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Zarathustra


„Also sprach Zarathustra“ ist der Titel eines Werkes von Friedrich Nietzsche. (Und danach auch einer sattsam bekannten sinfonischen Dichtung von Richard Strauss). Es hat mit dem historischen Zarathustra so viel zu tun wie der Jesus der gnostischen Evangelien (z.B. Judasevangelium) mit dem historischen Jesus von Nazareth – also nicht allzuviel. Allerdings wissen wir von Zarathustra im Vergleich zu Jesus auch so gut wie nichts. Wer war dieser Zarathustra? Und was für eine Religion, von der immer wieder behauptet wird, das Judentum habe einen Gutteil seiner Überzeugungen von ihr übernommen, hat er begründet? Die Forschungsliteratur zu diesem Thema ist für mich als Laien unüberschaubar. Ich habe hier lediglich einige Informationshappen zusammengetragen.

Wer sich mit der von Zarathustra begründeten Religion, dem Zoroastrismus oder auch Parsismus, beschäftigt, wird von einer Unzahl an Begriffen und Namen aus dem Avestischen und dem Mittelpersischen erschlagen. Mir geht es nicht zuletzt darum, diese Begriffe zu verstehen, daher biete ich eine große Zahl an Übersetzungen und Etymologien von Wörtern. Das erhöht nicht unbedingt die Lesbarkeit dieser Seite. Dafür bitte ich um Nachsicht.

Iranische Sprachen

Zarathustras Sprache war sicherlich eine iranische Sprache. Die iranischen Sprachen bilden zusammen mit den indoarischen Sprachen (wie Sanskrit, Hindi, Gujarati) den indoiranischen Zweig der großen indogerman. Sprachenfamilie. Die iran. Sprachen werden geographisch in vier große Gruppen unterteilt, zeitlich werden drei Phasen unterschieden: alt- bis zum 4./3. Jh. v.Chr., mittel- bis zur Islamisierung im 8./9 Jh. n.Chr., danach neu-. Die folgende Tabelle nennt jeweils einige „typische“ Vertreter:

Nordwestiran. Südwestiran. Nordostiran. Südostiran.
Altiran. Medisch Altpersisch Avestisch, Skythisch
Mitteliran. Parthisch Mittelpersisch (Pahlavi) Sogdisch, Baktrisch, Choresmisch, Altossetisch
Neuiran. Kurdisch Neupersisch (Farsi) Ossetisch Paschtunisch

Diese Tabelle beruht hauptsächlich auf dem Wikipedia-Art. Iranische Sprachen.

Die persischen Reiche

Das Apers. (Altpersische) war die Hofsprache der Achaimeniden, d.h. der persischen Könige von Kyros über Kambyses, Dareios, Xerxes bis herunter auf Dareios III. Kodomannos. Sie wurde in Keilschrift geschrieben. Als Verwaltungssprache verwendeten die Achaimeniden allerdings zunächst das Elamische, dann das Aramäische.

Alexander der Große eroberte das Perserreich. Nach seinem Tod wurde es zunächst Teil des Seleukidenreiches. Doch konnte sich Persien ab der Mitte des 3. Jh. zunächst vorübergehend, seit 170 v.Chr. dann auf Dauer aus dem Seleukidenreich lösen, es entstand das parthische Reich der Arsakiden. Verwaltungssprache war das Parth. (daneben zumindest anfangs wohl auch noch das Griech.). In dieser Zeit entwickelte sich aus dem Apers. das Mpers. (Mittelpersische) oder Pahlavi (auch Pehlevi genannt, zu apers. parθava- „parthisch, Parthien“ [Barth. Sp. 869]).

224 n.Chr. wurde der letzte parthische Herrscher getötet, es entstand das persische Reich der Sassaniden. Als Amtssprache diente Mpers., das mit einer von der aram. Kursive abgeleiteten Schrift, der sog. Pahlavi-Schrift, geschrieben wurde. (Diese gibt die tatsächliche Lautung nur näherungsweise wieder und verwendet viele Aramäogramme, d.h. z.B. für nān „Brot“ schrieb man lḥmʾ, d.i. aram. laḥmā ds. [bei MacK. in Großbuchstaben: LHMA]).

Die Manichäer (Anhänger einer in den ersten Jahrzehnten des Sassanidenreichs entstandenen Religion) schrieben ihre mpers., parth., sogd., baktr. und sogar uigur. Texte in manichäischer Schrift, die zwar ebenfalls von der aram. Schrift hergeleitet ist, jedoch eine viel weniger konservative Orthographie verwendet und keine Aramäogramme hat.

