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Jesu Geburt
Alle Jahre wieder kommt das Christuskind, und alle Jahre wieder füge ich dieser Seite die eine oder andere Miszelle hinzu. Daraus erklärt sich eine gewisse Ungleichmäßigkeit im Formalen.
Zwei Bücher zum Thema seien hier vorab zitiert:
Das nach allgemeiner Übereinstimmung älteste Evangelium, Markus, ist an Jesu Geburt nicht interessiert; es beginnt mit dem Wirken Johannes' des Täufers. Das jüngste Evangelium, Johannes, interessiert sich nur noch für die heilsgeschichtliche Bedeutung dieses Ereignisses: „und der Logos wurde Fleisch“ (Joh 1,14). Bleiben die beiden Berichte bei Matthäus und Lukas, die aber zwei ganz verschiedene Geschichten erzählen.
Mt beginnt damit, dass Maria schwanger wird, bevor die Ehe mit ihrem Verlobten Josef vollzogen ist. Josef will daraufhin das Verlöbnis ohne viel Aufhebens („heimlich“) auflösen. Er bekommt jedoch im Traum den Auftrag, Maria zu heiraten, da ihr Kind aus heiligem Geist empfangen sei (nicht von, als habe der heilige Geist Maria geschwängert!). Begründet wird dies mit der Erfüllung der bekannten Stelle Jes 7,14 („siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihn [wörtl.: seinen Namen] Emmanuel nennen“).
Der ursprüngliche Sinn von Jes 7,14 ist wohl folgender: Eine Frau ist schwanger. Innerhalb der paar Monate bis zur Geburt des Kindes wird Gott die Situation in Juda so grundlegend ändern, dass die Frau ihr Kind aus Dankbarkeit „Gott-mit-uns“ (Immanuel) taufen wird. In Jes 8,8 wird Immanuel noch einmal genannt („dein Land, Immanuel“), hier scheinbar als König der Heilszeit. Von daher konnte die Geburt Jesu als Erfüllung der Immanuel-Prophezeiung von 7,14 verstanden werden. Insbes. da der Wortlaut der griech. Übersetzung (LXX) explizit von einer Jungfrau (παρθένος, d.i. meist unverheiratetes Mädchen, bei dem die sexuelle Unberührtheit vorausgesetzt wird) spricht, während der hebr. Text eigentlich nur von einem Mädchen in heiratsfähigem Alter (עַלְמָה) spricht (so noch Gen 24,43, sonst immer mit νεᾶνις „Mädchen“ übersetzt). Überdies setzt die LXX das Schwangersein ins Futur, während im Hebr. ein zeitlich unbestimmter Nominalsatz steht. Ausführlicher zu Jes 7,14 s. Eine Jungfrau ist schwanger.
Die Behauptung, Jesus sei die Frucht einer ehebrecherischen Beziehung seiner Mutter mit einem römischen Soldaten namens Panthera, ist erstmals bezeugt bei dem antiken Philosophen Kelsos (2. Hälfte des 2. Jh. n.Chr.) belegte. Sie wird natürlich von den frühchristl. Autoren wie Tertullian und Hieronymus empört abgewiesen. Und auf sie wird in der talmudischen Literatur gelegentlich angespielt. Eine ausführliche Darstellung der Quellen bietet Oliver Achilles: Jesus ben Pantera? (Auslegungssache.at).
Josef gehorcht und heiratet Maria, vollzieht die Ehe aber bis zur Geburt Jesu nicht. (Zur Frage, ob Josef nach der Geburt Jesu die Ehe vollzogen hat oder ob Maria Zeit ihres Lebens unberührt geblieben ist, s. Hatte Jesus Geschwister?.)
Jesus kommt in Bethlehem zur Welt (Mt 2,1). Wie sich aus 3,22f ergibt, nimmt Mt an, dass Maria und Josef dauerhaft dort wohnen. Bei ihrer Rückkehr aus dem Exil in Ägypten wagt Josef nicht, wieder nach Judäa zu ziehen, und bekommt von Gott den Befehl, sich in Galiläa niederzulassen. (Der Vers wäre sinnlos, wenn Josef ohnehin schon vorher in Galiläa zu Hause war.)
Astrologen aus dem Osten (s. Die Heiligen Drei Könige) werden bei Herodes vorstellig, um dem neugeborenen König ihre Reverenz zu erweisen. Doch in Herodes' Palast ist kein Thronfolger geboren worden. Sollte der Stern die Geburt des endzeitlichen Messias angezeigt haben? Die Schriftgelehrten weisen die Astrologen wegen Mi 5,1 nach Bethlehem.
Die Wendung „den Stern ἐν τῇ ἀνατολῇ sehen“ (V. 2 und 9) kann bedeuten „im/beim Aufgang“ (so verstehen es z.B. Einheitsübers. und Gute Nachricht) oder „im Osten“, was wiederum entweder die Himmelsrichtung bezeichnet, in der die Magier den Stern gesehen haben (heliakischer Aufgang), oder die Gegend, in der sie sich aufhielten, als sie ihn sahen („im Morgenlande“, so Luther und Schlachter). Das Wörterbuch von Bauer hält den Ausdruck, weil im Singular und ohne Artikel, für einen astronomischen, nicht für einen geographischen; andererseits führt es als Gegenbeispiel Ios. ant.Iud. 1,37 πρὸς τὴν ἀνατολήν „gegen Osten hin“ an.
Die Himmelserscheinung wird ganz allgemein als ἀστήρ „Stern“ bezeichnet. Gebildete wussten wohl um den Unterschied zwischen Wandel-, Schweif- und Fixsternen (Planeten, Kometen, Sterne), Mt schreibt aber nicht für ein Fachpublikum und hatte wohl auch kein astronomisches Interesse. Auf bildlichen Darstellungen wird der Stern meist als Komet dargestellt. Dies wird aber gemeinhin für unwahrscheinlich gehalten, da Kometen eher als Unglücksboten galten. Häufig genannt werden als Kandidaten für den Stern von Bethlehem:
Die letzten drei müssen dann zusätzlich fordern, dass Herodes erst 1 v.Chr. gestorben ist, während er nach übereinstimmender Ansicht der meisten Historiker 4 v.Chr. den Tod fand. Allen gemeinsam ist, dass sie sich zu wenig darum kümmern, wie babylonische Astrologie funktionierte. Theologen verweisen die ganze Geschichte ohnedies ins Reich der Legende und sehen darin nur die Erfüllung atl. Schriftstellen (in erster Linie Num 24,17 „es wird ein Stern aus Jakob aufgehen“).
