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Kultur
Ich gebe hier keine erschöpfende Darstellung der Kultur des modernen Griechenland. Vielmehr sind hier Anmerkungen zusammengestellt, die ursprl. teils in Wortschatz, teils in Texte standen, aber dort den Rahmen zu sprengen drohten. Und einiges ist auch neu.
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Die alte Landkriegsflagge. Offiziell nicht mehr verwendet. |
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Die alte Seekriegsflagge. Heute die alleinige offizielle Flagge. |
Die griech. Nationalfarben sind Blau und Weiß. Der Ursprung heraldischer Farben liegt ja meist im Dunkel, aber bei Griechenland haben sie faktische Berechtigung: Blau steht für die Bläue des sommerlichen Himmels und des Meeres, Weiß für die gleißende Helle der Sonne, die Gischt, den Marmor. Weiß-blau streicht man auch die Häuser auf den Kykladen. (Farbpsychologische Zuschreibungen, wie Weiß steht für Reinheit, Freiheit, Frieden, Blau für Treue, Wahrheit, Harmonie usw., sind vexillologisch eher wenig hilfreich.) Ob ihrer Farben heißt die griech. Flagge η γαλανόλευκη oder η κυανόλευκη die Blauweiße (γαλανός, κυανός (himmel)blau, K. λευκός = D. άσπρος weiß).
Die älteste Version der modernen griech. Flagge war ein blaues Balkenkreuz auf weißem Grund, das im griech. Unabhängigkeitskampf seit 1821 verwendet wurde. Zu sehen z.B. auf einem Gemälde von Θεόδωρος Βρυζάκης (1814–1878), Segnung der Revolutionsflagge ( Bild bei Wikipedia). Doch ist die Flagge wesentlich älter und wurde bereits von griech. Sipahis (Berittene des osman. Heeres) vom 15. zum 17. Jh. mit Erlaubnis des Sultans verwendet. Es handelt sich wohl um eine Variante des Georgskreuzes in den griech. Farben. Das Georgskreuz war die Flagge der Kreuzfahrer. Das Kreuz ist Symbol des Christentums und repräsentiert für die Griechen die Tradition der orthodoxen Kirche.
1822 wurde dann ein weißes Kreuz auf blauem Grund zur Landkriegsflagge. Seekriegsflagge wurde eine Flagge bestehend aus neun horizontalen Streifen, abwechselnd blau und weiß, mit einem Quadrat in der linken oberen Ecke (Seitenbreite fünf Streifen), in dem sich ein weißes Kreuz auf blauem Grund befindet. Die blau-weißen Streifen gehen nach manchen auf das Wappen der kret. Herrscherfamilie Καλλέργης zurück (Schild mit diagonalen blauen und weißen Streifen). Die Neunzahl der Streifen steht angeblich für die neun Silben des Wahlspruches ελευθερία ή θάνατος Freiheit oder Tod, die neun Buchstaben des Wortes ελευθερία, die neun Musen. (Tatsächlich hatte diese Zahl möglicherweise einfach praktische Gründe: Man versuche, das Georgskreuz – Balkenbreite ein Fünftel der Höhe – mit anderer Streifenzahl in der Gösch unterzubringen).
1828 wurde erstere zur Nationalflagge für den Gebrauch im Inland, die Streifenflagge für den Gebrauch im Ausland und als Handelsflagge. 1975-1978 war die streifenlose die alleinige Flagge, seit 1978 gibt es offiziell nur noch die Streifenflagge. Gelegentlich sieht man aber auch die streifenlose Variante noch verwendet.
Der Farbton des Blaus ist nicht genau definiert; im Flag manual zur Olympiade 2008 in Peking wurde lt. engl. Wikipedia die Pantonefarbe 285 empfohlen, im Flags and anthems manual zur Olympiade London 2012 ( als PDF, S. 47) das wesentlich dunklere Pantone Reflex Blue. Die Seite Pantone Flag Colors nennt Pantone 294 (woher immer diese Information stammt). Ich habe mich am ersten orientiert.