Seit dem Ende 620er Jahre begann sich das Sassanidenreich durch innere Wirren und dann auch durch den militärischen Druck der Araber aufzulösen. Es begann die Islamisierung Persiens. Dies führte aber nicht zu einer Arabisierung Persiens. Vielmehr entwickelte sich das Npers. (Neupersische, auf pers. فارسی Fārsī genannt), in dem etliche bedeutende Dichter wie Firdausi, Rumi, Hafis schrieben und das eine Zeitlang Verkehrssprache im Orient war. Nur bei der Schrift übernahm man die arab.

Die zoroastrischen Texte

Über ein Jahrtausend lang haben die Zoroastrier ihre heiligen Texte fast nur mündlich weitergegeben. Es dürfte wenige schriftliche Aufzeichnungen gegeben haben. Zwei Faktoren haben dann wohl zu einer Verschriftlichung beigetragen: einerseits der Umstand, dass die altertümlichen Texte immer schwerer verständlich wurden und nach Erklärung heischten. Andererseits vielleicht (so Nyberg) der Wunsch, sich den Muslimen gegenüber mit einer heiligen Schrift als ahl al-kitāb „Leute des Buches“ ausweisen zu können.

Diese heiligen Schriften werden heute zusammenfassend als Avesta bezeichnet, dieses Wort kommt von Pahl. abestāg (ʾp̄(y)stʾk) „Avesta“ (MacK. S. 3), vielleicht < *upa.stavaka „Lobgesang“, zu avest. stav- „preisen, loben, besingen“ (Barth. Sp. 1593ff). Nach Nyberg bedeutet das Wort „Grundlage, Basis“ (S. 2, ohne Erklärung). Die sprachlich ältesten Teile sind in avest. Sprache geschrieben. (Diese steht zeitlich auf derselben Stufe wie das Apers., aber erstere ist nordostiranisch, letztere südwestiranisch) Das Altavest. ist die Sprache vor allem der sog. Gathas, deshalb spricht man auch vom Gathisch-Avest. Das Jungavest. ist die Sprache, in der der größte Teil des Avesta geschrieben ist. Als Schrift verwendete man die avestische Schrift, die aus der Pahlavi-Schrift entstanden ist, die aber im Gegensatz zu dieser auch die Vokale wiedergibt (was für eine korrekte Rezitation notwendig ist).

Ein Teil der avest. Texte ist zusammen mit Übersetzung und Kommentaren in Pahl. überliefert. Wegen dem darin oft vorkommenden Begriff Pahl. zand (znd) „Kommentar, Erklärung“ (MacK. S. 98) sprach man daher in der Forschung eine Zeitlang vom Zend-Avesta.

Die beiden relevanten Sprachen sind hier Avest. und Pahl. Ich verweise dabei auf die folgenden Wörterbücher (und gebe die Seitenzahlen, weil insbes. bei Bartholomae das Auffinden der Lemmata eine Wissenschaft für sich ist):

Zarathustra

Name

Wir wissen nicht, woher Zarathustra stammt, noch wann er gelebt hat. Der Name Zarathustra (avest. zaraθuštra- [Barth. Sp. 1670ff]) bedeutet offenbar „dessen Kamele alt sind“ (avest. uštra- „Kamel“ [Barth. Sp. 420f]; und avest. *zarant- „alt“, vgl. gr. γεροντ- geront- „Greis“). (Doch ergibt das semantisch keinen Sinn, weshalb Nyberg sagt, dass zaraθ- hier eine positive Eigenschaft bezeichnen muss. Weitere Etymologien für das Vorderglied bei Schmitt.) Die Griechen nannten ihn Ζωροάστρης Zōroástrēs, z.B. Diog. Laert. 1,2 (in Plut. Is. et Os. 46 [mor. 369 D-E] haben die Hss. Ζωρόαστρις Zōróastris). Vermutlich ist auch Ζαθραύστης Zathraústēs, der Gesetzgeber der Arianoí bei Diod. 1,94,2, derselbe. Auch lat. heißt er Zoroastres, z.B. bei Plin. nat. 30,3-4. Von daher wird er im Dt. auch Zoroaster genannt, die Religion, die er begründet hat, Zoroastrismus. Auf Pahl. heißt er zardušt (zltwšt) oder zarduxšt (zltwhšt) (MacK. S. 98), auf Neupers. زَرْدُشْتْ zardušt oder زَرْتُشْتْ zartušt.