Mi 5,1 muss keineswegs so gedeutet werden, dass der Messias in Bethlehem geboren werden wird. Hebr. יצא bedeutet hier „hervorgehen, (ab)stammen“; der Vers besagt, dass der zukünftige Herrscher Israels (man beachte, dass das Wort König vermieden wird) ein Davidide sein und also aus der bethlehemitischen Sippe der Efratiter stammen wird (vgl. 1Sam 17,12). Wo er zur Welt kommen wird, ist eigentlich belanglos. Deswegen ist Benedikt Schwank der Meinung, dass Mi 5,1 der Geburtsgeschichte als Erfüllungszitat sekundär zugewachsen ist, nicht umgekehrt[7].
Num 24,17 spricht natürlich nicht von einem astronomischen Ereignis, sondern das hebr. כּוֹכָב „Stern“ ist hier metaphorisch in Bezug auf den Herrscher so gebraucht, wie das engl. star in Bezug auf eine berühmte und umjubelte Persönlichkeit verwendet wird. Von hier aus Verbindungslinien zur ägyptischen Königsideologie zu ziehen, wie es Matthias Albani tut[8], ist m.E. Nonsens. Dass schlichte Gemüter aus diesem Vers die Geschichte eines Sterns in astronomischem Sinn herausdestilliert haben, scheint mir nicht sehr wahrscheinlich, allerdings ist es auch nicht auszuschließen.
Die Astrologen ziehen nach Bethlehem, sehen jetzt auch den Stern wieder und kommen in das Haus (das durch den Stern bezeichnet wurde?) Sie finden Maria und Jesus, erweisen Jesus ihre Verehrung (in Form der orientalischen Proskynesis) und beschenken ihn mit Gold, Weihrauch und Myrrhe. Gott weist sie an, ihren Rückweg nicht über Jerusalem zu nehmen.
Wie die Sterndeuter das richtige Haus finden und was sie veranlasst, in genau jenem Baby den zukünftigen König zu erkennen, erfahren wir nicht. Den Geschenken wird meist symbolische Bedeutung zugeschrieben: Gold = Königtum, Weihrauch = Priestertum, Myrrhe = Arzttum (weil medizinisch verwendet) oder Hinweis auf das spätere Leiden.
Josef bekommt den Befehl, mit Weib und Kind nach Ägypten zu fliehen. Auf diese Weise gilt, was der Prophet vom Volk Israel sagt („aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen“), auch für Jesus als Person.
Herodes lässt, um potentielle Thronprätendenten auszuschalten, alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren in Bethlehem und Umgebung töten.
Skupellos genug wäre Herodes gewesen, um so etwas zu tun. Aber als aufgeklärter hellenistischer Herrscher hat er wohl weder an Astrologie noch an die atl. Prophetie geglaubt. Und man würde doch erwarten, dass Flavius Josephus über die Ermordung von ein bis zwei Dutzend Säuglingen (viel mehr können es nicht gewesen sein) berichtet hätte. Aber Mt ist unser einziger Gewährsmann.
Nach dem Tod des Herodes (4 v.Chr.) kehrt die heilige Familie zurück nach Israel, aber nicht mehr nach Judäa, sondern nach Galiläa, wo sie sich in der kleinen Ortschaft Nazareth niederlassen. Damit erfüllt sich erneut ein Prophetenwort („er wird Nazoräer genannt werden“), das aber keiner Stelle klar zugeordnet werden kann und dessen Sinn auch unklar ist (s. Nazoräer).
Die ganze Geschichte wird von der historisch-kritischen Exegese als Legende abgetan. Jungfrauengeburt, Flucht nach Ägypten, Kindermord in Bethlehem sind eventus ex vaticinio (Ereignisse, die als Erfüllung atl. Prophezeiungen ersonnen wurden). Ebenso der Geburtsort Bethlehem, der zwar nicht per se bezweifelt zu werden braucht, aber Mt und Lk geben zwei ganz verschiedene Erklärungen dafür, wieso der Nazarener in Bethlehem zur Welt gekommen ist – und beide können nicht wirklich überzeugen. Übrig bleibt die Zeitangabe, dass Jesus in den letzten Regierungsjahren des Herodes geboren wurde.
Allerdings wird von der historisch-kritischen Exegese wohl öfters Ursache mit Wirkung verwechselt: Stellen wie Ps 72,10f.15 oder Jes 60,3.6 wurden erst von der spätantiken Schriftauslegung auf die Magier übertragen und diese machte so aus den heidnischen Astrologen, Schamanen, oder was immer sie waren, die heiligen drei Könige – nicht umgekehrt.
Die näheren Umstände der Geburt Jesu sind heilsgeschichtlich nicht relevant (sonst könnten Mk und Joh nicht so einfach auf sie verzichten), sondern sie haben zeichenhaften Charakter. Bei Mt ist Jesus der Messias, in dem sich viele atl. Prophezeiungen erfüllen. Und zwar ist er Messias im spezifisch jüdischen Sinn des Wortes: der zum König Gesalbte („der neugeborene König der Juden“). Die Verehrung durch die heidnischen Sterndeuter verweist auf die Universalität des Messiastums Jesu (er ist Heilsbringer auch für die Heiden), der Kindermord wohl auf die spätere Ablehnung durch die Juden.
Wie die Jungfrau zum Kinde kam, wird bei Lk viel ausführlicher erzählt: der Engel Gabriel wird nach Nazareth geschickt (denn dort sind Josef und Maria anscheindend zu Hause) und kündigt Maria an, dass sie schwanger werden wird durch die Kraft des heiligen Geistes (d.h. ohne dass sie in einer sexuellen Beziehung zu einem Mann lebt). Maria akzeptiert das („mir geschehe, wie du gesagt hast“), obwohl es sie voraussichtlich in eine sehr schwierige Situation bringen wird – was wird ihr Verlobter dazu sagen? Josef hat es offenbar akzeptiert. Ob er Marias Geschichte geglaubt hat (oder nicht doch vermutet hat, dass sich während ihres Besuches bei Elisabeth [Lk 1,39-56] etwas ganz Profanes zugetragen hat), wird nicht gesagt.
Wie aus 1,5 hervorgeht, datiert auch Lk diese Ereignisse in die Regierungszeit des Königs Herodes.
Wegen einer von Kaiser Augustus reichsweit angeordneten Eintragung in Steuerlisten muss sich Josef mitsamt seiner hochschwangeren Verlobten nach Bethlehem begeben.
Lk sagt, dass der Zensus geschah, als Quirinus (= P. Sulpicius Quirinius) Befehlshaber/ Statthalter von Syrien war. Der Reichszensus des Augustus 8. v.Chr. betraf aber nur römische Bürger (Mon.Anc. 8). Hier muss es sich um einen Provinzialzensus handeln, aber Judäa war 8 v.Chr. noch keine Provinz, sondern ein Klientelkönigreich. Quirinius war Statthalter von Syrien erst, nachdem Judäa röm. Provinz wurde, d.h. ab 6 n.Chr. Sein Zensus 6/7 n.Chr. rief in Judäa erheblichen Widerstand hervor. Eine Art Vorerhebung (vielleicht ist das gemeint mit 2,2 „diese Eintragung war die erste“) in der Regierungszeit des Herodes (als Quirinius möglicherweise Befehlshaber einiger Legionen in Syrien war und in dieser Eigenschaft im Auftrag Roms auch zivilrechtliche Kompetenzen ausüben konnte) wäre zwar denkbar, ist aber nirgends belegt. Wieso Josef zu diesem Zensus nach Bethlehem muss, bleibt unklar. Man müsste denn annehmen, dass er – wie es Mt voraussetzt – Bethlehemit war und dort Grundbesitz hatte (und sich nur vorübergehend oder erst seit kurzem in Nazareth aufgehalten hat). Aber auch dann bleibt unklar, wozu er seine hochschwangere Verlobte mitschleppen muss.