Pantonefarben sind Druckfarben, bei denen das Ergebnis vom zu bedruckenden Material abhängt (bei Papier z.B., ob es glänzend beschichtet, matt beschichtet oder unbeschichtet ist). Umrechnungstabellen für eine approximative Darstellung am Monitor geben unterschiedliche RGB-/Hex-Werte an. Manche unterscheiden auch zwischen C(oated) und U(ncoated). Hier einige Werte, die ich für 285 bzw. 285 C gefunden habe: #3a75c4 (z.B. Pantone Colors), #1a75cf ( Encycolorpedia), #0077d4 (285 C, Pantone colour chart, Quelle offenbar Photoshop 5), #0072ce (285 C, rgb.to).
Quellen: Wikipedia-Art. Flag of Greece, Kallergis family.
Weitere Symbole des Griechentums sind:
Griechenland hat bisher zwei Literaturnobelpreisträger hervorgebracht: Γιώργος Σεφέρης (1900-1971, Nobelpreis 1963) und Οδυσσέας Ελύτης (1911-1996, Nobelpreis 1979), beide sind vor allem durch ihre Lyrik bekannt. Von nicht geringerer Bedeutung sind etwa Κωνσταντίνος Καβάφης (1863-1933) und Γιάννης Ρίτσος (1909-1990). Vom unvermeidlichen Νίκος Καζαντζάκης (1883-1957, Schöpfer des Alexis Sorbas) habe ich bisher nur Die letzte Versuchung gelesen (griech. Ὁ τελευταῖος πειρασμός, noch in polytonaler Orthographie). Eine – m.E. ziemliche krause – romanhafte Darstellung des Wirkens und Sterbens Jesu, die vor allem durch ihre Verfilmung durch Martin Scorsese Bekanntheit erlangt hat. Auch den Krimiautor Πέτρος Μάρκαρης (geb. 1937) kenne ich bisher nur auf Deutsch.
Es ist auch gar nicht so leicht, bei uns an griech. Originalliteratur zu kommen. Die städtische Bibliothek hat zwar zwei Regalmeter auf Türkisch, sogar Bücher auf Tschetschenisch und Arabisch sind zu haben, aber kein einziges auf Griech. Auch in unseren lokalen Buchhandlungen ist Griechenland nur in Form von Reise- und Sprachführern präsent. Amazon gibt es in Griechenland anscheinend nicht. Um an griech. Bücher zu kommen, kenne ich nur den Greek Bookstore Erato, die Versandkosten nach Österreich sind aber gesalzen.
Neben der griech. Kunstmusik, deren Exponenten im Westen kaum bekannt geworden sind, ist es vor allem die populäre Musik, die in das westl. Bewusstsein gedrungen ist. Man unterscheidet:
Einige Texte griech. Lieder, hauptsächlich des έντεχνο, auf der Seite Texte: Griechische Musik. Dort finden sich auch die Namen wichtiger Interpreten.