Natürlich fehlte es nicht an Forschern, die Zarathustra für eine fiktive Gestalt halten. Aber wie beim Bestreiten der Historizität Jesu oder Mohammeds muss man dann erklären, wie die Religion, die auf den fiktiven Religionsstifter zurückgeführt wird, entstanden ist, und wie der Name und die Traditionen über ihn. Und diese Erklärungen bedienen sich in der Regel auch irgendwelcher Fiktionen und bestehen den Test durch Ockhams Rasiermesser nicht.

Zeit und Ort

Der Westen des Iran war immer nahe am politischen Geschehen in Mesopotamien und seiner Kultur; Assyrer und Babylonier griffen gern in den Westiran aus. Dann kam die Herrschaft der Meder, das Reich der Achaimeniden. Im Westen waren die urbanen Zentren wie Ekbatana, Susa, Persepolis. Nichts davon ist in den Texten des Avesta zu erkennen. Zarathustra wird daher im ruralen Osten der iranischen Welt (Greater Iran) verortet. Und zwar bevor Kyros II. (reg. ca. 559-530 v.Chr.) sein Reich bis an die Grenzen Indiens und Chinas ausgedehnt hatte. Umgekehrt enthalten die Texte der Achaimeniden keinen Hinweis auf Zarathustra. Es ist daher nicht 100%ig sicher, ob die Perserkönige bereits Zoroastrier waren oder nur Mazdayasnier, d.h. Verehrer des Ahura Mazda (avest. mazda-yasna- „der den Mazdāh verehrt, Anhänger der Mazdāh-Religion“ [Barth. Sp. 1160f]).

Die Behauptung, Zoroaster habe 5000 Jahre vor dem Trojanischen Krieg (Plut.) oder 6000 Jahre vor Platons Tod gelebt (Plin.), ist natürlich nicht historisch zu verstehen. Die Zahl 6000 ist mythisch und stammt laut Nyberg aus der Weltalterlehre der sassanidischen Theologie (s. den Anfang des Kap. 34 des Bundahišn). Die Zoroastrian Religious Era beginnt ihre Zeitrechnung mit 1738 v.Chr., dem Jahr, in welchem Zarathustra entweder geboren wurde oder seine Vision hatte. Aber auch eine Datierung in die mittlere Bronzezeit halte ich für sehr unwahrscheinlich.

Der pers. Gelehrte al-Bīrūnī schreibt in seinem Geschichtswerk کتاب الآثار الباقية عن القرون الخالية Kitāb al-āṯār al-bāqiya ʿan al-qurūn al-ḫāliya „Buch der übriggebliebenen Spuren/Denkmäler von den vergangenen Jahrhunderten“? (das eine wichtige Quelle für den Zoroastrismus ist), zwischen Zarathustras Auftreten und dem Beginn der Ära Alexanders (damit ist nach Nyberg der Beginn der seleukid. Ära 312 v.Chr. gemeint) lägen 258 Jahre (وبين ظهورِه وأوّلِ تأريخ الاسكندر مائثان وثمانٍ وخمسون سنة). Dieselbe Zahl ergibt sich auch aus dem Großen Bundahišn 36,9, wenn man die Herrschaftsdauern von Vištaspas Bekehrung bis zu Alexander zusammenzählt. Damit kämen wir in die erste Hälfte des 6. Jh. v.Chr. Doch Nyberg hält auch diese Zahl für unhistorisch und bloß aus der Eschatologie erschlossen.

Der Fürst Vištaspa (apers. vištāspa-, avest. vī- [Barth. Sp. 1473f]), der Zarathustra gefördert hat, wurde verschiedentlich gleichgesetzt mit dem gleichnamigen Vater von Dareios I., den die Griechen Ὑστάσπης Hystáspēs nannten (Mitte 6. Jh. v.Chr.). Auch Ammianus Marcellinus nennt „Bactrianus Zoroastres“ und „Hystaspes rex“ in einem Atemzug, wobei bei ihm Hystaspes als späterer Lehrer der Magi erscheint (Amm. 23,6,32). Aber abgesehen vom Namen spricht nichts für diese Identifikation. Der zarathustrische Vištaspa ist nach Yt. 5,98 Naotaride (naotairya- „von Naotara stammend“ [Barth. Sp. 1037f]), nach Yt. 5,105 Sohn des Aurvat-aspa (avest. aurvat̰.aspa- „der schnelle Rosse hat“ [Barth. Sp. 200]), der Vater Dareios' hingegen ist nach dem Anfang der Behistun-Inschrift (DB § 1f) Achaimenide (apers. haxāmanišiya- „von Haxāmaniš abstammend“ [Barth. Sp. 1744]) und Sohn des Arsames (apers. aršāma- [Barth. Sp. 204]).