In Bethlehem hat Maria ihre Niederkunft. Sie muss ihr Kind in eine Krippe legen, weil kein Platz in der Herberge ist. Daraus wurde oft der Schluss gezogen, dass Jesus in einem Stall zur Welt gekommen ist, aber von einem Stall ist hier sowenig die Rede wie bei Mt. Krippen gab es in Palästina in jedem Bauernhaus (lt. Rieneckers Lexikon zur Bibel, s.v. Krippe, Haus I 2). Auch ist schwer vorstellbar, dass man eine Gebärende aus Platzmangel kurzerhand in den Stall schickt. (Aus dem gleichen Grund ist die Geschichte von der Herbergssuche als mitleidheischende Erfindung anzusehen: in der orientalischen Kultur, in der Gastfreundschaft so wichtig ist, wird man einer Frau, die kurz vor ihrer Niederkunft steht, nicht leicht die Tür weisen.)
Diese Auffassung steht wohl auch hinter Luthers Wiedergabe von 2,7: „denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge“. Für das „sonst“ gibt es keinen Anhalt im Text. Eine Krippe ist im allgemeinen eine steinerne Rinne oder ein Trog an der Grenze des von den Menschen bewohnten höhergelegenen Teils eines Hauses und des von den Tieren bevölkerten tiefergelegenen Teils (vielleicht so wie auf einer Grafik von Scott Orr; anders – auf zwei Stockwerke verteilt – auf einer Illustration auf Bible Archaeology). Das Wort Krippe weckte bei Christen die Assoziation an Jes 1,3: „Ein Ochse kennt seinen Besitzer, ein Esel die Krippe seines Herrn; Israel kennt ihn nicht...“ Von daher gelangten Ochse und Esel in bildliche Darstellungen des Weihnachtsgeschehens.
Zum Thema Stall sei hier eine Stelle aus Nikos Kazantzakis, Die letzte Versuchung, mitgeteilt: Gegen Ende des 23. Kap. bekommt der Jünger Matthäus, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Jesu Worte und Taten aufzuschreiben, von einem Engel den Befehl, zu schreiben, dass Jesus in Bethlehem geboren sei (wegen Mi 5,1). Und weiter sagt der Engel: Στὴ Βηθλεὲμ τὸ λοιπὸν γεννήθηκε ὁ Ἰησοῦς καὶ μέσα σὲ στάβλο· τί λέει ὁ ἀλάθευτος ψαλμός; ‟Τὸν ἔβγαλε ἀπὸ τὸ στάβλο, ὅπου βύζαιναν τ’ἀρνιά, γιὰ νὰ τὸν κάμει βοσκὸ στὰ κοπάδια τοῦ Ἰακώβ.” („In Bethlehem also wurde Jesus geboren, und in einem Stall; was sagt der unfehlbare Psalm: ‚Er holte ihn vom Stall, wo die Lämmer saugten, um ihn zum Hirten über die Herden Jakobs zu machen.‘“) Die genannte Psalmenstelle dürfte Ps 78,70f sein. Doch der hebr. Text spricht genaugenommen von „Hürden, Pferchen, Gehegen“, die LXX und die neugriech. Übersetzung des Neophytos Vamvas (die zu Kazantzakis' Zeit m.W. die einzige war) von „Herden“. Wie Kazantzakis auf die Wiedergabe mit „Stall“ kommt, kann ich nicht sagen.
Dass Josef und Maria in einer Herberge (gr. κατάλυμα katályma) übernachten, spricht nicht für die Annahme, Josef habe in Bethlehem Besitz oder auch nur Verwandtschaft gehabt. Katályma bedeutet wörtl. „Ausspann“ („ort wo man [scil. die pferde] ausspannen kann“ [DWB s.v.], „wirtshaus, schenke mit unterstellmöglichkeit für vieh und fuhrwerke“ [DWB Neubearb. s.v., 2]), d.h. „Herberge, Quartier, Unterkunft“. Dasselbe Wort wird z.B. in der LXX in Ex 4,24 verwendet (für hebr. מָלֹון mālôn „Nachtquartier, Karawanserei“). Es kann wohl auch ein Gästezimmer o.ä. bezeichnen wie in Mk 14,14 (|| Lk 22,11). Doch ist in unserem Kontext das Verständnis, das auch die Vulg. zeigt – lat. diversorium (klass. de-) „Herberge, Gasthaus“ – das nächstliegende.
Hirten, die des Nachts ihre auf freiem Feld lagernde Herde bewachen, haben eine Erscheinung von Engeln, die ihnen mitteilt, dass heute in Bethlehem der Messias geboren worden sei. Sie würden das Kind in einer Krippe finden.
Während in der Weihnachtsgeschichte bei Mt Gott seinen Willen hauptsächlich durch Träume kundtut, treten bei Lk mehrmals Engel auf.
Die Hirten beschließen, nach Bethlehem zu gehen und sich die Sache selber anzuschauen (und lassen ihre Herde unbeaufsichtigt zurück? V. 20). Sie finden das Kind in der Krippe und erzählen, was ihnen die Engel verkündet haben.
Ein Zensus des Quirinius während der Regierungszeit des Herodes ist mit vielen Fragezeichen behaftet und wird in dieser Form von vielen Fachleuten bezweifelt. Andererseits gewinnt man bei Lk nicht den Eindruck, es sei von theologischer Bedeutung, dass Jesus in Bethlehem geboren wird. Eine Geburt in Nazareth hätte seiner Messianität für Lk wohl keinen Abbruch getan.
Während bei Mt Jesus der König der Juden ist, dem von heidnischen Würdenträgern gehuldigt wird, ist er bei Lk der Messias der kleinen Leute: er muss in einer Futterkrippe liegen und Hirten besuchen ihn.
Eine ausführliche Liste von Literatur und Links zum Thema bietet die Star of Bethlehem Bibliography. Babylonische Astrologie ist eine Wissenschaft für sich. Eine kurze allgemeinverständliche Einführung liefert Mathieu Ossendrijver[9]. Ausführlich dagegen Hunger und Pingree[10].