Die in der griech. Musik verwendeten Instrumente sind zum einen solche, die auch in unserer Musik gebräuchlich sind, wie Violine (το βιολί), Gitarre (η κιθάρα), Mandoline (το μαντολίνο [-nd-]) oder Akkordeon (το ακορντεόν [-rd-]); zum anderen aber solche, die, über türk. Vermittlung, aus dem pers.-arab. Raum stammen:
Saiteninstrumente | ||
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το λαούτο, λαγούτο | langhalsige Laute (schalenförmiger Korpus ohne Zargen), mit 4 Doppelsaiten, mit langem Plektron gezupft | arab. al-ʿūd das Holz; Laute, Zither |
το μπουζούκι | die Bouzouki (im Griech. neutrum!), langhalsige Laute, mit 3 oder 4 Doppelsaiten | türk. bozuk (saz), eigentl. beschädigte, kaputte (Saz) (die Saz ist eine türk. Langhalslaute) |
ο μπαγλαμάς | der Baglamas, Miniaturausführung der Bouzouki, mit 3 Doppelsaiten | türk. bağlama, von bağlamak (an-)binden, verknüpfen, befestigen |
ο τζουράς | der Bouzouki ähnliches Instrument, aber mit kleinerem Korpus, mit 3 Doppelsaiten | türk. cura |
το ούτι | die Oud (im Griech. neutrum!), Kurzhalslaute, mit 5 oder 6 Doppelsaiten | türk. ut, arab. ʿūd (ds. wie bei λαούτο, aber ohne Art.) |
η λύρα | mit dem Bogen gestrichene, dreisaitige Kurzhalslaute; man unterscheidet die kret., die pont. und die konstantinopolitan. λύρα | altgr. λύρα (doch wurde diese gezupft), Lehnwort ungeklärter Herkunft |
ο κεμεντζές, η κεμεντζέ | pontische und konstantinopolitan. Spielart der λύρα, insbes. erstere ist im Ggs. zur kret. λύρα langgestreckt und schmal | türk. kemençe < pers. kamānča (kleiner) Bogen |
το κανονάκι | das Kanun, Kastenzither | türk. kanun, arab. qānūn Gesetz, Norm, Regel < altgr. κανών Richtscheit, Regel, Vorschrift |
το σαντούρι [-nd-] | der Santur, Hackbrett | türk. santur, pers. santūr, Etymologie unklar (Ableitung von altgr. ψαλτήριον Saiteninstrument ist fraglich) |
Blasinstrumente | ||
η φλογέρα | Längsflöte, meist mit 7 Löchern | alban. flojer(ë) |
το καβάλι | eigentl. der Kaval, lange Längsflöte ohne Mundstück mit 8 Löchern, aber im Griech. auch Bezeichnung einer der φλογέρα ähnlichen Flöte | türk. kaval? |
η τζαμάρα | Flöte, von φλογέρα und καβάλι kaum zu unterscheiden | |
η τσαμπούνα [-ab-] | Dudelsack (Sackpfeife) | ital. zampogna Dudelsack < lat. symphonia < altgr. συμφωνία Einklang, Konzert |
η ασκομαντούρα [-mad-] | Dudelsack, kret. Variante | |
η γκάιντα [ˈgaida] | Dudelsack mit Bordunpfeife | türk. gayda Dudelsack |
Schlaginstrumente | ||
το τουμπε(ρ)λέκι [-mb-] | fellbespannte becherförmige Trommel aus Metall | türk. dümbelek Trommel |
η ταραμπούκα [-rab-] | die Darbuka, wie das τουμπελέκι, aber der Korpus ursprl. aus Ton | |
το νταούλι | die Davul, zweiseitig bespannte Rahmentrommel, die mit Schlägel geschlagen wird | türk. davul < arab. ṭabl Trommel |
Die Anregung zu dieser Darstellung verdanke ich: Jovanovic, Heidi: Griechenland erleben. Mehr als Säulen und Sonne.- Kaarst: Conbook, 2009. S. 114-16. Die Detailinformation stammen u.a. von folgenden Wikipedia-Art.: Greek musical instruments, Laouto, Bouzouki, Baglamas, Tsouras, Oud, Kretische Lyra, Κεμεντζές, Kanun (Musik), Santur, Φλογέρα, Kaval, Tsampouna, Askomandoura, Gajda (Sackpfeife), Toubeleki, Davul.
Der Sirtaki (το συρτάκι) ist ein Tanz, der für den Film Alexis Sorbas erfunden wurde. Von den traditionellen Tänzen kommt ihm das χασάπικο am nächsten: ein bis drei Tänzer stehen nebeneinander und fassen sich an der Schulter. Beim traditionellen συρτός dagegen fassen sich die Tänzer an den Händen. Weitere Tanzformen sind das ζεϊμπέκικο (Solotanz im 9/8-Takt), das τσιφτετέλι (oriental. Tanz im 2/4-Takt), oder der (χασαπο)σέρβικος (flotter Tanz im offenen Kreis).