Wann hat er also gelebt? Boyce sagt: „[…] he himself cannot have lived later than 1000 B.C.“ (S. 3). Eine solche Datierung wird meist mit der vergleichbaren Altertümlichkeit von Gathas und Veden begründet. Doch damit kämen wir vermutlich in die Zeit vor der Einwanderung der Meder in den nordwestlichen Iran und vor der Wanderung der Perser aus dem Gebiet um den Urmiasee in die später nach ihnen benannte Persis. Wie plausibel ist das? Ich weiß es nicht. Ähnlich sagt Bartholomae: „[…] so werden wir Zarathuštras Tätigkeit auf mindestens rund 900 v. Chr. hinaufrücken müssen. Die Altertümlichkeit der Sprache, in der seine Verspredigten geschrieben sind, lassen ein noch wesentlich höheres Alter vermuten.“ (S. 11). Für Nyberg dagegen ist das einzig sichere Datum die Einführung des ägyptischen Kalenders in Persien, die er mit ca. 485 v.Chr. ansetzt (s.u.), als untere Grenze von Zarathustras Lebenszeit.

Was sonst an Details über Zarathustras Leben aus dem Avesta herausdestilliert wird, Abstammung aus der Familie Spitama, Frauen und Kinder, Konflikte mit feindlichen Fürsten (avest. kavay- m. [Barth. Sp. 442f]) und Priester oder Lehrer (avest. karapan- m. [Barth. Sp. 454f]), s. die Literatur.

Lehre

Zarathustra war der Überlieferung nach Priester (avest. zaotar- [Barth. Sp. 1651ff], Y. 33,6) des Ahura Mazda, dessen Verehrung wohl viel älter ist als Zarathustra. Mit 30 Jahren soll er eine Vision oder Erleuchtung gehabt haben, die ihn zu den Grundzügen des Zoroastrismus geführt habe:

Bemerkenswert ist Zarathustras Einsatz für das Rind, das zu seiner Zeit unter Gewalt leidet (Y. 29). Dahinter steht nach Bartholomae Zarathustras Ablehnung von orgiastischen Festen mit Tieropfern zu Ehren des Haoma (Y. 32,10.12.14). Ob Zarathustra das blutige Tieropfer ganz abgelehnt hat oder nur im Haomorausch begangene Exzesse, ist umstritten.

Das Avesta

Der erhaltene Bestand des Avesta besteht aus folgenden Teilen:

Die letzteren drei werden in Ausgaben oft zusammenfassend als Khordeh Avesta (d.i. npers. خرده‌ اَوِستا xorde awesta, Pahl. xwurdag abestāg „kleines Avesta“) bezeichnet.

Weitere für den Zoroastrismus konstitutive Texte sind die folgenden in Pahlavi abgefassten:

Die frei verfügbaren Texte entsprechen nicht mehr dem Stand der Wissenschaft.

Gott

Ohrmuzd und Ahriman


Zeichnung eines Farawahar (pers. فَرَوَهَر), des wichtigsten Symbols des Zoroastrismus. Man geht heute allgemein davon aus, dass es sich um die bildliche Darstellung einer Frawaschi (avest. fravašay- [Barth. Sp. 992], Pahl. frawahr, fraward [MacK. S. 33]) handelt, d.i. der präexistenten Seele bzw. des Schutzgeistes des Gläubigen, der über ihn wacht.– Quelle: Wikimedia.– Urheber: Kevin McCormick, 2007.– Lizenz: GFDL 1.2, CC BY-SA 3.0 Deed.– Bearbeitung: geringfügig beschnitten, verkleinert.

Oberster Gott ist Ahura Mazda „weiser Herr/Gott“, d.i.

Beide Wörter konnten jeweils für sich den obersten Gott bezeichnen, oft aber auch in Kombination, apers. ein Wort (nur der zweite Bestandteil flektiert) ahurahmazdāh- (Barth. Sp. 294f), Pahl. ōhrmazd (ʾwhrmẕd) (MacK. S. 61), gr. Ὠρομάσδης Ōromásdēs, Ὡρομάζης Hōromázēs o.ä.