Gehen wir einmal davon aus, dass die Überlieferung vom Stern von Bethlehem Mt 2 eine historische Grundlage hat. Welches astronomische Ereignis könnte sie dann beschreiben? Was kann persische oder babylonische Astrologen veranlasst haben, auf die Geburt eines jüdischen Königs zu schließen? Und was hat sie auf den Weg nach Jerusalem gebracht?
Mt sagt uns nicht, wer genau die Magoi aus dem Osten waren. Aber sie beobachteten den Sternenhimmel und zogen daraus mundanastrologische Schlußfolgerungen. Ob das auch auf zoroastrische Priester passt, vermag ich nicht zu sagen (ich habe bisher keinen Beleg gefunden, dass die antiken Zoroastrier auch Astrologie betrieben hätten). Ganz sicher aber passt es auf babylonische Astrologen.
Werner Gitt meint[11], es habe sich um gläubige Juden gehandelt. Das halte ich für eher unwahrscheinlich. Denn gläubige Juden haben unseres Wissen keine astrologischen Beobachtungen angestellt (s.u.). Und sollte man nicht annehmen, dass uns Mt diese nicht unwesentliche Tatsache mitgeteilt hätte? Siegfried Zimmer sieht[12] in den Magoi zoroastrische Sternforscher (d.h. Astronomen und Astrologen), die zugleich Staatsbeamte des Partherreiches waren. Ausführlich zu den Magoi und zum Für und Wider der verschiedenen Thesen auf meiner Seite Was ist ein Mager?.
Wieso nahmen die Gelehrten aus dem Osten eine mehrwöchige Reise auf sich, um einem weltpolitisch irrelevanten König zu huldigen? Entweder hingen sie einer messianischen Erwartung, nicht unähnlich der jüdischen, an. (Davon geht auch Zimmer aus.) Oder sie waren, wie Simo Parpola andeutet[13], auf der Suche nach einem gutdotierten Job („The birth of a new king meant a new court, and a new court was in need of skilful astrologers.“) Mir erscheint ersteres plausibler.
Die Beschreibung des Sterns passt m.E. am ehesten auf einen Wandelstern, d.h. einen Planeten. (Mit bloßem Auge sind die Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn sichtbar.)
Wie könnte ein astronomisches Ereignis ausgesehen haben, das auf die Geburt eines (messianischen) Königs der Juden verweist? Die Ausgabe der Omentexte[14] zeigt, wie die Planetenomina der babylonischen Omensammlung Enūma Anu Enlil funktionieren: Es handelt sich um lange Listen der Form "Monat X: wenn Y, dann Z." Y ist dabei ein ein besonderes Aussehen des Planeten beim Aufgang, eine Konjunktion o.ä. Z ist das dadurch angezeigte kommende Ereignis, eine Hungersnot, der Tod des Königs usw. An geographischen Regionen werden nur Akkad (Babylonien), Subartu (Assyrien), Elam (Iran) und Amurru (der Westen, d.i. Syrien, Libanon, Palästina) unterschieden.
Ein Schema der Art „Jupiter steht für die Geburt eines Königs, Saturn für das Volk der Juden“ ist schon konzeptuell nicht erkennbar. Diese Art von Systematisierung passt eher zu der öfter zitierten Tetrabiblos des Claudius Ptolemaios[15] (2.Jh. n.Chr.). Ptolemaios ordnet den Himmelsobjekten (Sonne, Mond, Planeten, Sternbilder) Kategorien wie warm/kalt, feucht/trocken, männlich/weiblich, Tag/Nacht zu. Wie sich daraus auf die Geburt eines Königs in Israel schließen lässt, kann ich nicht erkennen.
Zwar schreibt Ptolemaios, dass sich aus dem Stand der Planeten
vor der Geburt und zum Zeitpunkt der Geburt eines Menschen dessen zukünftiges
Schicksal ablesen lasse:
„Denn wenn beide Lichter [Sonne und Mond] in männlichen Tierkreiszeichen sind
und entweder ebenfalls beide oder (nur) das eine über dem Mittelpunkt, und
besonders wenn das (Licht) der Sekte [die Planeten sind unterteilt in eine
Tages- und eine Nachtsekte] von den fünf Planeten eskortiert wird, die Sonne
unter dem Osten, der Mond unter dem Westen, werden die Geborenen Könige
sein.“[16]
Ich bezweifle aber, dass sich aus solchen Angaben umgekehrt schließen lässt,
dass irgendwo ein solcher Mensch geboren worden sein muss.
Über die Zuordnung von Planeten und Tierkreiszeichen zu Ländern und deren
Bewohnern schreibt er:
„Und von diesen wiederum sind die in der Gegend von Koilesyrien, Idumäa und
Judäa mit Widder und Mars stärker verbunden. Deshalb sind sie im Allgemeinen
mutig, gottlos und tückisch.“[17]
An dieser Stelle ein wenig Wissenschaftsgeschichte:
Die Konjunktion von Jupiter und Saturn im Sternbild Fische als Kandidat für den Stern von Bethlehem wird seit Keplers Schrift zum Thema[18] diskutiert. Johannes Kepler (1571-1630) hatte die Supernova von 1604 beobachtet, die auf eine solche Konjunktion gefolgt war, und angenommen, die Konjunktion habe die Nova verursacht. Daher vermutete er, dass es auch 7/6 v.Chr. eine ähnliche Nova gegeben haben müsse. Dies sei der Stern von Bethlehem gewesen.
Vor allem seit man weiß, dass Novae nichts mit Konjunktionen zu tun haben, wird die Konjunktion selbst als möglicher Stern von Bethlehem diskutiert. Dass die Babylonier die Jupiter-Saturn-Konjunktion des Jahres 7 v.Chr. vorherberechnet haben, gilt seit einem Aufsatz Paul Schnabels[19] als gesichert. Doch hat Schnabel diese Konjunktion nur deshalb interessiert, weil sie den Text datierbar machte; auf den Stern von Bethlehem hat er sie nicht bezogen. Das hat erst Johann Schaumberger (allerdings ablehnend) getan[20].
Die Behauptung, Saturn sei Israels Planet gewesen (Tac.hist. 5,4), geht nach Schaumberger[21] darauf zurück, dass der jüdische Sabbat mit dem römischen dies Saturni zusammenfiel (doch s.a. Am 5,26). Aber in der babylonisch-assyrischen Astrologie sei Mars der Planet des Westlandes (Amurru) gewesen. Was das Sternbild Fische als Sternbild Israels betrifft, so richteten sich die messianischen Erwartungen der jüdischen Astrologen zunächst auf den Wassermann, erst danach auf die Fische. In der babylonischen Astrologie sei nur der südwestliche Teil der Fische dem Westland zugerechnet worden.
Levi ben Geršon (1288-1344) äußerte in seiner Vorhersage der Konjunktion von 1345[22] die Überzeugung, eine Konjunktion von Jupiter und Saturn verweise auf „große und allgemeine Angelegenheiten“ (§7). Er erwartete Krieg und den Untergang eines Reiches, Krankheit und Hungersnot u.ä. Die Konjunktion fand im Sternbild Wassermann statt, die Levi ben Geršon mit dem „Land Israel und Ägypten und Griechenland“ verband (§22).