Einige Musiker und Interpreten sind im internationalen Musikgeschäft erfolgreich. Da sie aber nicht griech. Musik machen, werden sie meist nicht als Griechen wahrgenommen. Z.B.
Quellen: Wikipedia-Art. Nana Mouskouri, Vicky Leandros, Agnes Baltsa, Vangelis, Demis Roussos, Iannis Xenakis.
Die griech. Währung war bis zum Beitritt zur Eurozone die Drachme (GRD). Seit 2001 gehört Griechenland zur Eurozone, seit 2002 hat es Euromünzen und -scheine. Der Umrechnungskurs betrug 1 EUR = 340,750 GRD. 1000 Drachmen waren nicht ganz 3 Euro (rund 40 ATS oder 5,74 DM), 1 Mio. Drachmen nicht ganz 3000 Euro. Ein hunderstel Euro heißt im Griech. nicht Cent, sondern λεπτό (was schon die Untereinheit der Drachme war).
Euromünzen haben, im Ggs. zu den Euroscheinen, auf der Adlerseite nationale Motive. Auf den griech. Münzen sind abgebildet (zum Vergleich mit den österr.):
1 λεπτό | altgriech. Triere (Dreiruderer) | Enzian | |
2 λεπτά | Korvette aus der Zeit des Unabhängigkeitskrieges (ein ganz ähnliches Schiff war schon auf der letzten 1-Drachmen-Münze abgebildet) | Edelweiß | |
5 λεπτά | Hochseetanker | Alpenschlüsselblume | |
10 λεπτά | Ρήγας Βελεστινλής ϕεραίος (1757-1798), revolutionärer Schriftsteller, von den osman. Behörden hingerichtet | Wiener Stephansdom | |
20 λεπτά | Ιωάννης Καποδίστριας (1776-1831), erster Präsident Griechenlands nach der Befreiung vom Osman. Reich | Schloss Belvedere | |
50 λεπτά | Ελευθέριος Βενιζέλος (1864-1936), mehrmaliger griech. Premierminister, der auch für die kleinasiat. Katastrophe verantwortlich war | Ausstellungsgebäude der Wiener Secession | |
1 ευρώ | attische Tetradrachme (Eule und Olivenzweig) | Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) | |
2 ευρώ | Entführung der (phöniz. Prinzessin) Ευρώπη, nach einem Mosaik aus Sparta ( Foto bei Theoi Greek Mythology) | Bertha von Suttner (1843-1914), österr. Schriftstellerin, die 1905 den Friedensnobelpreis erhielt | |
ΓΣ, die Initialen des Schöpfers der Münzbilder Γεώργιος Σταματόπουλος |
Die Abbildungen sind (im Kontrast angehobene) verkleinerte Versionen der auf der vorzüglichen Wikipediaseite Griechische Euromünzen dargebotenen Münzbilder.
Thomas Schröder, Samos, 3. Aufl., Erlangen: Müller, 2004 sagt S. 98, dass in Griechenland keine 200- und 500-Euro-Scheine gedruckt werden. Daher sind sie dort praktisch unbekannt und werden im allgemeinen auch nicht angenommen. Übrigens gibt es dem Vernehmen nach auch in Österreich Tankstellen, die keine 500er akzeptieren, obwohl sie meines Wissens von Gesetzes wegen dazu verpflichtet wären.