In dieser Welt streiten zwei Prinzipien, zwei „Geister“, gegeneinander:

Das Prinzip des Guten, Spenta Mainyu „heiliger/heilbringender Geist“, d.i.

Sein Gegenspieler, das Prinzip des Bösen (quasi der Satan des Zoroastrismus), ist Angra Mainyu „feindlicher/böser Geist“, d.i. avest. angra-, aꬻra- „feindlich, Feind“ (Barth. Sp. 104f), vgl. apers. arika- „feindlich gesinnt“, avest. ąsta- „Hass, Feindschaft“ (aber Etymon bei Pokorny nicht gefunden); und avest. ma(i)nyav- „Geist“ (s.o. Spenta Mainyu).

Er heißt auf Pahl. ahreman (ʾhl(y)mn) (MacK. S. 7), npers. اهریمن ahrīman, gr. Ἀρειμάνιος, -μάνης Areimánios, -mánēs. Er ist auch Schöpfer der Daevas, avest. daēva- (s.o. bei Vendidad) „(vorzarathustr.) Gottheit, Götze, Dämon“ (Barth. Sp. 667ff) < idg. *déiu̯o-s „Gott, Himmlischer“ (Pokorny S. 185), vgl. aind. dēvá-ḥ, lat. deus „Gott“ und dīvus „göttlich“. (Während in der vedischen Religion die Devas die guten Götter sind und die Asuras die bösen Geister, ist es im Avesta genau umgekehrt.)

Die Ameša Spenta

Im Laufe der Zeit wird Spenta Mainyu mit Ahura Mazda gleichgesetzt, und so wird schließlich Ahura Mazda (Ohrmuzd) selber zum Gegenspieler des Angra Mainyu (Ahriman). Dem Ahura Mazda zur Seite stehen die Ameša Spenta „heilige/heilbringende Unsterbliche“, d.i. avest. a-məša- „unsterblich“ (Barth. Sp. 145ff); und avest. spənta- „heilig, heilbringend“ (s.o. Spenta Mainyu). Zu diesen gehören:

Die Begriffe changieren in den Texten zwischen Appellativen und Eigennamen. Sie werden auch als Monats- und Tagesnamen verwendet.
Weitere wichtige Begriffe sind:

Weitere Gottheiten

Der Zoroastrismus ist kein Monotheismus, der die Verehrung anderer Gottheiten prinzipiell ausschließt. Historisch wird der Befund so gedeutet, dass die Verehrung dieser iranischen Gottheiten so tief im Volk verankert war, dass die nachzarathustrische Religion diese in den Zoroastrismus mit eingebunden hat. Das war möglich, indem man sie als yazata- „verehrungswürdig“ (Part. Fut. Pass. oder pass. Verbaladj. v. yaz- „verehren; weihen, opfern“ [Barth. Sp. 1274], daraus Pahl. yazd [yẕdt] „Gott, Gottheit“ [MacK. S. 97]) kategorisierte. Das Attribut yazata wird auch auf Ahura Mazda und die Ameša Spenta angewendet.

Eine wichtige Gottheit ist Mithra(s), avest. miθra-, apers. auch mitra-, als Appellativ „Vertrag, Abmachung, Verpflichtung“ (Barth. Sp. 1183ff), Pahl. mihr (mtr, manich. myhr) (MacK. S. 56). Als Gottheit ist Mithra im Avesta der Wahrer des Rechts, der über die Einhaltung von Verträgen und Eiden wacht (so auch in einem Vertrag zwischen dem Hethiterkönig Šuppiluliuma I. und dem Mitanni-König Šattiwazza, 14. Jh. v.Chr.). Religionsgeschichtlich wird er als Sonnengottheit betrachtet.

Eine andere ist Anahita, avest. apers. an-āhita-, als Appellativ „woran kein Fleck ist, makellos“ (Barth. Sp. 125), gr. Ἀναῗτις Anaḯtis. Das ist aber eigentlich nur ein Epitheton, die Göttin heißt avest. arədvī- „Feuchtigkeit“? (Barth. Sp. 194f), in voller Titulatur Arədvī sūrā anāhitā (avest. sūra- „stark, gewaltig“ [Barth. Sp.1584f]), eigentlich eine Flussgöttin, die für Fruchtbarkeit verantwortlich ist.