Schaumberger berichtet auch von Isaak Arbabanel (יצחק אברבנאל, auch Abrabanel transkribiert, 1437-1508), der in seinem Danielkommentar[23] die Konjunktion von 1464 als „gewaltige“ (sich nur alle 3000 Jahre ereignend) bestimmte und mit der Geburt des Messias verband. Doch sein Werk war mir so wenig verfügbar, wie das von Māšāʾallāh ibn-Aṯarī (ما شاء الله ابن أثرى, lat. Messa(h)ala(h), ca. 740–815), einem arabisch schreibenden jüdischen Astrologen, der vom Wikipedia-Art. Stern von Betlehem als älterer jüdischer Gewährsmann für die Konjunktionshypothese genannt wird. Rosenberg projiziert die jüdische Astrologie Arbabanels zurück in die Zeit des babylonischen Exils und verbindet sie auch noch mit der griechischen Mythologie, für die zu allem Überfluss kanaanitische Herkunft in Betracht gezogen wird. Zu viel haltlose Spekulation.[24]
Humphreys optiert für einen Kometen des Jahres 5 v.Chr., der in chinesischen Annalen verzeichnet ist.[3] Unerklärt bleibt dabei, wieso der Hof des Herodes von diesem Kometen nichts bemerkt haben will. Humphreys zwängt den Text in das Prokrustesbett seiner Auslegung. Denn nirgends steht, dass es sich um einen Einzelstern („single star“) handelte. Nirgends wird gesagt, dass sich der Stern von Osten nach Süden bewegte. (Die Möglichkeit, dass „im Aufgang“ auch „im Morgenland“ bedeuten kann, wird ignoriert. Von Süden ist im Text ohnedies nie die Rede.) Humphreys ignoriert auch, dass (ἕως) ἐλθὼν ἐστάθη wörtl. „(bis er, scil. der Stern) gekommen (d.h. kam und) hingestellt/zum Stehen gebracht wurde“ bedeutet (Menge: „(bis er) stehen blieb“, Rienecker: „sagt im Unterschied von ἔστη, daß d. Stern zum Stehen gebracht wurde, stillstand“). Humphreys übersetzt platterdings „stood over“. In der zitierten Vergleichsstelle des Josephus (bell.Iud. 6,289) steht ἔστη (wörtl. „er trat hin, blieb stehen“).
Vielleicht haben die Magoi die Bedeutung der Erscheinung gar nicht aus der Art der Erscheinung selbst erschlossen, sondern auf andere Weise erfahren; z.B. durch einen Traum wie in Mt 2,12, wo Gott den Magoi auf diese Weise befiehlt, nicht zu Herodes zurückzukehren. Aber wieso wurden sie dann nicht gleich nach Bethlehem gewiesen?
Etliche Ausleger glauben, dass es sich bei dem Stern gar nicht um ein uns bekanntes astronomisches Phänomen gehandelt hat, sondern um ein Wunder, das Gott exklusiv anlässlich der Geburt seines Sohnes gewirkt hat. Z.B. Werner Gitt, der den Stern aber für nichts destoweniger historisch hält. Oder Matthias Albani, der der Sterngeschichte allerdings nur eine „religiöse Wirklichkeit“ zuerkennt[25]. Ebenso Marius Reiser, der die Geschichte für eine symbolische Erzählung hält und im übrigen der lukanischen Version den Vorzug gibt[26].
Ausführlich zugunsten der Historizität des Lk votieren Philipp Filtzinger[27] und zwei Seiten von BibleHistory[28]. Ablehnend dagegen z.B. Hans Klein[29].
Der als Inschrift veröffentlichte Rechenschaftsbericht des Kaisers Augustus (res gestae divi Augusti, verfasst kurz vor seinem Tode 14 n.Chr.) wird nach der am vollständigsten erhaltenen (zweisprachigen) Kopie häufig auch Monumentum Ancyranum genannt. In § 8 berichtet der Kaiser von seinen Volkszählungen[30].
Et in consulatu sexto censum populi conlega M. Agrippa egi. Lustrum post annum alterum et quadragensimum feci. Quo lustro civium Romanorum censa sunt capita quadragiens centum millia et sexaginta tria millia. [Tum iteru]m consulari cum imperio lustrum solus feci C. Censorin[o et C.] Asinio cos. Quo lustro censa sunt civium Romanoru[m capita] quadragiens centum millia et ducenta triginta tria m[illia. Et tertiu]m consulari cum imperio lustrum conlega Tib. Cae[sare filio meo feci] Sex. Pompeio et Sex. Appuleio cos. Quo lustro ce[nsa sunt civium Ro]manorum capitum quadragiens centum mill[ia et nongenta tr]iginta et septem millia. | Und in meinem sechsten Konsulat [28 v.Chr.] habe ich eine Volkszählung durchgeführt, wobei Marcus Agrippa mein Amtskollege war. Das (abschließende) Sühneopfer habe ich nach 42 Jahren (erstmals wieder?) durchgeführt. Bei diesem Sühneopfer wurden 4.063.000 römische Bürger gezählt. Dann habe ich mit meiner konsularischen Gewalt ein zweites Mal allein unter den Konsuln Gaius Censorinus und Gaius Asinius [8 v.Chr.] ein Sühneopfer durchgeführt. Bei diesem Sühneopfer wurden 4.233.000 römische Bürger gezählt. Und ein drittes Mal habe ich mit meiner konsularischen Gewalt unter den Konsuln Sextus Pompeius und Sextus Apuleius [14 n.Chr.] ein Sühneopfer durchgeführt, wobei mein Sohn Tiberius Caesar mein Amtskollege war. Bei diesem Sühneopfer wurden 4.937.000 römische Bürger gezählt. |
Mit dem abschließenden Sühneopfer (lustrum) erlangte die Zählung/ Eintragung (census) Gültigkeit. „Ein Sühneopfer durchführen“ ist hier also synonym mit „eine Volkszählung abhalten“. Bei diesen Zensus ging es um die Ermittlung der römischen Bürger. Der griech. Text bezeichnet die Zählungen als ἀποτίμησις „Abschätzung“, Lk spricht von ἀπογραφή „Aufschreiben, Eintragung“.
Der jüdische Historiker Flavius Josephus berichtet in seinen Jüdischen Altertümern (Antiquitates Iudaicae 17,355 [=17,13,5]; 18,1-3 [=18,1,1]; 18,26 [=18,2,1]) vom Zensus des Quirinius 6 n.Chr.[31].