Religion ist in Griechenland immer noch gleichbedeutend mit der griech.-orthodoxen Kirche. Während der osmanischen Herrschaft hatte die Kirche auch gewisse zivilrechtliche Kompetenzen. Nach der Erlangung der Unabhängigkeit wurde die griech. Kirche Staatskirche, und in der Verfassung von 1975 wurde sie als vorherrschende Religion Griechenlands festgeschrieben. Die Gehälter der Kleriker werden vom Staat bezahlt. Von dieser Sonderstellung der griech. Kirche können andere Konfessionen ein Lied singen: evangelikale Missionstätigkeit wird immer wieder gerichtlich verfolgt. Gerichtlich verfolgt wurde aber auch der agnostische Spott eines Gerhard Hader, der für seinen Cartoonband "Das Leben des Jesus" 2005 zu sechs Monaten Haft verurteilt wurde. (Das Urteil wurde einige Monate später wieder aufgehoben.)
Aus Sicht der westlichen Kirchen ist die Orthodoxie sehr liturgielastig. Gottesdienste dauern Stunden. Ob die Gläubigen auch was verstehen, ist unwichtig. Es gibt wenig karitatives Engagement; das hat sich allerdings seit der Krise 2010 zumindest innergriech. geändert. Was am meisten erstaunt: bis ins 20. Jh. hinein hat die griech. Kirche die Verbreitung der Bibel in modernem Griech. verboten und verfolgt und die Bibeln vernichtet (s. Der Kampf um eine Bibel in heutigem Griechisch, Wachtturm Online-Bibliothek)! Zeitweise war die Übersetzung ohne Genehmigung der Kirche sogar per Verfassung verboten (s. Brita Bayer, Sprachenkampf in Griechenland, S.16).
Die Zeitschrift Faszination Bibel berichtet in der Ausg. 1/2014 von einer Bibelverteilaktion durch Hellenic Ministries im Sommer 2013 in Nordgriechenland, der von orthodoxen Gläubigen, aber auch von Bischöfen Widerstand entgegengesetzt wurde: „Teilweise wurde man handgreiflich oder rief die Polizei, um die Bibelboten aus dem Dorf hinauswerfen zu lassen. [...] In Philippi wurden fast 60 Missionare vorübergehend festgenommen. Mit elf Fahrzeugen brachte man sie zur Polizeistation, um sie dort zu verhören und ihre Personalien festzustellen.“ (S. 44). Soviel zum Thema Religionsfreiheit in Griechenland.
Die wichtigsten neugriech. Übersetzungen der Bibel (s. dazu vor allem die Wikipedia-Artikel Μεταφράσεις της Αγίας Γραφής (Übersetzungen der Heiligen Schrift) und Bible translations into Greek):
Als 2010 die Krise ausgebrochen ist, habe ich eine Zeitlang online die Schlagzeilen des griech. Blätterwalds verfolgt ( Πρωτοσέλιδα). Hier ein paar ernüchternde Impressionen.
Die meisten Zeitungen bezeichnen die ND-Politikerin Ντόρα Μπακογιάννη nur als "η Ντόρα". Das ist schlechter Stil und kennzeichnet diese Blätter als Boulevard. Man nehme z.B. Ελεύθερος:
Das alles ist unterste Schublade. Anderes Beispiel Η βραδυνή, das statt Information marktschreierische Überschriften hat:
Auch nicht besser Ελεύθερος τύπος:
Meinungsmache statt Information. – Am besten und sachlichsten ist die konservative Η καθημερινή. Annehmbar ist die der PASOK nahestehende Τα νέα.
Jedes Land hat Eigenheiten, die von Außenstehenden (und wohl nicht selten auch von Einheimischen) als seltsam oder überflüssig empfunden werden. Griechen mögen mir mein Unverständnis (oder gelegentliches Amüsement) nachsehen.