Eine kämpferische Gottheit ist Verethragna, avest. vərəθraγna-, als Appellativ n. „Wehrhaftigkeit, Sieg“ (Barth. Sp. 1421f), als Eigenname m. der Gott des Sieges, Pahl. wahrām (wlhlʾn, wʾhlʾm) ds. (MacK. S. 86). Er wurde mit dem gr. Ares (bzw. babylon. Nergal) gleichgesetzt, weshalb der Planet Mars nach ihm benannt wurde. Auf sassanid. Reliefs ist er als Herakles dargestellt. Wahram war auch der Name von 6 sassanid. Königen, die heute meist mit der npers. Form بهرام Bahrām genannt werden.

Als eigener Zweig des Zoroastrismus gilt der Zurvanismus, der in einer Spannung zum orthodoxen Mazdaismus steht. Oberster Gott ist Zurvan, d.i. avest. zrvan- „Zeit, -punkt, -dauer“ (Barth. Sp. 1703f), Pahl. zurwān (zwlwʾn) (MacK. S. 100) „Zeit; der Gott Zurvan“, die Personifikation der unendlichen Zeit. Er hat die Zwillinge Ahura Mazda und Angra Mainyu geschaffen, deren dauernder Kampf das Weltgeschehen bestimmt, während er selber Gut und Böse indifferent gegenübersteht und in diesen Kampf nicht eingreift. Der Zurvanismus betonte Prädestination und Schicksal, im Gegensatz zum freien Willen und der Notwendigkeit, sich für das Gute zu entscheiden, im Mazdaismus.

Weitere Glaubensvorstellungen


Feuer im zoroastrischen Feuertempel in Yazd, Iran.– Quelle: Wikimedia.– Urheber: Photo by Adam Jones, Ph.D./Global Photo Archive/Flickr, 2016.– Lizenz: CC BY-SA 2.0 Deed.– Bearbeitung: aufgehellt, beschnitten, verkleinert, geschärft.

Die Seelen der Toten müssen über die činvatō peretūm „Brücke/Furt des Scheiders“, d.i. avest. činvant- (Gen. Sg. činvatō) „scheidend“ (Barth. Sp. 596f); und avest. pərətav- „Durchgang, Furt; Übergang, Brücke“ (Barth. Sp. 892), auch avest. pəšav- ds. (Barth. Sp. 897) gehen. Für die Frommen ist die Brücke so breit wie 9 Speere, sodass sie problemlos darübergehen und ins Paradies gelangen können, für die Gottlosen ist sie schmal wie eines Messers Schneide, sodass sie in die darunterliegend gedachte Hölle stürzen.

Die Eschatologie kennt den Begriff des Saošjant, d.i. avest. saošyant- „Retter“ (Barth. Sp. 1551f) (Part. Präs. Akt. von sav- „nützen; Vorteil schaffen“ [insbes. das gute Los im anderen Leben] [Barth. Sp. 1561], Ggt. raš- „schaden“), Pahl. sōšyans (swkšydns) (MacK. S. 75). Das Wort wird von allen gesagt, die bei Zarathustras Rettungswerk mitmachen, angefangen von Zarathustra selbst, über die zoroastrischen Priester, bis zu den prophezeiten endzeitlichen Rettern der Welt. Insbes. wird deren letzter so genannt (Yt. 13,129), sein Alternativname ist astvat̰.әrәta- „leibhaftiges Recht“ (Barth. Sp. 215) (aus astvant- „leiblich, stofflich“ [Barth. Sp. 215f]; und avest. әrәta- n. „Gesetz, Recht“ [Barth. Sp. 349f]). Nach Yt. 19,88-96 wird er den guten Zustand der Welt wiederherstellen, er wird Tod und Vergänglichkeit beseitigen, Lüge (drug) und Angra Mainyu werden verschwinden. Dieser Zustand heißt Frašokereti, d.i. avest. frašō.kərətay- f. „Neugestaltung“ (Barth. Sp. 1008) (aus avest. f(ə)raša- „geeignet, tauglich“ [Barth. Sp. 1006f]; und avest. kərətay f. „Machen“ [Barth. Sp. 466]), Pahl. fraš(a)gird (plškrt) (MacK. S. 33).