17 355 τῆς δʼ Ἀρχελάου χώρας ὑποτελοῦς προσνεμηθείσης τῇ Σύρων πέμπεται Κυρίνιος ὑπὸ Καίσαρος ἀνὴρ ὑπατικὸς ἀποτιμησόμενός τε τὰ ἐν Συρίᾳ καὶ τὸν Ἀρχελάου ἀποδωσόμενος οἶκον. | Nachdem das tributpflichtige Land des Archelaos dem der Syrer zugeteilt worden war, wurde Quirinius, ein ehemaliger Konsul, vom Kaiser geschickt, um die Vermögen in Syrien zu schätzen und das Haus des Archelaos zu verkaufen. |
18 1 Κυρίνιος δὲ τῶν εἰς τὴν βουλὴν συναγομένων ἀνὴρ τάς τε ἄλλας ἀρχὰς ἐπιτετελεκὼς καὶ διὰ πασῶν ὁδεύσας ὕπατος γενέσθαι τά τε ἄλλα ἀξιώματι μέγας σὺν ὀλίγοις ἐπὶ Συρίας παρῆν, ὑπὸ Καίσαρος δικαιοδότης τοῦ ἔθνους ἀπεσταλμένος καὶ τιμητὴς τῶν οὐσιῶν γενησόμενος, 2 Κωπώνιός τε αὐτῷ συγκαταπέμπεται τάγματος τῶν ἱππέων, ἡγησόμενος Ἰουδαίων τῇ ἐπὶ πᾶσιν ἐξουσίᾳ. παρῆν δὲ καὶ Κυρίνιος εἰς τὴν Ἰουδαίαν προσθήκην τῆς Συρίας γενομένην ἀποτιμησόμενός τε αὐτῶν τὰς οὐσίας καὶ ἀποδωσόμενος τὰ Ἀρχελάου χρήματα. 3 οἱ δὲ καίπερ τὸ κατʼ ἀρχὰς ἐν δεινῷ φέροντες τὴν ἐπὶ ταῖς ἀπογραφαῖς ἀκρόασιν ὑποκατέβησαν τοῦ μὴ εἰς πλέον ἐναντιοῦσθαι πείσαντος αὐτοὺς τοῦ ἀρχιερέως Ἰωαζάρου, Βοηθοῦ δὲ οὗτος υἱὸς ἦν. καὶ οἱ μὲν ἡττηθέντες τοῦ Ἰωαζάρου τῶν λόγων ἀπετίμων τὰ χρήματα μηδὲν ἐνδοιάσαντες. | Quirinius aber, einer von denen, die in den Senat aufgenommen worden waren, der sowohl die übrigen Ämter ausgefüllt hatte und, nachdem er alle durchlaufen hatte, Konsul geworden war, als auch in den übrigen Belangen an Ansehen groß, kam mit wenigen (Begleitern) nach Syrien, vom Kaiser als Richter des Volkes gesandt und um Abschätzer der Vermögen zu werden. Und mit ihm wurde Coponius hinabgeschickt, aus dem Ritterstand, um über Judäer zu herrschen mit der Vollmacht über alle. Auch Quirinius kam nach Judäa, das ein Anhängsel Syriens geworden war, um ihre Vermögen abzuschätzen und die Güter des Archelaos zu verkaufen. Diese aber [die Judäer] waren zwar anfangs äußerst ungehalten, als sie von den Eintragungen hörten, gingen aber allmählich dazu über, sich nicht weiter zu widersetzen, da sie der Hohepriester Joazar überredete – dieser war ein Sohn des Boethos. Und sie nun fügten sich den Worten des Joazar und schätzten ohne Bedenken ihre Güter. |
Es folgt ein Bericht über den durch diesen Zensus veranlassten Aufstand von Judas und Saddok und eine Digression über die Unterschiede zwischen Pharisäern, Sadduzäern und Essenern. | |
26 Κυρίνιος δὲ τὰ Ἀρχελάου χρήματα ἀποδόμενος ἤδη καὶ τῶν ἀποτιμήσεων πέρας ἐχουσῶν, αἳ ἐγένοντο τριακοστῷ καὶ ἑβδόμῳ ἔτει μετὰ τὴν Ἀντωνίου ἐν Ἀκτίῳ ἧτταν ὑπὸ Καίσαρος, Ἰωάζαρον τὸν ἀρχιερέα καταστασιασθέντα ὑπὸ τῆς πληθύος ἀφελόμενος τὸ ἀξίωμα τῆς τιμῆς Ἄνανον τὸν Σεθὶ καθίσταται ἀρχιερέα. | Als Quirinius die Güter des Archelaos bereits verkauft hatte und die Vermögensabschätzungen zu Ende waren, die im 37. Jahr nach der Niederlage des Antonius gegen den Kaiser bei Actium [6 n.Chr.] stattfanden, entzog er dem Hohenpriester Joazar, der von der Menge durch Aufruhr gestürzt wurde, die Ehre des Amtes und setzte Ananus, den Sohn Sethis, als Hohenpriester ein. |
Josephus spricht mehrmals von ἀποτιμᾶν/ἀποτίμησις, einmal aber von ἀπογραφή. Die Termini scheinen im Kontext einigermaßen synonym zu sein.
Einen Nachruf auf Quirinius lesen wir in den Annalen des Tacitus, verfasst in den 110er Jahren, Tac. Ann. 3,48[32].
Sub idem tempus, ut mors Sulpicii Quirini publicis exsequiis frequentaretur, petivit a senatu. nihil ad veterem et patriciam Sulpiciorum familiam Quirinius pertinuit, ortus apud municipium Lanuvium, sed impiger militiae et acribus ministeriis consulatum sub divo Augusto, mox expugnatis per Ciliciam Homonadensium castellis insignia triumphi adeptus; datusque rector C. Caesari Armeniam obtinenti Tiberium quoque Rhodi agentem coluerat. quod tunc patefecit in senatu, laudatis in se officiis et incusato M. Lollio, quem auctorem C. Caesari pravitatis et discordiarum arguebat. sed ceteris haud laeta memoria Quirini erat ob intenta, ut memoravi, Lepidae pericula sordidamque et praepotentem senectam. | Um dieselbe Zeit bat er [Kaiser Tiberius] den Senat, dass der Tod des Sulpicius Qurinius [21 n.Chr.] mit einer öffentlichen Leichenfeier begangen werde. Quirinius gehörte nicht zur alten patrizischen Familie der Sulpizier, er wurde in der Landstadt Lanuvium geboren [ca. 45 v.Chr.], aber unermüdlich im Krieg und durch eifrige Dienste hat er unter dem vergöttlichten Augustus das Konsulat [12 v.Chr.], bald darauf durch Eroberung der Festungen der Homonadenser in Kilikien [11-7 v.Chr.? 5-3?] die Ehrenzeichen des Triumphes erlangt; und er wurde dem Gaius Caesar, als dieser Armenien innehatte [1-3 n.Chr.], als Lenker gegeben, hatte auch den Tiberius, als er sich in Rhodos aufhielt [6 v.-2 n.Chr.], geehrt. Das offenbarte er damals im Senat, wobei er die Dienste gegen ihn lobte und den Marcus Lollius beschuldigte, den er bezichtigte, für Gaius Caesar der Anstifter der Schlechtigkeit und der Zwistigkeiten gewesen zu sein. Aber im übrigen [oder: bei den übrigen] war die Erinnerung an Quirinius nicht erfreulich wegen der, wie ich berichtet habe, gegen Lepida angestrengten Prozesse [20 n.Chr.] und seinem habsüchtigen und mächtigen Alter. |
Verteidiger der Historizität des Lk-Berichtes vermuten, dass Quirinius bei seinem Kampf gegen die Homonadenser Befehlshaber der in Syrien stationierten Legionen war und damit automatisch auch Statthalter von Syrien. Auf ihn beziehen sie mit Theodor Mommsen auch die akephale (d.h. kopflose, weil der Kopfteil fehlt, in dem der Name genannt war) Inschrift von Tibur[33].