Χόλυγουντ | So wie wir Владимир Путин als Wladimir Putin oder Θεσσαλονίκη als Thessaloniki wiedergeben und auch ziemlich deutsch aussprechen – [ˈputʰin] (richtig [vɫɐˈdʲimʲɪr ˈputʲɪn]) und [tʰɛsaloˈnikʰi] (richtig [θɛsalɔˈnici]) –, so schreiben die Griechen Χόλυγουντ für Hollywood und Γιόχαν Βόλφγκανγκ φον Γκαίτε für Johann Wolfgang von Goethe - und sprechen es so aus, wie sie es schreiben: [ˈxɔliɣud] und [ˈgɛtɛ]. | |
ήμουν στη τσούλα (?) | Ein typischer Fehler von Griechen, wenn sie Englisch sprechen, ist die fehlende Unterscheidung zwischen langen und kurzen Vokalen (die es ja im Neugriech. nicht gibt). So sagte uns ein Grieche mehrmals: „I was on the bitch ([bɪtʃ] Schlampe).“ Und ich brauchte einige Zeit, bis ich begriff, dass er uns keine amourösen Abenteuer erzählen wollte, sondern sagen wollte: „I was on the beach ([bi:tʃ] Strand).“ | |
ο εύζωνος (pl. meist -ες) | Evzone (altgr. wohlgegürtet, zum Kampf gerüstet): Angehöriger der griech. Präsidialgarde | Erwachsene Männer in Faltenröckchen, Strumpfhosen und Schuhen mit großen Quasten. So einen militärischen Kostümquatsch kennt man in Europa sonst nur von den Briten (Beefeaters) und vom Vatikan (Schweizergarde). |
η φοροδιαφυγή | Steuerhinterziehung | Gibt's in jedem Land, hat aber in Grl. für ein EU-Land schon enorme Ausmaße angenommen. Unklar ist für Außenstehende, warum der politische Wille zu fehlen scheint, den ganz großen Steuersündern auf den Leib zu rücken. |
ο πατριωτισμός | Vaterlandsliebe | Das Wort ist wohl aus frz. patriotisme entlehnt, geht aber auf
ein altgr. Grundwort zurück: ὁ πατριώτης demselben Vaterland angehörig,
Landsmann, von πάτριος väterlich; vaterländisch. Ein Studienkollege aus Griechenland hat einmal, als ich am Institut für Klass. Philologie Salzburg arbeitete, plötzlich ein Buch aus dem Regal gezogen – es war Ernst Curtius' Blüte und Verfall Griechenlands (1936) –, es mir unter die Nase gehalten und gesagt: „In Griechenland nur Blitte. Keine Verfall, nur Blitte!“ (Blitte ist übrigens ein weiteres Beispiel dafür, wie Griechen Langvokale kürzen, wenn sie Fremdsprachen sprechen.) |
το φροντιστήριο | Nachhilfeinstitut (altgr. etwa Denkerstube) | Die jährlich landesweit stattfindenden Zulassungsprüfungen zum Universitätsstudium entscheiden über Wohl und Wehe der Studierwilligen. Doch das öffentliche Schulsystem bereitet anscheinend nach wie vor schlecht auf die Prüfungsanforderungen vor. Deshalb sind sie allgegenwärtig, die Nachhilfeinstitute, in denen die Oberschüler nachmittags das lernen oder vertiefen, was die öffentlichen Schulen vormittags verabsäumt haben. |
οι πανελλαδικές (εξετάσεις) | Zulassungsprüfung zum Universitätsstudium | |
Μακεδονία | Makedonien, Mazedonien | Name einer geographischen Region auf der südlichen Balkanhalbinsel; Name einer Landschaft (διαμέρισμα) Griechenlands, verwaltungsrechtlich aufgeteilt auf die politischen Regionen (περιφέρεια) Ostmakedonien und Thrakien, Zentralmakedonien, Westmakedonien; Name einer jugoslawischen Teilrepublik und anfangs des aus dieser hervorgegangenen Staates. Der Konflikt um Namen und Flagge dieser Former Yugoslav Republic of Macedonia (abgek. FYROM) hatte die Qualität des Kärntener Ortstafelstreits. Die Griechen reklamierten den Namen Makedonien ausschließlich für sich und haben dem kleinen Land an ihrer Nordwestspitze daher verboten, sich Republika Makedonija zu nennen. Sie selber nannten es Σκόπια (das ist der Name der Hauptstadt Skopje). 2018 erfolgte dann endlich eine Einigung, der zu Folge das Land jetzt Repùblika Sȅverna Makedònija (Republik Nördliches Makedonien) heißen darf. |