Y. 9-11 ist dem Hom oder Haoma gewidmet, d.i. avest. haoma-, apers. hauma- (Barth. Sp. 1732ff), Pahl. hōm (hwm) (MacK. S. 44). Das ist der Name einer auch als Gottheit betrachteten Pflanze und des daraus hergestellten Rauschtranks. Dieser ist auch aus den Veden bekannt als Soma. Wir wissen nicht, um welche Pflanze es sich handelt und um welche Art von Trank. Manche dachten an ein alkoholisches Getränk, andere an halluzinogene Pilze. Die neuzeitlichen Parsen verwenden Meerträubel (Ephedra) zur Herstellung des Haoma. Diese Identifikation hat heute anscheinend viele Befürworter.

Der Zoroastrismus ist u.a. für seine Feuertempel bekannt, in denen ein immerwährendes Feuer brennt. Das Feuer, avest. ātar- (Barth. Sp. 312ff), Pahl. ātaxš (ʾthš) (MacK. S. 13), ist bereits im Avesta als göttliche Person, die zu Ahura Mazda gehört, gedacht (Y. 62). Herodot behauptet (1,131), dass die Perser dem Himmel, der Sonne, dem Mond, der Erde, dem Feuer, dem Wasser und den Winden Opfer bringen. Aber ob er hier wirklich Zoroastrismus beschreibt? Jedenfalls scheint die Anlage von Feuertempeln eine nachzarathustrische Neuerung zu sein.

Ein Priester des Zoroastrismus heißt npers. موبد mōbad < Pahl. mowbed (mgwpt, Aussprache unsicher) (MacK. S. 56) < *magu-pat, aus apers. magav- „Mager“ (Barth. Sp. 1111), avest. moγu- im Wort moγu.t̰biš „den Magern feind“ (Barth. Sp. 1176) und vermutl. avest. paiti- „Bewacher“ (Barth. Sp. 827), ursprl. also wohl „„Mager-Aufseher“, dann „Obermager, Oberpriester“. Was ein Mager genau ist, darüber habe ich mich auf meiner Seite Was ist ein Mager? recht ausführlich ausgelassen.

Kalender

Al-Biruni berichtet im 2. Kap. seines oben erwähnten Kitāb al-āṯār al-bāqiya (Übers. Sachau S. 13, Z. 8ff), dass die Pīšdādīyān, die iranischen Könige der mythischen Vorzeit, ein Jahr aus 12 Monaten zu 30 Tagen hatten und dass sie alle 6 Jahre einen Schaltmonat einfügten. Das ergibt ein Jahr zu 365 Tagen (12×30×6 + 30 = 365×6 = 2190 Tage). Zusätzlich sei alle 120 Jahre ein weiterer Schaltmonat eingefügt worden. Das entspricht bereits dem Julianischen Kalender (120 Jahre sind 20 Perioden zu 6 Jahren, also 2190×20 + 30 = 365¼×120 = 43830 Tage). Doch hat al-Biruni (bzw. seine Quelle) hier wohl Verhältnisse der Sassanidenzeit in die Vergangenheit zurückprojiziert.

Von den Persern berichtet er, dass sie das Jahr zu 365¼ Tagen plus ⅕ einer (äquinoktialen) Stunde (d.i. 1/120 eines Tages) rechneten. Daher fügten sie alle 116 Jahre einen Schaltmonat ein (1/4 + 1/120 = 31/120 = 0,258¯3; ×116 = 29,9¯6 Tage). Aber woher kommt diese seltsame Jahreslänge von 365,258¯3 Tagen, die ja weiter von der tatsächlichen Länge des tropischen Jahres entfernt ist als die 365,25 Tage, mit denen man sonst rechnete? Tatsächlich ist das tropische Jahr um ⅕ Stunde kürzer (ca. 365,242199 Tage), nicht länger.

Nach Sacha Stern verwendeten die Achaimeniden einen Lunisolarkalender, der – zumindest in den letzten Jahrzehnten vor der Kalenderreform – dem babylonischen Kalender ganz ähnlich gewesen sein muss: ein Jahr aus 12 Mondmonaten wird durch zusätzliche Schaltmonate mit dem Sonnenjahr synchron gehalten.