[r]egem, qua redacta in pot[estatem imp(eratoris) Caesaris] Augusti populique Romani senatu[s dis immortalibus] supplicationes binas ob res prosp[ere gestas, et] ipsi ornamenta triumph[alia decrevit]; proconsul Asiam provinciam op[tinuit; legatus pr(o) pr(aetore)] divi Augusti iterum Syriam et Ph[oenicen optinuit]. |
den König, nachdem er [der Volksstamm der Homonadenser?] unter die Herrschaft des Kaisers Caesar Augustus und des Senates des römischen Volkes gebracht worden war, erkannte er den unsterblichen Göttern zwei Dankfeste zu wegen der günstig verlaufenen Ereignisse und ihm selbst die Triumphinsignien; als Proconsul hatte er die Provinz Asien inne; als Legat des vergöttlichten Augustus im Prätorenrang hatte er zum zweiten Mal Syrien und Phönizien inne. |
Allerdings ist fraglich, ob Quirinius wirklich Statthalter der Provinz Asien gewesen ist. Die Inschrift kann sich auch auf jemand anderen beziehen, diskutiert wird z.B. Lucius Calpurnius Piso (der Pontifex).
Eine der Inschriften, die sich definitiv auf Quirinius beziehen, ist CIL 3,6687[34].
Q. Aemilius Q. f. Pal(atina, scil. tribu) Secundus [in] castris divi Aug. s[ub] P. Sulpi[c]io Quirinio le[g. Aug.] C[a]esaris Syriae honori- bus decoratus, pr[a]efect. cohort. Aug. I, pr[a]efect. cohort. II classicae; idem iussu Quirini censum egi Apamenae civitatis mil- lium homin. civium CXVII; idem missu Quirini adversus Ituraeos in Libano monte castellum eorum cepi; et ante militiem praefect. fabrum delatus a duobus cos. ad ae- rarium, et in colonia quaestor, aedil. II, duumvir II, pontifexs. ibi positi sunt Q. Aemilius Q. f. Pal(atina) Secundus f. et Aemilia Chia lib(erta). h(oc) m(onumentum) amplius h(eredem) n(on) s(equitur). |
Quintus Aemilius Secundus, des Quintus Sohn, aus dem palatinischen Stimmbezirk, im Lager des vergöttlichten Augustus unter Publius Sulpicius Qurinius, dem Legaten des Augustus Caesar in Syrien, mit Ehrungen ausgezeichnet, Präfekt der ersten Kohorte des Augustus, Präfekt der zweiten Flottenkohorte; ebenso führte ich auf Befehl des Quirinius einen Zensus der 117.000 Bürger der Stadt Apameia [am Orontes, in Nordsyrien] durch; ebenso nahm ich auf Sendung des Quirininus gegen die Ituräer im Libanongebirge ihre Festung ein; und vor dem Heeresdienst Werkmeister, von den beiden Konsuln in die staatlichen Listen eingetragen, und in der Landstadt Quästor, zweimal Ädil, zweimal Duumvir, Priester. Dort sind beigesetzt Quintus Aemilius Secundus, des Quintus Sohn, aus dem palatinischen Stimmbezirk, und die Freigelassene Aemilia Chia. Dieses Grabmal fällt nicht weiter an den Erben. |
Der Grabstein eines Präfekten (Befehlshaber, Kommandant), der unter Quirinius in Syrien tätig war und u.a. damit beauftragt war, in einer großen syrischen Stadt den Zensus durchzuführen.
Um das leidige Problem von Lk 2,2 loszuwerden, meinen manche apologetische Autoren, man könne oder müsse Lk 2,2 anders übersetzen. So etwa F. F. Bruce, wenn er schreibt[35]: „Luke 2:2, which mentions Quirinius in connection with an earlier census, is best translated ‘This enrollment was before that made when Quirinius was governor of Syria’.“ („Lk 2,2, das Quirinius in Verbindung mit einem früheren Zensus erwähnt, wird am besten übersetzt mit: Diese Eintragung geschah vor derjenigen, die durchgeführt wurde, als Quirinius Statthalter von Syrien war.“) Bruce verweist dabei auf Nigel Turner.
Turner weist darauf hin[36], dass griech. πρῶτος nicht nur „erster (von mehreren)“ bedeutet, sondern auch „ersterer, früherer (von zweien)“. (Tatsächlich kann es in diesem Sinne sogar mit Vergleichsgenetiv stehen, z.B. Joh 1,15 πρῶτός μου „früher als ich“, „erster vor mir“ o.ä.) Daher schlägt Turner vor, Lk 2,2 zu übersetzen: „This census was before the census which Quirinius, governor of Syria, made.“ („Dieser Zensus geschah vor dem Zensus, den Quirinius, Statthalter von Syrien, durchführte.“) bzw. „This census was prior to (the census) of Quirinius.“ („Dieser Zensus geschah eher als (der Zensus) des Quirinius.“) Dabei ist allerdings nicht klar, wie genau Turner den Genetiv ἡγεμονεύοντος… Κ. grammatikalisch auffasst: Als Vergleichsgenetiv? Als possessiver Genetiv, bei dem das Bezugswort gedanklich zu ergänzen ist?
Schon G. B. Winer kannte diesen Übersetzungsvorschlag und lehnte ihn (wie auch Turner weiß) ab[37]: „Ganz verfehlt ist […]: sie geschah früher als (bevor) Q. Statthalter war. Luc. würde so nicht nur zweideutig geschrieben haben (denn die Uebersetzung: sie geschah als erste unter der Verwaltung des Q., stellt sich als die nächste und natürlichste dar), sondern auch ungeschickt, wo nicht sprachwidrig […]“.
