און ברכה (etwa
ausgesprochen als hatsloche un broche), d.i. hebr.
הַצְלָחָה וּבְרָכָה haṣlāḥâ û-ḇrāḵâ „Erfolg und
Segen“ (das erste Wort erst im 11. Jh. belegt, das letztere bereits im AT).
Diese dt. Redewendung war wohl die Quelle des Engl. break a leg
„brich dir ein Bein“ (ebenfalls im Sinne von viel Glück), das dort
aber hauptsächlich unter Bühnenkünstlern gebräuchlich ist. (Denn sich Glück
zu wünschen bringt, so meint man, Unglück.) Die Wendung toi, toi, toi
beruht ebenfalls auf einem Aberglauben: sie ist vermutl. die lautmalerische
Nachahmung dreimaligen Ausspuckens, das nach altem Volksglauben Unheil
abwehren soll (ebenso wie etwa das Klopfen auf Holz).
- Sommelier [sɔməlje] „Weinkellner“
- Ein frz. Wort dessen Bedeutungsgeschichte nach
CNRTL s.v. sommelier
und s.v. sommier1
folgendermaßen verlaufen ist:
gr. σάγμα ságma „Packsattel“ (vom Verbum
σάττω sáttō „vollstopfen, bepacken“)
> lat. sagma ds.,
davon das Adj. lat. sagmārius „zum Packsattel gehörig“, subst.
„Packpferd“
> frz. sommier „Packpferd, Lasttier“,
davon frz. sommelier (dissimiliert aus *sommerier) „Säumer,
Führer der Packpferde“, dann „Aufseher über das Gepäck bei Reisen des Hofes“;
meine persönliche Vermutung: bei solchen Reisen wurde auch mancher edle
Tropfen mitgeführt, daher die Bedeutungsentwicklung zu „Verantwortlicher für
die Tafel, Mundschenk“ und zuletzt „der sich um die Ausgaben für Wein in
einem Haushalt kümmert“.
Auch dt. Saum in der Bedeutung „Last“ (in Ableitungen und
Zusammensetzungen wie Säumer, Saumtier, Saumpfad) und frz.
somme ds. in bête de somme „Last-, Packtier“ kommen von
mlat. sauma < lat. sagma.
- Pogrom
- Ein russ. Wort, das weder bei Vasmer noch bei Derksen zu finden ist und
für das auch Kluge/ Seebold über den Hinweis auf die russ. Herkunft hinaus
keine Erklärung gibt. Am besten die Erklärung beim
Online Etymology Dictionary,
s.v. pogrom. Ein Pogrom ist staatlich organisierte oder zumindest
geduldete Randale gegen bestimmte Gruppen, meist ethnische Minderheiten,
insbes. Juden.
Russ. погро́м pogróm „Verwüstung, Krawall, Pogrom“ ist zusammengesetzt
aus:
- по po Präp. „durch, über; bis, nach; in, auf“
vgl. aks. po „hinter, nach“,
nach Derksen von idg. *apo wie in gr. ἀπό
apó „von… weg“,
nach Walde/Hofmann hingegen von idg. *pos wie in lat. post
(< *pos-ti) „nach“
- гром „Donner, Gewitter“ (Vasmer, Bd. 1, S. 310)
vgl. aks. gromЪ,
tschech. hrom „Donner, Blitzschlag“,
serbokroat. grom „Donner“,
poln. grom „Donner, Blitz“; zugrunde liegt
idg. *ghrem-/*ghrom-, vgl.
gr. χρόμος, χρόμαδος „Knirschen, Wiehern“ (zum Vb.
χρεμε-τίζω „wiehern“),
avest. granta- „ergrimmt“ (Pt. zu gram- „ergrimmen“)
(Bartholomae, Sp. 529),
got. gramjam „erzürnen“ (Streitberg, S. 50),
ahd. grim „wild, grausam“, ahd. gram „erzürnt“
Das Präfix hat hier wohl verstärkende, vielleicht auch pejorative Bedeutung.
Alte Wörterbücher haben:
- Schmidt, J. A. E.: Vollständiges Russ.-Dt. und
Dt.-Russ. Wörterbuch […].– 2. Ausg. Leipzig: Tauchnitz, [1844?]. T. 1,
S. 296b
- „Погро́мъ, (vu.) Verwüstung, Verheerung, f.“
- Lenstroem, N.: Russ.-dt. und dt.-russ. Wörterbuch.–
Neue Ausg. Sondershausen: Eupel, [1871?]. T. 1,
S. 404b
- „Погро́мъ, Zertrümmerung, Verheerung, f.“
- Pawlowsky, Iwan: Russ.-Dt. Wörterbuch.– 3. Aufl.
Riga: Kymmel, 1911.
S. 1083b
- „Погро́|мъ s. m. 1, die Verheerung, -wüstung, Zertrümmerung;
2, das Ungewitter, Donnerwetter, die Hechelei;“
(Hechelei? wirklich?)
Durch die antijüdischen Pogrome im zaristischen Russland seit 1881, vor allem
auf dem Gebiet der heutigen Ukraine, wurde der Begriff auch in Westeuropa
bekannt und bald im Sinne organisierter gewalttätiger, hauptsächlich
antijüdischer Ausschreitungen gebraucht.