Irgendwann nach der Eroberung Ägyptens durch Kambyses (525 v.Chr.) wurde in Persien der ägyptische Kalender eingeführt: 12 Monate à 30 Tage, plus 5 Tage, die zu keinem Monat gehören (sog. Epagomenen). Das ergibt ein Jahr zu 365 Tagen. Umstritten ist, wann genau dieser neue Kalender eingeführt wurde. Nyberg optiert „aus historischen und astronomischen Gründen“ (S. 7, et passim) für etwa 485 v.Chr. (Das ist auch das einzige Datum, das er – als terminus ante quem – für die Datierung der Lebenszeit Zarathustras gelten lässt.) Einige Forscher halten es für wahrscheinlich, dass die Einführung dieses neuen Kalenders erfolgt ist, als der Monat Farwardīn, der erste des Jahres im neuen Kalender, auf das Frühlingsäquinoktium (Tag-und-Nacht-Gleiche) fiel. Das soll um 480 v.Chr. der Fall gewesen sein.

Durch die Jahreslänge von 365 Tagen verschiebt sich der tatsächliche Jahresanfang alle 4 Jahre um einen Tag. Das Neujahrsfest wandert durch die Jahreszeiten. Vielleicht wurde deshalb tatsächlich in spätsassanidischer Zeit bestimmt, dass alle 120 Jahre ein zusätzlicher Schaltmonat eingefügt werden soll. Das entspricht dem Julianischen Kalender (365¼×120 = 365×120 + 30 = 43830 Tage). Aber es gibt keinen Hinweis darauf, dass diese Schaltung tatsächlich jemals durchgeführt wurde.

Die Monatsnamen nach der Kalenderreform:

avest. Pahl. npers.
1 fravašinąm v. fravašay- „Frawaschi“ (die präexistente Seele bzw. der Schutzgeist des Menschen) (Barth. Sp. 992ff) Frawardīn (plwltyn) (MacK. S. 33) ﻓﺮوردﻳﻦ Farwardīn [færværdin]
2 ašahe vahištahe v. Aša Vahišta, s.o. Ardwahišt (ʾrtwhšt) (MacK. S. 11) اردﻳﺒﻬﺸﺖ Ardibehešt [ordiːbeheʃt]
3 *haurvatātō v. Haurvatat, s.o. Hordād (hwrdt) (MacK. S. 44) ﺧﺮﺩاد Ḫordād [χordɑd]
4 tištryehe v. tištrya- der als Gottheit verehrte Stern Sirius (Barth. Sp. 651f) Tīr (tyl) (MacK. S. 83) (infolge Verwechslung mit Tištar [MacK. S. 83]) ﺗﻴﺮ Tīr [tiːr]
5 *amərətātō v. Ameretat, s.o. Amurdād (ʾm(w)rdt) (MacK. S. 8) ﻣﺮداد Mordād [mordɑd]
6 xšaθrahe vairyehe v. Xšaθra Vairya, s.o. Šahrewar (štrywr) (MacK. S. 79) ﺷﻬﺮﻳﻮر Šahrīwar [ʃæhriːvær]
7 miθrahe v. Mithra, s.o. Mihr (mtr) (MacK. S. 56) ﻣﻬﺮ Mehr [mehr]
8 *apąm v. āp- „Wasser“ (Barth. Sp. 325ff) Ābān (ʾp̄ʾn) (MacK. S. 1) ﺁﺑﺎﻥ Ābān [ɑbɑn]
9 *āθrō v. ātar- „Feuer“ (Barth. Sp. 312ff) Ādur (ʾtwr) (MacK. S. 5) ﺁﺫﺭ Āḏar [ɑzær] (pers. ḏ = [z])
10 daθušō v. daδvah- „schöpferisch, Schöpfer“ (Barth. Sp. 678f) Day (ddw) (MacK. S. 25) دﯼ Daj [dɛj]
11 *vaꬻhave manaꬻhe v. Vohu Manah, s.o. Wahman (whwmn) (MacK. S. 86) ﺑﻬﻤﻦ Bahman [bæhmæn]
12 spəntayā̊ ārmatōiš v. Spenta Armaiti, s.o. Spandarmad (spndrmt) (MacK. S. 75) اﺳﻔﻨﺪ Asfand [ɛsfænd]

Die npers. Namen nach dem Wikipedia-Kap. Iranischer Kalender#Monatsnamen, die mpers. nach MacK., die avest. nach Barth. Im Avest. gibt es auch Namen für die 30 Tage des Monats; die überlieferten 7 avest. Monatsnamen sind zugleich auch Tagesnamen. Die obige Liste geht davon aus, dass auch bei den restlichen 5 (mit * gekennzeichneten) Monaten die Namen mit den Tagesnamen identisch waren.


Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 18. Jän. 2024