Darauf hinzuweisen ist auch, dass ἀπογραφή ohne Artikel steht; es ist also nicht Subjekt (wie Turners Übersetzung nahelegt), sondern Prädikatsnomen: αὕτη ἀπογραφὴ πρώτη ἐγένετο „dies war die erste Eintragung“ (vgl. Lk 1,36 οὗτος μὴν ἕκτος ἐστίν „dies ist der sechste Monat“, 2Petr 3,1 ταύτην δευτέραν γράφω ἐπιστολήν „diesen schreibe ich als zweiten Brief = dies ist der zweite Brief, den ich schreibe“ u.ä.) [38].
Wenn man keinen Grund hat, sich einen früheren Zensus als den des Quirinius zu wünschen, gibt es sprachlich keinen Grund, den Vers anders zu verstehen, als es die überwiegende Zahl der Übersetzer tut. Aus Ios. ant.Iud. 17,42 [=17,2,4] auf einen landesweiten Loyalitätsbezeugungszensus zu schließen[39], halte ich für gewagt. Josephus' Formulierung[40] lässt manche Frage offen, und man darf auch ihm nicht alles unbesehen glauben. Und selbst wenn es diesen Zensus gegeben haben sollte, hätte Joseph (Marias Zukünftiger) dafür schwerlich nach Bethlehem reisen müssen.
Mt und Lk geben auch jeweils unterschiedliche Stammbäume Jesu. Mt ist es wichtig, dass Jesus Nachfahre Abrahams (mit dem die Beschneidung beginnt) und Davids (dem prototypischen König Israels, aus dessen Samen der Messias erwartet wurde) ist. Josef ist zwar nicht Jesu biologischer Vater, aber da er Jesus als Sohn anerkannt hat, ist dieser erbrechtlich sein und somit Davids Nachkomme. Dass Jesus davidischer Abstammung ist, betont auch Paulus (Röm 1,3) (während es Mt 20,30f || Mk 10,47f || Lk 18,38f vielleicht nur als messianischer Ehrentitel zu verstehen ist).
Mt führt die Abstammung Jesu in dreimal 14 Generationen von Abraham über Josef auf Jesus (bei der dritten Gruppe zähle ich allerdings nur 13). Damit ist wohl eine Periodisierung der Heilsgeschichte in drei Epochen beabsichtigt: die Zeit der Patriarchen und der Entstehung des Zwölfstämmevolks, die Zeit des Königreichs Israel (bzw. der beiden Reiche Juda und Israel), die nachexilische Zeit. Am Ende steht Jesus als Ziel der Heilsgeschichte und als Erbe der Heilszusagen an Abraham und David. Die Zahl 14 ist nur unter Auslassung einiger Generationen (z.B. zwischen Joram und Asarja/Usija die Könige Ahasja [2Kön 8,24], Joasch [2Kön 11,2] und Amazja [2Kön 12,22], vgl. 1Chr 3,11f) zu erreichen. Vielleicht besteht ihre Bedeutung darin, dass sie die Quersumme des Namens Davids (dwd = 4+6+4) ist.
Auffällig ist die Nennung von vier der Mütter: Tamar (deren Verhalten Gen 38 rein rechtlich Ehebruch darstellte), die kanaanitische Hure Rahab (Jos 2,1ff), die Moabiterin Ruth (Rut 1,4), Batseba (die Frau des Hethiters Uria, mit der David ein ehebrecherisches Verhältnis einging, 2Sam 11,3). Jesus hat also sehr menschliche Vorfahren und nicht alle sind „reinrassig“.
Lk führt die Abstammungslinie umgekehrt über Josef zurück bis Adam. Während Mt aber die Abstammung über die Linie der Könige von Juda verlaufen lässt (David - Salomo - Rehabeam usw.), geht Lk über den Davidssohn Nathan (2Sam 5,14; Sach 12,12), von dem wir sonst nichts weiter wissen. Bei Lk sind es insgesamt 77 Generationen, 57 bis Abraham. Indem Jesus am Ende einer Reihe steht, die mit Adam beginnt, erscheint er als Erfüllung der Menschheitsgeschichte. Ähnlich stellt auch Paulus in Röm 5,12-21 Adam und Christus gegenüber.
Harmonisieren lassen sich die beiden Stammbäume nicht. Nicht einmal bei den unmittelbaren Vorfahren Josefs (Vater, Großvater) stimmen sie überein.
Die älteste erhaltene bildliche Darstellung Marias mit Kind ist eine Wandmalerei in den Priscilla-Katakomben in Rom (frühes 3. Jh., Foto auf Wikipedia), allerdings zeigt sie keinen Bezug zur Geburt in Bethlehem. Die älteste erhaltene Darstellung der Geburtsgeschichte Jesu, der sog. Sarkophag des Stilicho in der Kirche Sant'Ambrogio in Mailand (ca. 385, s. nebenstehende Abb.), stellt das Kind in der Krippe flankiert von Ochs und Esel dar.
Älter sind Darstellungen der Weisen aus dem Morgenland, z.B. auf
Einige Hinweise verdanke ich hier: Jensen, Robin M.: „Witnessing the Divine. The Magi in Art and Literature“. Bible Review, 2001. Bible History Daily.)
Die figürliche Darstellung der Geburtsgeschichte wird auf Dt. Krippe genannt. Einfache Krippen zeigen nur die Heilige Familie (evt. mit Ochs und Esel), elaborierte Darstellungen kombinieren die Geschichten von Mt und Lk in ein Diorama mit Jesus in der Krippe, Josef und Maria, Ochs und Esel, Hirten mit Schafen, Engel, Weisen mit ihren Gaben und oftmals Kamelen, Stern von Bethlehem.
Es gibt einerseits historisierende Krippen mit orientalischem Ambiente und andererseits solche, die das Ereignis in die Gegenwart des Krippenbauers verlegen: Krippen aus dem Alpenraum zeigen z.B. Gebirge, Schnee, Almhütten, Hirten mit Tirolerhüten; afrikanische Krippen zeigen Menschen schwarzer Hautfarbe, strohgedeckte Rundhütten usw. Die neapolitanischen Krippen integrieren das Weihnachtsgeschehen in eine figurenreiche Darstellung des Alltags, wodurch es als Randereignis erscheint. Das Figureninventar wird mancherorts erweitert um volkstümliche Gestalten wie die provenzalischen Santons (Figuren aus dem Alltag der Provence, z.B. Schafhirten, Gemüseverkäufer, Scherenschleifer, Briefträger) oder den katalanischen Caganer (Person, die sich mit heruntergelassener Hose gerade entleert).
Im Laufe der Zeit sind viele Sonderformen entstanden, wie die kathedralenartigen, mit bunter Alufolie beklebten Krakauer Weihnachtskrippen; die sog. Weihnachtsberge aus dem Erzgebirge, die das Geschehen in eine bergige Landschaftsnachbildung (z.T. mit Bergwerksmotiven) einbetten; die drehbaren Weihnachtspyramiden; die lebenden Krippen, bei denen Menschen und Tiere das Geschehen nachstellen, u.a.m.
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 25. Mai 2024