Heidi Jovanovic lässt in ihrem Fettnäpfchenführer Griechenland ihre deutschen Protagonisten durch Griechenland reisen und dabei von einem Fettnäpfchen ins nächste treten. Dabei lässt die Autorin allerdings auch keinen Gemeinplatz über die griechische Mentalität aus. Natürlich sind diese Protagonisten Kunstfiguren und ich hoffe, nicht allzuviele Deutsche (oder Österreicher) benehmen sich so. Ein Problem ist das deutsche Anspruchsdenken: Das steht mir zu, schließlich bezahle ich dafür! Ein anderes, die Art und Weise, wie sofort und lautstark Kritik geübt wird, wenn etwas nicht passt. Mit dieser Haltung haben auch wir Österreicher unsere liebe Not. Dabei ist die deutsche Direktheit meist gar nicht so kränkend gemeint, wie sie für Griechen herüberkommt. Allerdings sind auch die dargestellten Griechen Kunstfiguren. Und einige der Fettnäpfchen liegen m.E. auf Seite der fiktiven Griechen. Da kann ich die Darstellung nicht unwidersprochen lassen. Kommunikation ist keine Einbahnstraße und keine Bringschuld der doofen Ausländer.
Ein paar grundsätzliche Überlegungen: Es ist ein Unterschied, ob man Griechenland nur bereist oder dort seinen Lebensabend verbringen möchte. Einem Touristen, den man ohnehin nie wiedersehen wird, sieht man falsches Verhalten leicht nach. Einem Neoinsulaner, der glaubt, am deutschen Wesen müsse die griechische Welt genesen, eher nicht. Aber umgekehrt ist es genauso. Wenn ich in Griechenland lebte, würde ich auch nicht jede gebrochene Terminvereinbarung und jede Behördenschlampigkeit einfach akzeptieren. Ich bin überzeugt, die Griechen tun es auch nicht. Aber hier will ich mich aufs Reisen beschränken.
Mit etwas Taktgefühl und Menschenverstand wird man leicht die schlimmsten Fettnäpfchen vermeiden. Natürlich wird man trotzdem das eine oder andere falsch machen, werden sich Griechen über einen mokieren. Hier muss man als Tourist versuchen, die Sache mit Humor zu nehmen, und gute Miene zum bösen Spiel machen. Aus Fehlern lernt man. Korinthenkacken und sich wie Dagobert Duck jeden Cent vorrechnen zu lassen, ist nicht zu empfehlen. Im allgemeinen stimmt die Rechnung. Wenn der Betrag jedoch unerklärlich hoch ist, kann man schon nachfragen. Denn Irrtümer können jedem unterlaufen. Aber wegen zwei Euro auf oder ab ein Theater zu machen, lohnt sich nicht. Mit Großzügigkeit kommt man meist besser und stressfreier durch den Urlaub.
Jovanovic, Heidi: Fettnäpfchenführer Griechenland. Blaue Wunder im Land der Götter.– 2. überarb. Aufl., Meerbusch: Conbook Medien, 2014.
Vor kurzem bin ich auf Youtube auf ein Video mit einem ganz ähnlichen Thema gestoßen: 10 Dinge, die du in GRIECHENLAND auf keinen Fall tun solltest - Die größten Urlaubssünden. Hier kommen eher rechtliche Besonderheiten ins Spiel. Besonders wer vor hat, in Griechenland Auto zu fahren, hat natürlich eine Informationsholschuld.
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 8. Juni 2024