Michael Neuhold Homepage
Startseite >
Syrische Grammatik nach Gismondi
Wenn hier vom Syrischen die Rede ist, dann ist nicht das Idiom des modernen Syriens gemeint (das ist Arabisch), sondern die zum Aramäischen gehörende Sprache der alten syrischen Kirche, auch als Klassisches Syrisch bezeichnet. Zusammen mit der Sprache des babylonischen Talmuds und der Mandäer (einer jüdisch-gnostischen Religionsgemeinschaft) gehört das Syrische zum östlichen Zweig des Aramäischen, während der westliche Zweig durch die palästinischen Targume (aramäische Übersetzungen des AT) und den Jerusalemer Talmud repräsentiert werden. Zeitlich gehören alle diese Idiome zum Mittelaramäischen. Der aramäische Dialekt, den Jesus gesprochen hat, gehört ebenso wie die aramäischen Passagen des AT, aber auch die babylonischen Targume (z.B. Targum Onkelos) zum Altaramäischen.
Συρία (von Ἀσσυρία oder doch von Τύρος?) nannten die Griechen die Landschaft zwischen dem Taurusgebirge, dem Euphrat (oder Ḫabur), der arab. Steppe und Palästina (das von manchen noch dazugerechnet wurde) - also ungefähr das heutige Syrien und ein Stück der südöstlichen Türkei. Die Semiten nannten das Gebiet Aram (hebr. אֲרָם, keilschr. aramu). Die syrisch schreibenden Autoren bezeichneten ihre Sprache als ܣܽܘܪܝܳܝܳܐ surjaja.
Das geistige Zentrum der syrischen Kirche war seit dem 2. Jh. die Stadt Edessa (so seit ca. 300 v. Chr. genannt, vorher aram. Urhai, 1637 in Urfa umbenannt, 1983 in Şanlıurfa), heute in der Südosttürkei nahe der syrischen Grenze gelegen. In Folge des unsäglichen christologischen Streites im 5. Jh. spaltete sich die syrische Kirche in eine östliche (nach dem Patriarchen Nestorius, gest. 451, nestorianisch genannte) und eine westliche (nach Bischof Jakob Baradai, gest. 578, jakobitisch genannte). Die Ostsyrer gehörten zum persischen Sassanidenreich, die Westsyrer zum oströmischen Reich. Die beiden Kirchen entwickelten sich sowohl hinsichtlich der Aussprache als auch hinsichtlich der Schrift (System zur Bezeichnung von Vokalen) unterschiedlich.
Mit der Eroberung Syriens durch die muslimischen Araber im 7. Jh. und der Ausbreitung der arab. Sprache war auch die Blütezeit des Syr. zu Ende. Es überlebte als Liturgie- und Bibelsprache der Kirche und wurde noch einige Zeit von Gelehrten beherrscht. Als gesprochene Sprache überlebte es nur in einigen Rückzugsgebieten.
Ausgewiesene Lehrbücher des Syrischen sind kaum zu finden, verbreitet ist die Buchform Grammatik mit angeschlossenen Übungstexten. Im Internet findet man (Stand Ende 2008) u.a. folgende Werke:
Außer Gismondi ist kaum eine dieser Grammatiken zum Selbststudium geeignet, am ehesten noch Ungnad. Allesamt glauben sie, dem Leser etliche Seiten Lautentwicklung aufbürden zu sollen. Das ist für den sprachvergleichenden Semitisten von Interesse (praktische alle Grammatiken gehen davon aus, dass der Leser Hebr. - und meist sogar Arab. - kann), nicht aber für den, der Syr. lernen will, um syr. Texte lesen zu können. Die meisten sind auch vom Satzspiegel her zum Lernen ungeeignet. Ein Aufzählung statt einer tabellarischen Darstellung spart zwar Papier (und macht den Druck damit billiger), für den Lernenden ist das aber eher hinderlich.
Wer ein richtiges Schritt-für-Schritt-Lehrbuch sucht, ist gut
bedient mit
Coakley, J. F.: Robinson's Paradigms and Exercises in Syriac
Grammar.- 5. Aufl.- Oxford: University Press, 2003. (s. die verfügbaren
Kapitel der
Google Buchsuche).
An Wörterbüchern habe ich gefunden:
Gismondis Buch ist von den mir bekannten frei erhältlichen Werken zum Selbststudium sicherlich am geeignetsten. Das folgende ist eine recht freie, stellenweise gekürzte, gelegentlich auch (um Angaben aus Nöldeke und Brockelmann) erweiterte Wiedergabe der Grammatik von Gismondi. Das Buch hat einen Mangel: es ist in einem selbst für mich als ehemaligem Lateinlehrer oft schwer verständlichen Latein abgefasst. Ich will daher nicht ausschließen, dass ich es hier und da missverstanden habe.
Eine Schwäche, die Gismondis Werk mit den meisten anderen Grammatiken teilt, ist das Fehlen einer durchgehenden Transkription. Ohne ein gerüttelt Maß an etymologischem Vorwissen kann der Autodidakt nicht wissen, wo Konsonanten verdoppelt sind, wo ein Reduktionsvokal zu sprechen ist usw. Ich habe nach den mir bekannten Regeln alles transkribiert. Aber in vielen Fällen muss (mangels ebendieser Kenntnisse bei mir) mit Fehlern gerechnet werden.
Der Autor (sagt) den Lesern einen Gruß.
Bei der Abfassung dieses kleinen Werkes war meine Absicht, den Studenten der syrischen Sprache einen leichten Weg der Aneignung zu ebnen. In der Meinung, daß man eine tiefergehende Unterweisung dieser Sprache (erst), nachdem man die eigene Art ihrer Struktur kennengelernt hat, suchen müsse, unternahm ich es, mit einer kurzen und einfachen Methode die wichtigsten Kapitel, in denen jene enthalten ist, darzulegen, da ich die Erfahrung gemacht hatte, dass das, was von umfangreicheren Grammatiken dargeboten wird, den Anfängern dieses Faches nicht geringe Schwierigkeit bereitet, wenn sie nicht zuvor mit einer klareren Methode das Wichtigste gelehrt werden. Ich bin zuversichtlich, auf diese Weise den Studenten der syrischen Sprache einen Nutzen und Gewinn verschafft zu haben.
Rom, 1. Aug. 1900
H[enricus] G[ismondi] S[ociatas] J[esu]
Anm. d. Übers.: Wer das nicht auf Anhieb verstanden hat, kann ermessen, welche Schwierigkeiten ich beim Durcharbeiten von Gismondis Buch hatte. Aber keine Angst: es geht nicht in diesem Ton weiter. Ich gebe den weiteren Inhalt sehr frei formuliert wieder. Ich gebe zu, dass ich nicht immer sicher war, ob ich alles richtig verstanden habe.
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 24. Aug. 2019